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Nach der Gefangennahme und Tötung Brauns verständigte sich Sakowitsch gleich mit dem Oberst Hamilton, einem Engländer in schwedischen Diensten, welcher Kommandant von Poniewiersch war. Sie beschlossen einen gemeinschaftlichen Feldzug gegen die Partei des Schwertträgers von Reußen, Herrn Billewitsch.
Zu jener Zeit war Babinitsch gerade wieder einmal verschollen. Man hatte schon seit einigen Tagen nichts mehr von ihm gehört. Sakowitsch machte sich auch nichts mehr aus der Nähe dieses von ihm so gefürchteten Kriegers; er wollte um jeden Preis Rache üben. Seit der Flucht Anusias war er toll vor Wut. Verfehlte Spekulation und verletzte Liebe hatten ihn fast um den Verstand gebracht; dabei litt er unter der Wunde an seinem Herzen. Anfangs hatte er Anusia nur deshalb zur Frau begehrt, weil sie die Erbin des großen Nachlasses ihres früheren Verlobten, Herrn Podbipienta, war, später verliebte er sich blindlings, zum Sterben, wie eben nur ein solcher Mensch sich verlieben kann. Seine Leidenschaft führte ihn dahin, daß er, der selbst seinen Herrn und sonst niemanden in der Welt fürchtete, er, dessen böser Blick schon die Menschen erbleichen machte, mit hündischer Ergebenheit ihr unterlag, ihre Launen ertrug und ihre Gedanken zu erraten suchte.
Sie hatte ihren Einfluß über alle Maßen ausgenutzt, hatte ihn sich mit Worten und Blicken dienstbar gemacht wie einen Sklaven, zuletzt hatte sie ihn verlassen.
Sakowitsch gehörte zu jenen Menschen, welche anderen das als Tugend anrechnen, was ihnen selbst Nutzen bringt, als Schuld das, was ihnen Schaden zugefügt. So betrachtete er denn auch Anusia als die größte Verbrecherin, für die keine Strafe zu schwer war. Wäre ein anderer von dem gleichen Geschick betroffen worden wie er, so hätte er ihn ausgelacht und verspottet; doch er selbst brüllte wie ein verwundeter Stier und dürstete nach Rache. Er mußte die Verbrecherin in seine Gewalt bekommen, tot oder lebendig. Lieber wäre sie ihm lebend, denn dann könnte er erst Kavaliersrache an ihr üben, bevor er sie tötete, doch war es ihm auch recht, wenn sie bei dem geplanten Ueberfall zu Grunde ging, wenn sie nur keinem anderen mehr gehören konnte.
Um ganz sicher zu gehen, sandte er einen bestochenen Boten mit einem Briefe an den Schwertträger, welcher angeblich von Babinitsch war. Der Brief brachte die Nachricht im Namen des letzteren, daß er innerhalb acht Tagen in Wolmontowitsch eintreffen werde.
Der leichtgläubige Schwertträger glaubte diesem Schreiben und da er auf die unbesiegbare Gewalt des Herrn Babinitsch vertraute und kein Geheimnis aus der erhaltenen Nachricht machte, so quartierte er sich nicht nur selbst in Wolmontowitsch ein, sondern das ganze Laudaer Land geriet in Aufregung und Bewegung. Wer nicht schon aus den Wäldern heimgekehrt war, der zog jetzt herbei, einmal, weil die Nächte schon kalt wurden, dann aber auch aus Neugier auf den berühmten Krieger.
Währenddessen kamen von Poniewiersch her, nach Wolmontowitsch zu, die Schweden unter Hamilton, von Kiejdan schlich sich Sakowitsch wie ein Wolf heran.
Der Letztere hatte keine Ahnung, daß gleichzeitig mit ihm, ihm dicht auf den Fersen, ein Dritter auch wie ein Wolf nach Wolmontowitsch zu schlich. Er hatte zwar keine Aufforderung dazu erhalten, aber es war so seine Art, immer da zu erscheinen, wo er am wenigsten erwartet wurde.
