August Silberstein
Herkules Schwach. Dritter Band
August Silberstein

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Fünfzigstes Capitel.

Der Abwechslung wegen steht der Inhalt dieses Capitels nicht auf seinem gebührenden Platze, sondern über dem vorigen Capitel.

In Schnepselmann's Leben und Dasein begann nun eine neue Phase.

Wie ein Alp lag es auf seinem Herzen, wie ein Traum kam es seiner Seele vor, daß er je Essenzen und Gichtpflaster für die Menschheit bereit gehalten hatte, daß er zur Selbstmaschinerie angetrieben, Bittschriften verfaßt, Heiraten gestiftet, verschiedene Geschlechter aus beiderseitiger Ruhe gestört, kurz daß er ein Universal-Agent war!

Wie wenn er als Raupe sich verpuppt und plötzlich als Schmetterling durchgebissen hätte, war ihm. Ganz neu, ganz anders, so fröhlich, so klar! Er sah in das Gewirr und Geknäuel der Vergangenheit hinein, als wie in etwas Fremdartiges, das ihn anstarrte und sonderbarlich um sein Lebens-Jetzt frug.

Er begriff gar nicht mehr, wie man Loppedizel zum Gegenstande haben könne! Wie es möglich wäre, daß man eine Mutzenberg und einen pensionirten Oberlieutenant zusammenbrächte! – Nachdem er Alles in »klarrer Verwirrung« betrachtet, fühlte er eine gewisse Höhe, eine innerlich Zinne, auf der sein Geist jetzt stand, und sah mit Verachtung auf das Andere hinab.

Er fühlte fortan nicht den geringsten Beruf eine Essenz zu verbreiten, ausgenommen etwa eine Punschessenz in fröhlicher Gesellschaft. Die Herzen Anderer sollten unbewegt bleiben, ausgenommen von seiner eigenen Gegenwart; keine 6 Magen solle gebürstet, keine Gicht bepflastert, kein Kind bissig, kein Kahlkopf harbebuscht, kein widerspenstiger Leib durch eigene Bemühung geregelt, kein Maria-Farina geläugnet und keiner erhoben werden – damit war es zu Ende, – das war eine alte, versunkene Welt! –

»Après moi le deluge,« sagte er, »nach mir die Sündfluth!« Und wirklich, von dem Datum seiner Agentur-Vernichtung bis jetzt, war noch keine Noth an einer Fluth von Heil-Sünden!

Aber auch in Schnepselmann's innerem Haushalte war es fortan ganz anders. Es ging geordneter, bürgerlicher, ruhiger und behäbiger her. Er fühlte den gewiegten Geschäftsmann und gedachte nur noch tiefer der Pflichten, die er gegen seine Familie als Erzieher und Pfleger zu erfüllen hatte.

Diesen wichtigen Abschnitt seines Lebens, diesen Triumf über alle hartnäckigen Hindernisse, diese solide Grundlegung von Schwach's Kapital, und diese gewinnbringenden Ergebnisse, sowol für benannten Herrn als den Urheber des Umsatzes, konnte Schnepselmann nicht ohne Festivität vorübergehen lassen.

Mit aller früheren Beweglichkeit, und fast mit derselben Konfusion, richtete er einen vergnügten Abend bei sich vor. Und Schwach, nebst Madame Trullemaier, mußten ihre sicherste Zusage geben, zu erscheinen. Krimpler war nicht zu bewegen, das Vorschützen seines Augenübels bei Seite zu lassen.

So war der Abend herangekommen. Schnepselmann, der das Präsidium seiner Tafel an Schwach abtreten wollte, aber in dem Vorschlage nicht reussirte, präsidirte der Festivität, und war unerschöpflich in Toasten, Erheiterungen, 7 Aufmunterungen und Verbreitung eß- und trinkbarer Artikel.

Etwas Geheimnißvolles lag jedoch in der großen Kinderstube, die Schnepselmann zu diesem Anlasse ausgeräumt und hergerichtet hatte. Und dieses Geheimnißvolle zog, von Aller Augen, nicht wenige Blicke auf sich.

Es war nichts Anderes, als ein von Tischtüchern und Bettdecken verfertigter Vorhang, der einen Theil des Zimmerhintergrundes verbarg. Und so sehr sich Mancher oder Manche bemühten, hinter den dichten Schleier zu gucken, ebenso sorgfältig hatte Schnepselmann, durch vorsichtigste Verwahrung, jedes Eindringen in das Heiligthum unmöglich zu machen gewußt.

