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Sechstes Kapitel.

Komm' hieher, Junge! Hör' mir zu. Du bist
Nun unter Schlägern, die von ihrem Ruf
Mehr leben, als von ständigem Ertrag.
Ein Jeder trägt sein Alles auf dem Leib,
Und hat doch mehr als Hundert im Gefolg.
Sie setzen all' das Ihre auf das Spiel:
Nothdürft'ge Kleidung, ihres Gut's Ertrag,
Den Leib und selbst die Seele, die unsterblich.
Allein sie wagen Nichts bei diesem Spiel,
Denn all' das Ihre ist schon längst verschrieben:
Das Kleid dem Trödler, Gutsertrag dem Wuch'rer,
Der Leib dem Siechthum und die Seel' dem Teufel,
Der lacht bei'm Anblick solcher frechen Burschen,
Die besser, als er selbst, sein Spiel versteh'n.

Die Mohocks.

»Ew. Herrlichkeit,« sprach Reginald Lowestoffe, »muß sich bequemen, Ihr anständiges und hofmäßiges Rappier, welches ich wohl aufbewahren will, mit diesem Schwerte zu vertauschen, das einen Centner rostiges Eisen am Griff hat, und diese ungeheuren Pumphosen zu tragen, statt Eurer wohlsitzenden Beinkleider. Mantel wird nicht gestattet, denn der gefährliche Kerl geht immer in cuerpo; das verblichene Wams von abgeschabtem Sammet mit der verschossenen Stickerei und – leider auch – mit einigen Flecken von Rebenblut, steht einem Brüllbuben am besten an. Ich will Euch allein lassen, um Eure Kleider zu wechseln, bis ich Euch helfen kann, Euch nesteln.«

Lowestoffe entfernte sich. Nigel befolgte langsam und zögernd seine Anweisungen. Er empfand einen Widerwillen gegen die schuftige Verkleidung, der er sich unterziehen mußte. Wenn er aber an die blutigen Folgen dachte, welche das Gesetz an seine unbesonnene Gewaltthat knüpfte, wenn er die lenksame und gleichgültige Sinnesart des Königs erwog, die Vorurtheile seines Sohnes, den übermächtigen Einfluß des Herzogs von Buckingham, welcher sicherlich gegen ihn in die Wagschale gelegt wurde; vor Allem, wenn er sich den betriebsamen und einschmeichelnden Lord Dalgarno als seinen erbitterten Feind vorstellte: dann sagte ihm die Vernunft, daß er sich in einer Lage befinde, welche alle ehrlichen Mittel, selbst die äußerlich unziemlichsten, rechtfertige, um sich aus drohender Gefahr zu ziehen.

Während er so beim Wechsel der Kleidung überlegte, trat sein freundlicher Wirth wieder in das Schlafzimmer ein und rief: »Alle Wetter! edler Herr, es war gut, daß Ihr nicht gerades Weges in das Elsaß gegangen seid, denn die Stoßvögel sind hineingefahren. Jan ist zurückgekommen mit der Nachricht, daß er einen Herold mit einem Haftbefehl und einem Dutzend bis an die Zähne bewaffneter Knechte gesehen, und daß der Hornstoß dem Aufgebote des Elsasses gegolten hat. Als der alte Herzog Hildebrod sah, daß nach Einem gesucht werde, von dem er Nichts wußte, erlaubte er aus Gefälligkeit, daß der Menschenfänger sein Gebiet durchstreife, überzeugt, daß er Nichts finden werde. Denn Herzog Hildebrod ist ein sehr weiser Potentat. – Geh' wieder hin, Bastard, und bring' uns Meldung, wenn Alles wieder ruhig ist.«

»Was ist das für ein Herzog Hildebrod?« fragte Nigel.

»Gotts Blitz! edler Herr,« erwiderte der Templer, »Ihr wohnt so lange in der Stadt, und habt noch Nichts von dem wackeren und eben so weisen und politischen wie tapferen Herzog Hildebrod, dem großen Beschützer der Freiheiten des Elsasses gehört? Ich dächte, wer je einen Würfel gerollt hat, müßte von ihm wissen.«

»Dennoch habe ich nie Etwas von ihm gehört, Meister Lowestoffe,« antwortete der junge Freiherr, »oder was dasselbe ist, ich habe nie darauf geachtet, wenn vielleicht von ihm die Rede war.«

»Ei, ei,« sprach Lowestoffe – »aber erlaubt mir erst, Euch zu nesteln. Bemerkt, ich lasse mit Fleiß mehre Löcher ungeschnürt; und wenn es Euch gefällt, ein Stückchen Hemd zwischen Wams und Hosenbund heraussehen zu lassen, so wird das ein um so liederlicheres Ansehen geben, und wird Euch Respect verschaffen im Elsaß, wo Leinwand etwas rar ist. So – nun ziehe ich einige Nestlöcher mit Fleiß schief, denn der gefährliche Kerl erscheint nie allzugenau genestelt – so!«

»Macht es, wie Ihr wollt,« erwiderte Nigel. »Aber laßt mich wenigstens Etwas von den Verhältnissen des unglückseligen Ortes wissen, in welchen ich mich gleich andern Elenden zurückziehen muß.«

