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»In ein nettes Hotel hast du mich da geschickt!«
»Liebe Cosma, wohnt man in einem Palace, so ist man mit Glanz verdächtig. Und wohnt man ganz minus, machen Sie sofort eine Haussuchung.«
»Du willst sagen – wir!«
»Dieses Hotel Bristol hat die richtige Mittellage.«
»Vamos!« Cosma sprang auf, die Finger krallend.
Aber Ranépos Unterarm fällte sie auf das Sofa. »Ich habe noch mit dir zu reden.«
»Und ich dieses stickige Café satt. Und einiges andere auch noch.« Cosma knetete ihren Hals und begann die Kontrolle ihres Gesichtes, auf dem deplazierte Mimik mit fehlender abwechselte, zu verlieren.
Ranépos Hand spielte nervös um seinen Mund. »Wir dürfen nicht zusammen auf die Straße. Hier bin ich sicher, daß wir unbeobachtet sind.«
Cosma zerriß unterm Tisch eine Likörkarte. »So öde habe ich mir das Leben mit dir nicht vorgestellt.«
»Auch du bist bereits ... in Belgien ...« Ranépo schüttelte seine Rechte.
Cosma schlug auf den Tisch, daß das Metall ihrer Ringe erklang. »Aber nicht in ganz Europa wie du. Übrigens habe ich hier noch nicht das Geringste bemerkt.«
»Infolge meiner Vorsicht. Ich gebe ja zu, daß sie unser Leben nicht heiterer macht, aber ...« Ranépo legte seine Hand auf die ihre, die vergeblich sich wand, schließlich aber doch still hielt.
»Alles wäre gut, wenn du untertauchen wolltest.« Cosma machte sich, ein wenig umgänglicher werdend, an die Picatostes.
»Unsere Köpfe taugen zu keiner Maske.«
»Also endlos so weiter?« Cosma schleuderte, den Atem bis aufs Letzte hinausstoßend, Ranépos Hand hoch.
Der kostete seinen Amontillado. »Hat man die Poli einmal in sein Kalkül aufgenommen, wird es bald, als wäre man mit dieser Betreuung auf die Welt gekommen.«
»Muy bien!« zischte Cosma mit saurer Miene. »Aber wir sind nun schon zwei Wochen liiert, ohne daß du – kalkulierst.«
»Spanien ist ein stilles Land.«
Cosma maß ihn mit einem grauen Blick. »Kein Zweifel, ich bin mit dir hineingefallen.«
Ranépo klopfte sich mit zwei Fingern auf die Brust. »Gib mir noch drei Tage Zeit.«
»Morgen fahre ich.« Cosma schloß erledigend die Augen.
Ranépo winkte einem alten Weib, das mit dem ›Heraldo‹ hausierte. Während er ihn las, wandte Cosma die Augen gepeinigt dem Plafond zu und versuchte, nach Atem zu ringen. Es gelang ihr; nicht aber, die Aufmerksamkeit Ranépos darauf zu lenken. Das verstimmte sie so endgültig, daß sie ihm die Zeitung aufs Gesicht schlug.
Ranépo erboste sich ernstlich: »San sivela! Willst du denn gewaltsam erreichen, daß sie uns bemerken?«
»Wenn ich schon mit niemandem kokettieren soll, will ich dich wenigstens ärgern.« Cosma raste mit Kopf und Händen in übernatürlicher Verzweiflung.
Ranépo hielt es für unabweisbar, sie nachhaltig abzulenken. Er legte ihr, auf eine Notiz weisend, den ›Heraldo‹ auf die Knie.
Cosma reckte den Hals, als quäle man sie, las dann aber doch. Als sie zu Ende war, stieß sie die Zeitung zu Boden. »Was geht das uns an? Das war eben ein Commis.«
»Wahrscheinlich.« Ranépo entfaltete warnend seine Züge. »Aber trotzdem geht es uns etwas an.«
Cosma stand auf, ihre Hüften pressend. Ranépos erstaunten Blick beantwortete sie mit einem verachtungstriefenden. »Soll ich vielleicht erst eine Eingabe bei dir machen, wenn ich ...?«
Als sie zurückkam, lachte sie: »Weißt du, was ich draußen an der Wand gelesen habe?«
»Ne.« Ranépo freute sich über ihre gute Stimmung und beging deshalb den Fehler, es zu zeigen.
