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7. Kapitel

Der gute König vergaß aber über den Freuden der Gastmähler und den Aufregungen und Unruhen, welche die Ankunft immer neuer hoher Gäste mit sich brachte, nicht seinen treuen Diener, welcher im Engpaß so unerschrocken sich den Schweden entgegengeworfen und für ihn sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte. Am Tage nach seiner Ankunft in Lubow besuchte er den verwundeten Herrn Andreas. Er fand ihn bei voller Besinnung und heiter gestimmt, trotz seiner leichenhaften Blässe, denn der junge Held hatte glücklicherweise keine schwere Verwundung erhalten, nur einen großen Blutverlust erlitten.

Beim Anblick des Monarchen setzte sich Kmiziz sogar auf und legte sich trotz dem Drängen des Königs auch nicht mehr nieder.

»In wenigen Tagen, Allergnädigster Herr!« sagte er, »kann ich wieder zu Pferde sitzen und mit Ew. Majestät, wenn es gestattet ist, weiter reisen; ich fühle mich ganz wohl.«

»Du mußt ja aber tüchtig zerhauen sein, ...« meinte der König, »es war doch eine unerhörte Waghalsigkeit von dir, als einzelner sich so vielen entgegenzustellen.«

»Das habe ich schon zu wiederholten Malen gethan, und immer fand ich die Bestätigung meiner Annahme, daß in Augenblicken höchster Gefahr ein resolutes Dreinschlagen das einzig Richtige ist ... Ei, Allergnädigster Herr! die Narben, welche meine Haut trägt, sind nicht zu zählen, das ist Kriegerlos!«

»Klage nicht das Los allein an, denn du hast bewiesen, daß du blindlings nicht nur dahin rennst, wo es Wunden zu holen giebt, sondern wo sicher der Tod gefunden werden kann. Wie lange bist du denn schon beim Kriegshandwerk? Wo hast du vorher gedient und dich ausgezeichnet?«

Ein heißes Rot überflog das junge Gesicht des Herrn Kmiziz.

»Allergnädigster Herr!« sagte er zögernd. »Ich bin es, der die heranziehenden Horden Chowanskis immer noch aufhielt, als schon alle anderen die Büchse ins Korn geworfen; ich bin es, auf dessen Kopf ein Preis ausgesetzt ist.«

»Höre einmal,« sagte der König plötzlich. »Du sprachst in jenem Engpaß ein seltsames Wort aus; Ich dachte aber, das Delirium hätte dich gepackt und dir den Verstand verwirrt. Jetzt sprichst du wieder davon, daß du gegen Chowanski gestritten hast. Wer bist du eigentlich? Ist wirklich Babinitsch nicht dein wahrer Name? Wir wissen recht gut, wer den Chowanski so lange aufgehalten hat.«

Eine Weile herrschte Totenstille im Gemach. Endlich richtete der junge Ritter das abgezehrte Antlitz empor und sagte mit fester Stimme:

»Es ist so, Allergnädigster Herr! ... Es war nicht das Delirium, welches aus mir sprach ... ich sagte die Wahrheit ... ich bin derjenige, welcher Chowanski aufhielt. Seit jener Zeit ist mein Name in der ganzen Republik zuerst bekannt, dann berüchtigt geworden ... Ich bin Kmiziz, der Fahnenträger von Orschan ...«

Hier schloß Kmiziz die Augen, sein Gesicht wurde fahl. Als aber der König verwundert schwieg, sprach er mühsam weiter:

»Ich bin, Allergnädigster Herr! dieser von Gott Verdammte und von den Menschen, den Gerichten für Mordbrennerei und Uebermut Verurteilte. Ich habe dem Radziwill gedient und mit ihm das Vaterland und Ew. Majestät verraten. Und jetzt, von Schwerthieben zerfetzt, von Pferdehufen halbtot getreten, von Schwäche ans Lager gefesselt, schlage ich an meine Brust und wiederhole reuevoll: › mea culpa, mea culpa‹ und flehe die väterliche Barmherzigkeit Ew. Majestät an: ›Verzeihung! Verzeihung! denn ich habe selbst meine früheren Thaten verflucht und mich von ihnen abgewendet.‹«

Thränen rannen an den Wangen des Reiters herab, die bebenden Hände langten nach der Hand des Königs. Johann Kasimir zog die seinige zwar nicht zurück, aber er war sehr ernst geworden, als er sagte:

»Wer die Krone dieses Landes auf dem Haupte trägt, der muß von vornherein mit einer unerschöpflichen Geduld und Barmherzigkeit von Gott ausgestattet sein, sonst steht es schlimm um ihn und sein Volk. Da du in Tschenstochau und hier Uns so treue und große Dienste geleistet hast und dein Leben für Uns in Gefahr brachtest, so sind Wir bereit, dir deine Schuld zu verzeihen ...«

»O, so darf ich Verzeihung und damit das Ende meiner Seelenqual hoffen?« rief Kmiziz aus.

