Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünftes Kapitel.

Am nächsten Morgen nach dem Feste blieb Lady Peveril, ermüdet von den Anstrengungen und Besorgnissen des vorigen Tages, zwei oder drei Stunden länger in ihrem Zimmer, als sie sonst pflegte, und die Sitte der Zeit mit sich brachte. Unterdessen gab Mistreß Ellesmere, eine Person, die, besonders in Abwesenheit ihrer Gebieterin, sich ein großes Ansehen gab, der Gouvernante Deborah Befehl, sogleich die Kinder in die freie Luft in den Park zu bringen, und sie nicht in das vergoldete Zimmer zu lassen, welches gewöhnlich ihr Spielplatz war. Deborah, welche oft und bisweilen mit Erfolg sich dem angemaßten Ansehen der Ellesmere widersetzte, bedachte insgeheim, daß es eben regnen wollte, und das vergoldete Zimmer ein schicklicherer Platz für die Bewegung der Kinder wäre, als das feuchte Gras des Parkes an einem rauhen Morgen.

Allein der Sinn einer Frau ist manchmal eben so unbeständig, als eine Volksversammlung, und nachdem sie jetzt gefunden hatte, daß der Morgen regnerisch sein würde, und daß das vergoldete Zimmer der passendste Spielplatz für die Kinder sei, kam Deborah auf den etwas unbündigen Schluß, daß der Park der passendste Platz für ihren eigenen Morgenspaziergang sei. Es ist gewiß, daß sie während der ungebundenen Fröhlichkeit des vorhergehenden Abends bis Mitternacht mit Launce Outram, dem Parkaufseher, getanzt hatte; allein in wiefern der Umstand, daß sie ihn eben in seinem ländlichen Putz, mit einer Feder auf dem Hut und mit einer Armbrust unter dem Arm, unter dem Fenster vorbeigehen sah, Einfluß auf ihre widersprechenden Meinungen über das Wetter hatte, sind wir weit entfernt errathen zu wollen. Es ist genug für uns, daß, sobald Mistreß Ellesmere den Rücken gewandt hatte, Deborah die Kinder in die vergoldete Stube brachte, nicht ohne strengen Auftrag (denn wir müssen ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen) an den jungen Herrn Julian, auf Fräulein Alexie Achtung zu geben; worauf sie durch die Glasthüre des Schlafzimmers, welches fast der großen Bresche gegenüber war, in den Park schlüpfte.

Das vergoldete Zimmer, worin die Kinder nun ihrem Zeitvertreib ohne Aufsicht überlassen waren, war ein großes Zimmer mit künstlich vergoldeten Tapeten von gedrucktem spanischen Leder behängt, welche in einer nun veralteten, doch gar nicht ungefälligen Manier eine Reihe von Turnieren und Gefechten zwischen den Saracenen von Granada und den Spaniern unter Befehl des Königs Ferdinand und der Königin Isabelle während jener denkwürdigen Belagerung vorstellten, welche durch Umsturz der letzten Ueberreste der Herrschaft der Mauren in Spanien beendigt wurde.

Der kleine Julian lief zu seiner eigenen und seiner kleinen Freundin Unterhaltung im Zimmer umher, indem er mit einem Rohr die drohenden Geberden der Abencerragen und Zegris nachahmte, die mit dem morgenländischen Spiele, den Jerid oder Wurfspieß zu schleudern, beschäftigt waren; ein anderes Mal setzte er sich neben sie, und beschwichtigte sie mit Liebkosungen, wenn das muthwillige oder furchtsame Kind es überdrüssig ward, seinem lärmenden Spiele unthätig zuzusehen. Da sah er plötzlich eine von den Abtheilungen der ledernen Tapeten sich aufthun, und eine schöne Hand sichtbar werden, deren Finger auf ihrem Rande ruhten und sie noch weiter zurückzuschieben bereit schienen. Julian war sehr erstaunt und etwas erschrocken über das, was er gesehen hatte; denn die Mährchen der Kinderstube hatten sein Gemüth mit Gespensterfurcht erfüllt. Doch, von Natur dreist und herzhaft, stellte sich der kleine Held neben seine wehrlose Schwester, und fuhr fort, seine Waffe zu ihrer Vertheidigung so kühn zu schwingen, als wär' er selbst ein Abencerrage von Granada gewesen.

Das Feld der Tapetenwand, auf welches sein Auge geheftet war, wich immer mehr zurück, und zeigte mehr und mehr die Gestalt, zu welcher die Hand gehörte, bis die Kinder in der dunkeln Oeffnung, die sich aufthat, eine Frau in Trauerkleidung erblickten; sie war über den Mittag des Lebens hinaus, trug aber in ihren Gesichtszügen noch immer Spuren großer Schönheit; jedoch der vorherrschende Charakter sowohl ihrer Physiognomie, als ihrer ganzen Person, war ein Ausdruck von fast königlicher Würde. Nach einer augenblicklichen Ruhe auf der Schwelle des Portals, das sie so unerwartet geöffnet hatte, und mit einiger Ueberraschung auf die Kinder blickend, welche sie wahrscheinlich nicht bemerkt hatte, trat die Fremde in das Zimmer, und das Feld schloß sich durch Berührung einer Feder wieder so schnell hinter ihr, daß Julian fast zweifelte, ob es je offen gewesen, und zu befürchten anfing, die ganze Erscheinung möchte eine Täuschung gewesen sein.

Die stattliche Frauengestalt jedoch nahte sich ihm und fragte: »Bist du nicht der junge Peveril?«

»Ja,« antwortete der Knabe erröthend, und nicht ganz ohne ein jugendliches Gefühl jener Regel des Ritterthums, welche Jedem verbot, seinen Namen zu verläugnen, was auch für Gefahr mit dem Geständniß verbunden sein möchte.