»Deine Definition.« Cosmas Gesicht zog sich ein, während sie sich geräuschvoll setzte.
Ranépo schwieg vorsichtshalber.
Endlich, sichtlich von seiner Haltung angenehm berührt, ließ Cosma sich dazu herbei: »Chulo, c'est un poiss' espagnol qui se dirige avec la ...« Sie lachte schrill auf.
Wie sehr es ihn auch amüsierte, legte Ranépo ihr rasch die Hand auf den Hals. »Psst! Hast du denn nicht gelesen?«
Cosma gehabte sich wie aus dem Schlaf geschreckt.
»Im Heraldo: Apl Fud.« Ranépo schmatzte unliebsam. »Ein so intensiver Name, daß er allein schon dich hätte aufhorchen machen müssen.«
Cosma legte die Hände ineinander, bewegte sie resigniert gegen den Bauch und schlichtete sie hierauf vernichtet in den Schoß. »Neben deiner Vergangenheit werde ich meine Lebensfreude nicht wiederfinden.«
Ranépo biß die Zähne aufeinander. »Diese Notiz beweist, wie wohl ich daran tat, schon auf dem Bahnhof mich von dir zu trennen und in ein anderes Hotel zu ziehen.«
Cosma tat, als schnappe sie nach etwas. »Ich warte darauf, daß du mir etwas ans Wunderbare Grenzendes servieren wirst.«
Ranépo hielt an sich. Dann haspelte er es herunter: »Diese Notiz, derzufolge ein mit demselben Zug wie wir ankommender Hochstapler nach vergeblichem Widerstand verhaftet wurde, ist von A bis Z erfunden.«
Cosma hing spöttisch die Oberlippe in ihren Jérez-Quina.
»Und warum wurde sie erfunden?«
»Die Zeitung hatte eben Stoffmangel.«
»Mit dir hat man ein schweres Leben!«
»Beruht ganz auf Gegenseitigkeit.«
»Cosma! Das gilt doch uns! Die Kartothek ist gezogen, der Apparat läuft.«
Cosma ließ das Glas los. »Du halluzinierst, Sixto.«
Ranépo hielt abermals an sich. Dann hauchte er: »Apl Fud wurde erfunden, damit wir glauben sollen, die Polizei hätte keinen Dunst von unserer Anwesenheit, unvorsichtig werden und wie reine Toren in eine Falle laufen.«
Mit zwei Fingern und großer Mühsal zog Cosma ein Haar aus dem Mund.
Diese Beschäftigung hielt Ranépo für fingiert. »Wenn es auf dich allein ankäme, säßen wir schon drin.«
»Wo wohnst du eigentlich?«
»Hotel Colon. Carrera de San Jeronimo.«
»In derselben Straße? Ich habe es aber nicht gesehen.«
»Sehr begreiflich.«
»Ich sehe wohl überhaupt nichts?« Cosma stieß ihn viermal vor die Brust. »Ich rate dir, bringe mich nicht zur Verzweiflung!«
»Nur zur Vernunft würde ich dich ganz gerne bringen.«
»Unterlaß das lieber, wenn du Wert darauf legst, mich wiederzusehen.«
Da hielt Ranépo es nicht mehr aus. Seine Stimme wurde tonlos: »Du fährst also morgen?« Da sie nickte, ging er, ohne noch einmal sich umzuwenden. Er hatte darauf gerechnet, daß sie ihn zurückrufen und dieser Triumph es ihm erleichtern würde, sie gefügiger zu machen. Nun stand er auf der Gran Via und betrachtete, leise stöhnend, in einem Ladenspiegel sein hereingefallenes Gesicht.
Naturgemäß schlug seine trübselige Stimmung bald um. Als wüßte er überhaupt nicht, was ein Marcado ist, schlenderte er durch die Menschenmenge, und als er an der Ecke der Puerta del So! dem Ex-Torero La Torre begegnete, sprach er ihn vergnügt an, ja ließ sich sogar in die Muelle mitnehmen, dem Casino der Stierkämpfer.
