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(Verwandelt sich in den Französischen Hof.)
König Philipp, Ludwig, Pandolpho, und Gefolge treten auf.
König Philipp.So wird durch ein heulendes Ungewitter auf dem Meer eine ganze Armade von vereinbarten Segeln zerstreut und von einander verschlagen.Dieses Gleichniß, das an sich selbst an diesem Ort nicht zur Sache paßt, ist, wie viele andere Stellen in diesem Stüke, eine Anspielung auf die spanische Invasion im Jahr 1588, und die damalige Zeit-Umständ; indem dieses Schauspiel längstens einen oder zween Winter darnach zum erstenmal aufgeführt wurde.
Pandolph.Nur guten Muth gefaßt, alles soll noch gut gehen.
König Philipp.Was kan gut gehen, wenn es uns so übel geht? Sind wir nicht geschlagen? Ist nicht Angiers verlohren? Arthur gefangen? Verschiedne von unsern besten Freunden erschlagen? Und unser blutiger Gegner, mit verächtlichem Troz nach England zurükgegangen?
Ludwig.Was er gewonnen hat, hat er befestiget: So kluge Entwürfe, mit einem solchen Feuer ausgeführt, eine so gute Ordnung, in einem so ungestümen Lauf ist ohne Exempel; wer hat jemals von einer Action wie diese ist, gelesen oder gehört?
König Philipp.Ich könnte es nach wohl ertragen, daß England dieses Lob erhielte, wenn ich nur wenigstens ein Beyspiel, für unsre Schande kennte.
Constantia zu den Vorigen.
Sehet, wer kommt hier? Das Grab einer Seele, das den unsterblichen Geist wider seinen Willen in der verhaßten Gefangenschaft eines gequälten Athems hält. Ich bitte dich, Lady, komm mit mir hinweg.
Constantia.Seht, seht, das ist nun der Ausgang euers Friedens.
König Philipp.Geduld, gute Lady; guten Muth, theure Constantia.
Constantia.Nein, ich biete allem Rath, aller Hoffnung Troz, ausser dem was allem Rath und aller Hoffnung ein Ende macht. Tod, Tod; o angenehmer liebenswürdiger Tod! du wohlriechender Gestank, du gesunde Fäulniß, steh auf aus deinem Lager einer ewigen Nacht, du Abscheu und Schreken des Glüks; und ich will deine ekelhaften Knochen küssen, und meine Augen in deine holen Augen-Löcher steken, und diese Finger mit den Würmern, die in dir hausen, umwinden, und diesen Mund mit deinem vermoderten Staub verstopfen, und ein scheusliches Gerippe werden, wie du. Komm, grinse mich an, und ich will denken du lächelst, und dich wie dein Weib umarmen; o du Liebling des Elends, komm, komm zu mir!
König Philipp.O schöne Bekümmerniß, stille!
Constantia.Nein, nein, ich will nicht, so lang ich noch Athem habe zu schreyen; o, daß meine Zunge im Munde des Donners stäke, damit ich mit meinem Schmerz die ganze Welt erschüttern, und dieses entfleischte faule Gerippe vom Schlaf aufweken könnte, das die Anrufung einer schwachen weiblichen Stimme nicht hören will.
Pandolph.Lady, ihr stoßt Unsinn aus, nicht Schmerz.
Constantia.Du versündigest dich, das du das glaubst; ich bin nicht unsinnig; dieses Haar das ich ausrauffe, ist mein; mein Nam ist Constantia, ich war Gottfrieds Weib; der junge Arthur ist mein Sohn, und er ist verlohren! Ich bin nicht unsinnig; wollte Gott, ich wär' es! denn alsdann könnt' ich vergessen, wer ich bin. O wenn ich es könnte, was für einen Schmerz würd' ich vergessen! Predige irgend eine Philosophie, die mich unsinnig mache, und du sollt canonisirt werden, Cardinal. Denn, weil ich nicht unsinnig bin, sondern meinen Schmerz fühle, so arbeitet mein vernünftiger Theil, wie ich mich von diesem Jammer befreyen möge, und lehrt mich, daß ich mich erstechen oder erhängen soll. Wenn ich unsinnig wäre, würd' ich meinen Sohn vergessen, oder in meinem Wahnwiz denken, das nächste Wikel-Kind sey mein Sohn; ich bin nicht unsinnig; zu gut, allzugut fühl ich die eigene Quaal jedes besondern Jammers.
König Philipp.Bindet diese fliegenden Loken auf; O was für Liebe seh ich in dieser schönen Menge ihrer Haare; wohin nur von ungefehr ein Silbertropfe gefallen ist, eben zu diesem Tropfen drängen sich zehntausend feurige Freunde in geselligem Schmerz zusammen, gleich wahren unzertrennlichen, getreuen Liebhabern, die mit einander im Unglük ausharren.
Constantia.Nach England, wenn ihr wollt. – –
König Philipp.Bindet eure Haare auf
Constantia.Ja, das will ich; und warum will ich es thun? Ich riß sie aus ihren Fesseln, und rief. O daß diese Hände meinem Sohne so die Freyheit geben könnten, wie sie diesen Haaren ihre Freyheit gegeben haben! Aber nun beneid' ich ihre Freyheit, und will sie wieder in ihre Fesseln schliessen, weil mein armes Kind ein Gefangner ist. Und Vater Cardinal, ich hab' euch sagen gehört, wir werden unsre Freunde im Himmel wieder kennen. Wenn das ist, so werd ich meinen Jungen nimmer wieder sehen. Denn seit der Geburt Cains, des ersten männlichen Kindes bis zu dem, der erst gestern seufzte, ist keine anmuthigere Creatur gebohren worden. Aber nun wird der Krebs des Kummers meine Rosenknospe fressen, und die angebohrne Schönheit von seinen Wangen jagen; er wird aus holen Augen wie ein Gespenst schauen, so düster und hager wie ein vom Fieber ausgezehrter Kranker, und so wird er sterben und wenn er so wieder aufersteht, und ich ihn in dem himmlischen Hofe wieder antreffe, so werd' ich ihn nicht kennen; und also werd ich meinen holdseligen Arthur nimmer, nimmer wieder sehen.
Pandolph.Ihr überlaßt euch euerm Schmerz zu sehr.
Constantia.Das sagt mir einer, der niemals einen Sohn hatte – –
König Philipp.Ihr liebet euern Schmerz, wie ihr euer Kind liebt.
Constantia.Mein Schmerz füllt den Plaz meines abwesenden Kindes aus, ligt in meinem Bette, geht mit mir auf und ab, zeigt mir seine anmuthigen Blike, wiederholt seine Worte, erinnert mich an alle seine liebreizenden Eigenschaften; ich hab' also Ursache meinen Schmerz zu lieben. Gehabt ihr euch wohl; hättet ihr einen solchen Verlust erlidten wie ich, so könnte ich bessern Trost geben als ihr thut. Ich will diesen Prunk nicht auf meinem Kopf leiden, (Sie reißt ihren Kopfzeug ab.) da eine solche Unordnung in meinem Verstand ist. O Gott, mein Kind, mein Arthur, mein schöner Sohn! Mein Leben, meine Freude, meine Nahrung, mein Alles in der Welt! Mein Trost, die einzige Lindrung meines Kummers! Mein Sohn! Mein Sohn!
(Sie geht ab.)
König Philipp.Ich besorge, es entsteht noch ein Unglük; ich will ihr folgen.