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Prahlhans.
Die Klinge, Herr –
Pierrot.
Dies Wort, zu oft gesprochen,
Hat seine Zauberkraft verloren, Freund.
Der schlecht'ste Köther auf der Straße selbst
Wird zähnebleckend Eurer Drohung spotten.
Prahlhans.
List soll denn helfen. Statt des langen Schwerts
Will ich des kurzen Messers mich bedienen.
Altes Schauspiel.
Der edle Hauptmann Colepepper oder Peppercull, denn unter beiden Namen war er bekannt und noch unter mehren anderen, hatte ein martialisches, renommistisches Ansehen, welches jetzt noch auffallender war in Folge eines Pflasters, das sein linkes Auge und einen Theil seiner Wange bedeckte. Die Aermel seines Manchesterwamses glänzten von Schmutz wie gewichst; die büffelledernen Stulpen seiner Handschuhe reichten fast bis an den Ellenbogen. Sein Gurt aus demselben Stoffe bedeckte den Raum vom Hüftbeine bis zu den kurzen Rippen und trug auf der einen Seite den breiten Hiebdegen mit schwarzem Griffe, auf der andern den Dolch von entsprechenden Verhältnissen. Er begrüßte Nigeln mit der Miene entschlossener Unverschämtheit, die ankündigt, daß sie sich auch durch den frostigsten Empfang nicht zurückweisen lassen will. Er fragte den Wucherer, den er vertraulich Peter Schandpfahl anredete, wie es ihm gehe, nahm ihm den Lederkrug aus der Hand und trank ihn in einem Zuge aus aufs Wohlsein des jüngsten und letzten Freisassen vom Elsaß, des hochedlen lieben Meisters Nigel Grahame.
Er setzte den leeren Eimer nieder, schöpfte Athem und begann die daraus verschwundene Flüssigkeit zu kritisiren. »Passables Dünnbier, alter Schandpfahl, vermuthlich gebraut im Verhältniß von einer Nußschale Malz zu einem Bottig Themse – dabei abgestanden wie ein todter Fisch. Und doch ist es schäumend meine Kehle hinabgelaufen – bei Zeus! – zischend wie Wasser über glühendes Eisen. – Ihr habt uns früh verlassen, edler Meister Grahame, aber, auf mein Wort, wir haben flott gezecht Euch zu Ehren. Wir haben das Faß hohl klingen hören, ehe wir auseinander gingen. Wir hatten einander so lieb wie warme Brüder, und haben endlich zum Schlusse des Festes ein wenig gefochten. Ich habe, wie Ihr seht, einen Denkzettel vom Pfarrer an mir, so ein Stück von seiner Predigt, die für mein Ohr bestimmt war, die aber ihr Ziel verfehlt und mein linkes Auge getroffen hat. Der Mann Gottes trägt auch mein Handzeichen an sich; allein der Herzog hat uns wieder versöhnt, und es hat mich mehr Sect gekostet, als ich tragen konnte, und den Rheinwein dazu, um dem Seher auf dem Wege der Liebe und Eintracht Bescheid zu thun. Aber, Caracho! er ist und bleibt doch ein näselnder Lump, den ich gelegentlich aus seiner Teufelslivree in alle Farben des Regenbogens prügeln werde. Basta! – Hab' ich Recht, alter Trapbois? Wo ist deine Tochter, Gesell? – Was sagt sie zu meinem Antrage? Er ist ehrenhaft. Willst du einen Soldaten zum Schwiegersohne, um die Seele kriegerischer Ehre mit deinem Diebsblut zu mischen, gleichwie man geistvollen Branntwein in trübes Bier gießt?«
»Meine Tochter empfängt nicht so früh Gesellschaft, edler Hauptmann,« antwortete der Wucherer, und schloß seine Rede mit einem nachdrücklichen »Uhu«.
»Wirklich? für keine Er–kennt–lich–keit?« versetzte der Hauptmann. »Und warum nicht, alter Treugold? Ich dächte, sie hätte nicht viel Zeit zu verlieren, um ihren Handel abzuschließen.«
»Herr Hauptmann,« sprach Trapbois, »ich habe ein kleines Geschäft mit unserm Freunde hier, Meister Nigel Grün – uhu, uhu, uhu.«
»Und meinst, ich solle gehen?« fügte der Großsprecher hinzu. »Aber gedulde dich, alter Schandpfahl, deine Stunde ist noch nicht gekommen. Du siehst,« fuhr er fort, auf das Kästchen deutend, »der edle Meister Grahame, den du Grün nennst, hat seine Decusen und seine Schmelzer.«
»Die Ihr ihm gern abnehmen möchtet, ha! ha! uhu, uhu,« versetzte der Wucherer, »wenn Ihr es nur anzufangen wüßtet. Aber Ihr seid Einer von Denen, die Wolle haben wollen und geschoren heimgehen. Hätte ich nicht alles Wetten verschworen, so wollte ich eine Erkenntlichkeit daran setzen, daß mein ehrenwerther Gast Euch mit leerem Beutel heimschickt, wenn Ihr es mit ihm aufzunehmen wagt – uhu, uhu – in irgend einem Spiele, welches Leute von Stande mit einander spielen.«
»Das hast du getroffen, du armseliger Karnickelfänger!« erwiderte der Hauptmann und zog ein Paar Würfel aus dem Aermel seines Wamses. »Ich kann mich der Gesellschaft dieser verfluchten Doctoren nicht entschlagen, die mich zum Narren jedes Kindes gemacht und meinen Beutel bis zur Auszehrung purgirt haben. Aber was liegt daran? Die Zeit geht damit hin, wie mit etwas Anderem. – Was sagt Ihr dazu, Meister Grahame?«
Der Bursche hielt inne. Allein selbst seine ungeheure Unverschämtheit konnte kaum dem Blicke kalter Verachtung widerstehen, mit welchem Nigel seinen Antrag aufnahm und kurz erwiderte: »Ich spiele nur da, wo ich meine Gesellschaft kenne, und nie Morgens.«
»Vielleicht sagen Karten besser zu,« bemerkte Hauptmann Colepepper, »und was die Gesellschaft betrifft, so kann der ehrliche alte Schandpfahl Euch bezeugen, daß Hans Colepepper so regelrecht spielt, wie nur irgend ein Mann, der je einen Würfel hat rasseln lassen. Man spricht von hohen und niedrigen Würfeln, von Bleiwürfeln, Sträubwürfeln, von Kneipen, Stechen, Schleifen, Koppen und hundert anderen Arten von Prellerei, allein ich will mich braten lassen wie eine Speckschnitte, wenn ich je eine derselben weggekriegt habe.«
»Wenigstens habt Ihr die Nomenclatur vollkommen inne,« bemerkte Nigel trocken.