Von hier aus telefonierte er nach drei Stunden dem Hotel Bristol, man möge, wenn die Señora Valdes zurückkomme, ihr mitteilen, daß Baron Luron sie abends im ›Alcazar‹ erwarte. Er zweifelte nicht daran, daß Cosmas Langeweile bis dahin so letal geworden wäre, sie allein sich vorwagen zu lassen.
Seine Vermutung war falsch, das Resultat jedoch gleichwohl das erhoffte. Denn Cosma, die davon überzeugt war, daß die Polizei ihr einen belgischen Baron schickte, um sie ins Garn zu locken, hatte die Wut darüber, Ranépo nicht zurückgerufen zu haben, dazu gebracht, den Kampf aufzunehmen. Sie erschien in prunkvoller Toilette und war sehr erfreut, den Baron nicht vorzufinden, sondern Ranépo plötzlich neben sich zu erblicken. Nachdem dieser ihr zugeflüstert hatte, daß er über diesen Zufall sonderlich deshalb sich freue, weil ein blonder Jüngling bereits sehr mit ihr sich beschäftige, riet er ihr, Avancen zu machen und sich schnell zu orientieren; er selber wolle unterdessen versuchen, sich ein wenig zu amüsieren.
»Mit Apl Fud hatte ich also recht.« Cosmas Lippen spannten sich stolz. Aber als sie sich zur Seite wandte, war Ranépo nicht mehr da, sondern der blonde Jüngling, der sie mit sanfter Gewalt an seinen Tisch führte.
Nach zwei Stunden stellte Cosma fest, daß ihr Kavalier sehr routiniert sich benahm: er hatte ihr keineswegs den Hof gemacht, sondern einen Vortrag über die eigenartigen Geschlechtsbetätigungen der Javaner gehalten und hierauf resolut vorgeschlagen, wenn sie dem von ihm geleiteten diesbezüglichen Anschauungsunterricht Gäste zuführen und durch ihre Anwesenheit stimulieren wolle, ihr zwanzig Prozent der erzielten Gesamteinnahme zu überlassen.
Ohne noch zugestimmt zu haben, immerhin aber über die Originalität dieses Köders erstaunt, begab Cosma sich in die Toilette. Auf dem Rückweg begegnete sie, einer stereotypen Abmachung gemäß, Ranépo, der es gleichfalls für richtig hielt, jenen Vorschlag, der zweifellos bloß die tolle Lüge eines Schüchternen sei, anzunehmen, und versprach, bald an ihren Tisch sich zu schmuggeln.
Als dieses Versprechen erfüllt war, hatte er drei Herren und drei Damen aus der Umgebung rasch veranlaßt, am Tisch Platz und an dem für zwei Uhr nachts in einem Privathaus der Calle de Preciados verhießenen Anschauungsunterricht teilzunehmen.
Als man daselbst in sehr würdelosem Zustand eingetroffen war, kassierte der blonde Jüngling noch auf der Treppe das Eintrittsgeld ein, 500 P. pro Kopf, und ließ erst dann die Gesellschaft in einen sehr eleganten Salon eintreten, in dem auf allen Tischen, bereits geöffnet und von Gläsern umstellt, Weine und Liköre der Gäste harrten, die, nachdem etliche Flaschen geleert waren, in einen bis zum folgenden Mittag währenden Schlaf verfielen.
Nur bei Cosma wurde er unterbrochen, da Ranépo sie gegen vier Uhr in ein Auto trug, das in wenigen Minuten vor dem Hotel Colon hielt. Dessen Portier war nach Einhändigung von zwanzig Pesetas blind für den Umstand, daß Ranépo mit einer taumelnden Dame im Arm in den Lift trat ...
Mit brennendem Kopf erwachte Cosma gegen neun Uhr und riß die Augen auf: »Sixto!« Sie weckte ihn rücksichtslos. »Sind wir denn immer noch in diesem Schweinestall?«
»In einem andern: meinem Zimmer.« Ranepo probierte den Unterkiefer, als schmerze er.
»Wie kam ich hierher?« wisperte Cosma wütend.
Ranepo begann mit gewollter Langsamkeit zu erklären.
»An die Autofahrt mit dir erinnere ich mich jetzt«, unterbrach ihn Cosma heftig. »Aber du ... bist du dort auch eingeschlafen?«
» Ich bekam kein Schlafpulver.«
Cosma zwinkerte gewalttätig. Ihre Zungenspitze wurde sichtbar. Und ihre kleinen Finger hoben sich steif.