»Eines nur können Wir dir niemals verzeihen,« fuhr Johann Kasimir fort, »und zwar dieses, daß du gegen den Brauch Unserer Nation und entgegen allen Gesetzen der Menschheit dich dem Fürsten Boguslaw verpflichtet hast, die Hand gegen die Majestät zu erheben und Uns gefangen, tot oder lebendig, in die Hände der Schweden auszuliefern,«

Kmiziz, welcher noch kurz zuvor versichert, daß Körperschwäche ihn an das Lager fessele, war bei diesen Worten des Königs mit beiden Füßen zugleich aufgesprungen. Er hatte nach dem über dem Bette hängenden Kruzifix gegriffen und stand nun, dasselbe in den Händen haltend, mit dunkelroten Flecken auf den Wangen und fieberhaft glänzenden Augen keuchend vor ihm:

»Das ist nicht wahr,« schrie er aus. »Bei dem Seelenheil meiner Eltern und den Wunden des Gekreuzigten, das ist nicht wahr! Wenn Gott mich dieser Sünde schuldig weiß, so möge er mich augenblicks mit meinem plötzlichen Tode und der ewigen Verdammnis strafen. Mein Herr und König! Wenn Ihr mir nicht glauben wollt, so werde ich die Verbände von meinen Wunden reißen, dann möge der Rest des Blutes, welches die Schwedenschwerter noch in meinen Adern zurückgelassen, davonfließen, dann will ich nicht mehr leben. Ich habe niemandem und nie ein solches Versprechen gemacht, niemals ist ein solcher Gedanke meinem Kopf entsprungen. Nicht für alle Königreiche der Welt würde ich mich einer solchen That schuldig machen. Amen! Amen! auf dieses heilige Kreuz, Amen!«

Er zitterte am ganzen Leibe vor Aufregung und Fieber.

»So hat der Fürst gelogen?« frug der König erstaunt. »Aber warum? zu welchem Zweck?«

»Ja, Allergnädigster Herr, er hat gelogen ...« sagte Kmiziz. »Er wollte sich mit der Lüge an mir rächen, für das, was ich ihm angethan.«

»Was hast du ihm denn gethan?« frug der König wieder.

»Ich entführte ihn angesichts seines ganzen Gefolges, mitten aus dem Heere heraus; ich wollte ihn gebunden Ew. Majestät zu Füßen legen.«

Der König strich sich mit der flachen Hand über die Stirn.

»Seltsam!« sagte er, »seltsam! Ich glaube dir ja, aber Ich kann noch immer nicht begreifen. Wie hängt das zusammen? Du dientest beim Fürsten Janusch und entführtest den Fürsten Boguslaw, welcher doch weniger schuldig war, um deinen Gefangenen Mir zu bringen?«

Kmiziz wollte antworten. In diesem Augenblick aber gewahrte der König seine Blässe und das Schlottern seiner Glieder, er wehrte ihm also, indem er sagte:

»Erhole dich erst; später kannst du Mir von Anfang an erzählen, Wir glauben dir. – Hier meine Hand!«

Der junge Ritter drückte diese Hand an seine Lippen und verharrte ruhig, bis er zu Atem gekommen. Er blickte dabei dem Könige unendlich liebevoll in die Augen, endlich nahm er alle Kraft zusammen und begann:

