William Shakespeare
Leben und Tod des Königs Johann
William Shakespeare

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Vierte Scene.

Lady Faulconbridge, und Jacob Gurney treten auf.

Lady.Wo ist der Sclave, dein Bruder; wo ist er, der sich erfrecht meine Ehre öffentlich anzutasten?

Philipp.Mein Bruder Robert, des alten Sir Roberts Sohn, Colbrand, der Riese, der nemliche gewaltige Mann; ist es Sir Robert's Sohn, den ihr sucht?

Lady.Sir Roberts Sohn? Ja, du unehrerbietiger Junge, Sir Roberts Sohn; warum spottest du über Sir Roberten?

Philipp.Jacob Gurney, willt du so gut seyn, und uns ein wenig allein lassen?

Gurney.Von Herzen gerne, mein lieber Philipp.

Philipp.Philipp! – – Verschone mich, Jacob; es sind kurzweilige Dinge heraus gekommen; hernach ein mehrers davon. (Jacob geht ab.) Gnädige Frau, ich war nie des alten Sir Roberts Sohn; Sir Robert hätte seinen Theil an mir an einem Charfreytag essen können, ohne daß er seine Fasten gebrochen hätte. Sir Robert war ein ganz wakrer Mann; aber, meiner Treu, bekennt die Wahrheit! Hätt' er mich machen können? Das konnte Sir Robert nicht; wir kennen seine Arbeit. Sagt mir also, liebe Mutter, wem bin ich für diese Figur verpflichtet? Sir Robert konnte nimmermehr so ein Bein machen helfen?

Lady.Hast du dich auch mit deinem Bruder wider mich verschworen? Du, der um deines eignen Vortheils willen meine Ehre vertheidigen sollte? Was soll dieses Gespötte bedeuten, du höchst unbesonnener Bube?

Philipp.Ritter, Ritter, liebe Mutter – – und BasiliscoEine Anspielung auf den Beynamen Coeur de Lion, den König Richard führte. Cor Leonis, ein Fixstern von der ersten Grösse im Löwen, wird auch Basilisco genennt. ähnlich. Wie? ich bin zum Ritter geschlagen; ich hab es auf meiner Schulter. Aber Mutter, ich bin nicht Sir Roberts Sohn; ich hab auf Sir Robert und meine Güter Verzicht gethan; ehliche Geburt, Name, alles ist hin; laß mich also, liebe Mutter, laß mich meinen Vater kennen; irgend ein wakrer Mann, hoff ich; wer war es, Mutter?

Lady.Hast du dem Namen Faulconbridge entsagt?

Philipp.So herzlich, als ich dem Teufel entsage.

Lady.König Richard, Coeur de Lion, war dein Vater; durch langwieriges und heftiges Zusezen ward ich endlich verführt, in meines Ehmanns Bette Plaz für ihn zu machen. Der Himmel vergebe mir meine Uebertretung! Aber du bist die Frucht meiner schweren Sünde, zu der ich so stark gereizt wurde, daß ich nicht länger wiederstehen konnte.

Philipp.Nun, bey diesem Tageslicht, wenn ich wieder gezeugt werden sollte, Madame, wollt' ich mir keinen bessern Vater wünschen. Einige Sünden tragen ihre Lossprechung auf Erden mit sich; Euer Fehler entsprang nicht aus eurer Thorheit; ihr mußtet nothgedrungen euer Herz als einen Tribut für gebietende Liebe, demjenigen ausliefern, gegen dessen Wuth und unbezwingbare Stärke der unerschrokne Löwe selbst keinen Kampf wagen durfte, noch sein königliches Herz vor Richards Hand schüzen konnte. Wer einem Löwen mit Gewalt das Herz aus dem Leibe reissen kan, mag leicht ein weibliches Herz gewinnen. Ja, meine Mutter, von ganzem Herzen dank ich dir für meinen Vater. Wenn jemand lebt, der sich erfrecht zu sagen, daß du nicht recht thatest, wie ich gezeugt ward, dessen Seele will ich zur Hölle schiken. Komm, Lady, ich will dich meinen Anverwandten vorstellen, und sie sollen sagen, wie Richard mich zeugte, wär es Sünde gewesen wenn du Nein gesagt hättest.

(Sie gehen ab.)


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