Ranépo beschäftigte sich mit deren Anblick, gleichmütig berichtend: »Den Java-Sexualbluff habe ich dem blonden Jüngling persönlich geliefert. Ich versprach ihm ein Drittel der Einnahmen. Nach der Zahlung mußten die Leute leider eingeschläfert werden.«
Obwohl sie viel getan hätte, um es zu verhindern, ärgerte Cosma sich rot. »Warum hast du mir das nicht bereits im Dancing gesagt?«
»Ich wollte dich nicht zur Verzweiflung bringen.« Ranépo trauerte in die Luft. »Indem ich dir unrecht gab.«
»Mit Apl Fud etwa?« Cosma sagte es zwar fragend in der Form, aber zornig ablehnend im Ton. Alles an ihr wogte. Rasch jedoch stabilisierte sie sich wieder. »Lächerlich! Dann wären sie schon längst hier gewesen.«
»Wenn der blonde Jüngling nicht der Sohn eines Generals wäre.«
Cosma, die zu begreifen begann, nagte hinter zwei Fingern. »Die sechs Leute werden aber doch das Geld reklamieren.«
»Und von unserem Generalssohn wiederbekommen.« Ranépo steckte ihr eine rote Nelke zwischen die Brüste. »Der Unglückliche!«
Cosma, eine Lücke ahnend, dachte scharf nach. »Aber ... er hat doch einkassiert.«
»Als er eingeschlafen war, kassierte ich.«
»Wann gab er dir die zwei Drittel?«
»Während des Gelages.«
»Du kassiertest also nur noch tausend? Dann hast du für mich nicht bezahlt.« Cosma warf ihm die Nelke ins Gesicht. »Sprich!«
Ranépo zählte wie verlegen seine Finger. »Der Junge ist auf mein ganzes Arrangement nur eingegangen, um mir zu helfen, meine Geliebte zu kompromittieren, damit sie nicht mehr zu ihrem verhaßten Gatten zurückkehren könne.« Er konnte fast sehen, wie sie innerlich sich schalt. »Es schmeichelte seiner jungen Männlichkeit, mir einen galanten Dienst erweisen zu können. La Torre hat ihn mir vorgestellt.«
Cosma ruderte mit einem Elbogen einer neuen Lücke entgegen. »Der Sohn eines Generals nimmt solches Geld niemals.«
Ranepo hielt ihren Elbogen auf. »Ich glaubte dich auf dem Psycho-Dancing schon sicherer. Fast jeder nimmt jedes Geld, wenn es gefahrlos scheint und ein – sagen wir kriminell-romantisches Überlegenheitsgefühl verschafft.« Und als er ihren Rücken sich runden sah, fügte er hinzu: »Die Wohnung gehörte La Torre, der sie vorgestern aufgab, war aber noch herrenlos.«
Cosma rieb sich die Brüste und zwirbelte ihre Warzen, Mit einem Mal änderte sie so ärgerlich ihre Lage, daß das ganze Bett krachte. »Aber scheußlich ist es, daß man getrennt wohnen muß.« Sie staunte mit allen Körperteilen, als er widersprach. »Wohne ich im Hotel Bristol? Si. Befinde ich mich im Hotel Colon? Si. Komm zu dir, mein Freund!«
Ranépo wies mit unerschütterlicher Ruhe auf den Plafond. »Etagenhotels.«
Cosma schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Und da laßt du mich in den zweiten Stock steigen?«
»Diese hier unmögliche Unhöflichkeit dürfte unser nahes Wohnen ganz besonders zufällig erscheinen lassen.« Obwohl sie es nur schwer zufrieden war, lächelte Ranepo ihr aufmunternd zu: »War es denn gestern wirklich so öde? Glaube mir, Belgien ist auch schon Europa.«
An den seltsamen Baron Luron sich erinnernd, gab Cosma ihm recht. Und als sie sich die Nacht repetierte, schmunzelte sie.
Ranepo, der erriet, woran sie dachte, fragte leise: »Wann fährst du?« Mit einem Ruck war Cosma neben ihm, packte ihn an den Ohren und biß ihn zärtlich in den Hals.