»Ich will Ew. Majestät alles erzählen. Für Chowanski war ich ein Schreckgespenst, den Unseren eine Last, denn alles, was ich brauchte, haben mußte, das mußte ich mit Gewalt nehmen. Zum Teil trieb mich die zwingende Notwendigkeit dazu, zum Teil wilder Uebermut, denn ich bin sehr heißblütig. Ich hatte eine Anzahl Kameraden – sie waren alle von gutem alten Adel, aber nicht besser als ich ... Hier und da wurde etwas marodiert, hier und da ein Feuer angesteckt oder ein paar Menschen durchgepeitscht. Man begann uns zu verfolgen. Wo der Feind noch nicht Besitz ergriffen hatte vom Lande, dort bot man die Gerichte gegen mich auf – ich wurde in contumaciam verurteilt. Die Verurteilungen häuften sich mit der Zeit, aber ich machte mir nichts daraus, ja, ich hatte die verwegene Absicht, es darauf ankommen zu lassen, der Teufel ritt mich, sozusagen, – es reizte mich, es zu machen wie Herr Laschtsch, der mit den Urteilsurkunden sein Wohnzimmer tapezieren ließ und trotzdem ein geachteter Mann noch über den Tod hinaus ist.«

»Weil er Buße that und mit Gott versöhnt starb,« warf der König ein.

Nachdem Kmiziz ein wenig geruht, fuhr er fort:

»Unterdessen war der Herr Hauptmann Billewitsch – die Billewitsch sind ein altes, ehrwürdiges Geschlecht in Smudz – aus diesem Jammerthal in ein besseres Leben eingegangen und hatte mir ein Gut und seine einzige Tochter verschrieben. Aus dem Gut mache ich mir nicht viel, denn ich habe bei den steten Kämpeleien mit den Feinden Beute genug gemacht, um nicht nur das mir von den Feinden gänzlich okkupierte Familienerbe wieder zu ersetzen, sondern noch etwas Ordentliches darüber.

»Als aber meine Partisanen sehr heruntergekommen waren, benutzte ich das mir zugefallene Erbe, weil ich gerade nahebei war, ihnen etwas Ruhe zu gönnen, und brachte sie in die Laudaer Gegend in Winterquartiere. Dort verliebte ich mich so sehr in meine Braut, daß ich bald die ganze Welt vergaß. Das ist ein Mädchen, so brav und tugendhaft, daß ich mich vor ihr meiner begangenen Thaten herzlich schämte. Sie hat einen angeborenen Abscheu vor Schlechtigkeit und Sünde; sie stürmte gleich auf mich ein, daß ich mein Leben ändern, das gethane Unrecht nach Kräften gutmachen und künftig ein ordentliches Dasein führen solle.«

»Bist du ihrem Rate gefolgt?«

»Ach bewahre, Allergnädigster Herr! Ich wollte es von Herzen gern, das weiß Gott ... aber die alten Sünden verfolgten mich überallhin. Zuerst mißhandelte man in Upit meine Soldaten; dafür steckte ich die Stadt in Brand ...«

»Um Gotteswillen!« rief der König aus, »das ist ja ein Verbrechen.«

»Das ist noch nicht das Schlimmste, Majestät!« sprach Kmiziz weiter. »Nachher haben sie mir meine Kameraden gemordet, die adligen Kavaliere, die, wenn sie mich wüst waren, immerhin nicht verdient hatten, was man ihnen gethan. Der Laudaer Adel hat sie heimtückisch überfallen und sie sämtlich hingemordet. Ich durfte sie nicht ungerächt lassen, darum habe ich in jener Nacht die Ansiedelung der Butrym überfallen und sie mit Feuer und Schwert gestraft. Es gehört aber ein großer Anhang zu diesen Grauröcken; ich mußte fliehen. Meine Braut wollte nichts mehr von mir wissen – die Grauröcke waren ihre im Testament des Vaters eingesetzten Vormünder und hatten somit das Recht, sie vor mir zu schützen. Ach, und mein Herz zog mich zu ihr, daß Gott erbarm! Ich konnte nicht ohne sie leben! Da sammelte ich eine Handvoll Leute und entführte sie.«

»Du bist des Teufels, Mensch!« rief der König. »Das war nach Tartaren Art um die Braut geworben.«

»Es war ein Bubenstück, ich sehe es ein. Gott hat mich daher auch durch die Hand des Herrn Wolodyjowski gestraft. Der hat mich zusammengehauen, daß es mich wundert, daß ich meine Seele nicht dazumal schon ausgehaucht habe. Es wäre tausendmal besser für mich gewesen, ich hätte mich dann nicht mit den Radziwills zum Verderben des Vaterlands verbinden können. Was blieb mir aber zu thun übrig? Zu den alten Prozessen kam jetzt ein neuer ..., das Verbrechen, das ich nun begangen, heischte Sühnung ... ich wußte nicht mehr aus noch ein. Da kam mir plötzlich der Wojewode von Wilna zu Hilfe.«

»Er nahm dich in seinen Schutz?« frug der König.