»Wenn das ist,« sagte die stattliche Fremde, »so geh' in deiner Mutter Zimmer, und heiße sie sogleich zu mir kommen, um mit mir zu sprechen.«

»Ich mag nicht,« sagte der kleine Julian.

»Wie?« erwiederte die Dame, – »so jung und so ungehorsam? Aber du folgst nur der Sitte der Zeit. Warum willst du nicht gehen, lieber Knabe, wenn ich dich darum als eine Gefälligkeit bitte?«

»Ich wollte wohl gehen, schöne Frau,« sagte der Knabe, »aber,« – und hier hielt er inne, und zog sich immer zurück, so wie die Dame ihm näher kam, ohne die Hand Alexiens loszulassen, welche, zu jung, um den Sinn des Gesprächs zu verstehen, zitternd sich an ihren Gespielen anklammerte.

Die Fremde sah seine Verlegenheit, lächelte, und blieb fest stehen, während sie ihn noch einmal fragte: »Wovor fürchtest du dich, liebes Kind, und warum magst du nicht auf meine Bitte zu deiner Mutter gehen?«

»Weil,« antwortete Julian dreist, »wenn ich gehe, die kleine Alexie mit Euch allein bleiben muß.«

»Du bist ein ritterlicher Knabe,« sagte die Dame, »und willst dein Blut nicht beschimpfen, welches nie den Schwachen ohne Schutz ließ.«

Julian verstand sie nicht, und sah noch mit Aengstlichkeit erst auf sie, dann auf seine kleine Gespielin, deren Augen mit dem leeren Blick der Kindheit, auf ähnliche Art, zwischen der fremden Dame und zwischen ihrem kleinen Freunde und Beschützer hin und her schweiften, bis sie endlich, von einiger Furcht angesteckt, die er unter seinem theilnehmenden Bestreben doch nicht ganz verbergen konnte, in seine Arme floh, durch ihr Anklammern seine Unruhe nur vermehrte, und, indem sie laut zu schreien anfing, es ihm sehr schwer machte, dem sympathetischen Einflusse zu widerstehen und gleichfalls in ein Geschrei auszubrechen.

Es war etwas in dem Wesen und Benehmen der Fremden, das wenigstens Scheu, wo nicht Furcht, rechtfertigen konnte, wenn man die überraschende und geheimnißvolle Art ihrer ersten Erscheinung und ihres Eintritts mit in Anschlag bringt. Ihre Kleidung hatte nichts Ausgezeichnetes, sondern bestand in dem gewöhnlichen weiblichen Reiseanzug der damaligen Zeit, wie ihn die geringere Klasse von Frauenzimmern des Mittelstandes zu tragen pflegte. Aber ihr schwarzes Haar war sehr lang, und mehrere Locken hingen unter der Haube hervor, und wallten auf den Hals und die Schultern herab. Ihre Augen waren dunkelschwarz, scharf und durchdringend, und ihre Gesichtszüge hatten Etwas von ausländischem Gepräge. Ihre Aussprache verrieth einen etwas fremden Accent; die Verbindung der Worte war aber rein Englisch. In ihrem flüchtigsten Ton und Benehmen lag etwas von einer Person, die zu befehlen und Gehorsam zu erwarten gewohnt ist; und die Wiedererinnerung hieran brachte den kleinen Julian wahrscheinlich auf die nachmalige Entschuldigung seiner Furcht mit der Ursache, daß er die Fremde für »eine Feenkönigin« gehalten habe.

Während die fremde Dame und die Kinder einander so gegenüber standen, kamen zwei Personen, fast in demselben Augenblicke, wiewohl zu verschiedenen Thüren herein, deren Hast verrieth, daß sie durch das Geschrei der Kleinen waren in Bewegung gesetzt worden. Die erste war Major Bridgenorth, der beim Eintritt in den Saal, welcher mit dem vergoldeten Zimmer zusammenhing, bei dem Geschrei seines Kindes besorgt herbeieilte. Es war seine Absicht gewesen, in dem gemeinschaftlichen Zimmer so lange zu bleiben, bis Lady Peveril erscheinen würde, und ihr die Versicherung zu geben, daß der vergangene Tag des Getümmels in jeder Hinsicht angenehm für seine Freunde verflossen sei, und ohne alle bedenkliche Folgen, welche aus einem Zusammensein der verschiedenen Parteien sich hätten befürchten lassen. Wenn man aber überlegt, wie heftig ihn die Besorgnisse für seines Kindes Erhaltung und Gesundheit vor Kurzem bestürmt hatten, Besorgnisse, die wohl durch das Schicksal seiner frühern Kinder gerechtfertigt wurden, so wird es nicht befremden, daß das Geschrei seiner kleinen Alexie ihn über die Form der Schicklichkeit hinausführte, und weiter in das Haus einzudringen verleitete, als sich eigentlich ziemte.

Er drang also in das vergoldete Zimmer durch eine Seitenthüre und einen engen Gang, welcher dieses Zimmer und Moultrassie-Hall verband, riß das Kind in seine Arme und suchte durch tausend Liebkosungen das Schreien zu ersticken, welches aber nur noch lauter hervorbrach, als die Kleine sich in den Armen eines Mannes fand, dessen Stimme und Wesen ihr fast fremd waren.