Kmiziz ahnte gar nicht, daß Olenka sich bei der Partei des Herrn Billewitsch befand. In Tauroggen, welches er geplündert und niedergebrannt hatte, war ihm auf seine eingezogenen Erkundigungen gesagt worden, daß sie samt dem Fräulein Borschobohata geflohen sei; er hatte dann angenommen, daß die Beiden nach Bialowiersch in die Heide gegangen waren, wohin auch die Frau Skrzetuska und andere Edelfrauen sich geflüchtet hatten. Er war um so mehr zu dieser Annahme berechtigt, da er wußte, daß der alte Schwertträger schon lange die Absicht gehabt hatte, seine Brudertochter dorthin zu bringen. Es war kein kleiner Kummer für ihn gewesen, als er sie nicht in Tauroggen gefunden hatte, andererseits freute er sich, daß sie den Händen des Sakowitsch entwichen war, und bis zum Ende des Krieges sich in einem sicheren Versteck befand.
Da er ihr nicht sogleich in die Heide folgen konnte, hatte er beschlossen, den Feind in Smudz unterdessen auszurotten, so lange bis kein Schwede mehr zu finden war. Das Glück begünstigte ihn dabei. Seit ein und einem halben Monat hatte er Sieg auf Sieg errungen, das bewaffnete Volk strömte ihm in Massen zu, binnen kurzer Zeit bildete sein Tschambul nur noch den vierten Teil seines Heeres. Endlich war er mit den Feinden in der westlichen Smudz fertig geworden; da er von dem Zuge Sakowitschs gehört und mit ihm noch abzurechnen hatte, so zog er nun der ihm bekannten Lauda zu und ging dicht hinter ihm her.
Auf diese Weise waren beide bis in die Nähe von Wolmontowitsch vorgedrungen.
Der Schwertträger residierte nun dort schon seit einer Woche, ahnungslos, welch schreckliche Gäste er bald zu empfangen gezwungen sein werde.
Eines Abends sandten die Hirtenknaben der Butryms, welche hinter Wolmontowitsch die Pferde weideten, einen Boten dorthin und ließen sagen, daß fremde Soldaten aus dem Walde herauskämen und sich dem Gute von Süden her näherten. Der Schwertträger war doch zu sehr alter, erfahrener Soldat, als daß er jede Vorsichtsmaßregel verabsäumt hätte. Seine Füsiliere, welche zum Teil von den Domaschewitsch schon mit Waffen ausgestattet waren, hatte er teils in unlängst erbauten Häusern untergebracht, teils mußten sie das Drehrad am Eingange des Dorfes bewachen. Er selbst hatte mit den Reitern auf dem großen Weideplan hinter den Gartenzäunen, welcher auf einer Seite an den Fluß stieß, Stellung genommen. Der Schwertträger hatte diese Vorrichtungen meist darum getroffen, um ein Lob des Herrn Babinitsch zu ernten, welcher sich auf gute Anordnungen ja verstehen mußte. Seine Stellung war aber auch wirklich eine gute und geschützte.
Die Hufbauernhöfe waren nach dem Brande, welchen Kmiziz in jener Zeit aus Wut über die Ermordung seiner Kumpane angesteckt hatte, allmählich wieder aufgebaut worden. Als aber später der Schwedenkrieg die Arbeit unterbrochen hatte, da hatten sich in der Hauptstraße des Ortes eine Menge Balken, Bretter und Querhölzer angesammelt, die in wilder Unordnung dort umherlagen. Besonders lagen ganze Haufen Bauholz vor dem Drehrade des Thoreinganges, und die Füsiliere konnten im Notfalle denselben ziemlich lange verteidigen.
Auf jeden Fall waren die Reiter vor einem plötzlichen Ueberfall gesichert. Der Schwertträger wollte seine Kenntnis der Kriegskunst vor dem Herrn Babinitsch auch dadurch beweisen, daß er eine kleine Streifpatrouille ausschickte.
Wie groß aber war sein Staunen, im ersten Augenblick auch sein Schreck, als er plötzlich von der Waldseite her Musketenschüsse hörte. Gleich darauf sah er seine Patrouille auf dem Wege dahergejagt kommen, eine Wolke Feinde hinter sich.