»Ja, er sandte mir durch Herrn Wolodyjowski einen Aufgebotsbefehl, dadurch kam ich unter seine Gerichtsbarkeit und brauchte keine anderen Gerichte mehr zu fürchten. Ich griff nach diesem Ausweg, wie der Ertrinkende nach einem Strohhalm. Ich hatte bald eine Kompagnie beisammen, lauter rabiates Volk; sie war die beste, in ganz Litauen kam keine ihr gleich. Ich führte sie nach Kiejdan. Dort empfing mich Radziwill wie einen Sohn, sagte mir, ich sei mütterlicherseits mit ihm verwandt und versprach mich zu schützen. Er schmeichelte meiner Tapferkeit und ich Dummkopf kroch mit Haut und Haar in die Falle.

»Noch ehe er sich mir ganz anvertraute, ließ er mich auf den Gekreuzigten schwören, daß ich in jeder Lebenslage zu ihm stehen würde, in jeder. Weil ich dachte, es handle sich um den Krieg mit den Schweden, legte ich den Eid gern ab, bis jenes gräßliche Gastmahl, bei welchem der Vertrag von Kiejdan unterschrieben worden, mir die Augen öffnete. Die anderen Hauptleute konnten sich von Radziwill lossagen, es hielt sie nichts davon zurück, ›ich war durch meinen Eid, wie der Hund an der Kette gefesselt,‹ ich mußte bleiben.«

»Haben denn diejenigen, welche Uns abtrünnig geworden sind, nicht auch den Eid der Treue geleistet?« fragte der König traurig.

»Auch ich wollte mit dem offenbaren Verrat nicht noch mehr meine Seele beflecken. Was ich damals gelitten, Allergnädigster Herr, das weiß Gott allein. Ich wand mich im Schmerz, wie der Wurm im Staube, mein Kopf brannte, als wäre leibhaftiges Feuer in ihm, denn – auch mein geliebtes Mädchen, die infolge der Entführung ohnehin nicht mehr für mich zu haben war, auch sie hatte nun das Recht, mich als Vaterlandsverräter zu verachten, wie ein ekliges Gewürm. Und ich Elender hatte geschworen den Radziwill nicht zu verlassen ... Sie aber, Majestät! besitzt einen starken Geist und vermag Männer zu beschämen durch ihren klaren Verstand und ihre Königstreue.«

»Gott segne sie dafür!« sprach der König; »das macht sie Mir lieb.«

»Anfangs glaubte sie, aus einem Parteigenossen Radziwills einen treuen Anhänger des Königtums und des Vaterlandes aus mir zu machen, als sie aber einsah, daß ihre Mühe vergeblich war, da wandelte sich ihre große Liebe in ebenso großen Haß. Radziwill hatte mich rufen lassen und bemühte sich, mich zu überzeugen, daß nur auf diese Weise, das im Untergange begriffene Vaterland zu retten sei. Ich vermag seine Ausführungen nicht mehr wiederzugeben, aber er sprach so überzeugend, wie sehr ihm das Glück und Wohl des Vaterlandes am Herzen liege, daß er einen viel Klügeren als mich überzeugt haben würde, mich, einen so einfachen, vertrauensvollen Menschen, er – der Künstler in der Kunst des Verstellens. Ich klammerte mich an ihn mit der ganzen Kraft meines hoffenden Herzens, denn nun glaubte ich – alle anderen seien blind, er allein hellsehend, alle anderen elende Jammergestalten, er allein ein edler Heros. Damals wäre ich für ihn in den Tod gegangen, wie jetzt für meinen Allergnädigsten König, weil ich außerstande bin, etwas halb zu thun. Ich kann weder halb lieben, noch halb hassen!«

»Ich sehe ein, daß du recht hattest,« bemerkte der König.