Bestürzt durch dieß Geschrei, das durch Julian verstärkt, in Kurzem sehr heftig ward, trat Lady Peveril herein, mit deren Zimmer die vergoldete Stube durch eine in ihre Garderobe führende besondere Thüre in Verbindung stand. Den Augenblick, als sie erschien, machte sich die kleine Alexie aus den Armen ihres Vaters los, und lief zu ihrer Beschützerin, und sobald sie nur ihr Kleid erfaßt hatte, ward sie nicht nur still, sondern wandte auch ihre großen blauen Augen, in denen noch die Thränen glänzten, mit einem Blick mehr der Verwunderung, als der Besorgniß, auf die fremde Dame. Julian ergriff mannhaft wieder sein Rohr, eine Waffe, von der er sich während des ganzen unruhigen Auftritts nicht getrennt hatte, und stand bereit, seiner Mutter beizustehen, wenn aus ihrer Zusammenkunft mit der Fremden Gefahr für sie entspränge.

Die Fremde schien die Ursache der sichtbaren Verlegenheit, in welche Lady Peveril bei ihrem Anblick gerathen war, zu errathen; denn sie sagte mit der rührenden Art, die ihr besonders eigen war: »Zeit und Mißgeschick haben mich sehr verändert, Margarethe, – das sagt mir jeder Spiegel. – Margarethe Stanley jedoch, deucht mich, sollte Charlotte de la Tremouille noch erkannt haben.«

Lady Peveril war wenig gewohnt, sich von einer plötzlichen Gemüthsbewegung hinreißen zu lassen; aber im gegenwärtigen Falle warf sie sich auf die Kniee und rief in einem mit Gram und Freude gemischten Entzücken, und, halb die Kniee der Fremden umfassend, mit gebrochener Stimme aus:

»Meine gütige, meine edle Wohlthäterin – die fürstliche Gräfin von Derby – die Königin von Man – konnt' ich an Eurer Stimme, Euren Gesichtszügen nur einen Augenblick zweifeln? – O vergebt, vergebt mir!«

Die Gräfin hob die fußfällig flehende Verwandte von ihres Mannes Hause mit aller Anmuth empor, die einer von früher Kindheit her an den Empfang von Huldigung und an Ertheilung von Schutz gewöhnten Dame eigen ist. Sie küßte die Lady Peveril auf die Stirne, und fuhr mit der Hand liebreich über ihr Gesicht, indem sie sagte:

»Ihr habt Euch auch verändert, meine theure Cousine; aber diese Veränderung kleidet Euch wohl, als der Uebergang vom hübschen und schüchternen Mädchen in eine kluge, verständige Hausfrau. Aber mein Gedächtniß, das ich ehemals für gut hielt, trügt mich sehr, wenn dieser Herr da Ritter Gottfried Peveril ist.«

»Ein freundlicher, lieber Nachbar nur, gnädige Gräfin,« sagte Lady Peveril; »Ritter Gottfried ist bei Hofe.«

»So viel hört' ich,« erwiederte die Gräfin von Derby, »als ich letzte Nacht hier ankam.«

»Wie? gnädige Frau,« rief die Lady, »Ihr kamt im Schlosse Martindale an, im Hause der Margarethe Stanley, wo Ihr solches Recht zu befehlen habt, und ließet sie Eure Gegenwart nicht wissen?«

»O ich weiß,« versetzte die Gräfin, »Ihr seid eine treuergebene Unterthanin, freilich in diesen Tagen eine Seltenheit. Allein es machte uns Vergnügen,« setzte sie mit einem Lächeln hinzu, »incognito zu reisen, und da wir Euch mit Bewirthung so vieler Gäste beschäftigt fanden, so wünschten wir Euch nicht durch unsre königliche Gegenwart zu beunruhigen.«

»Aber wie und wo waret Ihr logirt, gnädige Gräfin?« fragte die Lady. »Oder warum solltet Ihr einen Besuch geheim gehalten haben, welcher zehnfach die Glückseligkeit jedes treuen Herzens erhöht hätte, das gestern hier fröhlich war?«

»Für meine Wohnung war gut von der Ellesmere gesorgt – jetzt der Eurigen, wie sie sonst die meinige war. Sie hat hier ehemals, wie Ihr wißt, den Quartiermeister gemacht, und auf größerm Fuße; Ihr müßt sie entschuldigen – sie hatte meinen bestimmten Befehl, mich in dem verborgensten Theil des Schlosses zu logiren (hier wies sie auf das Schiebefeld der Wand), sie gehorchte dem Befehl, und schickte Euch nun, denk' ich, hieher.«

»Nein,« sagte Lady Peveril, »ich habe sie heute noch nicht gesehen, und wußte daher gar nichts von einem so angenehmen, so überraschenden Besuche.«

»Und ich,« erwiederte die Gräfin, »war gleichfalls verwundert, Niemand, als diese lieblichen Kinder, in dem Zimmer zu treffen, wo ich Euch zu hören glaubte. Unsre Ellesmere ist albern geworden – Eure Gutmüthigkeit hat sie verdorben – sie hat die Zucht vergessen, die sie unter mir lernte.«

»Ich sah sie durch den Wald laufen,« sagte Lady Peveril nach einem Augenblick der Ueberlegung, »ohne Zweifel, um die Person aufzusuchen, welche die Kinder zu besorgen hat, um sie wegzubringen.«

»Eure eignen kleinen Lieblinge, unstreitig?« versetzte die Gräfin, indem sie auf sie blickte. »Margarethe, der Himmel hat Euch gesegnet.«