Der Schwertträger trabte schleunigst zu seinen Füsilieren, um noch die letzten Befehle zu erteilen, während aus dem Walde immer mehr Feinde hervorbrachen und wie Heuschrecken mit in der untergehenden Sonne blitzenden Waffen auf Wolmontowitsch zustürmten. Das Wäldchen war nahe; als daher die feindlichen Reiter etwas näher an das Drehrad herangekommen waren, nahmen sie einen tüchtigen Anlauf, um dasselbe mit einem Ansturm zu nehmen. Da empfing sie eine Gewehrsalve, welche sie veranlaßte, plötzlich stille zu stehen. Die ersten Reihen gerieten sogar in Unordnung und nur einige wenige drangen auf den Pferden bis dicht an die Ansiedelung vor.
Der Schwertträger war inzwischen zu seinen Reitern gesprengt und befahl denjenigen, welche im Besitze von Pistolen waren, den Füsilieren zu Hilfe zu eilen.
Doch der Feind schien ebenfalls mit Musketen bewaffnet zu sein, denn auch er eröffnete nun ein heftiges, aber unregelmäßiges Feuer, welches von beiden bald schneller, bald mit Unterbrechungen fortgeführt wurde. Die pfeifenden Kugeln flogen hinüber bis zu den Reitern, polterten an die Häuser, schlugen in die Zäune und Balken. Wolmontowitsch war in Rauch gehüllt, Pulverdampf und Dunst erfüllte die Straße.
Nun hatte Anusia, was sie gewollt – eine Schlacht!
Beide Fräuleins hatten auf Befehl des Schwertträgers sofort ihre Klepper bestiegen, damit sie, wenn die Uebermacht des Feindes sich zu groß erweisen sollte, zugleich mit den anderen entfliehen konnten. Man hatte sie in den hinteren Reihen bei den Reitern untergebracht.
Obgleich Anusia ihr Säbelchen an der Seite hatte und das Luchsmützchen ihr keck auf dem Kopfe saß, bebte sie dennoch vor Angst. Sie, die so gut verstand, im Gemach mit den Offizieren umzugehen, fand nicht eine Spur von Energie, jetzt, wo sie den Söhnen Bellas Auge in Auge gegenüber stand. Das Pfeifen und Poltern der Kugeln flößten ihr Furcht ein; die Verwirrung, das Hinundherrennen der Ordonnanzen, das Knallen der Büchsen und das Stöhnen der Verwundeten betäubte sie und der Pulverdampf raubte ihr den Atem. Ihr wurde übel und schwach; ihr Gesicht war kreideweiß; und sie wand sich und pipste wie ein Kind. Einer der Soldaten, der junge Herr Olescha aus Kiemnar, mußte sie zuletzt in seine Arme nehmen. Er hielt sie fester als wohl nötig war und hätte sie so halten mögen bis ans Ende der Welt.
Da fingen die Soldaten rings umher an zu lachen.
»Ein Ritter im Unterrock!« riefen mehrere Stimmen. »Setzt die Henne aufs Nest!« riefe« andere, »rupft ihr die Federn,« wieder andere.
Dann tönte es:
»Herr Olescha! Ihr habt eine Scheibe vor die Brust genommen, doch wahrt euch – denn Kupidos Pfeil findet desto leichter den Weg in euer Herz! ...«
Diese Soldaten waren gut gelaunt.
Andere wieder blickten voll Bewunderung auf Olenka, welche sich ganz anders verhielt. Anfangs war auch sie erbleicht, auch sie konnte sich nicht enthalten, den Kopf zu ducken und die Augen zu schließen, als die ersten Kugeln um ihre Ohren sausten. Doch bald erwachte ihr Rittermut; ihr Gesicht rötete sich, sie glühte wie eine Rose. Mit erhobenem Kopfe blickte sie vor sich hin. Ihre Nüstern weiteten sich und schienen mit Wonne den Geruch des Pulvers einzusaugen. Als dann der Rauch und Dampf am Drehrade immer größer wurde und die Aussicht versperrte, schob das mutige Mädchen ihr Pferd mit denen der Offiziere vorwärts, um den Verlauf des Gefechtes besser zu verfolgen, ohne recht zu wissen, was sie that.
Ein lobendes Gemurmel entstand im Gedränge der Reiter.