»Es waren unschätzbare Dienste, die ich ihm leistete,« erzählte Kmiziz weiter. »Leider muß ich sagen, daß ohne meine Beihilfe seine verräterischen Thaten nicht so schlimme Früchte hätten tragen können, denn seine eigenen Leute drohten ihm den Gehorsam zu weigern. Schon drangen die Dragoner und ungarischen Söldlinge auf die Schotten ein, da sprengte ich mit meinen Leuten dazwischen und verhinderte die Niederlage derselben, ebenso wehrte ich dem Angriff der anderen Regimenter, indem ich sie zum größten Teil aufhob. Nur dem Herrn Wolodyjowski allein gelang es, sich und seine Laudaer Leute auf fast wunderbare Weise aus der Gefangenschaft zu befreien und mit Sapieha zu vereinigen. Was noch übrig geblieben war, das suchte und fand Unterkommen bei jenem Feldherrn, aber Gott allein weiß, welch zahllose Menge braver Soldaten durch meine Schuld zu Grunde gegangen sind. Ich spreche die Wahrheit, wie in der Beichte.

»Darauf hat Herr Wolodyjowski selbst, auf seinem Zuge nach Podlachien, mich mit eigener Hand gefangen genommen und mich erschießen lassen wollen. Ich stand schon auf der Richtstätte. Auf Grund von Briefen aber, welche man bei mir fand und welche auswiesen, daß ich durch mein energisches Einschreiten verhinderte, daß der Fürst in Kiejdan ihn niederschießen ließ, gab er mir die Freiheit wieder. Ich kehrte zurück zu Radziwill und diente ihm weiter, aber schon erwachte in mir der Unwille über verschiedene seiner Handlungen. Ich erkannte bald genug, daß er weder Glauben noch Ehre und Gewissen besitzt und daß seine Versprechungen ebensoviel oder ebensowenig galten, wie die des Schwedenkönigs. Ich fing an, ihm ins Gesicht offenherzig Vorwürfe und Ausstellungen zu machen. Meine Dreistigkeit erzürnte ihn; er begann mich zu fürchten. Zuletzt wurde ich ihm unbequem, da schickte er mich mit Briefen fort ...«

»Du erzählst wunderbare und äußerst wichtige Dinge,« sagte der König. »Endlich erfahren Wir einmal von einem Augenzeugen, welcher pars magna fuit sagen kann, wie es dort zugegangen ...«

»Es ist wahr, pars magna fui,« antwortete Kmiziz. »Ich eilte freudig mit den Briefen hinweg, da mir das Feuer sozusagen unter den Sohlen brannte, und ich hoffte endlich einmal zu wirklichen Thaten zu gelangen. In Pilwischki erreichte ich den Fürsten Boguslaw! O, daß doch Gott ihn mir in die Hände liefern möchte, damit er für seine Verleumdung Rede stehen müßte! Nicht die mindesten Zugeständnisse habe ich ihm gemacht, nein, gerade dort wurde mir das ganze Lügengewebe, die Niedertracht und Frechheit dieser Heretiker klar.«

»Erzähle schnell, wie war das! Man sagte Uns hier, daß Fürst Boguslaw nur gezwungen seinem Vetter sekundierte.«

»Er? Allerdurchlauchtigster Herr!« rief Kmiziz aufgeregt. »Er ist ja viel schlechter als sein Vetter Janusch. In seinem Kopfe ist der Gedanke des Verrates entsprungen, er verlockte den Fürst-Hetman, indem er ihm als Ziel und Lohn die Krone wies. Gott wird ihr Richter sein. Jener gab wenigstens vor, pro bono publico zu handeln. Boguslaw aber enthüllte mir, mich für einen Erzschelm haltend, die ganze bodenlose Schlechtigkeit seiner Seele. Ich schaudere, seine Worte zu wiederholen ... ›Eure Republik muß der Teufel holen,‹ sagte er. ›Stelle sie dir einmal vor in Gestalt eines Stückes roten Tuches, an welchem von allen Seiten herumgezerrt wird; wir denken nicht daran, es zu retten – beileibe nicht! – Unsere Sorge wird nur sein, das möglichst größte Stück davon für uns zu gewinnen. Litauen,‹ sagte er, ›muß uns bleiben. Ich werde als Nachfolger meines Vetters Janusch die Großherzogs-Krone mir auf das Haupt setzen, indem ich seine Tochter heirate.‹«

Hier bedeckte der König seine Augen mit der Hand.