»Das ist mein Sohn,« erwiederte die Lady, auf Julian weisend, welcher ihrem Gespräch begierig zuhorchte; »das kleine Mädchen da kann ich auch das meine nennen.« Der Major Bridgenorth, der unterdessen sein Kind wieder aufgenommen hatte und es liebkoste, setzte es nieder, als die Gräfin sprach, seufzte tief, und ging nach dem Fenster hin. Er wußte wohl, daß er nach den gewöhnlichen Regeln der Höflichkeit sich hätte gänzlich entfernen oder wenigstens dazu bereit zeigen sollen; allein er war kein Mann von ceremoniöser Förmlichkeit, und nahm ein besondres Interesse an den Gegenständen, auf welche das Gespräch der Gräfin, wie er glaubte, kommen würde; dieß verleitete ihn, sich über die Regel des Schicklichen hinweg zu setzen. Die Damen schienen auch wirklich kaum von seiner Anwesenheit Kenntniß zu nehmen. Die Gräfin hatte sich auf einen Stuhl niedergelassen, und hieß Lady Peveril sich neben sie setzen. »Wir wollen wieder einmal die alten guten Zeiten erneuern,« sagte sie, »ob es gleich hier keinen Kanonendonner von Aufrührern gibt, vor denen Ihr an meiner Seite und fast in meiner Tasche Schutz suchen müßtet.«

»Ich habe eine Kanone, edle Frau,« rief der kleine Julian, »und der Parkaufseher soll mich nächstes Jahr sie abfeuern lehren.«

»Da will ich dich als meinen Soldaten einschreiben lassen,« sagte die Gräfin.

»Damen haben keine Soldaten,« antwortete der Knabe, indem er sie ernsthaft ansah.

»Er hat, wie ich sehe,« bemerkte die Gräfin, »die wahre männliche Verachtung unsers gebrechlichen Geschlechts; sie wird fast zugleich mit den übermüthigen Buben geboren, und zeigt sich schon, sobald sie ihren Flügelkleidern entwachsen sind. Hat dir Ellesmere nie etwas vom Latham-House und von Charlotte von Derby erzählt, mein kleiner Held?«

»Tausend, tausendmal,« antwortete er erröthend; »und wie die Königin von Man es sechs Wochen gegen dreitausend Puritaner unter Rogue Harrison, dem Metzger, vertheidigte.«

»Es war deine Mutter, welche Latham-House vertheidigte, nicht ich, kleiner Soldat,« sagte die Gräfin. »Wärst du dabei gewesen, du würdest der beste Hauptmann von den dreien gewesen sein.«

»Sprecht nicht also, schöne Frau,« erwiederte der Knabe; »denn Mama würde um aller Welt willen keine Kanone anrühren.«

»Ja wohl, Julian,« sagte die Mutter; »ich war freilich da, aber als ein unnützer Theil der Besatzung.«

»Ihr vergeßt,« bemerkte die Gräfin, »daß Ihr unser Hospital besorgtet, und Scharpie für die verwundeten Soldaten bereitetet.«

»Kam aber Papa nicht zu Hülfe?« fragte Julian.

»Papa kam zuletzt,« antwortete die Gräfin; »so auch Prinz Rupert – aber ich glaube, nicht eher, als bis man sie beide sehnlich verlangte. – Erinnert Ihr Euch jenes Morgens, Margarethe, als die rundköpfigen Buben, die uns so lange einsperrten, bei dem Erscheinen der Standarten des Prinzen auf dem Berge mit Sack und Pack retirirten – und wie Ihr jeden Hauptmann mit hohem Helmbusch für Peveril vom Gipfel ansaht, der drei Monate zuvor bei der Maskerade der Königin Euer Mittänzer gewesen war? Nein, Ihr braucht nicht zu erröthen bei dem Gedanken daran – es war eine edle Zuneigung – und obgleich die Musik der Trompeten Euch beide zur alten Kapelle begleitete, welche fast gänzlich von den feindlichen Kanonenkugeln zerstört war, und obgleich Prinz Rupert, als er Euch an den Altar führte, in Küraß und Bandelier gekleidet war, so glaub' ich doch, diese kriegerischen Zeichen waren keine Vorbilder künftiger Zwietracht?«

»Der Himmel ist gütig gegen mich gewesen,« sagte Lady Peveril, »indem er mich mit einem zärtlichen Ehegatten beglückt hat.«

»Und indem er ihn Euch erhalten hat,« setzte die Gräfin mit einem tiefen Seufzer hinzu, »während der meinige, ach! mit seinem Blute seine Treue gegen seinen König versiegelte. – O! hätte er diesen Tag erlebt!«

»Ach! daß es ihm nicht vergönnt war!« antwortete die Peveril; »wie hätte der tapfere, edle Graf sich über die unverhoffte Errettung aus unsrer Knechtschaft gefreut!«

Die Gräfin sah die Lady mit einer Miene der Verwunderung an und sagte:

»Ihr habt also nicht gehört, Base, wie es mit unserm Hause steht? Freilich, wie sehr hätte sich mein theurer Mann gewundert, hätte man ihm gesagt, daß derselbe Monarch, für den er sein edles Leben auf dem Schaffot hingab, es nach Herstellung des Königthums zu seinem ersten Geschäfte machen würde, die Vernichtung unseres Eigenthums zu vollenden, das fast schon bei der königlichen Sache zu Grunde gegangen war, und mich, seine Wittwe, zu verfolgen!«

»Ihr setzt mich in Erstaunen, liebe Gräfin!« sagte Lady Peveril; »es kann nicht sein, daß Ihr, – Ihr, die Gattin des tapfern, des treuen, des ermordeten Grafen – Ihr, Gräfin von Derby, und Königin in Man, – Ihr, welche selbst als Mann erschien, als so viele Männer sich als Weiber bewiesen – daß Ihr Uebels leiden solltet, von der Begebenheit, welche die Hoffnungen jedes treuen Unterthanen erfüllt – übertroffen hat, – es kann nicht sein!«