»Edler Herr,« antwortete Lowestoffe, »unser Nachbarstaat Elsaß, den das Gesetz die Freistätte von Whitefriars nennt, hat seine Veränderungen und Umwälzungen gehabt, wie größere Königreiche; und da es gewissermaßen ein gesetzloser Staat ist, so folgt daraus, daß diese Veränderungen dort häufiger gewesen sind, als unser besser geordnetes Gemeinwesen der Templer, das von Grays Inn und ähnliche Gesellschaften zu erfahren das Glück gehabt haben. Unsere Ueberlieferungen und Urkunden sprechen von zwanzig Revolutionen innerhalb der letzten zwölf Jahre, in welchen vorbesagter Staat wiederholt vom absoluten Despotismus zum Republikanismus übergegangen ist, nicht zu vergessen die Mittelstufen von Oligarchie, beschränkter Monarchie und selbst Gynokratie, denn ich selber erinnere mich, daß Elsaß neun Monate lang von einem Fischweibe regiert worden ist. Dann fiel es unter die Gewalt eines verdorbenen Advocaten, dieser wurde entthront durch einen abgedankten Officier, dieser, da er sich als Tyrann zeigte, wurde abgesetzt von einem Heckenpfarrer, und diesem folgte, als er auf seine Gewalt verzichtete, Herzog Jakob Hildebrod, dieses Namens der Erste, den Gott lange erhalten möge.«

»Und ist die Regierung dieses Potentaten despotisch?« fragte Nigel, der sich zwang, an dem Gespräche Theil zu nehmen.

»Verzeiht, edler Herr,« antwortete der Templer. »Besagter Souverän ist zu weise, um gleich vielen seiner Vorgänger den Haß auf sich zu laden, der die Folge einer eigenwilligen Verwaltung eines so wichtigen Amtes wäre. Er hat einen Staatsrath eingesetzt, der sich regelmäßig zum Morgentrunk um sieben Uhr versammelt, dann sich wieder um elf Uhr einfindet zum Vormittagstrunk oder zur Anfeuchtung, und Hauptsitzung hält um zwei Uhr Nachmittags, um über das Beste des Gemeinwesens zu rathschlagen. Hierbei schonen sie sich so wenig mit Arbeiten im Staatsdienste, daß sie selten vor Mitternacht auseinander gehen. In diesen würdigen Senat, der zum Theil aus Herzog Hildebrods Vorfahren besteht (denn dieser hat sie gleichsam zu Gehülfen angenommen, um dem Neide, der die Einzelgewalt verfolgt, vorzubeugen) – in diesen Senat muß ich Ew. Herrlichkeit jetzt einführen, damit er Euch zu den Freiheiten von Whitefriars zuläßt und Euch eine Wohnstätte anweiset.«

»Erstreckt sich seine Gewalt auf solche Verfügungen?« fragte Lord Glenvarloch.

»Der Rath betrachtet es als ein Hauptstück seiner Vorrechte,« antwortete Lowestoffe; »und in der That ist es eins der kräftigsten Mittel, sein Ansehen aufrecht zu erhalten. Denn wenn Herzog Hildebrod und sein Senat finden, daß ein vornehmer Hausbesitzer in ihrem Gebiete unzufrieden und meuterisch wird, so brauchen sie ihm nur einen fetten Bankerottirer oder sonstigen neuen Einwanderer, der die gewährte Zuflucht bezahlen kann, als Miethsmann anzuweisen, und der Malcontent wird so sanft wie ein Lamm. Den ärmeren Flüchtlingen überlassen sie es, sich selbst zurecht zu finden; in keinem Falle aber wird die Eintragung ihrer Namen in des Herzogs Verzeichniß und die Bezahlung eines Einstandes, nach Maßgabe der Vermögensumstände, erlassen. Für den, der ihnen diese Befugnisse bestreiten wollte, würde Whitefriars ein sehr unsicherer Aufenthaltsort sein.«

»Wohlan, Meister Lowestoffe,« erwiderte Nigel, »ich muß mich in die Umstände fügen, welche mir diese Verbergung auflegen. Natürlich wünsche ich meinen Namen und Stand nicht zu verrathen.«

»Das wird sehr räthlich sein, edler Herr,« bemerkte Lowestoffe. »Dieser Fall ist vorgesehen in den Statuten der Republik oder Monarchie, oder wie Ihr das Ding nennen wollt. Wer wünscht, daß ihm keine Fragen in Betreff seines Namens, der Ursache seiner Flucht und dergleichen gestellt werden, kann sich denselben entziehen durch Bezahlung des doppelten Einstandes, den er seinen Verhältnissen nach schuldig wäre. Erfüllt Ihr diese wesentliche Bedingung, so kann Ew. Herrlichkeit sich, wenn Sie Lust hat, als König von Bantam einschreiben lassen, und Ihr werdet nicht befragt. Aber da kommt unser Späher mit Nachricht von Frieden und Ruhe. Ich will selber mit Ew. Herrlichkeit gehen und Euch dem Rathe vom Elsaß vorstellen, mit all dem Einfluß, den ich als ein Würdenträger des Tempels besitze, und der ist nicht gering, denn sie sind stets übel gefahren, wenn wir Partei gegen sie genommen haben, und das wissen sie. Die Zeit ist günstig. Im Elsaß ist jetzt der Rath versammelt, und die Tempelgänge sind einsam. Also, edler Herr, hängt Euren Mantel um, um Euer jetziges Aeußeres zu verhüllen. Ihr werdet ihn dem Jungen übergeben am Fuße der Treppe, die in das Heiligthum führt, und wie das Volkslied sagt, daß Königin Eleonore untersank bei Charingcroß und emporstieg bei Queenhithe, so sollt Ihr als ein Standesherr untergehen in den Tempelgärten und als ein Elsässer emporkommen in Whitefriars.«

