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V

Mit lauter Stimme fragte Grischka über den See hinweg die Berge:

»Was essen die Studenten?«

Die Berge antworteten:

»Ente-en!«

Grischka lachte:

»Wie fein können die Felsen sprechen!«

Und wieder brüllte er, nachdem er die Lungen mit Luft gefüllt hatte:

»Ist der Herr zu Haus?«

Die Berge antworteten mit Schallen und Donnern:

»Aus!«

»Das nennt man ein Echo. Fein das!«

Überall zucken hier lebendige Adern. Grischkas Stimme bekommt auf alles Antwort. Ganz anders als in der Stadt; dort bellen zwar die Hunde, auch aber schweigend beißen sie dann. Seine, Grischkas Menschenstimme war in der Stadt stets ohne Antwort geblieben.

Schön ist es, auf Felsen zu stehen! Noch glüht die Sonne nicht, aber der Stein ist noch warm. Er hat die Wärme von gestern in der Nacht nicht ganz verausgabt.

Die Wellen stürmen gegen den Felsen, rufen eintönig:

»Huuu!«

Eine große Welle wächst immer höher, wird immer dreister, deckt mit ihrer Stimme alle anderen zu, zerschellt dann am Stein.

»Huuu.«

Und ergießt sich über Grischkas Füße. Seine Füße sind von Gebüschen und Steinen ganz wund. Wenn die Sonne auf die blutigen Kratzer scheint, schmerzt es. Doch schön ist es trotz alledem.

»Komm nur näher, Wasser! Wasche mir die Füße!«

Er wirft die kurze Hose ab. An heißen Tagen tragen die Jungen kein Hemd. Er geht ins Wasser, das Wasser umfängt ihn, schmiegt sich an ihn, und er hat wieder Lust laut zu schreien, mit den Wellen, mit dem Himmel, mit den Bergen, mit den Vögeln und Tieren und Menschen zu sprechen:

»Ho! ho! ho!«

Vom Berge rufen ihm Kinderstimmen zu:

He, Grischka Peskow! Was schreist du so?«

Nackt bis zum Gürtel, in kurzen Hosen, rasen drei Jungen den Berg herab. Unter ihren Füßen rollen Steine polternd über den steilen Abhang:

Vorne rennt Taitschinow, der Baschkirenjunge, mit dem zusammen Grischka hierher gekommen ist.

Er hält den Kopf auf eine Seite geneigt und wiehert wie ein Pferd. Mit tierisch leichtem Satz springt er vom letzten Felsvorsprung aufs Ufer und steht neben Grischka.

»Bald wird Horn blasen. Warum du weggelaufen? Wenn nicht arbeiten, nicht zu essen kriegen!«

»Hab ich etwa nicht gearbeitet? Du Mohamed verfluchter! Ich habe früher als die anderen angefangen, habe Wasser getragen, Milch in die Kannen umgeschüttet! Hast wohl keine Augen? Kannst nicht sehen?«

»Na, ist gut, ist gut. Möchte sehen, wie du kopfüber ins Wasser springst! Mach es doch mal!«

Er selbst lief schon ins Wasser, kreischend vor Lust. Grischka folgte seiner Bitte, lief aus dem Wasser auf den Sand, stellte sich auf die Hände, mit dem Kopf nach unten, drehte sich geschwind in der Luft um und stürzte sich kopfüber ins Wasser.

Taitschinow war maßlos begeistert:

»Er taucht mit dem Kopf nach unten! Hoo!«

Der blauäugige, kleine Pole Woizechowski tauchte auch mit dem Kopf nach unten. Sein zierlicher, doch kräftiger, kleiner Körper blitzte weiß auf in der Luft.

Der Ukrainer Nadtotschi prustete im Wasser. Er rief mit tiefer Stimme:

»Oho! Ist das ein schöner See! Der schönste auf der Welt!«

Der See ist wirklich schön! Heute ist er blau und heiter. Manchmal aber stellt er sich schon am frühen Morgen auf die Hinterbeine, wütet, spuckt weißen Schaum, wird grau und grollt. Sein Grollen ist wie das Grollen des Meeres. Ist er aber ruhig, dann kann man das Leben in seinem Innern bis auf den Grund beobachten. Einmal waren welche mit Apparaten da. Die maßen den See hin und her, nahmen die Kinder der Reihe nach in ihrem Boot mit auf ihre Fahrten. Sie sprachen untereinander in gelehrten Ausdrücken und sagten, das Wasser des Sees sei radioaktiv.

