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Neuntes Kapitel.

Traun, liebe Freundin, so war's immerdar,
Seitdem die Arch' steht auf dem Ararat.
Der Mann schwor falsch, es glaubte ihm das Weib,
Bereu'te, machte Vorwürf', glaubte wieder.

Die Neue Welt.

Als Margarethe mit Monna Paula zurückkehrte, stand Frau Hermione von dem Tische auf, an welchem sie ein Stück Papier beschrieben hatte. Dies Papier gab sie ihrer Dienerin, und sagte: »Bring' dies Roberts, dem Cassirer, laß dir die bezeichnete Summe geben und bringe sie hieher.«

Monna Paula entfernte sich, und Hermione wandte sich an Margarethen mit den Worten: »Ich weiß nicht, ob ich wohl gethan habe und wohl thue in dieser Angelegenheit. Ich habe ein seltsames, abgeschlossenes Leben geführt und bin mit der Weise dieser Welt aus Erfahrung nicht bekannt – ein Mangel, der sich, wie ich wohl weiß, durch bloßes Lesen nicht beseitigen läßt. Ich fürchte, ich verletze meine Pflicht gegen dich, und vielleicht auch die gegen das Land, welches mir Zuflucht gewährt, indem ich dir zu Willen bin. Und doch ist Etwas in meinem Herzen, welches mich deinen Bitten nicht widerstehen läßt.«

»O hört diese Stimme Eures Herzens, werthe, edle Frau!« rief Margarethe, ihr zu Füßen fallend und ihre Kniee umklammernd, gleich einer Sterblichen, die ihren Schutzengel anfleht. »Die Gesetze der Menschen sind nur die Gebote sterblicher Wesen; aber was das Herz spricht, das ist der Wiederhall der Stimme aus dem Himmel.«

»Stehe auf, stehe auf, Mädchen,« sprach Hermione. »Du rührst mich mehr, als ich gedacht habe, daß irgend Etwas von Außen mich bewegen könnte. Stehe auf und sage mir, wie es kommt, daß in so kurzer Zeit deine Gedanken, deine Blicke, deine Sprache und selbst deine geringsten Bewegungen so sehr verändert sind? Wie es kommt, daß das vor Kurzem noch so kindisch launenhafte Mädchen mit solcher Kraft handelt und mit solcher leidenschaftlichen Beredtsamkeit spricht?«

»Ich weiß es wahrlich nicht, theure Frau,« antwortete Margarethe mit niedergeschlagenen Augen. »Aber ich denke, wenn ich mich albern benahm, so kam es daher, weil ich blos an Albernheiten dachte. Das, womit sich jetzt meine Seele beschäftigt, ist ernst und wichtig, und ich danke Gott, daß meine Worte und Manieren meinen Gedanken entsprechen.«

»Es muß so sein,« sprach die Dame; »nur kommt mir die Veränderung gar zu schnell und sonderbar vor. Es ist, als ob ein kindisches Mädchen plötzlich aufgeschossen wäre zu einem tiefdenkenden, leidenschaftlichen Weibe, das zu Anstrengungen und Opfern bereit ist mit all' der nutzlosen Hingebung für einen Gegenstand seiner Zuneigung, welche oft einen so schmählichen Lohn findet.«

Frau Hermione seufzte schwer, und ehe sie fortfahren konnte, trat Monna Paula ein. Diese redete mit ihrer Gebieterin in einer fremden Sprache, welche Margarethe nicht verstand.

»Wir müssen uns ein wenig gedulden,« sprach die Dame zu Margarethen. »Der Cassirer ist in Geschäften ausgegangen, wird aber binnen einer halben Stunde zurück erwartet.«

Margarethe rang ungeduldig und schmerzvoll die Hände.

»Ich weiß wohl, daß die Minuten hier kostbar sind,« fuhr Hermione fort, »und so wollen wir uns denn keine durch unsere Schuld entgehen lassen. Monna Paula soll unten bleiben und, sobald Roberts zurückkommt, auf der Stelle unser Geschäft besorgen.«

Sie gab der Dienerin die angedeutete Weisung, und diese verließ das Zimmer.

»Ihr seid sehr gütig, edle Frau, – gar zu gut,« sprach Grethchen mit einem Zittern der Lippen und der Hand, welches die schmerzvolle Bewegung hinausgeschobener Hoffnung bezeichnete.

»Beruhige dich, Grethchen, und fasse dich in Geduld,« redete die Dame ihr zu. »Du wirst viel zu thun haben, um deinen kühnen Plan durchzuführen. Schone deine Seelenkräfte, die sehr in Anspruch werden genommen werden. Sei geduldig; Geduld ist das einzige Mittel wider die Uebel des Lebens.«

»Ja, gnädige Frau,« erwiderte Margarethe, die Augen auswischend und vergebens sich bemühend, ihre natürliche Ungeduld zu unterdrücken; »ich habe das oft gehört, sehr oft, und ich habe es selbst – Gott verzeih' mir – Leuten, die in Angst und Noth waren, gesagt. Aber damals hatte ich noch keine Angst und Noth ausgestanden. Ich will gewiß keinem Menschen mehr Geduld predigen, jetzt, wo ich weiß, was sie für eine bittere Arznei ist.«