Also gingen sie fort, begleitet von dem kleinen Späher, durchschritten die Gärten, und stiegen die Treppe hinab. Am Fuße dieser Treppe rief der Templer: »Und nun laßt uns singen mit Ovid: In nova fert animus mutatas dicere formas Jetzo treibt mich der Geist, Verwandlungen zu besingen.. – Fort, fort, ihr Aeußerlichkeiten! Weg mit dem Vorhang, der Borgia verhüllte! Aber wie, edler Herr?« fuhr er fort, als er den Freiherrn über die herabwürdigende Veränderung seiner Lage betrübt sah; »ich hoffe, Ihr nehmt meinen Muthwillen nicht übel. Ich wollte Euch nur mit Euren gegenwärtigen Verhältnissen aussöhnen, und Euch den Ton dieses sonderbaren Ortes bezeichnen. Kommt, erheitert Euch. Ich hoffe, Ihr sollt hier nur ein paar Tage hausen.«

Nigel drückte ihm die Hand und antwortete flüsternd: »Ich erkenne Eure Güte an. Ich muß den Kelch trinken, den meine Thorheit mir gefüllt hat. Verzeiht mir, daß ich bei den ersten Tropfen seine Bitterkeit schmecke.«

Reginald Lowestoffe war dienstfertig und gutmüthig; aber an einen unordentlichen, liederlichen Lebenswandel gewöhnt, hatte er durchaus keinen Begriff von dem, was Lord Glenvarloch litt, und betrachtete dessen zeitweilige Verbergung wie den Streich eines Knaben, der mit seinem Lehrer Versteckens spielt. Ihm war auch der Anblick des Ortes etwas Gewöhnliches; aber auf seinen Begleiter machte derselbe einen tiefen Eindruck.

Die alte Freistätte von Whitefriars lag bedeutend tiefer, als die hohen Terrassen und Gärten des Tempels, und war darum gewöhnlich in die feuchten, von der Themse aufsteigenden Nebel gehüllt. Seine Backsteinhäuser lagen dicht bei einander, denn an einem so eigenthümlich bevorrechteten Orte war jeder Fußbreit Landes werthvoll. Da aber die Gebäude oft von Leuten aufgeführt wurden, deren Mittel zu ihren Speculationen nicht ausreichten, so waren sie oft unvollendet, und trugen schon die Spuren kläglichen Verfalls an sich, während sie noch neu waren. Das Weinen von Kindern, das Schelten ihrer Mütter, der armselige Anblick zerlumpten Leinengeräthes, welches vor den Fenstern zum Trocknen aufgehangen war, bezeichnete die Noth und Armuth der elenden Bewohner. Auf der andern Seite wurden die Klagetöne verhöhnt und übertäubt durch das Geschrei, die Flüche, die unzüchtigen Lieder und das laute Gelächter, welches aus den Bierhäusern und Trinkstuben ertönte. Um keinen Zug, der den Ort bezeichnete, fehlen zu lassen, sahen verblühte, geschminkte Weibspersonen in Flitterstaat aus ihren offenen Fenstern frech den Fremdlingen in die Augen, oder schienen anständiger beschäftigt zu sein mit zerbrochenen Blumentöpfen voll Reseda und Rosmarin, die sehr gefahrdrohend für die Vorübergehenden vor den Fenstern standen.

» Semireducta Venus« Halb heruntergebrachte Venus., bemerkte der Templer, auf eine dieser Nymphen deutend, welche die Beobachtung zu scheuen schien, und sich theilweise hinter dem Fenster verbarg, indem sie einer armseligen Amsel in einem Weidenkäfige vor dem schwarzgeräucherten Hause lockte. »Ich kenne das Gesicht jenes Nickels,« fuhr er fort. »Ich wette, sie hat eine saubere Haube und einen schmutzigen Nachtmantel, denn das sehe ich aus ihrer Stellung. Aber hier kommen zwei von der männlichen Einwohnerschaft, rauchend wie wandelnde Vulkane! Das sind Brülldegen, bei denen Nicotia und Trinidad Tabak. die Stelle von Rindfleisch und Pudding vertreten. Denn Ihr müßt wissen, daß des Königs Gegenstoß wider das indische Unkraut im Elsaß nicht mehr gilt, als sein Haftbefehl.«

Während er redete, näherten sich die beiden Raucher, struppige, ungekämmte Kerle, deren ungeheure Schnurrbärte nach den Ohren hinauf gezogen waren und sich mit ihren wirren Locken vermischten. Ein großer Theil ihres Haares war unter ihren alten, auf ein Ohr gesetzten Hüten sichtbar, ein anderer quoll aus den Löchern dieser Hüte hervor. Ihre verschossenen Plüschwämser, ihre weiten Pluderhosen, ihre breiten, schmierigen Bandeliere und entfärbten Schärpen, und vor Allem die prahlerische Weise, in welcher der Eine ein Schwert, der Andere ein unmäßig langes Rappier nebst Dolch trug, bezeichnete den ächten elsasser Raufbold, einen damals und noch hundert Jahre nachher wohlbekannten Character.