»Ah, das ist Heldenblut! Das ist ein Soldatenweib! Ein herrlicher Volontarier!«
»Vivat das Fräulein Billewitsch!«
»Eilen wir vorwärts! Vor solchen Augen lohnt es sich zu kämpfen.«
»Auch die Amazonen konnten dem Kugelregen nicht mutiger entgegengehen!« schrie ein junger Soldat, im Eifer der Begeisterung vergessend, daß die Amazonen noch vor der Erfindung des Pulvers lebten.
»Es wäre Zeit, ein Ende zu machen! Die Füsiliere haben sich tapfer benommen und die Feinde sind ermüdet!«
Wirklich konnten die feindlichen Reiter nichts gegen die Verteidiger ausrichten. So oft sie einen Anlauf nahmen, wurden sie mit einer Musketensalve zurückgeschlagen; sie gerieten immer aufs neue in Unordnung. Und wie die Meereswelle, wenn sie nach der Flut zur Ebbe zurückkehrt, Muscheln, kleine Steinchen, ja selbst tote Fische zurückläßt, so blieben auch hier nach jeder Attacke einige Menschen oder Pferdekörper zurück.
Endlich hörten die Attacken ganz auf. Nur vereinzelt noch fielen Pistolen- und Musketenschüsse, wie um die Aufmerksamkeit der Billewitsch'schen zu fesseln. Dagegen nahm der Herr Schwertträger, welcher auf den Mauerecken bis unter die Dachrinne des Gutshauses geklettert war, eine Bewegung in den hinteren Gliedern des Feindes, nach den Feldern und dem Gestrüpp zu, wahr, welche sich linkswärts von Wolmontowitsch hinzogen.
»Von dort aus wollen sie uns angreifen!« schrie er und schickte sofort einen Teil der Reiter zwischen die Häuser, damit sie von den Obstgärten aus dem Feinde Widerstand leisteten.
Eine halbe Stunde darauf hatte das Gefecht von neuem begonnen, die Musketensalven kamen vom linken Flügel der Partei.
Die umzäunten Gärten verhinderten zwar ein Handgemenge, sie erschwerten aber den Kampf auf beiden Seiten. Dazu hatte der Feind jetzt Platz, sich zu einer langen Linie zu entwickeln, und war daher auch weniger den Kugeln ausgesetzt.
Allmählich wurde der Kampf immer erbitterter und mühsamer. Man hatte den Anlauf gegen das Drehrad nicht aufgegeben und setzte die Attacken dort eifrig fort.
Der Schwertträger wurde besorgt.
Rechts blieb ihm noch die weite, freie Aue, an welche sich das schmale, aber tiefe und sumpfige Flüßchen anschloß. Ein Ueberschreiten desselben konnte, in der Eile ausgeführt, gefährlich werden. Nur an einer einzigen Stelle war am flachen Ufer eine Furt ausgetreten, durch welche das Vieh in den Wald getrieben wurde.
Herr Thomas schielte immer öfter dort hinüber.
Plötzlich entdeckte er zwischen den Weidenbüschen im Abendrot glänzende Waffen und eine schwarze Heeresmasse.
»Babinitsch kommt!« dachte er.
In diesem Augenblick ritt Herr Chrschonstowski, welcher das Kommando bei den Reitern hatte, schnell an ihn heran.
»Vom Flusse her kommen schwedische Füsiliere!« schrie er entsetzt.
»Das ist Verrat!« rief Herr Thomas! »Macht, daß ihr mit eurer Schwadron diesen Füsilieren entgegen kommt, sonst fallen sie uns in die Flanke.«
»Es sind ihrer zu viele!« antwortete Chrschonstowski.
»Sucht sie wenigstens so lange aufzuhalten, bis wir uns in den Wald gerettet haben.«
Chrschonstowski galoppierte davon und trabte in kurzem mit seiner Schwadron von zweihundert Mann über die Aue. Als die feindliche Infanterie das sah, formierte sie sich schnell im Dickicht der Weiden, um den Feind zu empfangen. Gleich darauf schickten sich die Reiter zur Attacke an und aus den Weidenbüschen stieg der Rauch der ersten Musketensalve auf.
Der Schwertträger zweifelte jetzt nicht nur am Siege, sondern auch an der Errettung durch Flucht.