»Ihr seid noch eben so beschränkt in der Weltkenntniß, wie früher, liebe Base,« antwortete die Gräfin. »Diese Wiederherstellung der Monarchie, welche Andern Sicherheit gegeben hat, hat mich in Gefahr gesetzt – diese Veränderung, welche andere, vielleicht weniger eifrige Royalisten, als ich (wie ich zu glauben wage), befreite, hat mich hieher als Flüchtling und in eine verborgene Zuflucht gebracht, um Schutz und Unterstützung bei Euch, liebe Base, zu erbitten.«

»Bei mir,« antwortete Lady Peveril, – »bei mir, deren Jugend Eure Güte schützte, – bei der Gattin Peveril's, des Waffengefährten Eures tapfern Gemahls, – habt Ihr das Recht über Alles zu gebieten. Aber ach! daß Ihr solchen Beistand bedürfen mußtet, wie ich ihn gewähren kann, – vergebt mir, aber es scheint mir wie ein Unglück bedeutendes Traumgesicht, – ich horche auf Eure Worte, als hoffte ich, beim Erwachen sie ungegründet zu finden.«

»Es ist wirklich ein Traum, eine Erscheinung,« sagte die Gräfin von Derby; »aber dieser Traum bedarf keines Sehers zur Auslegung; diese ist längst gegeben in den Worten: »Setzt Euer Vertrauen nicht auf Fürsten.« Ich kann bald Euer Befremden heben. – Dieser Herr da, Euer Freund, ist ohne Zweifel rechtschaffen

Lady Peveril wußte wohl, daß die Royalisten, gleich andern Parteien, sich die ausschließende Benennung der rechtschaffenen oder ehrlichen Partei anmaßten, und sie fühlte sich etwas verlegen, ihr zu erklären, daß ihr Freund nicht rechtschaffen in jenem Sinne des Wortes sei.

»Sollten wir nicht lieber aufstehen?« sagte sie zur Gräfin, und stand auf, wie um sie zu begleiten. Aber die Gräfin behielt ihren Sitz.

»Es war nur eine Gewohnheitsfrage,« sagte sie; »die Grundsätze des Herrn gehen mich nichts an, denn was ich Euch zu sagen habe, ist weit verbreitet, und es kümmert mich nicht, wer meinen Antheil daran hört. Ihr müßt es gehört haben, – denn ich denke, Margarethe Stanley kann nicht gleichgültig gegen mein Schicksal sein – daß nach meines Mannes Ermordung zu Bolton, ich die Fahne aufnahm, die er bis an seinen Tod nie fallen ließ, und mit meiner eigenen Hand in unserem Gebiete Man aufsteckte.«

»So hört' ich allerdings, gnädige Gräfin,« sagte Lady Peveril; »und daß Ihr eine kühne Ausforderung an das rebellische Gouvernement ergehen ließet, selbst nachdem alle andere Theile Britanniens sich unterworfen hatten. Mein Mann, Ritter Gottfried, beschloß, mit einigen wenigen Anhängern Euch zu Hülfe zu eilen, aber wir erfuhren, daß die Insel der Parlaments-Partei übergeben ward, und Ihr in's Gefängniß geworfen wurdet.«

»Aber Ihr hörtet nicht,« sagte die Gräfin, »wie mich jenes Unglück betraf. – Margarethe, ich würde diese Insel gegen die Schurken so lange behauptet haben, als das Meer sie umflossen, bis die Untiefen, welche sie umgeben, ein sicherer Ankergrund geworden – bis ihre steilen Felsen vom Sonnenschein geschmolzen wären – bis von allen ihren Wohnungen und Schlössern kein Stein auf dem andern geblieben wäre, würde ich gegen diese niederträchtigen, heuchlerischen Rebellen meines theuren Mannes Erbgebiet vertheidigt haben. Das kleine Königreich Man hätte erst dann allein übergeben werden sollen, wenn kein Arm übrig geblieben wäre, ein Schwert zu führen, nicht ein Finger, ein Gewehr zur Vertheidigung loszudrücken. Aber Verrätherei that, was Gewalt nie hätte ausrichten können. Als wir verschiedene Angriffe auf die Insel durch offene Gewalt abgeschlagen hatten, vollendete Verrath, was Blake und Lawson mit ihren schwimmenden Schlössern als ein gewagtes Unternehmen befunden hatten – ein niedriger Rebell, den wir in unserem eigenen Busen gehegt hatten, verrieth uns dem Feinde. Dieser Elende führte den Namen Christian.«

Major Bridgenorth stutzte, und wendete sich gegen die Sprechende, schien sich jedoch augenblicklich zu besinnen, und wandte sein Gesicht wieder ab. Die Gräfin fuhr fort, ohne die Unterbrechung zu bemerken, welche der Lady Peveril ziemlich auffiel, da sie mit ihres Nachbarn gewöhnlicher Gleichgültigkeit und Apathie bekannt war; desto mehr überraschten sie diese plötzlichen Zeichen seiner Theilnahme. Sie wollte noch einmal die Gräfin bewegen, sich mit ihr in ein anderes Zimmer zu begeben; aber diese fuhr mit zu viel Lebhaftigkeit fort, um eine Unterbrechung zu gestatten.