Stolz wiederholten die Kinder:

»Das Wasser unseres Sees ist radioaktiv.«

Der See war sehr groß. Wenn man, aus dem Wald herauskommend, ihn erblickte, fühlte man sich mit einem Male wie befreit. An seinen Ufern bäumen sich steil gegen den Himmel hohe, bewaldete Berge. Sie drohen mit ihren Wolken, doch sie beengen den See nicht. Der durchsichtige See atmet frei, mitten im gebirgigen Walddickicht. Und der Wald freut sich über den See. Seine Birken winken ihm zu. Die Tannen und Fichten spenden ihm harzigen Duft. Im Walde stehen einzelne Häuser verborgen, die als Sommerwohnungen dienen. Manche dieser Häuser haben sich ganz nahe an das Ufer vorgewagt. Auf einem Uferabhang sieht man sieben solcher Häuser. Das ist die Kinderkolonie, die sich abseits vom Dorfe und von den anderen Häusern niedergelassen hat.

Am Ufer, das den Kolonisten gehört, geht es lustig zu. Im Hafen schaukeln vier Boote. Das schönste von ihnen ist das weiße Segelboot »Diana«. Auf zwei hohen Stangen ist ein Stück weiße Leinewand angebracht, darauf steht weithin sichtbar geschrieben:

»Durch Arbeit und Wissen wird das wilde Element besiegt.«

Grischka gefiel diese Aufschrift sehr. Kehrte er mit dem Boot in den Hafen zurück, schrie er laut:

»Das wilde Element wird besiegt!«

Das war ein so herrliches Wort! Element! Er konnte es sich kaum erklären, aber wenn er es hörte, bekam er Sehnsucht, ein Held zu sein. Das Element! Auch der See ist ein Element! Darum rauscht er ewig!

Dicht am Wasser hat sich der Uferrand mit einer bunten Borte geschmückt: Runde graue und weiße Steinchen, von der Sonne vergoldeter Sand … An einer Uferstelle ist aus dem Walde ein dicker, alter Baumstumpf hervorgetreten. Die Kinder haben den Kopf eines alten Mannes mit roter Mütze darauf gemalt. Dieser Stumpf schaut einen an wie ein lebendiges Greisengesicht, nur daß sein weißer Bart nicht wackelt. Sonst sieht er wie lebendig aus! Dort starrt er vom Ufer herüber!

Auf dem steilen Ufer steht nacktbeinig Martynow, ein Waldtier, doch ohne Pelz. Wie die Kinder hat auch er eine kurze Hose an, dazu ein Netzhemd bis zum Gürtel. Er geht und seine Füße drücken die Steine in den Boden. Schon von weitem hörte man seine brummende Stimme:

»He da! Barfüßige Internationale! Genug geplätschert: Es ist Zeit, die anderen zu wecken. Schnell! Bei mir heißt's Hm!«

Die vier Jungens riefen alle durcheinander:

»Hm! Hm! Hm! Sergej Michalytsch! Hm!«

Keiner in der Kolonie wußte, was dieser Laut ›Hm‹ bedeutete. Er wurde von Martynow als Lob, aber auch als Tadel angewandt. Er bedeutete: schnell, flink; alles, was man wollte. Grischka hatte von ihm diesen Laut nur in der Kolonie gehört. In der Stadt gebrauchte ihn Martynow nicht. Nur zu Haus, in der Kolonie, bediente er sich seiner.

Grischka kam als erster in die Küche gerannt. Er und seine Gruppe hatten heute Küchendienst, im ganzen acht Kinder. Auf der Terrasse schnitten jetzt die vier Mädchen das Brot in Portionen. Heute wird's ein feines Mittagessen geben! Gestern hatten sie sich verabredet, Grießbrei auf eine neue Art, mit Steckrüben, zu kochen. Die Gruppen, die Küchendienst hatten, bemühten sich um die Wette, bei der Zubereitung des Essens einander zu übertreffen. Brotbacken verstanden sie noch nicht. Dazu war eine Bäckerin da. Alles andere aber machten die Kinder selbst. Gestern abend hatten sie einen Berg Brennholz gehackt. Grischka hatte tüchtig drauflos gearbeitet. Martynow sah das, schnitt ein zufriedenes Gesicht, rieb die Hände aneinander:

»Aha, Peskow –… hm!«

Den ganzen Abend freute sich Grischka über dieses Lob. –…

Jetzt war alles fertig, die Milch, das kochende Wasser. Das Brot lag schon geordnet da für die Kinder.

Gedehnt und befehlend sang das Horn:

»Tu–…ru–…tu!«

Bald war das Ufer besät mit Kindern. Da konnte man allerlei Stimmen hören, allerlei Köpfe, blaue Augen, schwarze Augen, graue Augen sehen. Die Kinder wuschen sich, plätscherten im Wasser, wälzten sich im Sand. Die Knaben hatten ihren eigenen Badeplatz. Die Mädchen badeten im Hafen. Sie quietschten mit dünnen, hohen Stimmen. Sie hatten kurzgeschnittenes Haar, leichte, ungehemmte Bewegungen und sahen darum fast wie Knaben aus.

Zum zweiten Mal tönte das Horn.