»Schau,« sagte der eine Kerl zu dem Andern, »wie das Mensch dort mit dem Stutzer äugelt.«

»Ich wittre einen Spion,« erwiderte der Andere. »Reiß ihm einen über die Visage mit deinem Schlitzer.«

»Halt still!« erwiderte der Erste; »der Andere ist der randalirende Reginald Lowestoffe vom Tempel, ein guter Junge, der eingebürgert ist.«

So sprechend und sich in eine neue dicke Rauchwolke einhüllend, gingen sie ohne weiteren Gruß fürbaß.

» Crasso in aëre!« In dicker Luft. bemerkte der Templer. »Ihr hört, welche Eigenschaft der unverschämte Kerl mir beilegt; aber was liegt mir daran, wenn es Ew. Herrlichkeit nützt? Nun aber laßt mich fragen, welchen Namen wollt Ihr annehmen, denn wir sind in der Nähe von Herzog Hildebrods Palaste.«

»Ich will Grahame heißen,« antwortete Nigel; »dies war der Name meiner Mutter.«

»Grimm?« sprach der Templer; »das paßt in den Elsaß, denn es ist hier ein grimmiges Volk.«

»Ich sage Grahame, nicht Grimm,« versetzte Nigel kurz und nachdrücklich; denn die Schotten verstehen nicht leicht Spaß über ihre Namen.

»Ich bitte um Verzeihung, edler Herr,« versetzte der Wortwitzler, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen, »Gram paßt ebenfalls, denn es ist so viel wie Kummer, und Ew. Herrlichkeit ist als ein bekümmerter Mann zu betrachten.«

Nigel lachte über die Zähigkeit des Studenten. Dieser deutete auf ein Wirthshausschild, welches einen Hund vorstellte, im Begriff, einen Stier nach den Regeln der Ochsenhatz von vorn anzugreifen. »Hier,« sprach er, »theilt der treue Herzog Hildebrod seinen treuen Elsassern sowohl Gesetze mit, wie Doppelbier und Schnaps. Als ein leidenschaftlicher Freund des Pariser Gartens Der Ort der Thierhatzen. hat er ein Schild gewählt, welches seinen Lebensgewohnheiten entspricht. Er macht sich ein Geschäft daraus, die Durstigen zu tränken, damit er selbst unentgeltlich trinken kann, und Entgelt empfange für das, was Andere trinken. Laßt uns eintreten in das stets geöffnete Thor dieses zweiten Axylus.«

Sie traten ein in das verfallene Wirthshaus, welches jedoch minder baufällig und weitläufiger war, als viele andere Häuser in dieser bösen Nachbarschaft. Zwei oder drei abgelebte, zerlumpte Kellner liefen ab und zu. Eulen gleich, schienen sie bei Tage halb blind, halb wach und duselig zu sein, und ihre Augen schienen nur für die Nacht geschaffen. Geleitet von einem dieser blinzelnden Ganymede, betraten sie ein Zimmer, in welchem die matten Sonnenstrahlen fast gänzlich verfinstert wurden durch Wolken von Tabaksrauch, der aus den Pfeifen der Gäste aufstieg, und aus dem wolkigen Heiligthume erscholl der alte Gesang:

»Der alte Herr, König Grimm,
Und der alte Herr, König Grimm
Mit der Kupfernas',
Die sich spiegelt im Glas',
Bim, Bim, Bim, Bim, Bim!«

Herzog Hildebrod, der in höchsteigener Person seinen geliebten Unterthanen diesen Sang vorzutragen geruhte, war ein unförmlich dicker, alter, einäugiger Mann, dessen Nase Zeugniß ablegte von der Häufigkeit, Stärke und Tiefe seiner Züge. Er trug eine braunrothe Plüschjacke, die von dem Ueberfluß der Kanne gefleckt, bedeutend abgetragen und zur Erleichterung seines unmenschlichen Wanstes unten aufgeknöpft war. Hinter ihm lag sein Günstling, ein Bullenbeißer, dessen runder Kopf und einziges blitzendes schwarzes Auge, nebst seiner großen Fettigkeit, ihm eine possirliche Aehnlichkeit mit seinem Herrn gab.

Die vielgeliebten Räthe, welche den herzoglichen Thron umgaben, beräucherten denselben mit Tabak, tranken seinem Besitzer in dickem, klebrigem Biere zu, und sangen den Chor zu seinen Liedern, würdige Satrapen eines solchen Sultans. Das Büffelwams, das breite Degengehänge und lange Schwert des Einen bezeichnete ihn als einen Soldaten aus den Niederlanden; sein grimmer, wichtiger Blick und seine trunkene Frechheit waren geeignet, ihm den Namen eines fahrenden Degens zu behaupten. Es dünkte Nigeln, er habe diesen Burschen irgendwo schon ein Mal gesehen. Ein Heckenpfarrer oder Bettlerkuppler, wie man diese Klasse von Priestern unehrerbietig genug nennt, saß dem Herzoge zur Linken und war leicht kenntlich an seinem zerrissenen Kragen, seinem breitkrempigen Hute und den Ueberbleibseln eines fuchsigen Chorrocks. Neben dem Pfarrer saß ein jämmerlich aussehender, magerer, alter Mann mit einer abgeschabten, um den Hals zugeknöpften Kapuze von grobem Kirsei. Seine ausgemergelten Gesichtszüge waren wie die des alten Daniel, erleuchtet von einem Auge,

– – – – – – in dessen Blicken
Sich List und Schlauheit noch trotz Altersschwäch' ausdrücken.