Er konnte mit einem Teil der Reiter vielleicht noch den Rückzug in den Wald antreten, um die beiden Mädchen in Sicherheit zu bringen. Doch dieser Rückzug glich einer vollständigen Niederlage, denn er mußte dann seine Füsiliere und alle die Laudaer Menschen, welche herbeigeeilt waren, Herrn Babinitsch zu sehen, unter das Messer der Feinde liefern. Wolmontowitsch würde dann der Erde gleichgemacht werden.
Es blieb nur die eine Hoffnung, daß es Chrschonstowski gelang, die Reihen der Füsiliere zu durchbrechen.
Unterdessen war es dunkel geworden, doch das Dunkel wurde bald genug erhellt, denn die Spähne und Splitter des Bauholzes am Drehrade waren in Brand geraten, sie entzündeten die nebenstehende Hütte und bald stieg die rote Lohe zum Himmel empor und leuchtete über das Dorf.
Bei ihrem Schein sah der Herr Schwertträger, wie die Reiter Chrschonstowskis in regelloser Flucht über die Aue zurückkehrten und die schwedische Infanterie aus den Büschen hervor im Eilschritt gegen das Dorf vorrückte.
Nun galt es, eiligst den Rückzug anzutreten auf dem einzigen Auswege nach dem Walde zu.
Er eilte zu dem Rest seiner Reiter und den Säbel schwingend, schrie er schon von weitem: »Zurück, meine Herren! Aber in Ordnung! in Ordnung!«
Da knallten plötzlich hinter ihm Schüsse, untermischt mit dem Geschrei der Soldaten.
Der Schwertträger erkannte jetzt, daß er umzüngelt war, eingeschlossen in einer Falle, aus welcher es keinen Ausweg, keine Rettung mehr gab.
Es blieb ihnen nichts übrig, als in Ehren zu fallen. Er sprengte also vor die Front und rief seinen Reitern zu:
»Wir wollen fallen wie Männer! Wir wollen unser Leben teuer verkaufen, für Gott und Vaterland!«
Das Feuern seiner Füsiliere, welche das Drehrad verteidigten, war schwächer geworden, auch auf der linken Seite hinter den Gärten hatte das Knallen der Musketenschüsse aufgehört: das immer stärker werdende Geschrei der Feinde verkündigte ihren nahen Triumph.
Was aber konnte das heisere Gequike der Querpfeifen in Sakowitschs Abteilung und der Trommelwirbel in den Reihen der schwedischen Infanterie bedeuten?
Das Getöse wurde immer großer, seltsamer. Das klang nicht mehr wie Triumph- sondern wie Schreckensschreie.
Plötzlich verstummte das Schießen ganz. Die Reiter Sakowitsch's verlassen ihre Position hinter den Gärten und eilen Hals über Kopf dem Hauptwege zu. Auf der Aue bleibt die Infanterie stille stehen: anstatt vorwärts zu dringen, zieht sie sich plötzlich nach den Weidenbüschen zurück.
»Was soll das sein? ... Bei den Wunden Christi! Was kann das bedeuten?!« schreit der Schwertträger.
Er braucht nicht lange auf Antwort zu warten; sie kommt von der Seite des Wäldchens, aus welchem Sakowitsch nach dem Gutshofe zu vorgedrungen ist. Menschen, Pferde, Fahnen, Roßschweife kommen, nein! stürmen daraus hervor, wie ein Wirbelwind, nein, wie der Erzengel mit der Posaune, die zum letzten Gericht ruft. Man kann sie deutlich daher fliegen sehen, in der Beleuchtung der blutroten Flamme des brennenden Hauses. Tausende kommen aus dem Walde hervor, sie scheinen kaum den Boden zu berühren, in gedrängten Reihen fliegen sie Heran wie ein Drachen, der über Feld und Aue seine schwarzen Flügel breiten will. Angst und Entsetzen fliegen ihm voraus ... Da, da! Schon ist er über ihnen! Jetzt fällt er über Sakowitsch her!
»Gott! Großer Gott!« schreit der Schwertträger wie von Sinnen. Das sind die unsrigen, das ist Babinitsch.«
»Babinitsch!« tönt es aus allen Kehlen.
