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Ein flammender westlicher Himmel, an dem trotzige rote Funken umherstieben, und der in eine grelle, schwefelgelbe Klarheit übergeht.
Unten ein großes, sonnverbranntes Land in hoffnungslos knisternder Dürre. Weit draußen die glänzende Wogenlinie eines Flusses.
Die Nacht bricht herein und verschlingt alles in erstickender, schwerer, lautloser Finsternis.
Nur wie ein Fieberschauer steigt es auf aus dem glühenden, dürren Land, und wie in leichtem Schaudern kräuselt sich der Wasserspiegel des Flusses.
Nach wenigen kurzen Stunden wird der östliche Himmel eine Lohe sein, und die Sonne wird aus dem Feuermeer emporsteigen. Ihre weißglühende Hitze wird sich tief in die Erde einbohren, und jedes Grashälmchen, jeder verkrüppelte, bebende Keim, der noch übrig geblieben ist, wird sich zu Tode krümmen in der ätzenden Glut.
Die Sonne steht im Bunde mit der gelben Wüste. Während die Sonne versengt, schreitet die Wüste vor, breitet sich in stiebend sandiger Unfruchtbarkeit da aus, wo einst grünes, reiches Leben war.
Fußbreit um fußbreit drängt sie gegen den Fluß vor, der immer schmaler in seinem Bette wird, mit jedem neuen Tag sich in langsamerem Lauf hinzieht. Wenn die Wüste den Fluß erreicht hat, dann trocknet er aus, wehrlos siedend, als stöhne er um Hilfe.
Die Wüste breitet sich aus – –
Aber in den dunkeln, warmen Nächten stehen lauschende, vorgebeugte Gestalten an dem schmalen Wasserlauf des Flusses, und dessen glänzende, erschauernde Oberfläche liegt selbst da wie ein einziges gespanntes Lauschen – –
Ein Rauschen wie von großen Schwingen geht durch die Dunkelheit.
Ist es nur ein Vogel, der über den Fluß hinstreicht?
Oder ist es der Engel mit jenem Tropfen aus dem Becher Gottes, der ihm an der Spitze des Fingers hängt?
Ist dies die geheimnisvolle, gesegnete Nacht des Tropfens?
Wenn der Tropfen aus dem Becher Gottes wie ein leuchtender Punkt in den Fluß fällt, dann geht ein Wogen durch den Fluß; er schwillt an, füllt das ausgetrocknete Bett und wallt mit starken melodischen Wellenschlägen weit, weit über seine Ufer.
Man hört durch die Nacht, wie das unfruchtbare, dürstende Land die rieselnde Fülle in langen Zügen schlürft; und aus der Brust der Erde steigt ein tiefer Seufzer der Erquickung auf.
Wenn die Sonne höher steigt in ihrer weißen Glut, sieht sie den Fluß sich ausbreiten in glänzenden Wogenzügen wie ein Meer, während die Wüste zurückweicht – und die Sonne tötet nicht mehr das grüne Leben, das aus der nassen, dampfenden Erde hervorquillt, sie fördert nur dessen Wachstum.
Heilig ist die tiefe, geheimnisvolle Nacht, wo der Tropfen aus dem Becher Gottes fällt und der Fluß weit über seine Ufer schwillt, bis das sterbende, verbrannte Land wieder Leben bekommt. – –