Ihm zur Linken saß ein verdorbener Advocat, der wegen schlechter Praktiken von der Liste der Praktikanten gestrichen, und dem von seinem Berufe nichts geblieben war, als seine Spitzbüberei. Ein Paar anderer unansehnlicherer Figuren, von denen eine dem Herrn von Glenvarloch dem Gesichte nach bekannt zu sein dünkte, gleichwie der Kriegsmann, obwohl er sich nicht entsinnen konnte, wo er sie gesehen, vervollständigten den Kreis, welcher Herzog Hildebrods Rath bildete.

Die Ankömmlinge hatten vollkommene Muße, alle diese Bemerkungen zu machen, denn Se. Durchlaucht, sei es, daß Sie von dem Strome der Harmonie unwiderstehlich hingerissen wurde, sei es, daß Sie in den Ankömmlingen einen richtigen Begriff von der Wichtigkeit der herzoglichen Person erwecken wollte, geruhte das Lied zu Ende zu singen, wiewohl Sie mittlerweile die Beiden genau mit Ihrem einfachen Sehorgan musterte.

Nachdem Herzog Hildebrod seinen Gesang beendigt hatte, benachrichtigte er seine Lieben Getreuen, daß ein würdiger Beamter des Tempels ihnen seine Aufwartung mache, und gebot dem Hauptmann und dem Pfarrer, ihre Großvaterstühle den beiden Fremden abzutreten, welche er zu seiner Rechten und zu seiner Linken Platz nehmen hieß. Die würdigen Repräsentanten des Lehr- und Wehrstandes im Elsaß verfügten sich auf eine gebrechliche Bank am untern Ende der Tafel. Aber diese Bank, nicht geeignet, Männer von solchem Gewichte zu tragen, gab unter ihnen nach, und der Mann vom Schwerte und der Mann im Friedenskleide kugelten übereinander her auf dem Fußboden hin unter dem jubelnden Gelächter der Gesellschaft. Zornig sprangen sie auf, wetteifernd in lauten und schweren Flüchen – ein Kampf, in welchem der Pfarrer vermöge seiner theologischen Kenntnisse den Hauptmann weit hinter sich ließ, und der am Ende beigelegt wurde durch die Ankunft von Aufwärtern mit handfesteren Stühlen und durch einen langen Zug aus der kühlenden Kanne. Nachdem diese Bewegung gestillt war, und nachdem die Fremdlinge höflich mit Flaschen, wie die Uebrigen, versehen waren, trank der Herzog in der gnädigsten Weise auf's Wohlsein des Tempels und zum Willkomm von Meister Reginald Lowestoffe. Seine Artigkeit wurde mit Dank angenommen, und der Beehrte bat um Erlaubniß, eine Maß Rheinwein bestellen zu dürfen, um dabei seine Eröffnung zu machen.

Die Erwähnung eines, ihre gewöhnlichen Getränke so weit übertreffenden Nasses brachte augenblicklich eine sehr günstige Wirkung auf den kleinen Senat hervor, und das sofortige Erscheinen des Weines sicherte, wie es schien, dem Antrage von Meister Lowestoffe zum Voraus eine geneigte Aufnahme. Nachdem der Becher einige Male die Runde gemacht hatte, erklärte der Student, daß sein Gesuch dahin gehe, seinen Freund, Meister Nigel Grahame, zum Genusse der Freistätte und der sonstigen Freiheiten des Elsasses zuzulassen, in der Eigenschaft eines Großeinstehers. So hießen nämlich Die, welche bei ihrer Immatrikulation die doppelte Gebühr bezahlten, um der Auseinandersetzung der ihre Flucht veranlaßt habenden Umstände vor dem Senate überhoben zu sein.

Der würdige Herzog hörte den Vorschlag mit Freude an, welche in seinem einen Auge glänzte; denn ein solcher Fall war selten und besonders vortheilhaft für seine Privat-Einkünfte. Also befahl er, das herzogliche Buch herbeizubringen, einen mächtigen Band, der, wie das Hauptbuch eines Kaufmannes, vermittelst Messingschlösser zusammengehalten war, und dessen Blätter, befleckt von Wein und besudelt mit Tabaksbrühe, die Namen von vermuthlich eben so viel Spitzbuben enthielten, wie der Kalender von Newgate.

Nigel wurde sodann angewiesen, zwei Nobel als Einkauf zu erlegen und die Freiheit des Ortes in Anspruch zu nehmen durch Hersagen folgender Knittelverse, die der Herzog ihm vorsprach:

Euer Diener – sein Nam'
Ist Nigel Grahame –
Will hier sich verbergen
Vor grimmigen Schergen,
Und sucht Euren Schutz,
Dem Richter zum Trutz.