»Babinitsch!« schreit es entsetzt in der Abteilung des Sakowitsch.
Die ganze feindliche Schar macht eine Wendung nach rechts; sie will zu den schwedischen Füsilieren hinüber.
Die Zäune brechen unter dem gewaltigen Anprall der Pferde, die Gärten füllen sich mit Flüchtenden, doch jene folgen ihnen auf dem Fuße, stechend, schlagend, ohne Erbarmen alles vor sich vernichtend. Angstrufe, Stöhnen, das Sausen der Säbelklingen erfüllt die Luft. Die einen und die anderen hinterdrein stürzen in die Reihen der Infanterie; die einen flüchtend, wollen Raum zur Flucht, die anderen, die Verfolger, treten alles nieder. Wie die wilde Jagd sausen sie dahin. Noch sieht man sie, noch hört man das Stampfen der Hufe, das Klirren der Säbel, doch sie entfernen sich mehr und mehr, verschwinden im Weidengebüsch, in der Ferne, im Dunkel.
Die Füsiliere des Schwertträgers ziehen sich von dem Drehrade zurück, sie kommen aus den Häusern, die man nicht mehr zu verteidigen braucht. Die Reiter verharren eine Zeitlang in stummem Staunen, andachtsvolles Schweigen herrscht in den Reihen, und erst als das brennende Haus krachend zusammenstürzt, spricht plötzlich eine Stimme:
»Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! Ein Wetter ist vorübergezogen!«
»Diesen Verfolgern entrinnt keine lebende Seele!« setzte eine andere Stimme hinzu.
»Meine Herren!« rief plötzlich der Schwertträger. »Wollen wir nicht auch denen nachsehen, die uns hinterrücks überfallen haben? Sie sind auf der Flucht, aber wir holen sie noch ein.«
»Los! Auf! Schlagt zu!« tönte es im Chor.
Und davon sprangen sie, dem fliehenden Feinde nach. In Wolmontowitsch bleiben nur Greise und Frauen zurück, und Kinder, und »das Fräulein« mit ihrer Gefährtin.
Das brennende Haus war in kurzer Zeit gelöscht. Freude, unendliche Freude zieht in die Herzen der Zurückgebliebenen ein. Die Frauen erheben schluchzend die Hände zum Himmel. Sie wenden sich der Seite zu, nach welcher Babinitsch davongejagt ist, und rufen:
»Gott segne dich, du unbesiegbarer Held, Erlöser, der uns und unsere Kinder vor der Vernichtung errettet hat!«
Die Greise der Butryms wiederholen im Chore:
»Gott segne dich, Gott segne dich! Ohne dich war Wolmontowitsch verloren.«
Ach! wenn diese Menschen gewußt hätten, daß dieselbe Hand jetzt Menschen und Wohnungen vor Tod und Verderben gerettet, welche vor zwei Jahren in dasselbe Dörflein Tod und Verderben getragen hatte! ...
Nachdem das Feuer gelöscht war, machten sich alle daran, die Verwundeten aufzulesen. Die Knaben liefen auf dem Schlachtfelde umher und schlugen mit Knütteln die noch lebenden Schweden vollends tot.
Olenka nahm das Kommando über die Unterbringung der Verwundeten in die Hand. Geistesgegenwärtig, voll Kraft und Energie, wie sie immer war, hörte sie nicht eher auf zu arbeiten, bis jeder Verwundete mit verbundenen Wunden in einer Hütte untergebracht war.
Darauf folgte die ganze Bevölkerung ihrem Beispiel. Sie fielen zu Kreuze und beteten die Litanei für die Verstorbenen. Während der ganzen Nacht schloß kein Mensch in Wolmontowitsch ein Auge. Alle warteten auf die Rückkehr Babinitschs und beschäftigten sich damit, den Siegern einen geziemenden Empfang zu bereiten. Man schlachtete die im Walde groß gezogenen Ochsen und Schafböcke, die Herdfeuer wurden angezündet und bis zum Morgen brennend gehalten.