»Dieser Christian,« sagte sie, »hat von meines Herrn, seines Souverains, Brod gegessen, und aus seinem Becher getrunken, von Kindheit an, – denn seine Vorfahren waren dem Hause von Man und Derby treue Diener gewesen. Er selbst hatte tapfer an meines Mannes Seite gefochten, und genoß sein ganzes Vertrauen; und als dieser von den Rebellen hingerichtet wurde, empfahl er mir, unter andern mir in seiner letzten Botschaft mitgetheilten Anweisungen, mein Zutrauen zu Christians Treue fortwähren zu lassen. Ich gehorchte, wiewohl ich den Mann niemals gerne sah. Er war kalt und phlegmatisch, und entbehrte ganz des heiligen Feuers, welches zu edlen Thaten entflammt, auch stand er im Verdacht, Anhänger der calvinistischen Lehre zu sein. Aber er war tapfer, klug und erfahren, und besaß, wie der Ausgang bewies, nur zu viel Einfluß bei den Insulanern. Als dieses rohe Volk sich ohne Hoffnung zur Hülfe, und durch eine Blokade bedrängt sah, welche Mangel und Krankheit auf ihre Insel brachte, fing es an, von der bisher bewiesenen Treue abzufallen.«

»Was!« sagte Lady Peveril, »konnten sie vergessen, was der Wittwe ihres Wohlthäters gebührte – ihr, welche mit dem edeln Derby das Bestreben, ihre Lage zu verbessern, getheilt hatte?«

»Macht ihnen keine Vorwürfe!« sagte die Gräfin; »die Rohen handelten nur nach ihrer Natur – in gegenwärtiger Noth vergaßen sie vormalige Wohlthaten, und aufgezogen in ihren Erdhütten, mit Seelen, die ihren Wohnungen angemessen waren, vermochten sie nicht den Ruhm zu würdigen, der an die Standhaftigkeit im Leiden geknüpft ist. Aber daß Christian ihren Aufstand anführen sollte – daß er, von guter Geburt, und unter der eigenen Sorgfalt meines ermordeten Derby zu Allem, was ritterlich und edel war, erzogen – daß er sollte hundert Wohlthaten vergessen haben – was rede ich von Wohlthaten? – daß er den freundlichen Verkehr, welcher den Menschen an den Menschen weit mehr bindet, als die Wechselseitigkeit der Verpflichtung – daß er sollte die Räuber angeführt haben, welche plötzlich in mein Zimmer drangen – mich mit meinen Kindern in einem meiner eigenen Schlösser einsperrten, und die Herrschaft über diese Insel an sich rissen, – daß dieß sollte geschehen von Wilhelm Christian, meinem Vasallen, meinem Diener, meinem Freunde, war eine undankbare Verrätherei, zu welcher selbst dieß Zeitalter des Verraths kaum ein Seitenstück liefern wird!«

»Und Ihr wurdet damals gefangen gesetzt?« fragte Lady Peveril; »und auf Eurem eigenen Gebiet?«

»Ueber sieben Jahre lang habe ich strenge Gefangenschaft erlitten,« antwortete die Gräfin. »Mir wurde zwar meine Freiheit, sogar nebst einigen Mitteln des Unterhalts, angeboten, hätte ich eingewilligt, die Insel zu verlassen, und mein Ehrenwort gegeben, nie den Wiederbesitz von meines Vaters Rechten für meinen Sohn zu suchen. Aber sie kannten wenig das fürstliche Haus, von dem ich abstamme, – und eben so wenig das königliche Haus von Stanley, das ich aufrecht erhalte, – wenn sie hofften, Charlotte von Tremouille würde einen so niedrigen Vergleich annehmen. Lieber würde ich in dem finstersten und niedrigsten Gewölbe des Schlosses Ruffin Hungers gestorben sein, als in Etwas gewilligt haben, was nur eine Hand breit das Recht meines Sohnes an seines Vaters Souveränität geschmälert hatte«

»Und konnte nicht Eure Standhaftigkeit, in einem Falle, wo die Hoffnung verloren schien, diese Menschen bewegen, edelmüthig zu handeln, und Euch ohne Bedingungen zu entlassen?«

»Sie kannten mich besser, als Ihr, Base,« antwortete die Gräfin; »einmal in Freiheit, wäre ich nicht lange ohne Mittel gewesen, ihren unrechtmäßigen Besitz zu stören. Aber die Zeit hat Freiheit und Rache aufbewahrt. – Ich hatte noch Freunde und Anhänger auf der Insel, ob sie gleich genöthigt waren, dem Sturme nachzugeben. Selbst unter den Insulanern überhaupt sahen sich die meisten über die Folgen getäuscht, die sie von der Veränderung der Herrschaft erwarteten. Sie wurden mit Erpressungen von ihren neuen Gebietern belastet, ihre Vorrechte wurden verkürzt, und ihre Freiheiten abgeschafft, unter dem Vorwande, sie in die gleiche Lage mit den andern Unterthanen der angeblichen Republik zurückzubringen. Als die Nachricht von den in Britannien vorgehenden Veränderungen ankam, wurden diese Gesinnungen mir insgeheim vertraut, und ein Aufstand, so plötzlich und kräftig bewerkstelligt, als jener, der mich zur Gefangenen machte, setzte mich in Freiheit und in den Besitz der Souveränität von Man, als Regentin für meinen Sohn, den noch ganz jungen Grafen von Derby. Meint Ihr, ich habe diese Souveränität lange genossen, ohne dem Verräther Christian sein Recht anzuthun?«

»Wie, Gräfin!« sagte Lady Peveril, welche zwar den stolzen und ehrgeizigen Sinn der Gräfin kannte, aber doch kaum das Aeußerste erwartete, zu dem er sie hinzureißen fähig wäre, »habt Ihr Christian in's Gefängniß werfen lassen?«

»Ja, Base, in das sichere Gefängniß, welches kein Missethäter durchbricht,« gab die Gräfin zur Antwort.