Als Herzog Hildebrod begann, den Namen einzutragen, und schon mit überflüssiger Großmuth Nigel mit zwei g statt mit einem geschrieben hatte Der berühmte Alterthumsforscher Dr. Trockenstaub besitzt jenes merkwürdige Buch und hat dem Verfasser gütigst erlauben wollen, das Facsimile von Herzog Hildebrods Handschrift als eine Illustration dieser Stelle abdrucken zu lassen. Unglücklicher Weise hat der Herr Doctor diese Erlaubniß an die Bedingung geknüpft, daß wir des Herzogs Orthographie annehmen, und das Werk »Niggles Schicksale« betiteln sollten, wozu wir uns nicht verstehen konnten., wurde er durch den Pfarrer unterbrochen. Dieser ehrwürdige Herr hatte seit einigen Minuten mit seinem Nachbar – nicht mit dem Hauptmanne, sondern mit dem Andern, dessen Nigel sich dunkel erinnerte – geflüstert, und verlangte jetzt, vielleicht noch übel gelaunt über seinen kürzlichen Fall, angehört zu werden, bevor die Eintragung stattfinde.

»Die Person,« sprach er, »welche sich unterwunden hat, sich als Bewerber um den Genuß der Vorrechte und Freiheiten dieser ehrenwerthen Gesellschaft vorzustellen, ist, gerade herausgesagt, ein Bettelschotte. Wir haben schon genug von diesen Heuschrecken in London. Verstatten wir diesem Ungeziefer auch noch in unserem Heiligthume Zutritt, so wird uns bald die ganze Nation über den Hals kommen.«

»Es kommt uns nicht zu,« versetzte Herzog Hildebrod, »zu fragen, ob er Schotte ist, oder Franzmann, oder Engländer. Da er ehrlich seinen Einstand erlegt hat, so hat er Anspruch auf unsern Schutz.«

»Das leugne ich, erhabener Herzog,« entgegnete der Pfarrer. »Ich stelle ihm keine Fragen. Seine Sprache verräth ihn; er ist ein Galiläer. Sein Einstand ist verwirkt durch seine Keckheit, in unser Gebiet zu kommen, und ich fordere Euch auf, Herr Herzog, die Gesetze wider ihn in Anwendung zu bringen.«

Jetzt erhob sich der Templer, und wollte die Berathungen des Hofes unterbrechen. Aber der Herzog bedeutete ihm, er werde das Wort für seinen Freund erhalten, wenn der Rath seine Erwägungen geschlossen habe.

Der Advocat stand auf, bemerkte, daß er den Rechtspunkt berühren wolle, und sprach: »Es ist leicht zu sehen, daß dieser Herr nicht wegen einer Civilsache hieher gekommen ist, vielmehr glaube ich, seine Geschichte ist die, von der wir schon gehört haben, von einem im Umkreise des Parks gegebenen Schlage. In einem solchen Falle kann die Freistätte den Verbrecher nicht schützen, vielmehr wird der alte Dieb von Oberstlandrichter einen Besen schicken, der die Gassen des Elsasses vom Strande bis zur Treppe kehrt. Die Politik erheischt, zu erwägen, welches Unheil der Republik aus der Hegung eines Fremden unter solchen Umständen erwachsen kann.«

Der Hauptmann, welcher bisher ungeduldig zugehört hatte, sprang jetzt auf mit der Heftigkeit eines Pfropfs, der aus einer Flasche starken Bieres herausfährt. Mit martialischer Miene seinen Schnurrbart drehend, warf er einen Blick der Verachtung auf den Rechtsgelehrten und auf den Geistlichen, und begann also:

»Hochedler Herzog Hildebrod! Wenn ich solche feige, niederträchtige Anträge aus dem Munde von Ew. Durchlaucht Räthen kommen höre, und wenn ich denke an die Huffs, die Muns und die Tityretus, von welchen Ew. Durchlaucht Ahnen und Vorfahren bei solchen Gelegenheiten Rath zu nehmen pflegten, dann will es mich bedünken, als ob die Thatenlust todt sei im Elsaß, wie in meiner Großmutter. Allein wer dies denkt, der denkt eine Lüge, denn ich getraue mich, im Elsaß noch so viele Brülljungen zu finden, als nöthig sind, um die Freiheiten desselben wider alle Dreckinspectoren von Westminster zu behaupten. Und gesetzt, wir unterlägen ein Mal, Tod und Teufel! haben wir nicht Zeit, den Herrn zu Wasser fortzuspediren, etwa in den Pariser Garten, oder nach der Uferseite? Und wenn er ein wahrhaft flotter Gesell ist, wird er uns nicht reichlich Ersatz geben für all die Mühe, die wir mit ihm haben? Laßt andere Gesellschaften durch das Gesetz bestehen, ich sage: wir munteren Jungen leben ihm zum Trotz und stehen uns nicht besser, als wenn wir uns in geradem Widerspruche befinden mit Unterschrift und Mandat, mit Brief und Siegel, mit Schergen und Häscher.«