Was aber das Räthselhafteste blieb und auf Seite der Madame Trullemaier anfänglich sehr vieler Beruhigung bedurfte, war, daß Alexi gänzlich und durchaus bei der Festivität unsichtbar verblieb!

Schnepselmann versicherte nur auf das Festeste und Vertrauenswürdigste, daß sich der gute Junge, zu vollkommenster Zufriedenheit, wohlbefinde und von seinem Nichtverschwundensein die glänzendsten Beweise geben werde.

Poll legte, da sein würdiger Kollege Alexius nicht anwesend war, geschäftig überall Hand an. Ob er von dem Geheimnißvollen mehr wußte, oder auch nicht, konnte aus seinem Lächeln nicht entnommen werden; denn gelächelt wurde von Poll bei festlicher Gelegenheit jedesmal, in zuträglichster Weise.

Plötzlich, nach vollendeter Tafel, erschien ein kleiner, blondperrückiger Klarinetist, den Schnepselmann noch mit alter Universal-Geschicklichkeit aus der Mitte der Menschheit herausgegriffen hatte, und nahm – nachdem er so freundlich 8 gegrüßt, als es irgend einem Klarinettisten in der Welt möglich gewesen wäre – an der Seite des Vorhanges und eines näselnden Familienklavieres Schnepselmann's Platz.

Eine sehr merkwürdige Piece begann auf dem lieblichen Holz- und Klappeninstrumente, mit Klavierbegleitung eines Schnepselmann'schen Töchterchens. Schnepselmann arangirte indeß mit dem möglichst geringen Geräusche die Stühle, wie vor einem Schauplatze, zwang Herren und Damen auf die Sitze – klappte in die Hände – und der Vorhang rollte in die Höhe!

Da stand Alexi, in sehr merkwürdigem und höchst abenteuerlichem Gimnastiker-Kostume.

Großes »Ah!« von vielen Stimmen, vielseitiges Gelächter!

Schnepselmann besteigt den etwas erhöhten Boden der Tribune, wirbelt seine Finger durch die Hare, und hält mit ernstester, würdevollster Miene eine Rede.

»Meine hochgeehrtesten anwesenden Herrschaften, Herren und Damen!