Bridgenorth, der sich ihnen unvermerkt genähert hatte, und mit einem Antheil, den er nicht länger zu unterdrücken vermochte, zugehört hatte, brach hier in den Ausruf aus:

»Ich hoffe, gnädige Frau, Ihr habt nicht gewagt –«

Die Gräfin unterbrach ihn sogleich, und sagte:

»Ich weiß nicht, wer Ihr seid, und Ihr kennt mich nicht, wenn Ihr mit mir von Dem sprechen wollt, was ich zu thun wage oder nicht wage. Aber Ihr scheint an dem Schicksal dieses Christian Antheil zu nehmen, und sollt es hören! – Kaum war ich im Besitz meiner rechtmäßigen Gewalt, so befahl ich dem Richter der Insel über den Verräther ein hohes, peinliches Gericht nach der Form zu halten, die in den ältesten Urkunden der Insel vorgeschrieben ist. Das Gericht wurde unter freiem Himmel vor den Richtern und Schöffen gehalten, die auf Felsensitzen saßen; der Verbrecher wurde endlich in seiner Vertheidigung angehört, die auf wenig mehr hinaus lief, als auf jene scheinbaren Berufungen auf die öffentliche Achtung, welche immer gebraucht werden, die Unverschämtheit des Verraths zu bemänteln. Er wurde seines Verbrechens vollständig überwiesen, und ihm als Verräther das Urtheil gesprochen.«

»Das aber wohl noch nicht vollzogen worden ist?« fiel Lady Peveril, nicht ohne einen unwillkürlichen Schauder, ihr in die Rede.

»Ihr seid eine Thörin, Margarethe,« sagte die Gräfin heftig. »Meint Ihr, ich habe eine solche Handlung der Gerechtigkeit aufgeschoben, bis gewisse elende Intriguen des neuen englischen Gerichtshofs dazwischen getreten wären? Nein, Base, er wurde vom Sitz des Gerichts zum Richtplatz gebracht, ohne weitern Aufschub, als den, welcher für das Heil seiner Seele nöthig sein mochte. Hier wurde er im Hofraume des Schlosses Peel von commandirten Musketieren erschossen.«

Bridgenorth rang die Hände und seufzte bitterlich. »Da Ihr für diesen Verbrecher interessirt scheint,« fuhr die Gräfin zu Bridgenorth fort, »so erweise ich Euch nur Gerechtigkeit, wenn ich sage, sein Tod war standhaft und männlich, gemäß dem allgemeinen Charakter seines Lebens, welches, bis auf jene schwere That verrätherischen Undanks, löblich und ehrbar war. Aber was hilft das? Der Heuchler ist ein Heiliger, und der falsche Verräther ein Mann von Ehre, bis Gelegenheit, dieser getreue Probirstein, zeigt, daß das Metall nichts tauge.«

»Es ist falsch, Gräfin, es ist falsch!« sagte Bridgenorth, der seinen Unwillen nicht länger zurückhalten konnte.

»Was soll dieses Betragen, Herr Bridgenorth!« sagte Lady Peveril sehr befremdet. »Was ist Euch dieser Christian, daß Ihr die Gräfin Derby in meiner Behausung beleidigt?«

»Sprecht zu mir nicht von Gräfinnen und Ceremonieen,« rief Bridgenorth; »Gram und Zorn lassen mir keine Zeit zu leeren Gebräuchen, der Eitelkeit übermüthiger Kinder zu schmeicheln. – O Christian, würdig, wohl würdig des Namens, den du führtest! Mein Freund, – mein Bruder, – der Bruder meiner seligen Alexie – der einzige Freund in meinem trostlosen Zustande! Bist du denn grausam gemordet von einer weiblichen Furie, welche, blos um deinetwillen, verdient hätte, mit ihrem eigenen Blute das Blut von Gottes Heiligen zu sühnen, welches sie sowohl, als ihr tyrannischer Mann, mit Waffen versprützt hatte! – Ja, grausame Mörderin!« fuhr er gegen die Gräfin fort, »er, den du in deiner unsinnigen Rache geschlachtet hast, opferte manches Jahr hindurch die Forderungen seines eigenen Gewissens dem Interesse deiner Familie auf, und verließ es nicht eher, als bis dein wüthender Eifer für Königthum die kleine Gemeinde, in der er geboren war, dem Verderben wohl nahe genug gebracht hatte. Selbst indem er dich verhaftete, handelte er nur wie die Freunde des Wahnwitzigen, welche ihn zu seiner Erhaltung an Ketten legen, und für dich, was ich beweisen kann, war er die einzige Vormauer zwischen dir und dem Grimm des Unterhauses im englischen Parlament, und ohne seine Vorstellungen hättest du die Strafe deiner Widerspenstigkeit erlitten, gleich dem verruchten Weibe Ahab's.«

»Herr Bridgenorth,« sagte Lady Peveril, »ich will Euch Eure Heftigkeit beim Anhören dieser unangenehmen Nachricht zu gute halten; aber hier ist es weder nützlich, noch schicklich, die Sache weiter zu verfolgen. Wenn Ihr in Eurem Schmerz andere Gründe der Mäßigung vergeßt, so bitte ich Euch, wenigstens zu bedenken, daß die Gräfin mein Gast und meine Verwandte, und unter einem solchen Schutz ist, als ich ihr gewähren kann. Ich ersuche Euch höflich, Euch zu entfernen, was nothwendig unter diesen mißlichen Umständen das Beste und Schicklichste ist.«

»Nein, laßt ihn bleiben,« sagte die Gräfin, indem sie ihn mit ruhiger Fassung, und nicht ohne Triumph, anblickte; »ich möchte es nicht anders haben; ich möchte nicht, daß meine Rache blos auf die Befriedigung, die Christians Tod gewährt hat, beschränkt bleiben möchte. Die rohen und lauten Beschwerden dieses Mannes beweisen allein, daß die Vergeltung, die ich verfügte, weiter empfunden worden ist, als von dem Elenden, den sie traf. Ich wünschte auch zu erfahren, daß sie eben so viele aufrührerische Herzen verwundet hätte, als rechtliche, treue Seelen durch den Tod meines fürstlichen Derby betrübt worden sind!«