Der Kinderlärm flutete vom Ufer zu den Häusern hin. Die ärmellosen Blusen der Mädchen schimmerten weiß. Die nackten Oberkörper der Jungen waren goldigbraun von der Sonne gefärbt. Wie im Sturmangriff raste alles auf die Terrasse, auf der gegessen wurde.

Ein winziges, schwarzhaariges Mädchen rief:

»Küchendienst, Tee trinken!«

Grischka, in einem grauen Küchenkittel, schrie über die Terrasse:

»Hallo! Ich hab ein Gedicht gemacht! Hört zu!

Das Horn ruft:

He! He! –… Zum Tee!«

Nadtotschi mit seiner Baßstimme:

»Nicht Tee, Kaffee!«

Auch Martynow war schon da. Er schnitt eine Grimasse und sang mit tiefer Stimme wie der Diakon in der Kirche:

»Ohne Tee leb ich gut, Kaffee macht mir frischen Mut! Ihr Herren Grafen möchtet wohl Kaffee haben? He?«

Ein Lachen überspülte die Terrasse wie eine Welle. Doch Martynow war schon im Hof neben dem Speicher:

»Wer hat hier die Sättel durcheinander geworfen? Hm! Ihr Schlafmützen, soll man für euch noch Bediente anstellen? Petrucha Fedjadtin, hast du gestern Abend die Pferde auf die Nachtweide geritten? Habt wohl wieder Rennen veranstaltet?«

Mit gespreizten Beinen stand er da, wie in die Erde hinein gewachsen. Neben ihm stand mit zusammengepreßten Lippen der Wirtschaftsverwalter und klagte:

»Sie wollen keine Pferdeknechte anstellen, Sergej Michalytsch! Nikolai ist aber immer unterwegs. Verstehen denn Kinder mit Pferden umzugehen? Sie werden alle zugrunde richten! Das sind mir Pferdeknechte!«

»Jetzt taugen sie 'nen Dreck! Aber sie werden ihre Arbeit schon lernen! Peskow, was rennst du wie'n Besessener mit dem kochenden Wasser? Siehst du denn nicht, daß das Wasser aus dem Schnabel läuft? Hm!«

Aber Peskow sah gerade Anna Sergejewna. Sie ging vorbei, groß, blond, still. Beim Anblick der Kinder zog sich einer ihrer Mundwinkel in die Höhe. Das war ihr Lächeln.

Früher hatte Grischka nichts und niemand geliebt. Alle waren ihm damals gleichgültig, alles ließ ihn kalt. Doch in der Kolonie gewann er alle lieb, am meisten Anna Sergejewna. Sie war für ihn die Sonne. Berge, See, Wald, das alles ist schön, doch die Sonne ist am schönsten. Warum war sie die Sonne für ihn? Einfach so. Er wußte es nicht. Aber wenn er sie sah, wurde alles um ihn herum herrlich. Hatte er ihr einmal in der Küche zu helfen, so trug er die Schüssel mit dem Spülwasser wie ein Heiligtum vor sich hin. Martynow fiel das mehrmals auf. Er dachte: »Der Bengel wird groß!« Und brummte ärgerlich: »Hm!«

Doch bald wurde ihm klar: Für Grischka war Frühling gekommen, ein gesunder, reiner Frühling. Grischkas Augen waren nicht unruhig, unstet, waren nicht benommen, verschleiert. Alle Spuren seiner früheren Erlebnisse waren abgeheilt, wie Schuppen abgefallen. Er wurde gesund, heiter.

Martynow beobachtete auch die anderen Kinder scharf. Manchmal wurden zärtliche Blicke mit den Mädchen gewechselt. Den Jungen Lysjajew neckten die Kinder von wegen der großen Njura. Doch hinter diesen Scherzen verbargen sich keine dumpfen, frühreifen Begierden. Umgang mit Mädchen wurde etwas Gewohntes. Von einer zufälligen Berührung mit einem Mädchen wurde man nicht wie von glühendem Eisen verbrannt. Hier geschah nie, was sich in den städtischen Kinderheimen fast jeden Tag zutrug. Martynow wunderte sich manchmal selber:

»Da sieht man den Einfluß der freien Natur und der Arbeit. Die Kinder sind hier geheilt. Der Schmutz der Stadt ist von ihnen abgegangen, als habe die Natur sie rein gewaschen. Sie wachsen gesund und kräftig heran!«

Er schnitt ein Gesicht, schlug sich mit der Hand aufs Knie und schmunzelte fröhlich:

»Die werden einmal einen guten Nachwuchs geben!«

Auf der Terrasse herrschte Lärm. Da war die ganze Kolonie beisammen, die Kinder, die Erzieher, der Kutscher, die Bäckerin, die Waschfrau, die Näherin. Die Erwachsenen verschwanden in dieser Menge von Kindern; sie waren nur neun Mann auf eine Kolonie von hundert Kindern.