»Bei meiner Ehre, das habe ich,« erwiderte der Großsprecher. »Das sind so Redensarten, die man in der Stadt lernt. Aber vielleicht hättet Ihr Lust zu einer Partie Fußball oder Ballon? Wir haben hier in der Nähe einen hübschen Hof und eine Partie so anständiger Degen, wie nur je Leder wider die Wand geschlagen haben.«
»Ich danke für jetzt,« antwortete Lord Glenvarloch, »und um meine Meinung offen zu sagen, ich hoffe, unter die werthvollen Vorrechte, welche Eure Gesellschaft mir ertheilt hat, darf ich auch das zählen, in meinen vier Wänden für mich zu sein, wenn ich Lust habe.«
»Gehorsamster Diener, verehrter Herr!« erwiderte der Hauptmann. »Ich danke Euch für Eure Höflichkeit. Hans Colepepper kann Gesellschaft haben, so viel er will, und braucht sich Niemandem aufzudringen. Aber vielleicht hättet Ihr Lust zu kegeln?«
»Durchaus nicht,« versetzte der Freiherr.
»Oder einen Floh springen, eine Schnecke rennen, zwei Kähne wettfahren zu lassen?«
»Nichts von all' dem,« antwortete Nigel.
Der Alte, welcher bisher mit seinen kleinen stechenden Augen den aufmerksamen Beobachter gemacht hatte, zupfte den dicken Prahler am Saume seines Wamses und flüsterte ihm zu: »Trumpft ihm nicht auf – das verfängt Nichts. Laßt die Forelle spielen, sie wird gleich nach der Angel aufsteigen.«
Aber der Eisenfresser, im Vertrauen auf sein kraftverkündendes Aeußere und vermutlich Nigels ruhige Verachtung für Aengstlichkeit nehmend, endlich auch wohl durch das offene Kästchen gereizt, begann einen lauteren und drohenderen Ton anzunehmen. Er warf sich in die Brust, runzelte die Stirn, nahm seine grimmige Geschäftsmiene an und fuhr fort: »Hört einmal, Herr, im Elsaß muß man nachbarlich und gesellig sein. Donner und Wetter! wir würden jede Nase aufschlitzen, die sich über ehrliche Bursche rümpfen wollte. Wir würden sie aufschlitzen, Herr, bis an den Knorpel, auch wenn sie in ihrem Leben nichts Anderes gerochen hätte, als Moschus, Ambra und wohlriechende Wasser des Hofes. Schwerenoth! ich bin Soldat und mache mir so wenig aus einem Freiherrn, wie aus einem Lampenfüller.«
»Sucht Ihr Streit, Herr?« fragte Nigel in ruhigem Tone, da er wirklich keine Lust hatte, sich an einem solchen Orte und mit einem solchen Menschen zu balgen.
»Streit, werther Herr?« versetzte der Hauptmann. »Ich suche keinen Streit, aber ich gehe ihm auch nicht aus dem Wege. Ich will Euch nur wissen lassen, daß Ihr nachbarlich sein müßt; weiter Nichts. Wie wär' es, wenn wir über das Wasser gingen und einen Ochsen hetzen sähen? Es ist ein schöner Morgen. Schwerenoth! wollt Ihr denn gar Nichts thun?«
»Ich fühle mich sehr versucht, Etwas zu thun,« antwortete Nigel.
» Videlicet?« Nämlich. fragte Colepepper mit anmaßender Miene. »Laßt die Versuchung hören.«
»Ich fühle mich versucht, Euch zum Fenster hinauszuwerfen, wenn Ihr nicht macht, daß Ihr die Treppe hinunter kommt.«
»Mich zum Fenster hinauswerfen?« schrie der Hauptmann. »Höll' und Teufel! Ich habe bei Ofen mit meinem bloßen Rappier es mit zwanzig krummen Säbeln aufgenommen, und ein Milchgesicht, ein schottischer Betteljunker soll von mir und einem Fenster in einem Athem reden? – Zurück, alter Schandpfahl! Ich haue ihn in Kochstücke! er stirbt des Todes!«
»Um Gotteswillen, ihr Herren!« rief der alte Geizhals, sich zwischen sie werfend, »brecht den Frieden um keinen Preis! Edler Gast, laßt ab von dem Hauptmanne – er ist ein wahrer Hektor von Troja. Treuer Hektor, laß ab von meinem Gast, er wird sich als ein wahrer Achilles zeigen. – Uhu, uhu –«
Der Husten unterbrach den Alten, nichtsdestoweniger fuhr er fort, sich zwischen die beiden Gegner zu stellen. Colepepper hatte seine Fuchtel herausgezogen und that Stöße in die Luft. Nigel hatte sich umgewandt, um seinen Degen zu ergreifen, und hielt ihn in der Scheide in der linken Hand.