Diese Rede wurde mit Beifallsgemurmel aufgenommen. Lowestoffe fiel sogleich ein, noch ehe dieser günstige Klang verhallt war, und erinnerte den Herzog und seinen Rath, wie sehr die Sicherheit ihres Staates von der Freundschaft der Templer abhänge, welche durch Verschließen ihrer Thore den Elsassern den Weg durch den Tempel abschneiden könnten, und daß ihr Verhalten in diesem Falle die Fortdauer oder den Verlust jener Freundschaft bedingen werde. »Und was den von dem ehrwürdigen geistlichen Herrn und von dem gelehrten Herrn Juristen vorgebrachten Einwurf betrifft, daß mein Freund ein Schotte und Ausländer sei, so ist zu bedenken, weshalb er hieher verfolgt wird. Es ist, weil er Prügel gegeben hat, nicht einem Engländer, sondern einem seiner Landsleute. Meine unmaßgebliche Meinung ist die,« (hierbei stieß er Nigeln an, um ihm zu verstehen zu geben, daß er nicht im Ernste spreche) »wenn alle Schotten in London auf welsche Manier hinter einander kämen und sich bis auf den letzten Mann umbrächten, so hätte der Letzte Ansprüche auf unsere Dankbarkeit, als Einer, der dem armen England einen sehr ersprießlichen Dienst geleistet.«

Schallendes Gelächter und Beifallklatschen folgte dieser sinnreichen Entschuldigung für des Clienten Fremdenverhältniß. Der Templer setzte seine Rede fort, und schloß sie mit folgendem kräftigen Antrag: »Ich weiß wohl, daß es die Gewohnheit der Väter dieser altehrwürdigen Republik ist, reiflich alle ihre Schritte zu überlegen bei einem gebührenden Maß von Trank. Fern sei es von mir, eine Abweichung von diesem löblichen Brauch vorzuschlagen oder zu behaupten, daß eine Angelegenheit, wie die gegenwärtige, wohl und verfassungsmäßig erwogen werden könne, während des Versuchs einer armseligen Maß Rheinwein. Aber da es dieser ehrsamen Rathsversammlung einerlei sein kann, ob sie erst trinkt und dann beschließt, oder erst beschließt und nachher trinkt, so schlage ich vor, Ew. Durchlaucht wolle mit Beirath Dero weiser und mächtiger Senatoren Dero Edict erlassen, meinem ehrenwerthen Freunde die Freiheiten des Ortes bewilligen und ihm nach Euren weisen Satzungen eine Wohnung anweisen, in welche er sich sofort zurückziehen wird, sintemal er einigermaßen durch die Geschäfte dieses Tages erschöpft ist. Worauf ich Euch sofort ein Achtel Rheinwein, benebst einem entsprechenden Quantum von Rindszunge und Häringen bestellen will, um Euch Alle so heiter zu machen, wie Georg im Grünen.«

Diese Eröffnung ward mit rauschendem Beifall aufgenommen, in welchem die Stimme der Widersprechenden übertäubt ward, wofern es im Elsasser Senat irgend Jemanden gab, der einem so populären Vorschlag hätte widerstehen können. Die Wörter: »Fideles Haus! flotter Bursch! echter Edelmann!« gingen von Mund zu Mund. Die Einschreibung des Bittstellers in das große Buch wurde rasch vollendet, und ihm der Eid von dem würdigen Dogen abgenommen. Dieser Eid war, wie die Gesetze der zwölf Tafeln bei den Cambrobiten und andern Urvölkern in Versen abgefaßt und lautete folgendermaßen:

Bei Zapfen und Spund,
Bei Leder und Klinge,
Beschwört jetzt dein Mund
Zu thun diese Dinge:
Von Whitefriars Rechten
Nicht eins zu vergeben,
Und für sie zu fechten
Auf Tod und auf Leben.

Nigel fühlte und offenbarte sogar einigen Widerwillen gegen diese Posse. Allein der Templer erinnerte ihn, daß er zu weit gegangen sei, um umzukehren. Also wiederholte oder vielmehr bestätigte er nickend die Worte, die von Herzog Hildebrod wiederholt wurden. Letzterer beschloß die Ceremonie, indem er ihm das Vorrecht der Freistätte in folgenden Knittelversen bewilligte:

»Von der Schergen Gewalt,
Von des Haftbefehls Macht
Hab' ich solcher Gestalt
Völlig frei dich gemacht.
Nun kannst du mit Fug
Schläge geben und fassen,
Kannst üben Betrug,
Und betrügen dich lassen.
So viel dir gefällt,
Magst hinfüro du saufen.
Willst du gelten als Held,
So beweis' es durch Raufen.
Schwing' keck deinen Dolch
Zum Schutz deiner Metzen,
Leb' frei, wie ein Strolch,
Ohne Furcht vor Gesetzen.
Trink' Branntwein und rauch',
Geh' im Schafpelz im Winter,
Geh' halb nackt, trotz dem Brauch,
Wenn die Lüfte wehn linder.
Ist dein Geldbeutel leer,
Falsche Würfel ihn füllen;
Brauch' keck deine Wehr',
Um Vorwürf' zu stillen.
Ergeht es dir schlecht,
Hilf so gut dir, wie's geht.
Schau, das ist das Recht,
Das fortan dir zusteht.«

Nach Vollendung dieser Predigt erhob sich ein Streit in Betreff der dem neuen Bruder anzuweisenden Residenz. Die Elsasser hatten nämlich den Grundsatz, daß Eselsmilch fett mache; daher in der Regel ein Wettstreit der Bewohner, wer ein neues Glied der Gesellschaft unter seiner Verwaltung haben solle.