»Großer Gott!« seufzte er. »Wie hätte da nicht geschehen sollen, was geschehen ist. Die Radziwills, Radziejowski, Opalinski. Sie alle langten nach der Krone, und galt es selbst das zu zerstören, was Gott zusammengefügt ...«

»Auch mir graute vor so viel Schlechtigkeit, Majestät. Ich rannte an die Pumpe und pumpte Wasser auf meinen Schädel, um ihn abzukühlen, denn mir war zu Mute, als sollte ich den Verstand verlieren. Von diesem Augenblick an, war mein Entschluß gefaßt. Ich war vor mir selber erschrocken. Hatte ich mich nicht der Mitarbeiterschaft an dem schmachvollen Werke schuldig gemacht? Was war zu thun. Sollte ich ihn oder mich selbst niederstechen? Ich brüllte wie ein Stier, den man mit dem Lasso eingefangen. Mein Verlangen, mein einziger Wunsch war nur noch: »Rache au den Radziwills.« Da gab mir Gott plötzlich einen guten Gedanken. Unter dem Vorwande, ihn mein Pferd Probe reiten zu lassen, welches ihm sehr gut gefiel, lockte ich mit mehreren meiner Leute den Fürsten Boguslaw aus der Stadt heraus, bemächtigte mich dann plötzlich der Zügel seines Pferdes und wollte ihn in das Lager der Konföderierten ausliefern, um für den Preis seines Kopfes die Verzeihung Ew. Majestät und der Nation für mich zu erkaufen.«

»Es sei dir alles verziehen für diese That!« rief der König. »Nur Kmiziz allein war imstande, ein solches Reiterstück zu unternehmen, niemand sonst! Von ganzem Herzen verzeihe Ich dir! Aber erzähle weiter, wie kam es, daß er dir entschlüpfte?«

»Als wir das erste Mal Halt machten,« fuhr Kmiziz fort, »riß er mir unversehens die Pistole aus dem Gürtel und schoß mir den Schrot ins Gesicht ... Hier diese Narben ... Mit meinen Leuten wurde er ganz allein fertig ... er entfloh ... Niemand kann ihm streitig machen, daß er ein ausgezeichneter Kriegsheld ist ... aber ich finde ihn schon noch und sollte das Zusammentreffen mit ihm meine letzte Stunde werden!«

Kmiziz riß an seiner Decke herum, als wolle er sie in Stücke reißen, der König wehrte ihm schnell und frug:

»Und um sich zu rächen, hat er jenen Brief erdacht und gefälscht?«

»Und aus Rache hat er ihn zu Händen Ew. Majestät niedergelegt! Ach, die Wunden meines Körpers sind geheilt, aber die Wunden meiner Seele nicht ... Zu Wolodyjowski, zu den Konföderierten konnte ich nicht zurück, die Laudaer hätten mich erschlagen, wie einen Hund ... Da ich aber wußte, daß Radziwill gegen sie zu Felde ziehen und sie überfallen wollte, so schickte ich ihnen einen Warner, damit sie sich sammeln konnten, sonst hätte er jede einzelne ihrer Fahnen zerstreut wie Spreu. Das war meine erste gute That, denn nun halten sie ihn umzingelt wie ich höre, und lassen ihn nicht mehr frei. Gott helfe ihnen dazu und strafe den Missethäter, Amen.«

»Das ist vielleicht schon geschehen und wenn nicht, so geschieht es wohl bald,« sagte der König. »Was geschah weiter mit dir?«

»Da ich bei den Konföderierten Ew. Majestät nicht dienen durfte,« berichtete Kmiziz weiter, »so beschloß ich, zu meinem Allergnädigsten Herrn selbst zu wandern und dort durch treue Dienste meine Sünden abzubüßen. Aber wie konnte ich zu ihm gelangen? Wer hätte wohl dem Kmiziz, dessen schmachbedeckter Name in der ganzen Republik bekannt war, auch nur einen Bissen Brot oder ein Nachtlager gewährt. So nahm ich meinen jetzigen Namen an; als Babinitsch zog ich nach Tschenstochau. Ob ich dort etwas für das Vaterland geleistet, kann der Prior Kordezki Ew. Majestät sagen. Tag und Nacht war mein Denken nur darauf gerichtet, meine Schuld an das Vaterland abzutragen, ihm mein Leben zu opfern und Ehre und Ruhm wiederzuerlangen. Der Rest meiner Geschichte ist Ew. Majestät bekannt. Wenn mein Allergnädigster Herr in seiner Herzensgüte geneigt wäre, abzuwägen, ob meine neuen Verdienste imstande sind, die alten Sünden auszugleichen, so bitte ich innigst, möchten doch Ew. Majestät mich gnädig an Ew. Herz nehmen, denn ich bin verstoßen von allen, ein Verbannter, ein Verräter und Meineidiger. Gott und Ew. Majestät allein kennen meine Reue, meine Thränen und mein Verlangen, ihm und Ew. Majestät treu zu dienen.«