Nach dem Tee zerstreute man sich gruppenweise. Ein Teil ging in den Wald, Pilze sammeln für den Winter. Das Pferd zog langsam den Wagen auf der Straße. Die Kinder schlugen Purzelbäume im Gras. Der dünne, schlanke, leichte Tatarenjunge zeigte den Weg zur Pilzstelle. Er war der beste Läufer in der Kolonie, kannte alle Stellen im Walde. Einmal ging man in den Wald, um dort, sieben Kilometer von der Kolonie entfernt, zu übernachten, doch als man ankam, sah man, daß man die Schlafdecken zu Hause vergessen hatte. Der Baschkirenjunge rannte nach Haus, holte die Decken. Den Tag darauf marschierte er unermüdlich dem Jäger durch den Wald nach. Er ging, als habe er Flügel am Rücken, die ihn trugen. Plötzlich blieb er stehen und schrie:

»Halt! Die Stelle!«

Man ging an die Arbeit.

Eine andere Kindergruppe fuhr singend mit dem Boot weg, um grellrote Vogelbeeren am anderen Ufer zu pflücken. Noch waren die Beeren vom Frost nicht beschädigt. Sie wurden zum Trocknen gesammelt.

Heute rauscht der See an den Ufern. In der Mitte ist er spiegelglatt. Ein herrlicher Tag!

Grischka befand sich bei der dritten Gruppe, bei den ganz großen Kindern. Mit Gesang gingen sie auf die Farm, die drei Kilometer entfernt lag. Bei ihnen war Martynow. Er hatte dieses Haus für die Kolonie erobert. Es war fast ein richtiges Gut. Gebaut wurde da. Die Kolonisten errichteten Pferdeställe, gruben Kuhlen, fuhren Bretter, schleppten und zerschlugen Steine. Sie arbeiteten hartnäckig. Ihre Füße und Hände waren bis aufs Blut zerschunden, doch das hemmte die Fröhlichkeit nicht. Martynow hatte sich in den Kopf gesetzt, dort eine Kraftstation für den Winter einzurichten.

In der Volksbildungsabteilung machte man sich lustig über ihn:

»Wollen Sie etwa Ihre Kolonie elektrifizieren?«

Er lächelte, rieb die Hände und sagte unbeirrt:

»Ja. Ich werde dort im Winter eine elektrische Maschine aufstellen.«

Man lachte ihn aus. Doch bald verschaffte er sich wirklich in der Gouvernementsstadt eine solche Maschine.

In der Volksbildungsabteilung wunderte man sich nicht wenig:

»So ein Bursche!«

Die Kinder meinten stolz:

»Martynow, der ist hm!«

Und als Martynow den Kindern erzählte, wie die Kolonie die ganze Gegend mit Licht versehen, wie sie drei, zehn, zwanzig neue Kolonien erstehen lassen werde, glaubten sie ihm. Sie hatten eine neue Art zu lachen bekommen. Sie lernten lachen vor Freude.

Grischka dachte:

»Ich habe allerlei Menschen gesehen. So einen nie! Das ist ein Kerl!«

In der Kolonie gab es verschiedene Kinder. Solche, deren Eltern ganz arm waren, solche, die man aus den Bergwerken geholt hatte, Waisen aus Kinderheimen und Rechtsverletzer wie Grischka. Nur Kranke und Schwächliche fanden keine Aufnahme bei Martynow.

»Das ist Sentimentalität! Die Erde muß gesäubert werden. Die Kranken sollen aussterben. Gibt es einen Bissen, dann hat der Gesunde Anrecht darauf. Den Gesunden die Bahn! Gebt mir Diebe, Verbrecher! Wenn ihr Körper nur gesund ist, dann werden rechte Menschen aus ihnen!«

Doch nicht alle wurden rechte Menschen. Bei manchem war die Verkommenheit zu tief im Innern verwurzelt. Solche fühlten sich unglücklich in dieser Atmosphäre ständiger Arbeit. Sie hielten mit den anderen nicht Schritt, sahen unzufrieden aus. Martynow schnitt eine Grimasse und schickte sie zurück in die Stadt.

Auch viele Erzieher jagte er davon.

Da war einmal ein blondes, hübsches, zartes Fräulein angekommen. Sie sollte die Kinder im Zeichnen unterrichten, malte immer Blumen und band ihr Tüchlein jeden Tag anders um den Kopf.

Einmal nach dem Bad band sie das Tüchlein so, daß sie einem Heiligenbild ähnlich sah.