»Mach' ein Ende mit diesen Possen, du Schuft!« rief er dem Prahler zu. »Bist du hiehergekommen, um deine Flüche und deinen erkünstelten Muth gegen mich auszuspeien? Du scheinst mich zu kennen, und ich schäme mich fast zu sagen, daß ich mich endlich deiner erinnere. Denke an den Garten hinter dem Speisehause, du feiger Spitzbube! und an die Eile, mit welcher du vor den Augen von fünfzig Zuschauern vor einem gezogenen Degen gelaufen bist. Mache, daß du fort kommst, und erspare mir die Mühe, einen verzagten Hundsfott die Treppe hinunter zu prügeln!«
Des Eisenfressers Miene ward düster wie die Nacht, als er sich so unerwartet wiedererkannt sah. Ohne Zweifel hatte er sich in seiner veränderten Kleidung und in dem Pflaster dagegen für gesichert gehalten, da Nigel ihn nur ein Mal gesehen hatte. Zähneknirschend und mit geballter Faust schien er für einen Augenblick Muth sammeln zu wollen, um auf seinen Gegner loszustürzen. Aber der Muth versagte ihm. Er steckte das Schwert ein, kehrte sich schweigend um, und sprach kein Wort, bis er die Hausthür erreichte. Hier wandte er sich wieder um, stieß einen schweren Fluch aus und sprach: »Wenn ich mich nicht binnen wenigen Tagen an dir räche, so soll der Galgen meinen Leib und der Teufel meine Seele haben!«
So sprechend verließ er das Haus mit einem Blicke, in welchem sich ein anscheinend furchtbarer, wiewohl gegen seine eigne Furchtsamkeit ohnmächtiger Grimm aussprach. Nigel war ihm bis zum Geländer oben an der Treppe gefolgt, um zu sehen, ob er wirklich weggehe. Ehe er in sein Zimmer zurückkehrte, kam ihm Martha Trapbois, durch den Lärm herbeigezogen, entgegen. In seinem Aerger konnte er sich nicht enthalten, ihr zu sagen: »Ich wollte, Ihr könntet Eurem Vater und seinen Freunden die Lehre beibringen, die Ihr mir diesen Morgen gegeben habt, und sie bewegen, mich in meinem Zimmer unbelästigt zu lassen.«
»Junger Mann,« erwiderte sie, »wenn Ihr hierher gekommen seid, um in ruhiger Zurückgezogenheit zu leben, so habt Ihr Euch einen schlechten Platz anweisen lassen. Ihr könntet eher Gnade in der Sternkammer oder Gottseligkeit in der Hölle suchen, als Ruhe im Elsaß. Aber mein Vater soll Euch nicht ferner stören.«
So sprechend trat sie in sein Zimmer. Als sie das offene Kästchen erblickte, sagte sie mit Nachdruck: »Wenn Ihr einen solchen Magnet sehen laßt, könnt Ihr manches stählerne Messer an Euren Hals ziehen.«
Nigel machte schnell das Kästchen zu. Martha wandte sich an ihren Vater und machte ihm in nicht eben ehrerbietiger Weise Vorwürfe über seinen Verkehr mit dem feigen, prahlerischen, mörderischen Schurken Hans Colepepper.
»Ei, ei, Kind,« erwiderte der Alte mit einem schlauen Blicke, welcher Selbstzufriedenheit mit seiner Pfiffigkeit ausdrückte; »ich weiß wohl – uhu –; aber ich will sie Alle über den Löffel barbiren. Ich kenne sie Alle und weiß, wie ich es mit ihnen zu machen habe –; ich habe das weg. Uhu – uhu.«
»Ihr es machen?« versetzte die strenge Mamsell. »Ihr werdet machen, daß sie Euch den Hals abschneiden und das bald. Ihr könnt nicht mehr, wie früher, Euren Erwerb und Euer Gold vor ihnen verbergen.«
»Meinen Erwerb, Weibsbild? mein Gold?« erwiderte der Wucherer; »das will nicht viel sagen und ist sauer erworben.«
»Damit kommt Ihr nicht mehr durch, Vater,« sprach die Tochter, »und Ihr wäret nicht so lange damit durchgekommen, wenn nicht der Eisenfresser Colepepper ein leichteres Mittel, Euer Haus zu plündern, in meiner elenden Person erblickt hätte. – Doch wozu sag' ich ihm alles das,« fuhr sie achselzuckend fort, mit einem Ausdrucke von Mitleid, der an Verachtung grenzte. »Er hört mich nicht, er denkt nicht an mich. Es ist sonderbar, daß die Sucht, Gold zusammenzuscharren, länger dauert als die Sorge, Leben und Eigenthum zu bewahren.«
»Euer Vater,« bemerkte Lord Glenvarloch, der dem Verstand und Gefühl der armen Person trotz ihrer Rauheit Gerechtigkeit widerfahren lassen mußte, »Euer Vater scheint ganz wohl bei Sinnen zu sein, wenn er bei seinen gewöhnlichen Geschäften ist. Ich wundere mich, daß das Gewicht Eurer Gründe keinen Eindruck auf ihn macht.«
»Die Natur hat ihn unempfindlich gegen Gefahren gemacht,« erwiderte Martha, »und das ist das Beste, was ich von ihm geerbt habe. Sein hohes Alter hat ihm so viel Schlauheit gelassen, daß er auf seinen alten gebahnten Wegen fortwandeln kann, aber neue kann er nicht mehr einschlagen. Das alte blinde Pferd geht noch lange in der Mühle mit, während es auf der offenen Wiese stolpern würde.«
»Tochter! he! Weibsbild! Mensch!« schrie der Alte, wie aus einem Traume erwachend, in welchem er vergnügt gelächelt hatte, wahrscheinlich über einen glücklichen Gaunerstreich. »Geh' in die Stube, geschwind in die Stube, lege die Stangen und Ketten vor, hab' Acht auf die Thür, laß Niemand aus und ein, als den ehrsamen Meister Grahame. Ich muß meinen Mantel nehmen und zu Herzog Hildebrod gehen. Ja, ja, die Zeit ist vorbei, wo mein Wort galt; doch je tiefer wir liegen, desto mehr sind wir vor dem Winde geschützt.« Und mit dem gewöhnlichen Anhange von Murmeln und Husten verließ der Alte das Zimmer.
