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Drittes Kapitel.

Der Ritter Peveril hatte seiner Gattin aufgetragen, den Adel der gesammten Nachbarschaft zu einem frohen Mahl auf dem Schlosse, zu Ehren der glücklichen Wiedereinsetzung seiner königlichen Majestät, einzuladen, ohne genau anzugeben, woher die Vorräthe zur Bewirthung kommen sollten. Der Thiergarten hatte seit der Belagerung immer wüst gelegen; das Taubenhaus konnte nur Weniges für eine solche Bewirthung liefern; die Fischteiche zwar waren wohl versehen (welches die benachbarten Presbyterianer als einen verdächtigen Umstand bemerkten), und auf den ausgedehnten Haiden und Hügeln der Grafschaft Derby fehlte es nicht an Wild. Aber alles dieß waren nur untergeordnete Bestandtheile des Gastmahls, und der Haushofmeister sowohl als der Amtmann, die einzigen Gehülfen und Rathgeber der Lady Peveril, konnten nicht einig werden, wie die Fleischgerichte, der wesentlichste oder gleichsam der Haupttheil des Gastmahles, zu erlangen wären. Der Haushofmeister drohte, ein Joch schöner, junger Ochsen zu opfern, wogegen sich der Amtmann, wegen ihrer Unentbehrlichkeit für das Feld, standhaft widersetzte; und Lady Peveril konnte bei aller Gutmüthigkeit und rechtlichen Gesinnung sich einigen Unmuths nicht entschlagen, wie ihr Mann so unüberlegt habe handeln können, sie in eine solche Verlegenheit zu setzen.

Die Anhänglichkeit Peveril's an den König hatte bei ihm, wie bei Andern in seiner Lage, durch Hoffnungen und Besorgnisse, Siege und Niederlagen, Kämpfe und Leiden – alle aus derselben Triebfeder entsprungen und gleichsam um dieselbe Angel sich drehend – den Charakter einer starken und enthusiastischen Leidenschaft erlangt, und der schnelle, überraschende Glückswechsel, wodurch seine höchsten Wünsche nicht nur erfüllt, sondern noch weit übertroffen wurden, erzeugte auf einige Zeit berauschendes Entzücken, welches sich über das ganze Königreich zu verbreiten schien. Ritter Peveril hatte den König Carl und seine Brüder gesehen, und war von dem fröhlichen Monarchen mit der gefälligen und zugleich offenen Freundlichkeit empfangen worden, durch die er Alle, die sich ihm naheten, für sich gewann; des Ritters Dienstleistungen und Verdienste waren völlig anerkannt, und zu Belohnungen war ihm Hoffnung, wenn nicht ausdrückliche Zusicherung, gegeben worden. Konnte wohl Peveril, im Jubel seines ganzen Gemüths, überlegen, wo seine Frau Rindfleisch und Schöpsenfleisch zur Bewirthung ihrer Nachbarschaft hernehmen sollte?

Aber, zum Glück für Lady Peveril in ihrer Verlegenheit, hatte doch Jemand Gemüthsruhe genug behalten, um diese Schwierigkeit vorherzusehen. Gerade als sie sich mit vieler Selbstüberwindung entschlossen hatte, für eine zur Ausführung der Befehle ihres Mannes nöthige Summe Major Bridgenorth's Schuldnerin zu werden, während sie diese Abweichung von ihrer gewohnten strengen Haushaltung bitter bedauerte, stürmte ihr Verwalter, der, beiläufig gesagt, seit der Nachricht von des Königs Landung zu Dover nie ganz nüchtern geworden war, in's Zimmer, schnippte mit den Fingern, und zeigte eine lebhaftere Freude, als der Anstand in dem großen Besuchzimmer seiner Gebieterin füglich erlaubte.

»Was soll das heißen, Whitaker?« rief sie etwas verdrießlich; denn sie war im Schreiben eines Briefs an ihren Nachbar, das unangenehme Geschäft des erwähnten Darlehens betreffend, gestört worden. »Seid Ihr immer so? oder träumt Ihr?«

»Ein Traumgesicht von guter Vorbedeutung,« rief der Verwalter mit triumphirender Bewegung der Hand aus; »wahrlich, weit besser als Pharao's, wenn es gleich, wie das seinige, aus fetten Kühen besteht.«

»Sprecht deutlicher,« sagte die Lady, »oder holet Jemand, der vernünftig reden kann.«

»Ei, meiner Treu, gnädige Frau,« antwortete er, »meine Botschaft kann für sich selbst sprechen. Hört Ihr sie nicht brüllen? Hört Ihr sie nicht blöken? Ein Joch fetter Ochsen, und zehn auserlesene Widder. Das Schloß ist für dießmal verproviantirt; – sie mögen es nun bestürmen, wann sie wollen.«

Ohne ihn weiter zu befragen, stand Lady Peveril auf, und ging an's Fenster, wo sie wirklich die Rinder und Schafe sah, die Whitaker so begeistert hatten. »Woher kommen sie denn?« fragte sie mit einiger Verwunderung.

»Erkläre das, wer da kann,« antwortete Whitaker; »der Mann, der sie hertrieb, war ein Bauer aus dem westlichen Bezirk, und sagte bloß, sie kämen von einem Freunde, der einen Beitrag zu dem Gastmahl Euer Gnaden liefern wollte. Der Mann wollte nicht warten, bis man ihm einen Trunk reichte. Es thut mir leid, daß er nicht einmal trinken wollte – haltet zu Gnaden, daß ich ihn nicht bei den Ohren dazu zog. Es war meine Schuld nicht.«

»Das will ich gern glauben,« sagte die Lady.