Grischka merkte das sofort und fing an zu singen wie in der Kirche:

»Heilige Jungfrau Maria.«

Seitdem nannte man sie die »heilige Jungfrau.« Zog sie die übliche Kleidung der Kolonie an, eine weite Hose und ein Hemd, dann baumelte stets noch eine goldene Kette um ihren Hals oder irgendein Band um ihren Arm. Die Kinder fanden sie komisch. Traf man Anstalten, irgendwohin zu fahren, hörte sie nicht auf, ängstlich zu fragen:

»Wird es auch nicht regnen?«

Taitschinow schrie:

»Huu! Schrecklich! Wirst aufweichen!«

Sie konnte nicht lange marschieren, fühlte sich bald überanstrengt. Einmal, als sie müde wurde, bat sie die Kinder, sie zu tragen. Die hatten nichts dagegen einzuwenden. Sie verflochten die Hände zu einer Bank, und ließen sie darauf sitzen. So saß sie da und spendete lächelnde Grimmassen wie Geschenke nach allen Richtungen. Das sah Martynow. Er brüllte:

»Nikolai! Morgen früh schaffst du Klawdia Petrowna auf die Station. Sie muß eiligst in die Stadt!«

Und sie kam weg.

Bis zum Mittagessen wurde an verschiedenen Stellen gearbeitet, nach dem Mittagessen in der Kolonie. Einer wusch sich seine Wäsche, der andere räumte den Hof auf, andere wieder halfen den Zimmerleuten bei der Arbeit. Darnach ging man auch in die Bibliothek, las Bücher. Doch es gab nicht viele. Bücher zogen nicht an. Die gedruckten Worte schienen den Kindern tot. Viel lieber sahen sie sich Bilder an oder spielten Schach und Dame. Dann spielten sie bis zum Eintritt der Dunkelheit neben dem »Haus der Kultur«. So hieß das Haus, in dem sich die Bibliothek und der Sitzungssaal befanden. Man spielte Fußball und andere Knabenspiele. Nach dem Abendbrot unterhielt man sich mit Gesang, oder man erzählte sich Geschichten. Manchmal tanzte man. Man sang die Internationale, die Grischka so gern hatte, und russische Volkslieder.

Einer der Erzieher hatte eine gute Stimme, und Njura hatte eine kräftige Stimme. Sie sangen herrlich zusammen! Grischka kitzelte es im Hals, und Ameisen liefen seinen Körper entlang, wenn er diesen Gesang hörte. Die Geschichten waren manchmal schön, manchmal auch nicht. Niemand wurde gezwungen, zuzuhören. Eine Erzählung hatte Grischka am liebsten: Wie ein ganzer Staat, von Hunger getrieben, in ein neues Land umsiedelte, wie er sich in hohen Bergen niederließ und es unter ihnen einen Schützen gab. Er schoß seinem eigenen Sohn den Apfel vom Kopf. Er hieß Wilhelm Teil. Hätte ich den Apfel nicht getroffen, sagte er dann, so hatte ich noch einen Pfeil für dich. Das heißt, für den Regierenden, den Zaren.«

Grischka schien es, als ob dies alles in den Bergen, wo die Kolonie lag, sich zugetragen hätte. Auch ein See war hier. Alles so ähnlich! –… Manchmal wurde laut vorgelesen. Die Geschichte von Taras Bulba war sehr schön.

Doch Grischka las nicht gerne selbst, ebenso wenig wie die anderen. Das Buch wurde vom unmittelbaren, greifbaren Leben verdrängt. Die Zeit nach dem Abendbrot verstrich so schnell wie ein Augenblick, und obwohl man nach dem langen Arbeitstage müde war, hatte man keine Lust auseinander zu gehen, wenn Martynow rief: »Ins Bett«. Doch er, lächelnd und händereibend, jagte sie alle aus dem »Haus der Kultur«. Die Kinder zerstreuten sich in ihre Häuschen, fielen gleich ins Bett, und der Schlaf kam sofort, leicht, ungestört von traurigen Visionen. Zuerst trieben die Jungen beim Schlafengehen allerhand Unfug, doch bald merkte Grischka nichts mehr davon. Da man sich am Tage müde gearbeitet hatte, wirkte das Bett beruhigend.

Der Sommer reihte einen Tag an den anderen wie die Perlen einer Kette. Das Ende dieser Kette war nicht mehr weit. Die Kraft der Sonne begann nachzulassen. Sie begann zu kränkeln. Sie wärmte eine Weile und versteckte sich dann hinter Wolken, um auszuruhen. Glänzende Fäden zogen sich von Baum zu Baum. Vor ihrem Tode schmückten die Blätter sich golden.

Martynows Kolonie wurde bekannt. Man kam aus der Stadt, um sie anzusehen. Man lobte sie nicht.

Eine Kommission sagte:

»Die Bildungsarbeit ist zu gering. Es wird zu viel körperliche Arbeit geleistet. Das ist in diesem Alter schädlich.«

Martynow zuckte mit den Schultern, rieb die Hände, lachte:

»Sie möchten die Kinder nur zum Schein arbeiten lassen! Machen Sie, daß Sie weiter kommen! Wir haben unseren eigenen Bildungsgang. Kommt der Winter, dann werden die Kinder an die Bücher gehen. Jetzt haben sie dazu keine Zeit. Sie müssen arbeiten, um im Winter nicht zu krepieren. Ihr werdet im Winter die Kinderheime schließen müssen. Wir aber werden durchhalten. Habt ihr Kranke bei mir gesehen? Hm!«