»Du wirst dereinst besser von ihr denken, mein Kind,« erwiderte Frau Hermione. »Als ich zum ersten Mal die Noth des Lebens fühlte, da dachte ich auch, die, welche mir von Geduld sprachen, wollten mich necken. Allein ich habe gefunden, daß sie neben den übrigen religiösen Pflichten (denn sie gehört zu der Zahl derselben) der einzige Halt für das betrübte Herz ist.«

Margarethe, welche Verstand und Gefühl hatte, trocknete schnell ihre Thränen, bat ihre Gönnerin um Verzeihung, und sprach: »Ich konnte mir wohl denken, und mußte schon aus Eurer Lebensweise schließen, daß Ihr Leid erduldet habt, und die Geduld, welche ich stets bei Euch bemerkt habe, berechtigt Euch wohl, Euer Beispiel Anderen zu empfehlen.«

Die Dame schwieg einen Augenblick und erwiderte sodann: »Margarethe, ich bin im Begriff, dir großes Vertrauen zu schenken. Du bist nicht länger mehr ein Kind, sondern ein denkendes und fühlendes Weib. Du hast mir so viel von deinem Geheimniß erzählt, als du durftest, ich will dich von dem meinigen wissen lassen, was ich füglich mittheilen kann. Du wirst mich vielleicht fragen, warum ich in einem Augenblicke, wo dein Gemüth so aufgeregt ist, dir die Betrachtung meiner Leiden aufdringe? Ich antworte: ich kann dem Antriebe dazu nicht widerstehen. Vielleicht ist dadurch, daß ich seit drei Jahren zum ersten Mal wieder Zeuge der Wirkungen menschlicher Leidenschaft gewesen bin, mein eigner Kummer wieder erweckt worden, und ist zu schwer für mein Herz, so daß ich ihn in deinen Busen ausschütten muß. Vielleicht darf ich hoffen, du, die du mit vollen Segeln der Klippe zueilst, an welcher mein Glück für immer zerschellt ist, du wirst dir meine Geschichte zur Warnung dienen lassen. Jedenfalls bin ich, wofern du zuhören willst, bereit, dir zu erzählen, wer eigentlich die beklagenswerthe Bewohnerin der Foljambischen Zimmer ist, und warum sie hier hauset. Wenigstens wird es uns dienen, die Zeit zu vertreiben, bis Monna Paula uns Bescheid von Roberts bringt.«

In jedem andern Augenblicke ihres Lebens würde Grethchen Ramsay mit ungetheilter Aufmerksamkeit eine Mittheilung angehört haben, die bei dem Verhältniß der Erzählerin schmeichelhaft war und einen Gegenstand betraf, welcher die allgemeine Neugier in so hohem Grade erregt hatte. In diesem Augenblicke der Aufregung war es anders. Bebenden Herzens horchte sie nach den Fußtritten Paulas. Indeß Erkenntlichkeit, Klugheit und selbst auch ein wenig Neugier bestimmten sie, wenigstens äußerlich gespannte Aufmerksamkeit an den Tag zu legen, und mit Demuth für das ihr geschenkte hohe Vertrauen zu danken. Frau Hermione erzählte mit derjenigen Ruhe, die alle ihre Worte und Handlungen begleitete, ihrer jungen Freundin folgendermaßen ihre Geschichte:

»Mein Vater war Kaufmann in einer Stadt, wo die Kaufleute Fürsten sind. Ich bin die Tochter eines edeln Hauses in Genua, dessen Name so alt und geehrt ist, wie nur irgend einer, der im goldnen Buch jener berühmten Aristokratie steht. Meine Mutter war eine Schottin von hohem Adel. Sie stammte, und zwar unmittelbar – erschrick nicht – aus dem Hause Glenvarloch. Dies erklärt dir, warum ich so leicht Antheil an dem Mißgeschick dieses jungen Freiherrn genommen habe. Er ist mein naher Verwandter; meine Mutter, stolz auf ihre Abstammung, hat mich frühzeitig gelehrt, gegen diesen Namen nicht gleichgültig zu sein. Ihr Vater, ein jüngerer Sprößling des Hauses Glenvarloch, hatte sich an einen unglücklichen Flüchtling, den Grafen Franz von Bothwell angeschlossen, der, nachdem er an manchem fremden Hofe sein Elend zur Schau getragen, sich endlich in Spanien niederließ, um eine durch seinen Uebertritt zum katholischen Glauben erworbene ärmliche Pension zu genießen. Rudolf Olifaunt, mein Großvater, schied im Verdruß von ihm und nahm seinen Wohnsitz zu Barcelona, wo die Freundschaft des Statthalters bewirkte, daß man zu seiner angeblichen Ketzerei die Augen zudrückte. Mein Vater war durch seine Geschäfte veranlaßt, mehr in Barcelona als in seiner Heimath zu wohnen, und nur von Zeit zu Zeit Genua zu besuchen. Zu Barcelona machte er die Bekanntschaft meiner Mutter und heirathete sie. Ihr Glaube war verschieden, aber in der Liebe waren sie eins. Ich war ihr einziges Kind. Oeffentlich bequemte ich mich den Lehren und Bräuchen der römischen Kirche an; insgeheim aber wurde ich von meiner Mutter, welche dieselben mit Abscheu betrachtete, in der reformirten Religion erzogen. Mein Vater, sei es, daß er in diesem Punkte gleichgültig war, sei es, daß er dem Weibe, welches er liebte, keinen Schmerz bereiten wollte, übersah meine heimliche Theilnahme an ihren Andachtsübungen.