Anusia vermochte nicht, sich an irgend etwas zu beteiligen. Zuerst hatte ihr die Angst die Kräfte benommen, dann war sie fast wahnsinnig vor Freude. Olenka mußte auch um sie Sorge tragen, denn sie weinte und lachte abwechselnd, dann wieder fiel sie der Freundin in die Arme, während sie durcheinander schwatzte:
»Wie also? Wer hat uns behütet und gerettet? Vor wem floh Sakowitsch? Wer hat ihn und die Schweden vernichtet? Herr Babinitsch! Wie? Habe ich es nicht gewußt, daß er kommen wird; ich habe ihm ja geschrieben! Ach, er hat mich nicht vergessen! Ich wußte ja, daß er kommen würde ... Ich habe ihn herbeigerufen! Olenka! Olenka! Ich bin glücklich! Habe ich es nicht gesagt? Ihn besiegt niemand! Auch Tscharniezki kann sich mit ihm nicht messen! O Gott! O Gott! Ist es wahr, daß er hierher kommt? Heute noch? Denn wenn er nicht herkommen wollte, dann wäre er überhaupt nicht gekommen, nicht wahr? Hörst du's, Olenka? Das ist fernes Pferdegetrappel ...«
Aber es war doch nichts. Erst gegen Morgen hörte man Pferdegetrappel, Freudenrufe und Gesang. Der Herr Schwertträger kehrte zurück. Die Reiter auf schaumbedeckten Pferden, Mann und Roß von der Verfolgung müde. Dennoch hallten die Hufenländer noch lange von den Freudenrufen und den Siegesliedern der Zurückgekehrten wider.
Der Schwertträger, blutbefleckt, atemlos, aber in freudigster Stimmung, erzählte noch bis zum Sonnenaufgang, wie er die feindlichen Reiter zwei Meilen weit verfolgt und vollständig vernichtet hatte.
Er sowie seine Truppen waren vollständig davon überzeugt, daß auch Babinitsch jeden Augenblick zurückkehren müsse.
Doch es wurde Mittag, auch die andere Hälfte des Tages verfloß, die Sonne sank, aber Babinitsch kam nicht.
Gegen Abend bekam Anusia rote Flecken auf den Wangen vor Aufregung.
»Sollte es ihm nur um die Schweden und nicht um mich zu thun gewesen sein?« dachte sie stillschweigend. »Er muß doch meinen Brief bekommen haben, wenn er hergekommen ist ...«
Die Aermste! Hätte sie geahnt, daß die Seelen Brauns und Jureks längst dieser Welt entrückt waren und daß Babinitsch gar keinen Brief erhalten hatte.
Wäre einer von beiden in seine Hände gelangt, dann – ja dann wäre er mit Blitzesschnelle nach Wolmontowitsch geeilt ... aber nicht zu dir, Anusia!
Wieder verging ein Tag; der Schwertträger gab die Hoffnung noch nicht auf und blieb im Dörfchen.
Anusia hüllte sich in tiefes Schweigen.
»Er hat mich schändlich verlassen,« sagte sie still für sich. »Es geschieht mir schon recht. Das ist die Strafe für meine Flatterhaftigkeit und meine Sünden!«
Am dritten Tage sandte Herr Thomas etliche Kundschafter aus. Diese kehrten am vierten Tage zurück und berichteten, daß Herr Babinitsch bis nach Poniewiersch vorgedrungen sei, dort alle Schweden getötet habe, die noch vorhanden waren. Seitdem war er spurlos verschwunden, niemand wußte, wohin er sich begeben.
»Dann finden wir ihn auch nicht, bis er von selbst wieder auftaucht,« sagte der Berichterstatter zu dem Herrn Schwertträger.
Anusia verwandelte sich in eine Brennessel. Wer von den jüngeren Offizieren oder dem jungen Adel ihr zu nahe kam, der verbrannte sich an ihr.
Am fünften Tage sagte sie zu Olenka:
»Der Herr Wolodyjowski ist ein ebenso guter Soldat, aber kein solcher Grobian, wie er.«
»Es ist möglich!« antwortete Olenka gedankenvoll. »Vielleicht will Herr Babinitsch doch jener die Treue halten, von welcher er dir auf dem Wege von Samoschtsch erzählt hat.«
Darauf sagte Anusia:
»Gut! Es ist mir alles einerlei ...«
Aber sie sprach nicht die Wahrheit, denn noch war ihr nicht alles einerlei.