Eine hagere, rothaarige Frau kam aus Moskau. Sie war zur Erholung hergesandt, hatte aber auch einige Aufträge zu erledigen. In alles steckte sie ihre Nase, verzog den Mund:

»Hier gibt es moralisch Minderwertige. Warum widmet man sich ihnen nicht besonders?«

Martynow schlug sich auf die Schenkel, lachte:

»Schreiben Sie doch ein Buch darüber. Das könnte uns an einem gewissem Ort für gewisse Zwecke nützlich sein. Sie verstehen?«

Plötzlich wurde er wütend:

»Ich habe Diebe aus der Stadt mitgebracht. Wo haben wir hier auch nur ein Schloß? Bloß an den Speichern im Freien! Wer verwahrt die Schlüssel zu den Speichern? Eben diese Diebe! Was ist bei uns je gestohlen worden? Über Nacht bleibt eine Unmenge Stoff in der Nähstube offen liegen! Ist je was gestohlen worden? Weder Tür noch Tor wird je geschlossen. Die ganze Bewachung hat das kleine Hündchen Michrjutka … Wir haben da einen ›Rechtsverletzer‹ Grigorij Peskow. Er hat ganz Sibirien durchwandert, hat das ganze Lexikon der gemeinsten Ausdrücke und Worte durchstudiert. Sehen Sie sich diesen Jungen jetzt an! Um ihn hab' ich keine Angst mehr, nicht mal, wenn er wieder in eure dreckigen Kinderheime geraten sollte. Unter meinen Jungen sind viele ›Rechtsverletzer‹. Zeigen Sie mir, welche das sind! Versuchen Sie mal, das herauszufinden! Das würde Ihnen schwer fallen. Jawohl! Hm!«

Die Frau aus Moskau zuckte mit den Schultern:

»Sie sind gegen die Eltern sehr grob! Die armen Mütter kommen, um ihre Kinder zu sehen. Sie aber jagen sie nach einem Tag fort!«

Martynow schlug sich fröhlich auf die Schenkel, gab das ohne weiteres zu.

»Das stimmt. Ich liebe die Mütter nicht. Sie vergeuden hier nur ihre Zeit! Die Kinder haben keine Zeit zu vergeuden. Sie haben auch gar keine Lust, mit ihren Müttern herumzusitzen und Zärtlichkeiten auszutauschen: ›Ach Söhnchen! … Ach Mütterchen!‹ Das kann man sich leisten, wenn man ein Parasitenleben führt. Jetzt heißt es aber arbeiten, sein nacktes Leben retten! Hm!«

Die Frau machte einen bösen Mund, reiste bald ab, denn man hatte auch sie zur Arbeit heranziehen wollen. –…

Die Häuser der Abteilung für Volksgesundheit lagen eine halbe Werst von der Kolonie entfernt. Man schickte Sowjetbeamte dorthin zur Erholung. Um sich zu zerstreuen, suchten die Sowjetdamen, von ihren Herren begleitet, die Kinderkolonie auf. Martynow ließ es sich einmal, zweimal gefallen. Aber eines Tages stürzte er in seinem weißen Kittel mit der Kochkelle aus der Küche (er hatte an diesem Tage Küchendienst) und ging auf die Besucher los:

»Unsere Kolonie ist keine Promenade! Meine Damen, wollen Sie Geschirr abwaschen? Nein? Dann machen Sie, daß sie fortkommen! Schert euch weg! Wir haben hier keinen Platz für Müßiggänger! Verklagen Sie mich nur bei Ihrer Behörde. Bitte, schicken Sie nur ein Telegramm an den Sowjet der Volkskommissare. Da ist die Türe!«

Die Besucher ergriffen eiligst die Flucht.

Später malten die Kinder ein Bild: Den Gitterzaun der Kolonie, im Zaun eine Türe, Martynow in der Gestalt eines Bären, brüllend, daneben der kleine Hund Michrjutka, bellend. Und sie schrieben darunter:

»Suchen Sie zur Promenade andre Pfade!«

Martynow selbst war meist wegen allerlei Besorgungen unterwegs. Er las keine Bücher, erzählte keine Geschichten. Er hatte keine Zeit dazu. Er besorgte dies und jenes in der Kolonie und fuhr in die Stadt Mehl holen. Dann mußte er Holz heranschaffen, alles Mögliche heranschaffen für sein Ameisenreich. Er forderte hermetisch schließende Ofentüren, denn die Kolonie mußte sich für den Winter wappnen. Die Ofentüren wurden nicht geliefert. Martynow ging mit Nikolai in die leer stehenden Häuser der Abteilung für Volksgesundheit und schraubte dort die Türen von den Öfen ab. Die Verwaltung der Beamtenerholungsstätte beklagte sich bei der Gouvernementsbehörde: Zwar ständen die Häuser leer, aber die Verwaltung hätte gerade die Absicht gehabt, sie instand zu setzen. Diese Absicht bestand aber schon seit über einem Jahr.