»Als er aber unglücklicher Weise noch in seinen besten Jahren von einer unheilbaren Auszehrung befallen wurde, sah er die Gefahr voraus, welcher nach seinem Tode seine Wittwe und seine Tochter in einem so bigotten Lande, wie Spanien, ausgesetzt sein würden. Er ließ es sich darum in seinen zwei letzten Lebensjahren angelegen sein, einen großen Theil seines Vermögens verfügbar zu machen und nach England zu schicken, wo es durch die Treue und Ehrlichkeit seines Correspondenten, des braven Mannes, unter dessen Dache ich jetzt wohne, vortheilhaft angelegt wurde. Hätte mein Vater lange genug gelebt, um seinen Plan ganz auszuführen, so wurde er selbst mit uns nach England gegangen sein, und uns hier noch vor seinem Tode in Ruhe und Ehren angesiedelt gesehen haben. Allein der Himmel fügte es anders. Er starb, während noch starke Summen von ihm in den Händen seiner spanischen Schuldner waren. Namentlich hatte er eine bedeutende Sendung an eine reiche Kaufmannsgesellschaft in Madrid gemacht, welche nach seinem Tode keine Lust zeigte, abzurechnen. Wollte Gott, wir hätten diesen habsüchtigen, gottlosen Menschen ihre Beute gelassen, denn als solche schienen sie das Eigenthum ihres verstorbenen Freundes und Correspondenten zu betrachten! Wir hatten schon genug in England, um ein behagliches und selbst glänzendes Leben zu führen. Aber Freunde von uns tadelten laut die Thorheit, uns von diesen schlechten Menschen unser rechtmäßiges Eigenthum nehmen zu lassen. Die Summe war nicht unbedeutend, und als der Prozeß einmal begonnen war, glaubte meine Mutter die Ehre meines Vaters bei der Fortführung desselben betheiligt, da in den Gegenerklärungen der Handelsgesellschaft die Redlichkeit seines Verfahrens angegriffen war.

»Wir begaben uns also nach Madrid. Ich war damals etwa so alt wie du, Grethchen, jung und gedankenlos, wie du bisher gewesen bist. Wir gingen, sage ich, nach Madrid, um den Schutz des Hofes und des Königs in Anspruch zu nehmen, ohne welchen, wie man uns sagte, wir vergebens Gerechtigkeit wider eine reiche und mächtige Gesellschaft zu erwarten hatten. Unser Aufenthalt in der spanischen Hauptstadt dehnte sich von Wochen auf Monate aus. Ich meines Theils hätte, nachdem der Schmerz um einen gütigen, obwohl nicht überzärtlichen Vater sich gelegt hatte, Nichts dagegen gehabt, wenn der Prozeß uns ewig in Madrid zurückgehalten hätte. Meine Mutter verstattete sich und mir etwas mehr Freiheit, als wir bisher gewohnt gewesen waren. Sie fand Verwandte unter den schottischen und irländischen Officieren, von denen mehre eine hohe Stellung im spanischen Heere einnahmen. Die Frauen und Töchter derselben wurden unsere Freundinnen und Gesellschafterinnen, und ich hatte fortwährend Gelegenheit mich in der Muttersprache meiner Mutter zu üben, welche ich von Kindheit auf gelernt hatte. Als die Lebenslust und Gesundheit meiner Mutter abnahm, verstattete sie mir in ihrer Zärtlichkeit, zuweilen in Gesellschaften zu gehen, denen sie selber nicht beiwohnte, indem sie mich der Aufsicht von Damen überließ, auf welche sie vertrauen zu dürfen glaubte, besonders der Aufsicht einer Generalsfrau, deren Schwäche oder Falschheit die Ursache meines Unglücks geworden ist. Ich war munter, Grethchen, und leichtsinnig, ich wiederhole es, so wie du noch vor Kurzem warst, als plötzlich meine Aufmerksamkeit, wie die deinige, auf einen einzigen Gegenstand geheftet, und eine Gattung von Gefühlen in mir vorherrschend wurde.

»Die Person, welche dies veranlaßte, war ein junger, schöner, gebildeter, vornehmer Kriegsmann aus Britannien. Insoweit ist der Fall bei mir und dir ähnlich; – verhüte es Gott, daß die Aehnlichkeit vollständig werde! Dieser Mann, so hochgeboren, so wohlgestaltet, so reichbegabt, so unerschrocken, – dieser Schurke, denn dies, Margarethe, ist der passendste Name für ihn, sprach mir von Liebe, und ich hörte auf seine Worte. Konnte ich seine Aufrichtigkeit bezweifeln? Er war reich, vornehm, und von einem alten Geschlecht. Ich war ebenfalls vornehm, und eine reiche Erbin. Allerdings kannte er nicht den Betrag meines väterlichen Vermögens, auch theilte ich ihm nicht mit (ich weiß nicht einmal, ob ich es damals selbst wußte), daß der größte Theil jenes Vermögens außer dem Bereich der Willkür, und dem ungewissen Spruche der Richter entzogen war. Vermuthlich dachte mein Liebhaber, wie meine Mutter der Welt glauben machte, fast unser ganzes Vermögen stehe auf dem Prozeß, den zu führen wir nach Madrid gekommen waren; denn meine Mutter unterhielt diese Meinung, weil sie wußte, daß die Uebertragung eines großen Theiles unseres Vermögens nach England bei spanischen Gerichten eine schlechte Empfehlung zur Beitreibung anderer Summen sein würde. Indessen glaube ich, daß er, ohne eine größere Vorstellung von unserem Vermögen zu haben, als das Publikum, anfänglich es mit seinen Bewerbungen ernstlich meinte. Er besaß so viel Einfluß, um eine gerichtliche Entscheidung zu unseren Gunsten erlangen zu können, und die damit gewonnene Summe würde schon ein beträchtliches Vermögen ausgemacht haben. Kurz, welches auch immer seine Beweggründe gewesen sein mögen, er hielt mit meiner Zustimmung bei meiner Mutter um meine Hand an.