Seit langer Zeit beobachte ich schon das Talent eines Jünglings, des anwesenden, vor Ihnen sich befindenden Alexius Trullemaier, Sohn der würdigen Madame Trullemaier. Das Talent eines Jünglings, sage ich, das sich wirklich in den erstaunlichsten Erscheinungen kund gegeben hat! Da war kein Strick im ganzen Hause, den er nicht zu gimnastischen Produktionen verwendete, kein Balken auf dem er nicht ritt, sprang, sich drehte und wirbelte; da ist kein menschliches Glied, das dieser Jüngling in ungeahntester Weise zu verdrehen nicht die Kunst und den Willen besäße! – Ich kann es nicht läugnen, daß so manche kleine Unannehmlichkeit für mich daraus entstand, namentlich was 9 die Löcher in den Köpfen meiner kleinen Kinder betrifft. Aber zuletzt muß doch die Anerkennung des Talentes und Genies über alles Hindernde siegen. Und ich habe das Genie anerkannt, ich habe beschlossen, Alexius in seiner vollen Talentkraft vorzuführen und Ihnen eine volle Genieprobe seinerseits zu verschaffen, damit Sie über meine Ansichten, welche mit seiner Zukunft innig zusammenhängen, gütigst entscheiden mögen! – Sehen Sie ihn an. Von Kopf bis zu den Sohlen, was er auf sich hat, ist Produkt seiner Erfindungskraft und seines künstlerischen Strebens. Ich habe das gesammte Kostume erst entdeckt und ursprünglich konfiszirt, als ich in selten untersuchten Winkeln meines Hauses letzthin aufräumte. Die schwarz und weiß quergestreiften, zebrahautähnlichen Trikots, meine Herrschaften, sind nichts Anderes, als die abwendig gemachten Reste von mir früher verschlissenen patentirten Gichtstrümpfen! Die beiden weiten Oeffnungen der Schenkel, hat das Genie benützt, um sich vollständig anschmiegende Beinkleider zu verschaffen. (Großes Gelächter.) So erheiternd der Einfall und der Anblick sein mögen; so zeigt dieses unablässige Streben und Sinnen, das weit über alle Turnbestrebungen unserer Zeit hinausgeht, dennoch, wie sehr Ernst es dem jungen Talente um Ausbildung der Fähigkeiten und um Erlangung des ersehnten Zieles sei. – Dieser himmelblaue Brustschmuck ist nichts Anderes, als eine alte Schürze meiner theueren Gemalin, welche alte Schürze als der Werthlosigkeit anerkannt, bereits nicht mehr ein Gegenstand unserer Aufmerksamkeit war, und daher leicht in des strebsamen Jünglings Hände kommen konnte. – Bedauern muß ich eines Theils, daß die rothen Zierrathen den Kopfputz meines jüngsten Säuglings bildeten, auf dessen Haube sie, als 10 noch neue rothe Bänder, wirklich nicht unangenehm zu sehen waren, doch seit einiger Zeit als vom Winde entführt angegeben wurden. Die grün und orangefarben Aermel sind kunstreich aus Schlafmützen verfertigt, welche ein ebenfalls erfinderischer Freund des Talentes, Franz Nobbe, Schusterjunge seines Berufes, heimlich beigesteuert. Benanntes zweites junges Talent wird ebenfalls die Ehre haben vor Ihnen zu erscheinen und mit seinem Freunde, wol nur in untergeordneter Stellung, aber doch beihelfend, jene Kunststücke auszuführen, welche lange ein Gegenstand ihres heimlichen Fleißes waren. – Die Stirnbinde ist von Goldpapier, ein Artikel, den die Packetirungen meiner Kommissionswaren hin und wieder lieferten. – So sehen Sie ein Talent vor Ihnen, das Alles was es besitzt, sich selbst zu verdanken hat. Und ich lenke – in allem Ernste – Ihre Aufmerksamkeit darauf, daß der Fleiß und das beharrliche, erfinderische Streben des jungen Mannes, Anerkennung verdienen! – Die Hauptsache aber, die erlangten Kunststücke, werden Sie selbst sehen; und ich sage: selten hat ein junges Genie solche Fertigkeit, Biegsamkeit, Verrenkbarkeit der Glieder dargethan! Alexius hat einen unbezwingbaren Hang zur Kunstreiterei; und so wenig man Kolumbus von seiner Entdeckungsreise nach dem Westen hätte abhalten sollen, ebensowenig, denke ich, sollte man Alexius von seinem Drange zur Kunst abhalten. Denn erinnern Sie sich an Franconi in Paris, an die Lejars und Cuzent, an die Guerra, Renz und die vielen Andern dieses Faches. welche so vielen Ruhm und so vieles Geld errungen! – Man weiß nie, was aus einem Menschen wird! Und die Freiheit der Person ist eine zeitgeistige, rechtmäßige Fortschritts-Forderung! – Ich habe Alexius' 11 Streben längere Zeit schmerzlich empfunden; ich muß es anerkennen; aber endlich ist der Entschluß in mir gereift, auch seine Kunst, sein junges Talent zu unterstützen, und ebenso in seiner gegenwärtigen Produktion, als in seiner Zukunft, eine Entschädigung für Erlebtes und Ausgestandenes zu suchen. – Sehen Sie und urtheilen Sie! Das Thema wird den Stoff unserer künftigen Unterhaltung bilden. –

Und nun Nobbe vor!«

Nobbe erschien verschämt, und zwar nur halb, aus einem weißen Vorhange an der Seite. Schnepselmann nahm ihn an der Hand und zog den ebenfalls seltsam Kostumirten vollends in den Vordergrund.