Martynow bekam ein amtliches Schriftstück aus der Stadt.

»Hm!«

Und riß es in Fetzen. Was konnte man gegen ihn ausrichten?

Schon hatte der Herbst seinen Faden bis zur Mitte gesponnen. Die Birken waren nackt. Der Wald rauschte dumpf, düster. Der Himmel machte ein böses Gesicht. Der See war nicht mehr blau, sondern schwarz und stürmte heulend gegen das Ufer. Die Vögel flogen weg. Ein Wolf zeigte sich in den Äckern. In den Häusern begann man die Öfen zu heizen. Die Jungens zogen lange Hosen an, die Mädchen Röcke. Die Beamtenerholungsstätte leerte sich. Von den Bergen blies ein wütender Wind, sauste pfeifend durch die leerstehenden Häuser, riß ungestüm an den Dächern der Kinderkolonie.

Der Herbst brachte nicht nur Regen und Düsterkeit, auch der Hunger rückte heran. Martynow kam ärgerlich aus der Stadt zurück, streichelte die Herzen seiner Kinder nicht mit dem Wörtchen »hm«, sondern schimpfte.

In der Versammlung erklärte er den Kindern:

»Der Mehlvorrat muß für den ganzen Monat reichen.«

Die Wirtschaftskommission nahm genau die Vorräte auf und setzte die Ration fest: Dreiviertel Pfund Brot. Fleisch gab es nicht mehr. Man half sich mit Fisch aus dem See. Die Kinder hatten es schwer. Arbeit lastete auf ihnen. Man pflügte gerade den Acker um, doch es war zu wenig Ackerfeld da. Man mußte Waldgrundstücke urbar machen. Die Arbeit auf der Farm näherte sich ihrem Ende. Ein Techniker kam, um die elektrischen Anlagen zu machen. Da wurden die Kinder so froh, daß sie ihre Müdigkeit vergaßen.

Grischka hatte vor kurzem von Amerika gehört. Jetzt leuchteten seine Augen:

»Kameraden, die Farm, das ist unsere Neue Welt. Das ist Amerika. Und unsere alte Kolonie ist Europa.«

Den Kindern gefiel dieser Einfall sehr. »Los von Europa! Wer übernachtet heute in Amerika? Wer ist an der Reihe?«

Einzelne Gruppen blieben abwechselnd mit dem Techniker nachts in der Farm. Abends wurden Schlafdecken gesteppt. Diese Arbeit machten Jungen wie Mädchen. Man mußte sich beeilen. Die Watte für die Decken wurde zu spät geliefert. Zwar wurde eine zweite Näherin angestellt, doch die Näherinnen fertigten Mäntel für die Kinder an.

Der Wind, der von den Bergen kam, wurde immer wütender. Wild schlug er an die Fenster, heulte in den Schornsteinen, kältete die Öfen schnell aus. Man mußte viel Holz hacken und anfahren. Bald würden hohe Schneehaufen den Zugang zum Walde versperren.

Das Dörfchen lag nahe bei der Kolonie. Seit dem Herbst sah es dort ganz traurig aus. Schon im Sommer war das Brot knapp. Man half sich mit Beeren, Pilzen, mit Kartoffeln. Die Kartoffelernte war schlecht. Man begann das Brot mit Rinde zu mischen. Wie Spatzen auf der Suche nach Brotkrumen liefen ganze Schwärme hungernder Kinder in die Kolonie. Im Dorf war wohl ein Kinderheim, aber die Kinder gingen dort zugrunde. Schon im Sommer wurden sie viel schlechter ernährt als die in der Kolonie. Jetzt sah ihnen der Tod aus den Augen. Jungens aus dem Kinderheim wurden von dem Wirtschaftsverwalter der Beamtenerholungsstätte abgefaßt, als sie Fleisch bei ihm stehlen wollten.

Martynow erzählte es seinen Kindern.

Grischka war außer sich. Seine Augen weiteten sich, er flehte:

»Nehmen wir sie doch bei uns auf!«

Die Versammlung beschloß, das Kinderheim als einen Teil der Kolonie zu betrachten. Es hieß nun, mit dem Brotvorrat auch für sie haushalten. Das ergab eine Ration von einem halben Pfund! Die Kolonisten waren noch schlechte Landwirte, verstanden noch nicht richtig zu wirtschaften. Die Sommervorräte waren aufgegessen. Von den Pilzen war nur wenig übrig. Die Kartoffeln wurden zu spät ausgegraben. Die Hälfte davon stahlen die Bauern. Der Ertrag des Gemüsegartens war gering. Aus der Stadt kam nichts an. Die Wangen der Kinder wurden welk und hohl. Sie wurden schneller müde, gingen früher zu Bett. Doch klang Kinderlachen noch oft in der Kolonie.