»Mit dem Schwinden der Gesundheit meiner Mutter hatten auch ihre Verstandeskräfte abgenommen, und ihre Gefühle waren dagegen reizbarer geworden. Du wirst von der Grimmigkeit der alten schottischen Fehden gehört haben, auf welche man die Worte der Schrift anwenden kann: die Väter essen saure Trauben und die Zähne der Kinder werden stumpf. Unglücklicher Weise, – ich sollte sagen glücklicher Weise, wenn ich bedenke, wie sich dieser Mann seitdem gezeigt hat, – war eine solche Fehde zwischen seinem Hause und dem meiner Mutter die Quelle eines Hasses gewesen, der sich auf sie vererbt hatte. Als er um meine Hand anhielt, konnte sie ihre Leidenschaft nicht bändigen. Sie störte alle Beleidigungen hervor, welche die beiden Familien in einem blutigen, zweihundertjährigen Streite einander angethan hatten, fügte höhnische Worte hinzu, und verwarf seinen Antrag, als käme er von dem verächtlichsten Menschen.

»Mein Geliebter entfernte sich voll Zorn. Ich weinte und murrte wider das Geschick und – ich will meinen Fehler gestehen – wider meine liebe Mutter. Ich war anders erzogen als sie. Die Ueberlieferungen von den Fehden und Streitigkeiten ihrer Familie in Schottland, denen sie eine hohe Wichtigkeit beilegte, waren in meinen Augen so unbedeutend, wie die Thaten und Phantasien von Don Quixote. Ich tadelte sie bitter darüber, daß sie mein Lebensglück einem leeren Traume von Familienwürde aufopferte.

»So war meine Stimmung, als mein Geliebter eine Wiederanknüpfung unseres Verhältnisses suchte. Wir trafen uns wiederholt in dem Hause der erwähnten Dame, die aus Leichtsinn oder aus Lust an heimlichem Getreibe unseren geheimen Verkehr begünstigte. Endlich ließen wir uns heimlich trauen – so weit riß meine blinde Leidenschaft mich fort. Mein Geliebter hatte sich den Beistand eines englischen Geistlichen verschafft. Monna Paula, meine Dienerin von meiner Kindheit an, war eine der Zeugen unseres Ehebündnisses. Ich muß der Getreuen die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie mich beschwor, mein Vorhaben zu verschieben, bis der Tod meiner Mutter uns eine öffentliche Vermählung gestatte. Allein die Bitten meines Geliebten und meine stürmische Leidenschaft überwogen ihre Vorstellungen. Die erwähnte Dame war eine weitere Zeugin. Ob sie in das Geheimniß meines Bräutigams eingeweiht war, habe ich nie erfahren können. Unter dem Schutze ihres Namens und ihres Daches konnten wir häufig zusammensein, und die Liebe meines Gemahles schien so aufrichtig und so grenzenlos, wie meine eigene.

»Er äußerte den Wunsch, seinen Stolz zu befriedigen, indem er mich bei einigen befreundeten Engländern von Stande einführte. Dies konnte im Hause der Frau D. nicht geschehen. Auf sein Geheiß, welches ich jetzt als verpflichtend zu betrachten hatte, besuchte ich ihn zwei Mal in seiner Wohnung, blos von Monna Paula begleitet. Ich traf bei ihm eine kleine Gesellschaft von zwei Herren und zwei Damen. Es gab dort Musik, Spiel und Tanz. Ich hatte von der Zwanglosigkeit der Engländer gehört, allein es wollte mir bedünken, als ob dieselbe hier bei diesen Unterhaltungen und bei den darauf folgenden Mahlzeiten die Grenzen des Anstandes überschreite. Indeß schob ich meine Bedenklichkeiten auf Rechnung meiner Unerfahrenheit, und wollte am Ende nicht die Schicklichkeit dessen bezweifeln, was mein Gemahl billigte.

»Bald nahmen mich andere Auftritte in Anspruch. Die Krankheit meiner Mutter näherte sich ihrem Ende. Ich schätze mich glücklich, daß dies Ende eintrat, bevor sie entdeckte, was ihr Herz zerrissen haben würde.