Seine Tochter sah ihm einen Augenblick mit ihrer gewöhnlichen unzufriedenen und schmerzvollen Miene nach. Nigel, der dies bemerkte, äußerte gegen sie: »Wenn Ihr wirklich für Euren Vater fürchtet, so solltet Ihr ihn bewegen, diese böse Nachbarschaft zu verlassen.«
»Er würde in keinem andern Quartier sicher sein,« erwiderte die alte Jungfer. »Ich wollte lieber, er wäre todt, als daß er öffentlich der Schande preisgegeben würde. In andern Quartieren würde er gehetzt und verfolgt werden, wie eine Eule, die sich an's Tageslicht wagt. Hier war er sicher, so lange seine Genossen seine Geschicklichkeit benutzen konnten; jetzt wird er unter jedem Vorwande gerupft und gezupft. Sie betrachten ihn wie ein gestrandetes Schiff, von welchem Jeder eine Beute nehmen kann. Vielleicht ist es nur die Eifersucht, weil er als Gemeingut betrachtet wird, die ihn vor heimlichen und gefährlicheren Angriffen bewahrt.«
»Demungeachtet, dächte ich, solltet Ihr diesen Ort verlassen,« bemerkte Nigel. »In einem fernen Lande könntet Ihr ja wohl eine sichere Zuflucht finden.«
»Zum Beispiel in Schottland,« fügte Martha mit einem stechenden argwöhnischen Blicke hinzu, »um Fremde mit unserer geretteten Habe zu bereichern. Nicht wahr, junger Herr?«
»Wenn Ihr mich kenntet, würdet Ihr Euch nicht einfallen lassen, zu denken, was in Euren Worten liegt,« erwiderte Nigel.
»Wer bürgt mir für Euch?« versetzte Martha. »Es heißt, Ihr seid ein Raufer und Spieler, und ich weiß, welches Zutrauen der Unglückliche auf solche setzen kann.«
»Das ist, so wahr Gott lebt, eine Verleumdung,« erklärte Lord Glenvarloch.
»Es mag sein,« erwiderte Martha. »Ich habe mich um den Grad Eurer Lasterhaftigkeit oder Eurer Thorheit nicht zu bekümmern. Gewiß ist, daß die eine oder die andere Euch hierher geführt hat, und eben so gewiß ist, daß Eure beste Hoffnung auf Sicherheit, Glück und Ruhe darauf beruht, daß Ihr so bald wie möglich diesen Ort verlasset, der stets ein Stall für Schweine und oft eine Schlachtbank ist.« So sprechend verließ sie das Zimmer.
In der abstoßenden Weise des Weibes lag Etwas, das nahe an Verachtung des Angeredeten grenzte. Einer solchen Demüthigung war Glenvarloch trotz seiner Armuth bis jetzt noch nicht ausgesetzt gewesen, und sie machte als eine bittere Erfahrung ganz neuer Art eine peinliche Wirkung auf ihn. Die dunkeln Andeutungen Martha's über die Gefährlichkeit seines Zufluchtsortes klangen auch nicht erfreulich. Der herzhafteste Mann, der sich von argwöhnischen Menschen umgeben, von allem Rathe und Beistand abgeschnitten und lediglich auf seine Unerschrockenheit und seine Faust verwiesen sieht, fühlt eine gewisse Niedergeschlagenheit, welche ihn mit einem vorübergehenden Schauer erfüllt und seinem natürlichen Muthe Eintrag thut.
Wenn übrigens trübe Gedanken und Empfindungen in Nigels Seele aufstiegen, so hatte er nicht Zeit, denselben nachzuhängen. Zeigte sich für ihn auch wenig Aussicht, im Elsaß Freunde zu finden, so überzeugte er sich doch wenigstens, daß er nicht aus Mangel an Besuchern den Unannehmlichkeiten der Einsamkeit ausgesetzt sein werde.