Martynow lächelte noch immer, kommandierte:

»Schnürt eure Gürtel fester zusammen! Zieht die Bäuche ein! Hm!«

Doch immer seltener schnitt er Gesichter und fuhr immer häufiger zur Eisenbahnstation. Eines Nachts stürmte der See ganz besonders. Heulend schleuderte er seine Wellen gegen die Steine, schäumte auf in Wut und donnerte brausend:

»Huu … Huu … Huu …!«

Der Wind riß an den Wänden, als ob er alles zerschmettern wolle, tobte lärmend im Schornstein. Wurde er ruhiger, dann hörte man Geheul wie von Tieren. Waren es Wölfe oder hungrige Hunde? Das elektrische Licht war noch nicht angelegt. An die Scheiben drückte sich die dunkle Nacht und hüllte die Häuser in unheimliche Finsternis. Die Kinder konnten nicht einschlafen. Ein Gespräch kam nicht in Gang. Sie lauschten dem Krachen der Wände, dem Geheul des Sees. Es schien, als wollte er die Berge zerschmettern, als schleudere er Flüche auf die ganze Gegend.

Grischka schüttelte den Kopf:

»Das wilde Element!«

Doch er dachte nicht mehr daran, ein Held zu werden. Die Kolonie schien ihm so klein, so zerbrechlich, so verlassen. Ganz allein waren sie in diesen Bergen. Draußen weinte jemand, drohte, führte heulende Grabgesänge auf. Warum war heute allen so unheimlich zu Mute? Taitschinow sagte gedrückt:

»Der Tod geht nahe herum.«

Die Eingangstür wurde zugeschlagen. Alle zuckten auf. Woizechowski schrie entsetzt auf. Doch die schweren Schritte beruhigten sie.

Voller Freude rief Grischka:

»Sergej Michalytsch?«

»Ich bin's.«

Er trat in die Schlafstube. Grischka schlief neben der Türe. Martynow setzte sich wuchtig auf sein Bett.

»Schlaft ihr noch nicht? Habt euch wohl bis jetzt unterhalten! Hm!«

Das Unheimliche war von Grischka gewichen. Auch die anderen Jungen wurden lebhaft in ihren Betten.

»Wir schlafen sofort ein! Ich, Peskow, übernehme die Verantwortung. In einer Minute schläft alles!«

Martynow sagte müde:

»Unsere Sache steht schlecht, Grigorij Peskow!«

»Was ist los?«

Taitschinow stürzte aus dem Bett zu Martynow. Alle richteten sich auf:

»Ein Telegramm aus der Gouvernementsstadt. Man fordert, daß ich euch in den städtischen Kinderheimen abliefere. Lebensmittel werden uns nicht bewilligt. Und selbst können wir uns nicht durchhelfen. Hm!«

Grischka rief verzweifelt:

»Sergej Michalytsch, lieber krepiere ich hier. Dorthin geh ich nicht. Deshalb war es uns den ganzen Abend so unheimlich!«

Er begann zu zittern und fiel mit dem Kopf auf Martynows Kniee. Martynow liebkoste die Kinder nie. Wenn er sah, daß die Mädchen sich küßten, brummte er ärgerlich:

»Sentimente!«

Doch jetzt umarmte er Grischka, drückte ihn an sich und bebte, bewegte sich unruhig hin und her auf dem Bett.

Die Kinder sprachen durcheinander:

»Wozu in die Stadt? Krepieren kann man auch hier!«

»Wir werden eben Baumrinde essen!«

»Werden wir dort was Besseres bekommen?«

»Wasjka, gib acht! Die Kolonie soll gesprengt werden, und du machst Dummheiten!«

»Sergej Michalytsch! Lassen Sie das nicht zu, daß die Kolonie kaputt geht!«

Alle Kinder riefen durcheinander:

»Wir bleiben hier! Wir gehen nirgendswohin!«

»Ja, ja, Freunde! Auch die Mädchen … Die haben geweint, haben gesagt, sie wollen hier bleiben. Wir müssen über die Sache nachdenken! Hm! Ihr wißt ja, Kinder. Das Essen ist sehr knapp. Wenn wir auch nicht sterben, auf den Hund werden wir aber kommen.«

Natotschi brummte beruhigend mit seiner Baßstimme:

»Wir werden schon bis zum Frühling durchhalten. Haben doch eigenes Feld!«

Grischka klammerte sich an Martynows Hand:

»Sergej Michalytsch, ich will gerne nur jeden zweiten Tag essen. Der Schlag soll mich treffen, wenn ich jeden Tag essen werde!«

Seine Stimme klang jetzt nicht mehr kindlich. Als sei er mit einem Mal ein Erwachsener geworden, sagte er voller Schmerz:

»Laß uns nicht wieder unter die Rechtsverletzer.«

Martynow schaute in seine Augen und spürte darin einen furchtbaren, menschlichen Schmerz. Er zuckte auf, schnitt ein Gesicht und sagte:

»Ich geb euch nicht weg.«



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