»Nein, bei Gott, es war meine Schuld nicht, gnädige Frau,« sagte der eifrige Verwalter; »aber ehe das Schloß seinen Credit hätte verlieren sollen, trank ich selbst seine Gesundheit im Doppelbier, ob ich gleich meinen Morgentrunk schon gethan hatte. Es ist die reine Wahrheit, was ich Euch sage, beim Himmel, gnädige Frau.«

»Dazu brauchtet Ihr wohl nicht sehr genöthigt zu werden,« bemerkte Lady Peveril. »Allein, Whitaker, angenommen, Ihr tränket und schwüret etwas weniger, wenn Ihr bei solchen Gelegenheiten Eure Freude äußert, wäre es nicht eben so gut? Was meint Ihr?«

»Ich bitte Euer Gnaden um Vergebung,« erwiederte Whitaker mit vieler Ehrerbietung; »ich hoffe, ich kenne meinen Platz. Ich bin Euer Gnaden armer Diener, und ich weiß, es schickt sich nicht für mich, so zu trinken und zu schwören, wie Euer Gnaden, das heißt, wie der gnädige Herr, Ritter Peveril, wollt' ich sagen. Aber ich bitte Euch, wie kann ein alter Königsfreund, wie ich, von den armseligen Puritanern unterschieden werden, die nichts thun, als fasten und beten, wenn wir nicht, nach unserm Range, trinken und schwören dürfen?«

Lady Peveril schwieg; denn sie wußte wohl, daß Reden hier nichts fruchteten, und sagte nach einer kurzen Pause dem Verwalter, daß sie die aufgeschriebenen Personen, deren Verzeichniß sie ihm gab, zu dem bevorstehenden Schmause eingeladen haben wollte.

Whitaker, anstatt diese Liste mit der stillen Ehrerbietung eines heutigen Haushofmeisters anzunehmen, trug sie in den Winkel eines Fensters, setzte seine Brille auf, und fing an, sie für sich zu durchlesen. Da die Namen vornehmer Personen aus adeligen Familien der Nachbarschaft den Anfang machten, murmelte er darüber in einem beifälligen Tone; bei Bridgenorth's Namen hielt er inne und stutzte, beruhigte sich jedoch mit der Bemerkung: »Aber er ist ein guter Nachbar, so mag es gehen.« Allein als er den Namen und Zunamen von Nehemiah Solsgrave, dem presbyterianischen Pfarrer, las, verließ ihn seine Geduld gänzlich, und er erklärte, er wolle sich eher in's Wasser stürzen, als zugeben, daß die zudringliche, alte puritanische Nachteule, welche sich die Kanzel eines braven, rechtgläubigen Geistlichen angemaßt, jemals die Thore des Schlosses Martindale verdunkeln solle. »Die falschen, stutzköpfigen Heuchler,« rief er mit einem derben Schwur aus, »haben ihre gute Zeit gehabt. Die Sonne scheint nun auf unsere Seite, und wir werden alte Zechen bezahlen, so wahr ich Richard Whitaker heiße.«

»Ihr stützt Euch gewiß auf Eure langen Dienste und auf die Abwesenheit Eures Herrn, Whitaker; sonst unterständet Ihr Euch nicht, mich so zu behandeln,« flüsterte ihm die Gebieterin zu.

Die ungewohnte Heftigkeit ihrer Stimme machte Eindruck auf den widerspenstigen Verwalter, ungeachtet seines jetzigen exaltirten Zustandes, und kaum sah er ihr Auge glänzen und ihre Wange erröthen, so war seine Halsstarrigkeit auf einmal bezwungen. »Der Henker soll mich holen,« rief er, »wenn ich meine gnädige Frau im Ernst bös gemacht habe! Und so einen Anblick bin ich nicht gewohnt. Ich bitte tausendmal um Verzeihung, gnädige Frau. Es war nicht der arme Richard Whitaker, der sich Euren achtbaren Befehlen widersetzen wollte, sondern bloß der zweite Trunk Doppelbier. Wir haben es seit der glücklichen Wiederherstellung des Königthums mit doppeltem Malz versehen, wie Euer Gnaden wohl wissen. Meiner Treu', ich hasse einen Schwärmer, wie ich den Pferdefuß des Satans hasse; aber meine hochverehrte gnädige Frau hat ein Recht, den Satan selbst mit Pferdefuß und Allem in's Schloß Martindale einzuladen, und mich mit einer Einladungskarte an die Höllenpforte zu schicken – und so soll auch ihr Wille erfüllt werden.«

Die Einladungen wurden nunmehr in der gehörigen Form umhergeschickt, und einer von den jungen Ochsen wurde, um ganz gebraten zu werden, auf den Marktplatz eines benachbarten Dorfes gesandt, welches ostwärts vom Schlosse Martindale und von Moultrassie-Hall lag, so daß, wenn man eine Linie von dem einen Herrenhause bis zum andern, als Basis eines Dreiecks, gezogen hätte, das Dorf den hervorspringenden Winkel eingenommen haben würde. Da das erwähnte Dorf, seit der letzten Versetzung eines Theils von Peveril's Eigenthum, dem Ritter und dem Major Bridgenorth zu fast gleichen Theilen gehörte, so fand es Lady Peveril nicht schicklich, das Recht des Letztern zu bestreiten, einige Oxhofte Bier zum Volksfeste beizutragen.

Indessen mußte sie wohl vermuthen, der Major sei der unbekannte Freund gewesen, welcher sie aus der Verlegenheit wegen der Speisevorräthe gerissen hatte, und sie schätzte sich glücklich, als ein Besuch von ihm am Tage vor dem bestimmten festlichen Mahle ihr, wie sie glaubte, Gelegenheit gab, ihm ihre Dankbarkeit zu bezeugen.



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