Kaum war er zehn Minuten in seinem Zimmer auf- und abgegangen, beschäftigt mit dem Gedanken, wohin er sich vom Elsaß aus wenden solle, als er gestört ward durch den Besuch des Oberherrn dieses Quartiers, des großen Herzogs Hildebrod. Die Stangen und Ketten am Eingange zu des Geizhalses Wohnung fielen wie von selbst vor der Durchlaucht, die beiden Flügelthüren öffneten sich und der Großmächtige rollte ein wie ein Stückfaß, dem er an Größe, Gestalt, Farbe und Inhalt gar nicht unähnlich war.
»Guten Morgen, edler Herr,« begann das schmierige Faß, sein eines Auge aufreißend und es mit einem eigenen Ausdrucke vertraulicher Unverschämtheit auf Nigeln richtend, während sein grimmiger Bullenbeißer dicht hinter ihm eine halbverhungerte Katze, das einzige von uns noch nicht erwähnte lebende Wesen in Trapbois' Hause, anknurrte. Die Katze hatte sich auf Nigels Betthimmel geflüchtet und schien da mit gesträubtem Haare und aufgehobener Pfote den Gruß des Hundes eben so freundlich aufzunehmen, wie Nigel den seines Herrn.
»Ruhig, Belz! Verdammtes Vieh, ruhig!« rief Herzog Hildebrod. »Vieh und Narren sind naseweis, edler Freiherr.«
»Ich dächte, mein Herr,« versetzte Nigel mit so viel stolzem Nachdruck, als sich mit der Entfernung vertrug, die er zwischen sich und dem Angeredeten behaupten wollte, »ich dächte, ich hätte Euch gesagt, daß ich gegenwärtig Meister Nigel Grahame heiße.«
Die Durchlaucht von Whitefriars brach in ein lautes unverschämtes Lachen aus, indem sie immer wiederholte: »Niggle Grün – Niggle Grün!« bis sie vor Lachen nicht mehr konnte. Nachdem er sich satt gelacht, sprach der Herzog: »Wenn Ihr schreit, ehe Ihr getroffen seid, so könnt Ihr keinen Groschenkrug Malvasier in Ruhe trinken, hochedler Herr. Ihr hättet mir Euer Geheimniß so eben verrathen, wenn ich es nicht schon vorher errathen gehabt hätte. Eh, Meister Nigel! da dies das rechte Wort ist, – ich habe Euch blos darum Freiherr genannt, weil wir Euch vergangene Nacht zum Standesherrn vom Elsaß gemacht haben, als der Sect seine Herrschaft übte. Was sagt Ihr jetzt? Ha! ha! ha!«
Nigel sah, daß er sich wirklich unbedachtsamer Weise verrathen hatte, und beeilte sich zu erwidern, daß er sehr dankbar sei für die ihm ertheilte Würde, daß er aber nicht lange genug im Elsaß zu bleiben gedenke, um derselben froh zu werden.
»Je nun, das könnt Ihr halten, wie Ihr wollt, wenn Ihr weisem Rathe zu folgen gedenkt,« erwiderte das herzogliche Meerschwein, und ohne darauf zu achten, da? Nigel, in der Hoffnung seine Entfernung zu beschleunigen, stehen blieb, warf es sich in einen der alten Sessel mit gestickter Rücklehne, daß derselbe unter seiner Last krachte, und rief dem alten Trapbois.
Das alte Putzweib erschien statt des Hausherrn, und der Herzog fuhr sie fluchend an als ein nachlässiges Mensch, das einen fremden und achtbaren Gast ohne Morgentrunk lasse.
»Ich pflege keinen zu nehmen,« bemerkte Nigel.
»Es ist Zeit, daß Ihr Euch daran gewöhnt,« erwiderte der Herzog. – »Hier, alter Auswurf der Hölle, gehe nach Unserem Palaste und hole einen Morgentrunk für den gnädigen Herrn Grün. Warte – was soll es sein, gnädiger Herr? Ein siedender Doppelkrug Bier, mit einem obenauf tanzenden gebratenen Holzapfel? – oder – hm – ja, junge Leute sind Süßmäulchen – eine Maß gebrannten Sect mit Zucker und Gewürz? gut wider den Nebel. Oder, was meint Ihr zu einem Schöppchen echten gebrannten Wassers? Ah, wir wollen das Alles kommen lassen, dann mögt Ihr wählen. – Hier, Jesabel! sage, Thomas soll das Bier und den Sect und ein Fläschchen Doppelkümmel benebst einem Krankenbrod oder dergleichen herschicken und es dem Ankömmlinge aufkreiden.«
Glenvarloch bedachte, daß es vielleicht besser sein möchte, die Frechheit dieses Burschen für eine kurze Zeit zu dulden, als sich in einen neuen Streit einzulassen, und ließ ihn darum gewähren. Er bemerkte nur: »Ihr thut, als wäret Ihr hier zu Hause; vorläufig mag dies hingehen. Aber dürft' ich fragen, was mir die Ehre dieses unerwarteten Besuchs verschafft?«
»Das sollt Ihr hören, wenn die alte Debora das Getränk gebracht hat. Ich spreche nie mit trockenem Munde von Geschäften. Wie sie schlendert! Ich wette, sie bleibt unterwegs stehen, um einen Schluck zu nehmen, und dann werdet Ihr denken, es sei Euch unchristlich gemessen worden. Einstweilen betrachtet Euch diesen Hund, betrachtet meinen Belzebub genau, und sprecht, ob Ihr je ein lieberes Vieh gesehen habt. Er springt nie anders, als nach dem Kopfe.«
Nach dieser entsprechenden Einleitung begann der Herzog die Schilderung einer Ochsenhetze, welche weitläufig zu werden drohte, als er unterbrochen wurde durch die Ankunft der Alten und zweier von seinen Kellnern, welche die verschiedenen von ihm bestellten Getränke brachten. Dies war ohne Zweifel die einzige Art von Unterbrechung, die er geduldet haben würde.