»Franz Nobbe,« fuhr der frühere Redner fort, »ist der geheime Agent, Mitprojektor und Mitvollender bei den Thaten seines Freundes Alexius. Nicht ganz ist das Kostum ein Erzeugniß ihrer beiderseitigen heimlichen Thätigkeit. Das Schicksal hat es gewollt, daß ich ihnen hinderlich in den Weg trat. Aber daß der rechte Strumpf seiner weißen Trikots bereits vorhanden war, und als der Schustermeisterin angehörig von Nobbe zugestanden wurde, muß ich ebenfalls zu seiner Ehre anerkennen. Der zweite Strumpf ist schon eine freiwillige Gabe meinerseits; so wie sich das ganze Uebrige, theils aus bereits vorhandenen unerklärlichen Resten, die in dem geheimen Depot der beiden Freunde sich vorfanden, theils aus weitern freiwilligen Gaben zusammengesetzt, die ich, zum Besten des heutigen Abends, und der Zukunft, ausfolgen ließ. – Und nun bitte ich den anwesenden Herrn Musiker, ein bezügliches angenehmes Stück auf seinem Instrumente vorzutragen, damit uns die Künstler amüsiren können. – Achtung gegeben, meine Herren und Damen – die Produktion geht los!« 12

Somit stieg Schnepselmann, mit einem Gemenge von heiterer und ernster Miene, von seinem Rednerplatze, wirbelte die Finger durch die Hare und ward sofort sehr angelegentlichst im Gespräche von allerlei Personen beschäftigt.

Der Musiker blies seine Backen auf, eine Quadrille ging darauf los; und als Schnepselmann noch einigemale auffordernd beiden Gimnastikern gewinkt hatte – die stumm und starr dastanden und von der Rede nur so viel verstanden wie ein Tartar, der eben über die deutsche Grenze gekommen – begann in Wirklichkeit die Produktion.

Die beiden Jungen machten die tollsten Verrenkungen. Und als sie erst von einigen heiteren »Bravo« ermuntert waren, mußte man wirklich scharfe Augen haben, um ihre Hände und Beine und Köpfe auseinander zu finden. Alexius trieb es nun mit seiner ganzen ausgelassenen Zuversichtlichkeit, die sich hier noch ermuntert sah und zu der das künstlerische Bewußtsein hinzukam. Er drehte und wirbelte und hopste, reckte und streckte sich, bald wie ein Al, bald wie ein Frosch, bald wie ein Hauskater. Bald stand er auf dem Kopfe, bald auf den Händen, bald schwebte er in der Luft, bald hatte er die Beine hinter den Ohren, bald die Nase an den Schuhsohlen, jeden Augenblick etwas Anderes, aber immer Erstaunliches, Merkwürdiges. Und wenn auch manchmal sein oder des edlen jugendlichen Freundes Kopf im Anprallen an dem Podium einen Ton von sich gab, als ob ein Küper auf ein hohles Faß gepocht hätte, so war dies kein Gegenstand der geringsten Unterbrechung von Seite der Künstler, höchstens mit einem kleinen Jucken abgemacht, und im Gegentheile noch eine Ermunterung zu neuen Anstrengungen.

Madame Trullemaier wußte Anfangs nicht, solle sie 13 lachen oder weinen, sich schämen oder freuen. Als aber Schnepselmann bei ihr erschien, dem sie jedenfalls eine ernste Rede zu halten geneigt war, da faßte dieser Herr die ganze Angelegenheit von einer so ernsten Seite auf, daß die Trullemaier nicht im Geringsten an seinen besten Absichten zweifeln konnte.

»Liebste Madame!« sagte Schnepselmann, »sehen Sie nur hin – ist das nicht höchst merkwürdig, genial? Haben Sie schon so etwas von einem Dilletanten gesehen? Was sind Turner dagegen! Sehen Sie ihn gegen Nobbe an; welcher Unterschied! Der Junge ist ein großes Genie! Es ist erstaunlich! – Was soll er in Zukunft bei mir? Lebensessenz vernichten, Papierdrachen machen, Pomade statt Butter essen, Stiefel mit Frottirbürsten reiben, Wasser mittelst Selbstspritzen in die Fenster treiben, Magenpillen werfen? – Meine geehrteste Madame Trullemaier, das sind nur Aeußerlichkeiten, die aus seinem Genie innen entspringen und seinen gehemmten Kunstgliedern einige Bewegung verschaffen. Ich verzeihe sie ihm! Er wird anderswo schwer oder gar nicht fortkommen. Sein eigentlichster Beruf ist Kunstreiterei, Gimnastik! Sie haben wiederholt gehört, mit welchem festen Willen er sein Ziel anstrebt. Er kann ja ein großer, glücklicher Mann werden!«

»Wieso?« fragte die Trullemaier, deren eitle Mütterlichkeit ebenso geschmeichelt, als deren wirkliche Theilnahme für die Zukunft ihres Alexi erregt war.