»Du hast vielleicht gehört, daß in Spanien die Priester, und besonders die Mönche, die Sterbenden bestürmen, um Vermächtnisse für die Kirche zu erhalten. Ich habe dir gesagt, daß meine Mutter in Folge ihrer Krankheit sehr reizbar und in demselben Verhältnisse verstandesschwach geworden war. Der Aerger über die Zudringlichkeit der Pfaffen an ihrem Sterbebette, und die Kühnheit der strengen reformirten Secte, der sie anhing, schien ihre sterbende Zunge zu beleben. Sie bekannte die Religion, die sie so lange verhehlt hatte, wies alle Hoffnung und Hülfe zurück, welche nicht von ihrer Lehre ausflösse, verschmähte die Bräuche der katholischen Kirche, überhäufte die erstaunten Pfaffen mit Vorwürfen wegen ihrer Habgier und Heuchelei, und gebot ihnen, ihr Haus zu verlassen. Erbittert und wüthend entfernten sich dieselben, um mit den Machtgeboten und Beamten der Inquisition zurückzukehren. Sie fanden eine kalte Leiche statt der Person, an welcher sie ihre Rache zu üben gedacht hatten. Da es sich bald herausstellte, daß ich an der Ketzerei meiner Mutter Antheil hatte, wurde ich von ihrem Leichnam weggerissen, in ein einsames Kloster eingesperrt und mit einer Härte behandelt, welche, wie die Abtissin mir versicherte, mein schlechter Lebenswandel sowohl, wie meine theologischen Irrthümer verdienten. Ich erklärte mein eheliches Verhältniß, um mein Benehmen zu rechtfertigen, und flehte die Oberin an, meinem Gemahl meine Lage zu offenbaren. Sie lächelte kalt dazu und erwiderte, die Kirche habe mir einen bessern Bräutigam bestimmt. Sie rieth mir, mich für die Zukunft der göttlichen Gnade zu versichern und eine bessere Behandlung zu verdienen dadurch, daß ich sofort den Schleier nähme. Um mich zu überzeugen, daß mir nichts Anderes übrig bleibe, zeigte sie mir ein königliches Decret, durch welches mein ganzes Vermögen dem St. Magdalenenkloster so verschrieben war, daß es bei meinem Tode oder bei meinem Eintritte in den Orden ihm heimfiele. Da ich theils aus religiösen Grundsätzen, theils aus Liebe zu meinem Gemahl unerschütterlich blieb in meiner Weigerung, den Schleier zu nehmen, so bekam die Abtissin Lust – Gott verzeihe mir, wenn ich ihr Unrecht thue! – aber ich glaube, die Abtissin bekam Lust, sich des Raubes zu versichern, indem sie meinen Tod beschleunigte.

»Es war ein kleines, armes Kloster im Guadarramagebirge. Einige der Schwestern waren Töchter benachbarter Edelleute, eben so arm wie stolz und unwissend; andere waren Weiber, die man wegen schlechten Lebenswandels hier eingesperrt hatte. Die Oberin war von einer vornehmen Familie, der sie ihre Stelle verdankte. Man sagte, sie habe ihren Verwandten Schande gemacht durch ihre Aufführung in jüngeren Jahren; im höheren Alter hatten Habsucht, Herrschsucht, Strenge und Grausamkeit die Stelle der Liederlichkeit eingenommen. Ich habe viel unter diesem Weibe gelitten. Ihr dunkles gläsernes Auge, ihre hohe verhüllte Gestalt und ihre harten Züge kommen mir noch oft im Schlafe vor.

»Ich sollte nicht Mutter werden. Ich wurde sehr krank, und meine Genesung ging langsam von Statten und blieb lange zweifelhaft. Die heftigsten Heilmittel wurden angewendet, – wofern es wirklich Heilmittel waren. Endlich genas ich wider mein und meiner ganzen Umgebung Erwarten. Als ich mich zum ersten Male wieder im Spiegel sah, glaubte ich, das Gesicht eines Gespenstes zu erblicken. Ich war gewohnt gewesen, von aller Welt, besonders aber von meinem Gemahl Schmeicheleien über meine blühende Gesichtsfarbe zu hören. Sie war hin, und was noch sonderbarer ist, sie ist nicht wieder gekommen. Ich habe bemerkt, daß ich den Wenigen, welche mich jetzt sehen, wie ein blutloses Schattenbild vorkomme. Dies ist die bleibende Wirkung der Behandlung, welcher ich unterworfen war. Möge Gott Denen verzeihen, welche sie gegen mich geübt haben! Dem Himmel sei Dank, daß ich diesen Wunsch mit derselben Aufrichtigkeit äußern kann, mit welcher ich um die Vergebung meiner eigenen Sünden bete. – Sie ließen jetzt Etwas nach in ihrer Härte gegen mich, vielleicht zum Mitleid bewegt durch mein auffallendes Aussehen, welches bezeugte, was ich gelitten, oder aus Furcht, daß meine Sache bei der nahe bevorstehenden Visitation die Aufmerksamkeit des Bischofs erregen möchte.