Das Großmaul, welches so warm und entscheidend zu Nigels Gunsten gesprochen hatte, erhob sich jetzt ritterlich zu Gunsten einer gewissen Blauselinda oder Bonstrops, welche ein Zimmer zu vermiethen hatte, einst die gelegentliche Residenz des Schnittdiederichs, der kürzlich zu Tyburn gehenkt worden war, und dessen allzufrühes Abtreten vom Schauplatz von der Mamsell in einsamer Wittwenschaft in der Weise einer Turteltaube betrauert ward.

Indessen des Hauptmanns Fürsprache wurde zurückgesetzt zum Vortheil des alten Herrn in der Kirseikapuze, welcher den Ruf hatte, auch noch in seinem hohen Alter sich so trefflich oder trefflicher aufs Rupfen zu verstehen, als irgend ein Mann im Elsaß.

Dieser achtbare Mann war ein berüchtigter Wucherer, Namens Trapbois. Er hatte kürzlich dem Staate einen wesentlichen Dienst geleistet durch Erlegung einer Steuer, welche nöthig war, um des Herzogs Keller mit frischen Flüssigkeiten zu versehen, sintemal der Weinhändler Anstand nahm, mit einer so hohen Person anders als gegen Baares zu handeln. Als darum der alte Herr aufstand und mit vielem Husten den Herzog erinnerte, daß er ein Stübchen zu vermiethen habe, wurden die Ansprüche aller Andern bei Seite gesetzt, und Nigel ihm als Gast zugewiesen.

Kaum war diese Anordnung getroffen, so drückte Lord Glenvarloch gegen Lowestoffe den dringenden Wunsch aus, diese bösartige Gesellschaft zu verlassen, und beurlaubte sich mit einer Eile, welche übel aufgenommen worden sein würde, wenn nicht in demselben Augenblicke, wo er die Stube verließ, das Fäßchen Rheinwein eingetroffen wäre. Der junge Templer begleitete seinen Freund nach dem Hause des alten Wucherers; denn er und andere junge Gesellen vom Tempel waren mit dem Wege dahin nur zu wohl bekannt. Unterwegs versicherte er den Freiherrn, daß er in das einzige Haus von Whitefriars komme, wo Reinlichkeit herrsche, eine Eigenschaft, die es lediglich der Sorgfalt der Tochter des Wucherers verdanke, einer alten Mamsell, häßlich wie die Sünde, aber vermuthlich reich genug, um einen Puritaner in Versuchung zu führen, sobald der Teufel ihren Papa geholt haben würde. Während Lowestoffe so sprach, klopften sie an die Hausthür an. Das sauertöpfische Gesicht der Weibsperson, welche öffnete, bestätigte vollkommen die Angaben des Studenten. Sie hörte mit unfreundlicher, mürrischer Miene die Erklärung des Templers an, daß der ihn begleitende Herr ein Miethsmann ihres Vaters sein werde, brummte Etwas über die Mühe, welche er verursachen werde, endigte aber damit, daß sie dem Fremden sein Zimmer anwies, welches besser war, als sich nach dem Ansehen des Ortes im Allgemeinen hätte vermuthen lassen, und weit geräumiger, als das, welches er an der Paulslände bewohnt hatte, wiewohl minder säuberlich.

Nachdem Lowestoffe so für die Einführung seines Freundes in seine neue Wohnung gesorgt und eine Bestimmung des Preises erhalten hatte, zu welchem er aus der nächsten Garküche mit Lebensmitteln versehen werden konnte, beurlaubte er sich. Ehe er wegging, erbot er sich noch, Nigeln seine Habseligkeiten oder einen Theil derselben aus seiner früheren Wohnung zu besorgen. Lord Glenvarloch bezeichnete ihm so wenige Gegenstände, daß der Templer nicht umhin konnte, zu bemerken, es scheine, als gedenke Se. Herrlichkeit seine neuen Vorrechte nicht lange zu genießen.

»Sie passen zu wenig zu meinem Geschmack und zu meinen Gewohnheiten, als daß ich es sollte,« antwortete der Herr von Glenvarloch.

»Vielleicht ändert Ihr Eure Meinung morgen,« bemerkte Lowestoffe. »Ich wünsche Euch guten Abend. Morgen will ich Euch zeitig besuchen.«

Der Morgen kam, aber statt des Templers traf nur ein Brief von ihm ein; derselbe besagte, daß sein Besuch im Elsaß ihm den Tadel einiger alten sauertöpfischen Narren unter den Beisitzern zugezogen habe, und daß er für gerathen halte, vorläufig sich nicht einzustellen, um nicht die Aufmerksamkeit auf Lord Glenvarlochs Wohnstätte hinzulenken. Er bemerkte weiter, daß er Anstalten zur Sicherung seiner Sachen getroffen habe, und versprach ihm, sein Geldkästchen, und was er sonst brauchte, auf sicherem Wege zukommen zu lassen. Dann folgten einige weise Rathschläge, eingegeben durch Lowestoffes Bekanntschaft mit dem Elsaß und seinen Bräuchen. Er rieth ihm, den alten Wucherer in völliger Unbekanntschaft mit dem Zustande seiner Geldmittel zu lassen, nie mit dem Hauptmann zu würfeln, der die Gewohnheit habe, mit leerer Hand zu spielen und mit drei Vocalen zu bezahlen, endlich sich vor dem Herzog in Acht zu nehmen, dessen Blick so durchdringend sei, wie eine Nadel, obgleich er nicht mehr Augen habe, als dies nützliche Werkzeug Oehre.



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