»Wieso? Lejars hat sich zum Hofstallmeister Sr. Hoheit des Großsultans emporgeschwungen, Cuzent ist zum ersten kaiserlichen Bereiter und Pferdekünstler des Czars von Rußland ernannt worden, Franconi, Guerra, ebenso Renz haben in Paris, Wien und Berlin von ihrem erworbenen 14 Gelde große Cirkusse erbaut; gehen Sie nach Frankreich, Spanien, England, Amerika, welche reiche, berühmte Kunstreiter oder Gimnastiker finden Sie!

»Und glauben Sie . . . .?«

»Ob Alexius ihnen gleich kommen kann? – Ich sage Ihnen, Alexi muß alles bisher Dagewesene überbieten! Wenn Alexi so aufwächst, dann werden alle Andern, wie sie heißen, nur Stümper gegen ihn sein! – Es ist seltsam, ein Gimnastiker oder Kunstreiter zu werden, das ist wol richtig. Aber gibt es nicht die seltsamsten Schicksalswege zum Glücke? Wenn alle Menschen in der gewöhnlichen Bahn bleiben wollten, so gäbe es keine außerordentlichen, keine Künstler!«

»Und was erwirbt so ein . . .?«

»Was er erwirbt? Das hat ja keine Grenzen! Anfangs natürlich wenig, mit der Kunst steigt die Gage; und wenn er einige tausend Thaler jährlicher Gage erhält, so ist das eine Kleinigkeit! Er kann Prinzipal, Hofkünstler, Kapitalist und pensionsfähiger Beamter des Marstalles werden! Ihr noch entferntes – Alter, Madame, kann durch ihn zur glänzendsten Ruhezeit werden!«

Madame Trullemaier, wol schon geblendet, machte doch noch weiters Einwürfe, erwähnte sogar Poll's Meinungen und die Aeußerungen eines Mannes vom Fach, den sie bei Gelegenheit gesprochen. Schnepselmann warf jedoch ihre Meinungen mit seiner siegenden Beredsamkeit und seinen großartigen Entgegnungen zu Boden. Er äußerte sich dahin, wenn man von Noth unter Künstlern spreche, so sei dies gerade so gut, als ob man Jemanden abrathen wollte, Kaufmann zu werden, da täglich so viele zu Grunde gingen. Und was wolle die Aussage eines Menschen bedeuten, der 15 in der Kunst Bankerott gelitten? Ein zu Grunde gegangener Kaufmann wolle Handwerker, ein verpfuschter Handwerker wolle Kaufmann werden. Ein Genie ist überall hoch erhoben und auf seinem Platze! – »Und denken Sie,« sagte zuletzt Schnepselmann, »wenn alle Zeitungen von seinem Ruhme voll sind; wenn ganze Städte, Residenzen, nur von dem berühmten, eleganten Künstler Trullemaier sprechen! Oder heißen Sie ihn Trolmario! Wenn die Bevölkerungen zu ihm eilen und seiner glänzenden, herrlichen Erscheinung zujauchzen! – Welcher Stolz, welche Wonne für Sie!« –

»Versäumen Sie nichts,« setzte der Redner hinzu, als er sah, daß die würdige Dame von ihm fast unwiderstehlich besiegt sei und lächelnd eine Zukunft voller Ruhm und blanker Goldstücke vor sich sehe, »lassen Sie sich durch nichts abwendig machen, und engagiren Sie das junge Genie, so bald als möglich, bei einer guten Künstlergesellschaft. Ich entlasse Alexius gerne – und mein väterlicher Segen folgt ihm!« –

Schnepselmann breitete die Hände aus, als segne er den jungen Künstler, und es ist Schade, daß dieser eben auf dem Kopfe stand und somit jenen Segen auf die Fußsohlen empfing, der doch dem Zenithe seiner Frisur gemeint war.

Im Hintergrunde stand Poll und lächelte ironisch zu Schnepselmann's Reden, oder machte dazwischen ein betrübtes Gesicht. Als er aber sah, daß sein Kopfschütteln in der Einsamkeit nichts nütze, ließ er davon ab, stellte ein Bein über das andere, schob eine Hand in die Brust seiner Weste und murmelte gelassen vor sich hin: »Philosophie!« 16



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