»Eines Tages, als ich der kürzlich erhaltenen Erlaubniß gemäß im Klostergarten spazieren ging, kam ich an einem alten maurischen Sklaven vorbei, welcher den Garten zu bearbeiten hatte. Derselbe murmelte mir zu, ohne seine gebückte Stellung zu verändern: »An dem Hinterpförtchen ist Tausendschön.« Ich war nicht ganz unbekannt mit der von den Mauren in Spanien zu solcher Vollkommenheit gebrachten Blumensprache; aber auch ohnedem würde ich den Wink verstanden haben, der Freiheit zu verheißen schien. Mit so viel Eile, als die Vorsicht gestattete, – denn ich hätte von der Oberin oder einer Schwester vom Fenster aus bemerkt werden können, – lief ich nach dem Pförtchen. Es war, wie gewöhnlich, fest verriegelt. Als ich aber leise hustete, erhielt ich von der andern Seite Antwort, und – o Himmel! es war die Stimme meines Gatten, welche sprach: ›Weile hier keinen Augenblick; stelle dich aber hier wieder ein, wenn es zur Vesper geläutet hat.‹

»Außer mir vor Freude kehrte ich zurück. Ich hatte nicht das Recht oder die Erlaubniß, der Vesper beizuwohnen, sondern wurde gewöhnlich in meine Zelle eingesperrt, während die Andern im Chore waren. Seit meiner Genesung schlossen sie meine Thür nicht mehr zu, dagegen waren mir die strengsten Strafen angedroht, wenn ich den Ort verließe. Ich achtete jetzt der Drohungen nicht. Kaum war das Vespergeläute verklungen, so schlich ich aus meiner Kammer, gelangte unbemerkt in den Garten, eilte nach dem Pförtchen, sah es voll Entzücken offen stehen, und lag im nächsten Augenblicke in den Armen meines Gatten. Er hatte einen andern Reiter von edlem Aussehen bei sich. Beide waren verlarvt und bewaffnet. Ihre Pferde und ein drittes, für mich gesatteltes, standen in einem Gebüsche, und bei denselben hielten zwei andere verlarvte Reiter, welche Diener zu sein schienen. In weniger als zwei Minuten saßen wir im Sattel und ritten davon, so schnell es in der pfadlosen Gegend gehen wollte, wie es schien, unter der Leitung eines der Diener.

»Bei dem raschen Ritte und bei der Heftigkeit meiner Gefühle vermochte ich meine freudige Ueberraschung nicht weiter, als in einigen abgebrochenen Worten auszudrücken. Das Schweigen meines Gatten erschien unter diesen Umständen eben so wenig auffallend. Endlich machten wir an einer einsamen Hütte Halt. Die Reiter stiegen ab. Mir half aus dem Sattel nicht M. M., mein Gemahl, welcher mit seinem Pferde beschäftigt zu sein schien, sondern der Unbekannte.

»›Gehe in die Hütte,‹ sagte mein Gatte, ›kleide dich mit Blitzesschnelle um; du wirst Jemand zur Bedienung finden; – wir müssen augenblicklich weiter, sobald du die Kleider gewechselt hast.‹

»Ich trat in die Hütte ein, und ward in die Arme meiner treuen Monna Paula aufgenommen, die mich seit mehrern Stunden in quälender Angst erwartet hatte. Mit ihrer Hülfe riß ich schnell das verhaßte Klostergewand herunter und vertauschte es mit einem Reisekleide nach englischem Schnitt. Ich bemerkte, daß Monna Paula ein ähnliches Kleid trug. Eben hatte ich mein neues Gewand übergeworfen, als wir eilends geheißen wurden, aufzusitzen. Ich fand, daß für Monna Paula ein Pferd bereit stand, und somit setzten wir unseren Weg fort. Unterwegs wurde meine Nonnenkleidung um einen Stein gewickelt und in einen See geworfen, an dessen Ufer wir hinritten. Die beiden Herren ritten voran, ich und Monna Paula in der Mitte, die beiden Diener schlossen den Zug. Während des Rittes bat mich Paula wiederholt, Stillschweigen zu beobachten, weil unser Leben davon abhänge. Ich verstand mich leicht dazu, denn die erste fieberhafte Aufregung des Freiheitsgefühls und glücklicher Liebe war vorüber. Ich wurde schwindelig von dem raschen Ritte und mußte alle meine Kräfte zusammennehmen, um mich im Sattel zu erhalten. Plötzlich – es war jetzt ganz finster – erblickten wir ein helles Licht vor uns.

»Mein Gemahl hielt sein Pferd an und that zwei leise Pfiffe. Dies Zeichen ward aus der Ferne erwidert. Die ganze Gesellschaft hielt an unter den Zweigen einer großen Korkeiche. Mein Gemahl trat dicht an mich heran und sprach mit einer Stimme, welche mir aus Angst für mich beklommen zu sein schien: ›Wir müssen jetzt scheiden. Die, welchen ich dich übergebe, sind Contrebanderos, welche Euch Beide nur als Engländerinnen kennen und es übernommen haben, Euch durch die Pyrenäenpässe nach S. Jean de Luz zu bringen.‹

»›Und du gehst nicht mit uns?‹ fragte ich mit Nachdruck, obwohl flüsternd.