Nachdem Kannen und Becher gehörig auf dem Tische aufgepflanzt waren und Debora, von dem freigebigen Herzoge mit einem Groschen belohnt, sich sammt ihren Begleitern zurückgezogen hatte, lud der würdige Potentat den Lord Glenvarloch mit kurzen Worten ein, das Getränk mitzugenießen, welches er zu bezahlen hatte, und begann selber ernstlich die gründliche Netzung, vorläufig bemerkend, daß er, abgesehen von drei gebackenen Eiern, einer Flasche Halb und Halb und einem Becher Claret innerlich noch ganz leer sei, außer von Sünde. Glenvarloch hatte schottische Freiherren und niederländische Bürgermeister zechen sehen, allein ihre Leistungen (obwohl man sie ein durstiges Geschlecht nennen konnte) waren ein Kinderspiel gegen die Züge Herzogs Hildebrod, der eine wahre Sandbank zu sein schien, fähig, jedes gegebene Maß von Flüssigkeit einzusaugen, ohne in Bewegung zu kommen oder überzufließen. Er trank das Bier aus, um einen Durst zu stillen, welcher, seiner Aussage nach, ihn vom Morgen bis zum Abend in einem fieberhaften Zustande erhielt, schluckte den Sect, um eine Gegenwirkung gegen die Rohheit des Bieres hervorzubringen, setzte den Branntwein auf den Sect, um Alles in Ruhe zu halten, und erklärte dann, daß er vermuthlich keine Flüssigkeit kosten werde bis post meridiem Nach Mittag., es müsse denn sein, einem speciellen Freund zu Gefallen. Schließlich that er zu wissen, daß er bereit sei, an das Geschäft zu gehen, welches ihn so frühe von Hause hieher geführt habe. Nigel nahm diese Ankündigung mit Zufriedenheit auf, obwohl er sich nicht des Verdachts erwehren konnte, daß der Hauptzweck von Herzog Hildebrods Besuche bereits erreicht sei.
In diesem Punkte jedoch irrte sich Lord Glenvarloch. Ehe Hildebrod seine Eröffnung begann, untersuchte er genau das Zimmer, wobei er zuweilen den Finger an die Nase legte und Nigeln mit seinem einen Auge zuwinkte, machte die Thüren auf und zu, hob die Behänge auf, welche an einigen Stellen die Schadhaftigkeit der mit Brettern bekleideten Wände verdeckten, lugte in die Nebenkämmerchen hinein und sah endlich unter das Bett, um sich zu überzeugen, daß das Terrain frei von unberufenen Lauschern sei. Dann nahm er wieder seinen Sitz ein und winkte Nigeln vertraulich, seinen Stuhl nahe an ihn heranzurücken.
»Ich sitze hier gut, Meister Hildebrod,« erwiderte Nigel, nicht geneigt, die Vertraulichkeit, mit welcher der Mensch sich ihm aufdrang, zu ermuthigen. Der Herzog ließ sich nicht irre machen und sprach: »Ihr werdet mir verzeihen, gnädiger Herr – ich gebe Euch jetzt diesen Titel im Ernst – wenn ich Euch aufmerksam mache, daß wir hier belauscht werden können. Denn wenn auch der alte Trapbois so taub ist, wie die Paulskirche, so hat doch seine Tochter scharfe Augen und Ohren. Von ihnen aber habe ich mit Euch zu reden.«
»So sprecht denn,« sagte Nigel, seinen Stuhl etwas näher an die lebendige Sandbank rückend, »wenn ich schon nicht begreifen kann, was ich mit meinem Hauswirthe und seiner Tochter zu schaffen haben kann.«
»Das wird sich alsobald zeigen,« antwortete der durchlauchtige Herzog. »Vor allen Dingen, gnädiger Herr, müßt Ihr nicht denken, daß Ihr den Klugen spielen könnt vor dem alten Herzog Hildebrod, der Eure Jahre drei Mal auf dem Buckel hat, und, wie König Richard, seine Augenzähne mit auf die Welt gebracht hat.«
»Gut, weiter also,« sprach Nigel.
