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20.

Malinka und Lula saßen schweigend im Stübchen der letzteren. Es war ein schmerzhaftes Schweigen. Es waren gar schwere Lebensmomente, die mit all ihrem Gewichte auf der armen Lula lasteten. Was sie Heiliges im Busen bewahrte, war profaniert, in den Staub getreten. Sie hatte in diese Liebe die besten Partien ihres moralischen Seins hineingelegt, sie hatte ihren Sieg wie eine Hochzeitsfeier begangen – durch die Gewalt dieser Liebe erhob sie sich vom momentanen Falle, besiegte die Familienvorurteile, wies die Hand eines sie liebenden Mannes zurück und opferte eine ruhige Zukunft, ein Leben im Überflusse, die eigene Unabhängigkeit – und für all das vergalt man ihr mit der Kunde, dass der, den sie liebte – heirate! – O! Sie hatte noch mehr verloren! Das ätherische, engelreine Wesen, das in den frühern Tagen ihr Lebenselement gewesen, war jetzt unter dem Schutte des Zweifels vergraben. Ihr Gemüt konnte bis zum Boden vertrocknen! Verlor sie nicht mit der Liebe auch den Glauben und die Hoffnung – wenn auch nicht in religiösem Sinne – wohl aber in ihrem ganzen materiellen Lebenswerte? Der feste Boden schwand ihr unter den Füßen Sie sollte nun in einem ruderlosen Boot in die uferlose Zukunft sich einschiffen. Eine Waise, wurde sie heute von edlen Herzen gehegt und gepflegt, morgen konnte sie hungrig, ohne einen Bissen Brot in der Welt dastehen – heute noch so rein, dass aus ihrem Busen Lilien blühen konnten, konnte sie in der Zukunft diese Reinheit beflecken, wenn auch nur mit der Galle der eigenen Bitternis; – heute noch ein halbes Kind, – der Frühling eines Maimorgens! erwartete sie durch viele, viele Jahre der unfruchtbare Herbst des Lebens. Gedemütigt, gebrochen »wie das Bäumchen vom Sturme«, aus dem moralischen Besitze gestoßen, fürs Glück abgestorben, mit trockenem, glühendem Auge, drückte sie die weinende Malinka krampfhaft an sich. Lula weinte nicht; wenn der Tränenquell auch noch nicht versiegt war, der Zorn trocknete ihr die Augen. Malinka weinte übrigens für zwei.

*

Am andern Morgen erhielt die Gräfin zwei Briefe – den einen von Pelski, den andern von Schwarz.

»Mein Fräulein! (schrieb Pelski). Der Schmerz, den ich in Folge Ihrer abschlägigen Antwort empfand, gestattete mir nicht zu überlegen was ich sprach. Ich wies die mir von Ihnen angebotene Freundschaft zurück; ich bedauere es jetzt. Wenn ich mir auch Ihr Verfahren mir gegenüber nicht ganz erklären kann, sehe ich doch, dass Sie der Stimme des Herzens gefolgt sind. Möge diese Stimme Sie nicht getäuscht haben! Wenn Ihr Erwählter Sie so wie ich liebte – ich würde betreffs echtes Glückes ruhig sein. Ich werfe ihm nichts vor, ich wage nicht einen Mann, den Sie lieben, zu beurteilen. Was mich betrifft, der von der harten Notwendigkeit gezwungen der Hoffnung Sie zu besitzen entsagen muss, flehe ich Sie um die Gnade, mir die im Momente des Schmerzes ausgesprochenen Worte nicht nachzutragen und zu gestatten zurückzukehren, und um die ohne Erwägung verworfene Freundschaft zu bitten, die für die Zukunft mein ganzes Lebensglück ersetzen soll.«

Schwarzens Brief brachte am Abend Augustinowicz. Lula wollte ihn nicht öffnen.

– Verursachen Sie ihm nicht diesen Schmerz – flehete Augustinowicz: denn auch so ist mein Alter vielleicht schon in diesem Augenblicke ...

Tränen erstickten ihm die Stimme, die übrigen Worte brachte er nur mit Mühe hervor. – Vielleicht sind es schon seine letzten Worte ... Gestern wurde er ins Spital gebracht, – flüsterte er nach einer Weile.

Lula wurde bleich wie Leinwand, sie war einer Ohnmacht nahe. Vergebens strengte sie sich an, die Ruhe und ein kühles Aussehen zu bewahren – ihr ganzer Körper zitterte wie Espenlaub – Dem sei wie ihm wolle, sie liebte Schwarz. Sie nahm den Brief aus der Hand Augustinowiczs. Der Brief lautete wie folgt:

»Mein Fräulein! Ich vermochte es, den Verlust Ihrer Hand zu ertragen, nicht aber den Ihrer Achtung. Lesen Sie und urteilen Sie! Ein sterbender Freund überließ meiner Fürsorge eine Fran, die er mit aller Kraft eines zerrissenen Herzens liebte, und deren Liebe ich ihm ohne meinen Willen entriss. Nach seinem Tode lernte ich sie näher kennen, und es schien mir, dass ich sie liebe. Zum Unglücke sagte ich es ihr. Dann ... Sie wissen, Geliebte, was dann stattfand. Vor mir selbst verheimlichte ich die unglückliche Zuneigung für Sie. Wie viel habe ich gelitten! O, vergeben Sie mir! Auch ich bin ein Mensch, auch ich musste lieben, ich offenbarte Ihnen aber mit Worten meine Liebe nicht. Als ich endlich meinem Gewissen gegenüberstand, als der Moment des Bewusstseins kam – urteilen Sie selbst, wie ich zu handeln hatte? Wohin gehen? Welche Wahl treffen? Ich schwur dem Sterbenden, der über alle Maßen unglücklichen Frau gab ich mein Wort, alles außer dem Herzen befahl mir Ihnen zu entsagen. Nicht durch meine Schuld erfuhren Sie erst gestern davon. Diese Kunde sollte Ihnen zugleich mit dem Erscheinen Pelskis zukommen. Das Unglück und der menschliche Leichtsinn gestalteten es anders. So verhält es sich nun! Urteilen Sie – Vergeben Sie, wenn Sie können. Adam sagt, dass ich krank bin ... Es ist so, die Gedanken verwirren sich, ich fühle eine Glut im Blute, aber im Schmerze und im Wirrsale sehe ich nur eines klar ... dass ich liebe! dass ich dich liebe, du Engel!?

Nach dem Durchlesen des Briefes verschwanden die letzten Reste von Zorn und Hochmuts von Lulas Stirne: auf ihrem schönen Antlitze lagerte milde, aber tiefe Wehmut.

– Pan Adam – sagte sie zu Augustinowicz: sagen Sie ihm, er habe gehandelt, wie er musste.

Augustinowicz war sich vor ihr auf die Knie.

– Auch mir verzeihen Sie! Ich war ungerecht; ich tat Ihnen unrecht, aber ich wusste nicht ... wahrlich, es war mir fremd, dass es solche Engel auf Erden gebe! ...


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