»›Es ist unmöglich; es würde uns Alle in's Verderben bringen,‹ antwortete er. ›Bemerk' es wohl, vor den Ohren dieser Leute darfst du blos englisch sprechen und dir nicht im Entferntesten merken lassen, daß du verstehst, was sie auf spanisch sagen. Dein Leben hängt davon ab. Obwohl sie im Widerstreit mit den Gesetzen des Reiches leben, so würden sie doch zittern bei dem Gedanken, die Gebote der Kirche zu verletzen. – Ich sehe sie kommen. – Lebe wohl! – Lebe wohl!‹

»Die letzten Worte waren eilig gesprochen. Ich versuchte, ihn einen Augenblick am Mantel zurückzuhalten, und sprach: ›Also in S. Jean de Luz kommst du zu mir?‹

»›Ja, ja,‹ antwortete er hastig. ›Zu S. Jean de Luz wirst du deinen Beschützer finden.‹ Mit diesen Worten machte er seinen Mantel aus meiner Hand los, und verschwand in der Finsterniß. Sein Begleiter ritt an mich heran, küßte mir die Hand, was ich in meinem Schmerze kaum beachtete, und folgte meinem Gemahl, begleitet von einem der Diener.«

Ein Thränenstrom drohte hier die Erzählung Hermionens zu unterbrechen. Sie suchte sich gewissermaßen deßwegen bei ihrer Zuhörerin zu entschuldigen mit der Bemerkung: »Jeder Umstand aus diesen Augenblicken eines trügerischen Glückes ist tief meiner Erinnerung eingeprägt. Alles Spätere schwebt mir so einförmig vor der Seele, wie eine arabische Wüste. Doch, ich thue Unrecht, dich, Margaretha, die du von deinen eigenen Besorgnissen gequält bist, mit solchen nutzlosen Einzelnheiten aus meinem Leben zu langweilen.«

Grethchen standen die Thränen in den Augen bei der Erzählung ihrer leidenden Wohlthäterin, in welcher sich manche Ähnlichkeit mit ihrer eigenen Lage fand. Sie bat ihre Gönnerin dringend, fortzufahren, allein zu gleicher Zeit schweifte ihr Blick unwillkürlich nach der Thür, als wollte er einen Vorwurf über das Ausbleiben der Monna Paula ausdrücken.

Frau Hermione bemerkte und verzieh diesen Widerstreit. Auch ihr muß verziehen werden, daß, indem sie mit einer so ausführlichen Erzählung ihr so lange gepreßtes Herz erleichterte, sie einigermaßen vergaß, in welchem Zustande sich das Gemüth ihrer Zuhörerin befand.

»Ich glaube, ich habe dir gesagt,« fuhr sie fort, »daß einer der Diener mit den beiden Herren wegritt, und der andere bei uns blieb, wie es schien, um uns zwei Männern zu übergeben, welche das von M. – ich wollte sagen, von meinem Gemahl – gegebene Zeichen herbeigeführt hatte. Diese Männer und der Diener wechselten einige Worte in einer mir unverständlichen Sprache. Darauf nahm der Eine mein Pferd, der Andere Paulas Pferd am Zügel und führten uns nach dem Lichte hin, bei dessen erstem Anblicke wir Halt gemacht hatten. Ich ergriff Paulas Hand und fühlte, daß sie zitterte, was mir sehr auffiel, da ich ihren festen, unerschrockenen, fast männlichen Sinn kannte.

»Als wir zu dem Feuer kamen, fanden wir um dasselbe zigeunerartige Gestalten mit sonnenverbrannten Gesichtern, breitgekrämpten Hüten, Gürteln voller Pistolen und Dolche, und mit anderem Zubehör eines gefahrvollen unstäten Lebens gelagert. In jedem andern Augenblicke würde mich eine solche Erscheinung mit Schrecken erfüllt haben; allein in dem damaligen empfand ich nur die Qual der Trennung von meinem Gatten, die so unmittelbar meiner Befreiung gefolgt war. Bei der Bande befanden sich vier oder fünf Weiber, welche uns mit einer gewissen plumpen Höflichkeit empfingen. Sie unterschieden sich in ihrer Tracht und in ihrem Benehmen nicht sehr von ihren männlichen Genossen, waren fast eben so kühn und verwegen, wie sie, trugen gleich ihnen Waffen und verstanden, wie wir gelegentlich erfuhren, fast eben so wohl den Gebrauch derselben.

»Man konnte sich der Furcht vor diesen wilden Menschen nicht erwehren. Indeß gaben sie uns keinen Anlaß zu Beschwerden; im Gegentheil, sie erwiesen uns bei jeder Gelegenheit eine gewisse plumpe Höflichkeit, und nahmen Rücksicht auf unsere Bedürfnisse und unsere Schwächen, obwohl sie untereinander über unsere Weichlichkeit murrten. Sie glichen darin einem rohen Fuhrmanne, der eine Ladung kostbarer zerbrechlicher Waaren bekommen hat und alle mögliche Aufmerksamkeit auf ihre Erhaltung wendet, während er flucht über die ungewohnte Mühe, die er damit hat. Einige Male, als sie mit spanischen Zollwächtern zusammenstießen und hierbei einen Theil ihrer Schmuggelwaaren verloren und endlich von Kriegsvolk verfolgt wurden, wurde ihr Murren beunruhigender. Wir hörten sie über die englischen Ketzer fluchen, um derenwillen Gott, Santiago und Unsere Liebe Frau vom Pfeiler alle ihre Hoffnungen auf Gewinn vereitelt haben. Wir mußten dies ruhig anhören, denn wir durften sie nicht merken lassen, daß wir sie verstanden. Das sind schreckliche Erinnerungen, Grethchen.«

»Warum verweilt Ihr denn bei denselben, gnädige Frau?« erwiderte Margarethe.