Bei diesen Worten stürzten Thränen aus den Augen des jungen Mannes; er schluchzte herzbrechend, während der gute König seinen Kopf zwischen beide Hände nahm, ihn auf die Stirn küßte und ihn zu trösten begann:

»Andreas!« sprach er. »Du bist Mir lieb geworden, wie ein Sohn. Ich weiß es nun, du hast in der Verblendung gehandelt, wie viele aber sündigen mit klarem Bewußtsein? ... Ich verzeihe dir aus vollem Herzen, denn du hast deine Schuld getilgt. Beruhige dich, mein Sohn! Manch einer wird dich um deine Verdienste noch beneiden! ... Gott sei mit dir! Ich verzeihe und das Vaterland verzeiht. Wir bleiben zuletzt noch deine Schuldner! Höre auf, dich anzuklagen.«

»Gott lohne Ew. Majestät diesen Trost!« brachte Kmiziz schluchzend hervor. »Ich muß ohnehin doch noch in jener Welt büßen, für den Eidbruch an Radziwill, denn wenn ich auch nicht wußte, was ich beschwor, so bleibt Eid doch Eid.«

»Gott wird dich dafür nicht verdammen,« antwortete der König, »er müßte denn die halbe Republik als Eidbrüchige zur Hölle wandern lassen.«

»Das denke ich auch,« meinte Kmiziz. »Der Prior Kordezki in Tschenstochau sagte auch, daß ich nicht brauchen werde zur Hölle zu fahren, nur wußte er nicht recht, ob ich ohne das Fegefeuer davonkommen werde. Es ist doch eine schwere Sache, hundert Jahre dort zuzubringen. Aber sei es! Der Mensch kann viel ertragen, wenn die Hoffnung auf Erlösung winkt, und an Fürbitten wird es mir hoffentlich auch nicht fehlen.«

»Sorge nicht darum!« sagte Johann Kasimir. »Ich selbst will beim Nuntius einkommen, daß er für dein Seelenheil eine heilige Messe lesen läßt. Vertraue auf Gottes Barmherzigkeit.«

Kmiziz lächelte unter Thränen.

»Vielleicht,« sprach er, »schenkt Gott mir noch einmal meine Kräfte wieder, dann kann ich noch manchem Schweden das Lebenslicht ausblasen, was mir nicht nur zu himmlischem Frieden, sondern mich zur Herstellung der irdischen Reputation verhelfen würde.«

»Sei guten Mutes und gräme dich nicht um deine irdische Reputation. Ich werde dafür sorgen, daß dir zukommt, was dir gebührt. Wenn ruhige Zeiten wiederkehren, werde Ich deine Verdienste publizieren, deine bisherigen und die neuen, welche du hinzufügen wirst. Dann sollen deine Privatstreitigkeiten auf dem Landtage zur Entscheidung gebracht und dein guter Ruf wiederhergestellt werden.«

»Ach ja, Allerdurchlauchtigster Herr!« bat Kmiziz. »Das ist meine größte Sorge. Denn sobald nur der Friede im Lande leidlich hergestellt sein wird, oder schon vorher, werden die Gerichte alle meine Prozesse aufs neue revidieren, davor kann selbst Ew. Majestät mich nicht schützen. Aber darum geht es mir weniger. Ich werde mich verteidigen, solange ich atmen und mein Arm ein Schwert führen kann ... Doch mein Mädchen! Olenka heißt sie, Allergnädigster Herr! Ach, wie lange habe ich sie nicht mehr gesehen, ach, wie viel habe ich um sie und durch sie gelitten. Wie oft ich mich auch bemühe, sie mir aus dem Sinne zu schlagen, weil sie mich doch nicht mehr mag, – die Liebe läßt mich nicht los!«

Johann Kasimir lachte fröhlich und unendlich gutmütig.