»Wenn es Euch gefällt, gnädige Gräfin,« sagte Lady Peveril, »so wollen wir, da Hr. Bridgenorth nicht die Artigkeit hat, uns auf meine Bitte zu verlassen, uns in mein Zimmer begeben. Lebt wohl, Hr. Bridgenorth, wir wollen einander nachher unter bessern Umständen wiedersehen.«

»Verzeiht, gnädige Frau,« sagte der Major, der schnell das Zimmer durchschritten hatte, aber nun stehen blieb, mit einer Geberde, die verrieth, daß er zu einem Entschlusse gekommen war, »Euch selbst habe ich nichts zu sagen, was nicht mit Ehrerbietung sich vertrüge; aber zu dieser Frau muß ich als eine obrigkeitliche Person sprechen. Sie hat einen Mord in meiner Gegenwart bekannt – noch dazu den Mord von meinem Schwager. Als ein Mann, und als eine obrigkeitliche Person, kann ich sie nicht von hier fort lassen, außer unter solcher Bewachung, die ihre weitere Flucht hindern kann. Sie hat bereits gestanden, daß sie auf der Flucht ist und einen Zufluchtsort sucht, bis sie im Stande ist, in fremde Lande zu entweichen. – Charlotte, Gräfin von Derby, ich belege dich mit Arrest wegen des Verbrechens, dessen du dich so eben gerühmt hast.«

»Ich werde Eurem Verhaftsbefehl nicht gehorchen,« entgegnete die Gräfin gefaßt; »ich wurde geboren, solche Befehle zu geben, aber nicht zu empfangen. Was haben Eure englischen Gesetze mit den Handlungen meiner Justiz und Verwaltung innerhalb des erblichen Königreichs meines Sohnes zu schaffen? Bin ich nicht Königin von Man sowohl, als Gräfin von Derby? Freilich eine lehensherrliche Fürstin, aber doch so lange unabhängig, als meine Pflichten der Hörigkeit gebührend erfüllt werden. Was für ein Recht könnet Ihr über mich behaupten?«

»Dasjenige, welches durch das Gesetz der heiligen Schrift gegeben ist,« antwortete Bridgenorth; »wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll wieder vergossen werden. Glaubt nicht, daß die barbarischen Vorrechte der alten Lehensgebräuche Euch etwas helfen werden, Euch vor der Strafe zu schützen, die auf dem an einem Engländer unter solchen Vorwänden verübten Morde steht, welche mit einer allgemeinen Amnestie unverträglich sind.«

»Herr Bridgenorth,« sagte Lady Peveril, »wenn Ihr nicht in Güte von Eurem gegenwärtigen Vorhaben abstehen wollt, so sage ich Euch, daß ich innerhalb der Schloßmauern meines Mannes irgend eine Gewalt gegen diese verehrte Dame weder erlauben darf noch will.«

»Ihr werdet Euch unfähig finden, mich in Vollziehung meiner Pflicht zu hindern, gnädige Frau,« antwortete Bridgenorth, dessen angeborne Hartnäckigkeit nun seinem Schmerz und seiner Rachbegier zu Hülfe kam; »ich bin eine obrigkeitliche Person und handle kraft meiner Autorität.«

»Das weiß ich nicht,« erwiederte Lady Peveril; »aber daß Ihr eine obrigkeitliche Person waret, Herr Bridgenorth, unter der letztern usurpirten Gewalt, ist mir wohl bekannt; allein bis ich höre, daß Ihr eine Vollmacht im Namen des Königs habet, stehe ich an, Euch als einer Magistratsperson zu gehorchen.«

»Ich will alle Weitläufigkeit vermeiden,« sagte Bridgenorth. »Wäre ich auch keine obrigkeitliche Person, so hat doch Jedermann das Recht, wegen eines gegen die durch des Königs Proclamation ausgesprochenen Bedingungen der Straflosigkeit verübten Mords Jemanden zu verhaften; und ich will mein Recht behaupten.«

»Was Amnestie! was Proclamationen!« sagte die Gräfin Derby voll Unwille. »Carl Stuart mag, wenn es ihm gefällt (und es scheint ihm zu gefallen), sich Denen zugesellen, deren Hände roth von dem Blute und schwarz von der Ausplünderung seines Vaters und seiner treuen Unterthanen sind. Er mag ihnen verzeihen, wenn er will, und ihre Thaten ihnen als gute Dienste anrechnen. Was hat dies mit dieses Christian's an mir und den Meinigen verübten Unbilde zu schaffen? Geboren als Unterthan und erzogen auf der Insel, brach er die Gesetze, unter denen er lebte, und starb für deren Verletzung nach der ordentlichen Untersuchung, welche sie gestatteten. – Mich dünkt, Margarethe, wir haben diese finstere, närrische Magistratsperson nun satt. – Ich begleite Euch in Euer Zimmer.«

Major Bridgenorth stellte sich zwischen sie und die Thüre auf eine Art, welche zeigte, daß er ihr Fortgehen hindern wollte, als Lady Peveril, die ihm in dieser Sache mehr Nachsicht bewiesen zu haben glaubte, als ihr Mann gut heißen würde, ihre Stimme erhob, und laut ihren Haushofmeister Whitaker rief. Dieser, der schon zuvor stark sprechen und eine ihm unbekannte weibliche Stimme gehört hatte, war einige Minuten im Vorzimmer geblieben, wo ihn seine Neugierde nicht wenig plagte. Er trat also augenblicklich herein.

»Laßt drei von den Leuten sogleich zu den Waffen greifen,« sagte seine Gebieterin; »bringt sie in das Vorzimmer und erwartet meine weitern Befehle.«



 << zurück weiter >>