»Also, gnädiger Herr, bin ich so frei zu sagen, daß, wenn Ihr, wie ich glaube, der Lord Glenvarloch seid, von dem alle Welt redet, das schottische Herrchen, das all das Seine verjubelt hat bis auf einen dünnen Mantel und einen leichten Beutel – – ereifert Euch nicht, gnädiger Herr! so geht das Gerücht – die Leute nennen Euch den Sperlingsfänger, der auf Alles stößt, wär' es auch im Park – – ereifert Euch nicht, gnädiger Herr!« – –
»Ich würde mich schämen,« unterbrach ihn Nigel, »wenn ein Mensch wie Ihr im Stande sein könnte, mich durch Frechheit in Eifer zu bringen. Aber nehmt Euch in Acht. Wenn Ihr errathet, wer ich bin, so erwägt, wie lange ich Euren unverschämt vertraulichen Ton dulden kann.«
»Ich bitte um Verzeihung, gnädiger Herr,« erwiderte Hildebrod mit mürrischem, jedoch entschuldigendem Blicke. »Ich habe es nicht böse gemeint, indem ich meine Herzensmeinung aussprach. Ich weiß nicht, welche Ehre darin liegen kann, mit Ew. Herrlichkeit auf vertrautem Fuße zu stehen: daß es nicht sehr gerathen ist, glaube ich; denn Lowestoffe ist in's Trockene gesetzt blos dafür, weil er Ew. Herrlichkeit den Weg in's Elsaß gezeigt hat. Ich überlasse es demnach Ew. Herrlichkeit, zu erwägen, was denen bevorsteht, welche Euch hier herbergen, und ob dieselben damit mehr Ehre oder mehr Ungemach gewinnen werden.«
»Ich will Niemanden in Ungemach bringen,« erwiderte Lord Glenvarloch. »Ich will Whitefriars verlassen, morgen – nein, heute noch.«
»Ich hoffe, Ihr werdet in Eurem Zorne mehr Verstand beweisen,« sprach Herzog Hildebrod. »Hört erst an, was ich Euch zu sagen habe, und wenn der ehrliche Hans Hildebrod Euch nicht auf den Weg bringt, wo Ihr ihnen Allen eine Nase drehen könnt, so will ich mein Lebtag nicht mehr Pasch werfen, oder einen Fuchs bemokeln. Also deutlich gesprochen, gnädiger Herr, Ihr müßt loslegen und gewinnen.«
»Eure Worte müssen immer noch deutlicher sein, ehe ich Euch verstehen kann,« bemerkte Nigel.
»Was Teufel! Ein Spieler, einer, der mit den Teufelsknochen umgeht und mit den Doctoren, und die burschikose Sprache nicht zu verstehen! Nun, so muß ich in der Volkssprache, in der Sprache der Simpel mit Euch reden.«
»Thut das,« erwiderte Nigel, »und macht es kurz, denn ich habe nicht viel Zeit, Euch anzuhören.«
»Also, gnädiger Herr, um es kurz zu machen: meines Wissens habt Ihr ein Gut im Norden, welches seinen Herrn wechselt, weil es an der Einlösung fehlt. – Nicht wahr, Ihr fahrt zusammen, aber den Klugen könnt Ihr, wie gesagt, nicht vor mir spielen. – Der König spielt den Ungnädigen gegen Euch, und der Hof spricht: Geh' weiter! und der Prinz macht Euch ein grimmiges Gesicht unter seinem Hute, und der Günstling gibt Euch die gerunzelte Stirn zum Besten, und des Günstlings Günstling – –«
»Nicht weiter!« unterbrach Nigel. »Gesetzt, dies Alles wäre so, was folgt daraus?«
»Was daraus folgt?« erwiderte Hildebrod. »Hm! das folgt daraus, daß der, welcher Euch Anweisung gibt, wie Ihr mit dem Hute auf einem Ohre in die Audienz gehen könnt, als wäret Ihr Graf von Kildare, den Hofleuten aufpochen, des Prinzen Verderben drohendem Blicke kühn begegnen, dem Günstlinge trotzen, seinen Stellvertreter äffen und –«
»Alles recht schön,« unterbrach abermals Nigel; »aber wie ist es auszuführen?«
»Dadurch, daß man Euch zu einem Fürsten von Peru macht, edler Herr der nördlichen Breite! daß man Euer altes Schloß mit Goldbarren stützt, Euer mageres Vermögen mit Goldstaub düngt. Es kostet Euch weiter Nichts, als Eure Freiherrnkrone einen oder etliche Tage einer alten Caduca aufzusetzen, der Tochter des Mannes hier im Hause, und Ihr seid Herr eines Schatzes, der Alles das für Euch thut, was ich gesagt habe, und –«
»Was?« rief Nigel dazwischen, betroffen und unwillig, und auf der andern Seite doch zum Lachen gereizt. »Ihr meint, ich soll die alte Jungfer hier im Hause heirathen?«
»Nein, edler Herr, ich wünschte, daß Ihr fünfzigtausend gute Pfund Sterling heirathetet; denn so viel und mehr noch hat der alte Trapbois zusammengescharrt. Ihr würdet damit zugleich an dem Alten ein wahres Werk der Barmherzigkeit üben, weil er sonst wahrscheinlich seine goldenen Schmelzer auf eine schlimmere Weise verliert. Denn jetzt, wo sein Arbeitstag beinahe vorüber ist, steht wahrscheinlich sein Zahltag nahe bevor.«
»In der That, das ist ein sehr artiges Anerbieten,« erwiderte Lord Glenvarloch. »Aber dürfte ich an Eure Offenherzigkeit, wohledler Herzog, die Frage richten, warum Ihr eine Mündel von solchem Vermögen einem Fremden geben wollt, der Euch vielleicht morgen verläßt?«
»In Wahrheit, gnädiger Herr,« antwortete der Herzog, »diese Frage schmeckt mehr nach Beaujeu, als irgend ein anderes Wort, welches ich Ew. Herrlichkeit habe sprechen hören, und es ist nicht mehr wie billig, daß Ihr eine Antwort darauf bekommt. Was meine Standesherren betrifft, so muß ich gestehen, Martha Trapbois will keinen derselben, weder geistliche noch weltliche. Der Hauptmann hat um sie angehalten, desgleichen der Pfarrherr, allein sie will weder von dem Einen noch von dem Andern Etwas wissen. Sie trägt die Nase höher, und ist, die Wahrheit zu sagen, eine verständige Person, die einen viel zu scharfen Blick und einen viel zu festen Willen hat, um sich schmieriges Büffelleder oder eine fuchsige Kutte aufhängen zu lassen. Was Uns Selber betrifft, so brauchen Wir blos anzudeuten, daß Wir ein ehelich Gemahl im Lande der Lebenden haben, und was mehr sagen will, daß Martha es weiß. Da sie nun ihre Kirseihaube schlechterdings mit einem vornehmen Bande binden will, so müßt Ihr, edler Herr, der Mann sein, und fünfzigtausend Decusen davontragen, die Beute von fünftausend Eisenfressern, Windbeuteln und Verschwendern, – versteht sich mit Abzug von etwa fünftausend Pfund für Unsern fürstlichen Rath und Beistand, ohne welchen, bei sogestalter Lage der Sachen im Elsaß, es Euch schwer sein würde, das Moos zu gewinnen.«
»Aber hat Eure Weisheit erwogen, wie diese Heirath mir in gegenwärtigem Falle helfen kann?« fragte Glenvarloch.
