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Die »Villa Hühnchen«, wie ihr Besitzer das kleine Häuschen, nicht ohne einen leisen Anflug von Selbstironie, zu nennen pflegte, war trotz ihrer Vergrösserung immer noch eine merkwürdig winzige Wohngelegenheit, aber sie zeigte sich sehr sauber und niedlich, da sie bei dieser Gelegenheit neu abgeputzt und angemalt worden war. An einem der vereisten Fenster war ein thalergrosses Guckloch sichtbar, wie Kinder es mit einem erwärmten Geldstück einzuschmelzen lieben, und von diesem verschwand, als ich in Sicht kam, ein Auge, während sofort dafür ein anderes sich zeigte, welches freundlich zwinkerte. Auf dem Flur, wo ein angenehmer Kaffee-Geruch bemerklich war, kam Hühnchen mir vergnügt entgegen, indem er rief: »Willkommen, lieber Weihnachtsgast, tritt ein in die zwar nicht übermässig warmen, aber dennoch behaglichen Festräume. Gegen diesen Winter können wir nicht anheizen, obgleich die Oefen heute den ganzen Tag schon bullern. Die Kinder wollten so gerne nach Dir ausschauen und baten mich, ihnen ein Markstück zu leihen, um sich ein Loch in die gefrorenen Fenster zu thauen. Ich aber sagte, Weihnachten ist nur einmal im Jahre, und habe ihnen für diesen Zweck einen Thaler gepumpt!«
Das Fräulein mit der vornehmen Vergangenheit war bereits da und hatte die Gnade, sich meiner zu erinnern. Die gute Dame schien mir heute ganz besonders aufgezäumt zu sein, es klirrte und funkelte allerlei Schmuck an ihr, und über die ganze Gestalt war ein phantastischer Schimmer von künstlicher Jugend verbreitet. Sie sah aus, als wenn man sich Mathissons Gedichte hat neu einbinden lassen.
Als nun auch Frau Lore und die Kinder begrüsst waren, sagte Hühnchen: »Bevor wir uns an den Kaffeetisch setzen, theurer Freund, muss ich Dich mit einer Merkwürdigkeit dieses ausserordentlichen Hauses bekannt machen, welche durch den Umbau erzielt worden ist. Wie Dein baukundiges Auge sofort bemerkt haben wird, ist in dieses, früher unser grösstes, Nordzimmer die neue Treppe nach oben eingebaut, wodurch es kommt, dass zur Verbindung mit dem Südzimmer nur ein breiter Gang übrig geblieben ist, in welchem ein Sopha steht, wie Du siehst. Nun haben wir uns noch nicht zu Doppelfenstern aufgeschwungen, – nebenbei, einfache haben den Vorzug, dass sie ausserordentlich energisch ventiliren, – und da stellt sich nun an solchen kalten Wintertagen wie heute die wunderbare Thatsache heraus, dass wir uns in dem Mikrokosmus dieser beiden kleinen Zimmer sämmtlicher Zonen und Klimate zu erfreuen haben. Beginnen wir unsere Wanderung hier am Nordende. Dicht am Fenster befinden wir uns in der kalten Zone und können auf das Polareis den Finger legen. Dieses Guckloch mag den Nordpol bedeuten. Nun bewegen wir uns nach Süden und gelangen hier bei diesem Grossvaterstuhl bereits in die gemässigte Zone. Ein tropischer Anhauch weht uns entgegen von jenem Ofen am Beginn des breiten Ganges. Dieser Ofen bezeichnet den Wendekreis des Krebses. Wir passiren ihn und gerathen in den Durchgang, in die heisse Zone. Dieses Sopha, welches hier zur Ruhe einladet, heisst Kamerun. Hier halte ich zuweilen in behaglichem Klima ein Nachmittagsschläfchen, wenn dringende Verhandlungen des »Vereins der Zeitgenossen« mich noch in später Nachtstunde im Kreise meiner Freunde festhielten.« Hier sah er sich schalkhaft nach seiner Frau um, welche lächelnd mit dem Finger drohte. Dann fuhr er fort: »Was Du für Ritzen im Bretterfussboden hältst, sind die Breitengrade, und dieser hier, etwas stärker als die übrigen, stellt den Aequator vor. Wir befinden uns demgemäss bereits auf der südlichen Halbkugel, treten durch diese geöffnete Thür in das zweite Zimmer und finden dort wieder einen Ofen, den Wendekreis des Steinbockes. Langsam schreiten wir durch die südliche gemässigte und kalte Zone vor, bis uns wiederum Polareis entgegenstarrt. Und sieh mal, dies Alles in dem Zeitraume weniger Secunden, und wir brauchen dazu nicht Siebenmeilenstiefel wie Peter Schlemihl, der, als ihm im Norden beim Botanisiren der Eisbär in den Weg trat, in seiner Verwirrung durch alle Klimate taumelte, bald kalt, bald heiss, wodurch er sich die monumentale Lungen-Entzündung zuzog. Wir können das viel bequemer in Hausschuhen machen. Aber nun, auf zum Kaffee!«