»Wie kann ich dir Armseligen hierin helfen?«

»Wer anders könnte es wohl, wenn nicht Ew. Majestät. Das Mädchen ist treu königlich gesinnt; sie wird mir meine Kiejdaner Thaten niemals verzeihen, – es wäre denn, daß Ew. Majestät selbst für mich eintreten und mir ein Zeugnis ausstellen wollen, daß ich mich vollständig bekehrt und mich freiwillig dem Dienste des Königs und des Vaterlandes gestellt habe, durch nichts verlockt und durch nichts gezwungen, als durch meine Reue und meinen Willen.«

»Wenn es nur das ist, so will Ich gern dein Fürsprecher sein. Und wenn sie so königstreu gesinnt ist, wie du sagst, so kann Meine Fürsprache nicht fruchtlos bleiben.«

»Wenn das Mädchen nur auch frei bliebe oder nicht ein Unfall, wie sie zu Kriegszeiten so häufig vorkommen, sie treffen wollte. Die Engel werden sie bewahren!« sagte Kmiziz mit Ueberzeugung.

»Sie ist solchen Schutzes auch würdig,« bemerkte der König. »Damit du gegenwärtig vor den Verfolgungen der Gerichte Ruhe hast, die – wie du sagst, wegen verbrecherischer Handlungen dich verfolgen werden, will Ich dir einen Aufgebotsbrief ausstellen, und weil Ich das auf den Namen Kmiziz nicht kann, so soll er auf den Namen Babinitsch lauten. Du sollst dir wieder eine Fahne werben, was jedenfalls zum Nutzen des Vaterlandes gereichen wird, da du ein erfahrener und tapferer Soldat bist ... Du wirst unter dem Oberbefehl des Herrn Kastellan von Kijow stehen, denn bei ihm ist es ebenso leicht sich den Tod zu holen, als Lorbeeren zu erringen. Und wenn es notwendig werden sollte, so wirst du auf eigene Faust Plänkeleien gegen die Schweden unternehmen und so mit ihnen verfahren, wie du es mit Chowanski gemacht hast. Deine Bekehrung und guten Handlungen haben von der Zeit an begonnen, wo du den Namen Babinitsch annahmst ... Nenne dich weiter so, dann wirst du auch vor den Gerichten Ruhe haben. Wenn dann die Sonne des Ruhmes wieder über dir scheint, dann soll, wenn dein Ruhm durch die ganze Republik widerhallt, bekannt werden, wer dieser berühmte Kavalier ist. Manch einer wird sich dann schämen, einen so großen Ritter anzuklagen, der Krieg wird manchen fortraffen, der dir Böses sinnt, andere wirst du vielleicht begütigen können ... es werden im Wirrsal des Krieges auch eine Menge Akten verloren gegangen sein und – Ich verspreche dir noch einmal, deine Verdienste für dich sprechen zu lassen, das hast du um Mich verdient.«

»Allergnädigster Herr!« sagte Kmiziz mit vor Rührung bebender Stimme, »womit habe ich so viel Gnade verdient?«

»Du hast sie mehr verdient als mancher, welcher ein Recht darauf zu haben glaubt,« erwiderte der König huldvoll. »Nun gräme dich aber nicht mehr; Ich hoffe, auch deine Braut wird sich versöhnen lassen und ihr sorgt mir dann beide für ein neues königstreues Geschlecht.«

Wahrscheinlich wollte Kmiziz dem Könige noch einmal für so viel Gnade danken und ihm zu Füßen sinken. Er erhob sich hastig vom Lager, aber von der langen Erzählung und der damit verbundenen Aufregung schwach geworden, fiel er mit der ganzen Länge seines Körpers vor dem König zu Boden und blieb besinnungslos liegen.

»Um Gotteswillen! Was thust du?« rief der König angstvoll. »Er wird sich verbluten! Andreas! ... Ist denn niemand in der Nähe?«

Auf diesen Ruf eilte der Kronenmarschall herbei, welcher schon lange den König gesucht und jetzt seine Stimme gehört hatte.

»Beim heiligen Georg, meinem Schutzpatron! Was muß ich sehen,« schrie der Marschall, als er sah, wie der König bemüht war, höchstselbst den am Boden Liegenden auf seine Arme zu nehmen, um ihn auf das Lager zu legen.

»Helft Mir, Herr Marschall,« entgegnete hastig der König.

»Das hier ist Babinitsch, mein liebster Soldat und treuester Diener; er hat mir das Leben gerettet, helft Mir.«


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