»Was das betrifft, edler Herr,« antwortete Hildebrod, »so habe ich blos zu sagen, wenn Ihr mit vierzig oder fünfzigtausend Pfund im Beutel Euch nicht zu retten wißt, so verdient Ihr den Kopf zu verlieren für Eure Thorheit und die Hand für Euren Geiz.«
»Aber da Eure Güte meine Angelegenheiten in so ernstliche Erwägung gezogen hat,« fuhr Nigel fort, es für unklug haltend, mit einem Menschen zu brechen, der es in seiner Art gut meinte, »so könnt Ihr mir vielleicht sagen, wie meine Verwandten wohl eine solche Braut aufnehmen werden, wie Ihr mir sie empfehlt.«
»Was diesen Punkt anlangt, edler Herr, so habe ich immer gehört, daß Eure Landsleute so gut wie andere Leute wissen, wo die Gurken hängen. Und wenn ich Erzählungen trauen darf, so wüßte ich nicht, wo fünfzigtausend Pfund – sage fünfzigtausend Pfund – ein Weib willkommener machen könnten, als in Eurem alten Königreiche Schottland. Rechnet man die kleine Ungleichheit der Schulter ab, so ist Jungfer Martha Trapbois eine Person von majestätischem und ehrfurchtgebietendem Aeußeren und stammt vielleicht aus besserem Blute, als man weiß; denn der alte Trapbois sieht nicht gerade aus, als wär' er ihr Vater, und ihre Mutter war ein nichts weniger als engherziges Weib.«
»Ich fürchte,« bemerkte Nigel, »diese Möglichkeit ist zu unbestimmt, um ihr eine freundliche Aufnahme in einem guten Hause zuzusichern.«
»Ei, gnädiger Herr,« erwiderte Hildebrod, »ich glaube, sie wird sich schon herausbeißen; denn ich möchte sagen, sie ist so bösartig, daß sie es mit Eurem ganzen Clan aufnehmen könnte.«
»Das möchte für mich seine Unannehmlichkeiten haben,« bemerkte Nigel.
»Nicht die geringste,« versicherte der an Auskunftsmitteln reiche Herzog. »Sollte sie gar unerträglich werden, was nicht unwahrscheinlich ist, so hat Euer ehrenfestes Haus, welches vermuthlich eine Burg ist, ohne Zweifel Thürme und Verließe, und Ihr könnt Eure liebe Braut in einen oder das andere thun, und dann wißt Ihr, seid Ihr aus dem Bereiche ihrer Zunge, und sie steht entweder über oder unter der Verachtung Eurer Freunde.«
»Sehr weise gerathen, gerechter Herr!« versetzte Nigel. »Eine solche Einsperrung würde der gebührende Lohn sein für ihre Thorheit, mir eine Gewalt über sich einzuräumen.«
»Also Ihr genehmigt den Plan, edler Herr,« fragte Herzog Hildebrod.
»Ich muß mir ihn vierundzwanzig Stunden überlegen,« antwortete Nigel, »und ich muß Euch bitten, Anstalten zu treffen, daß ich durch keinen weitern Besuch gestört werde.«
»Wir wollen ein Edict erlassen, auf daß Ihr für Euch sein könnt,« erklärte der Herzog. »Und,« bemerkte er vertraulich flüsternd, »Ihr haltet doch zehntausend nicht für zu viel als Vormundschaftsgebühr für den Oberherrn?«
»Zehntausend?« wiederholte Lord Glenvarloch. »Ei, Ihr habt ja eben nur von fünftausend gesprochen.«
»Aha! das wißt Ihr also?« sprach der Herzog. »Nun, wenn Ihr mir so aufmerksam zugehört habt, denkt Ihr ernstlicher an die Sache, als ich geglaubt habe. Ich bin Euch in die Falle gegangen. Nun gut; wir wollen nicht hadern um die Erkenntlichkeit, wie es der alte Trapbois nennen würde. Gewinnt und behaltet die Dame; mit Eurem Gesichte und Eurer Gestalt kann es Euch nicht schwer fallen. Ich will dafür sorgen, daß Niemand Euch stört. Ich will ein Edict bei dem Senat erwirken, sobald dieser sich zur Mittagssitzung versammelt.«
So sprach Herzog Hildebrod und beurlaubte sich.