»Weil ich,« antwortete Hermione, »wie ein auf dem Blutgerüst zögernder Verbrecher, den Augenblick der Katastrophe hinausschieben möchte. Ja, liebes Grethchen, ich verweile bei den Begebenheiten dieser Reise, obwohl sie mühe- und gefahrvoll war und durch die grauenvollsten Einöden und wildesten Berge ging, und obwohl unsere Begleiter, Männer wie Weiber, ein grimmiges, gesetzloses und unerbittlicher Vergeltung von ihren steten Gegnern ausgesetztes Gesindel waren, so möchte ich doch lieber die Gefahren dieser Reise beschreiben, als erzählen, was meiner zu S. Jean de Luz wartete.«

»Ihr kamt doch wohl glücklich dort an?« fragte Margarethe.

»Ja, mein Kind,« antwortete die Dame. »Der Hauptmann unserer Buschklepperbande brachte uns nach dem zu unserem Empfange angewiesenen Hause mit derselben Pünktlichkeit, wie er einem Handelsfreunde einen Ballen Schmuggelwaare abgeliefert haben würde. Man sagte mir, ein Herr erwarte mich seit zwei Tagen. Ich stürzte in das Gemach, um meinen Gemahl zu umarmen – und fand mich in den Armen seines Freundes!«

»Der Schurke!« rief Margarethe, welche über der Erzählung der Dame einen Augenblick ihre eigene Angelegenheit vergessen hatte.

»Ja,« fuhr Hermione ruhig fort, obwohl mit etwas zitternder Stimme, »das ist der Name, der am besten, – der ganz für ihn paßt. Er, Margarethe, dem ich Alles aufgeopfert hatte, dessen Liebe und dessen Andenken mir im Kloster theurer waren als meine Freiheit, – theurer als mein Leben auf der gefährlichen Reise, – er hatte seine Maßregeln getroffen, um sich meiner zu entledigen und mich wie eine feile Dirne seinem liederlichen Freunde zu überlassen. Anfangs lachte dieser über meinen Schmerz und meine Thränen, als über Aeußerungen des Zorns einer angeführten Metze oder als über Buhlerkünste. Eben so lachte er darüber, als ich mich auf meine Vermählung berief, und er versicherte, sie sei ein bloßes Possenspiel gewesen, auf dem ich bestanden und zu dem sein Freund sich bequemt habe, um der Sache einen Anstrich von Anständigkeit zu geben. Er drückte sein Erstaunen darüber aus, daß ich sie für etwas Anderes ansehen könne, diese Ceremonie, welche weder in Spanien noch in England gültig sei. Er ging so weit, mir die Wiederholung derselben mit ihm zum Zwecke der Beseitigung meiner Bedenklichkeiten vorzuschlagen. Mein Geschrei zog Monna Paula herbei. Sie war in der Nähe, denn sie hatte einen solchen Auftritt erwartet.«

»Großer Gott!« rief Margarethe. »Also war sie die Vertraute Eures schändlichen Gatten?«

»Nein,« antwortete Hermione, »da thust du ihr Unrecht. Durch ihre beharrlichen Nachforschungen nur war es möglich geworden, den Ort meiner Einsperrung ausfindig zu machen; sie war es, welche meinem Gemahl Nachricht gab. Bei dieser Gelegenheit bemerkte sie, daß die Kunde, welche sie brachte, viel mehr seinen Freund als ihn selber zu interessiren schien, und von da an schöpfte sie den Verdacht, daß der Schurke damit umgehe, sich meiner zu entledigen. Bei dem Ritt von dem Kloster wurde sie in diesem Verdacht bestärkt. Sie hörte ihn gegen seinen Gefährten mit kaltem Hohnlächeln äußern, daß ich durch meine Einsperrung und meine Krankheit meine Farbe gänzlich verloren habe, worauf der Andere erwiderte, daß ein wenig Schminke diesen Mangel beseitigen könne. Durch diese und andere Umstände auf den Verrath vorbereitet, trat Monna Paula mit völliger Fassung ein und war bereit, mir Beistand zu leisten. Ihre ruhigen Vorstellungen machten größeren Eindruck auf den Unbekannten, als meine Ausbrüche der Verzweiflung. Wenn er auch nicht ganz unseren Worten glaubte, so benahm er sich doch von nun an wie ein Ehrenmann, der sich hülflosen Weibern, mochten sie auch sein, was sie wollten, nicht aufdringen wolle. Er quälte uns nicht weiter mit seiner Gegenwart, und gab Monna Paula Anweisungen und selbst Geld zu unserer Reise nach Paris. Von Paris aus schrieb ich an Meister Heriot, meines Vaters treuesten Handelsfreund. Er kam, sowie er den Brief empfing, auf der Stelle nach Paris und – aber da kommt Monna Paula mit mehr Gold, als du begehrt hast. Nimm es, liebes Kind, – hilf dem jungen Manne, wenn du willst. Aber, Grethchen, rechne nicht auf Dank!«

Hermione nahm ihrer Dienerin den Beutel mit dem Golde ab und händigte ihn ihrer jungen Freundin ein. Diese warf sich in ihre Arme, küßte sie auf die blassen Wangen, welche der durch ihre Erzählung erweckte Schmerz reichlich mit Thränen befeuchtet hatte, trocknete ihre eigenen Zähren und eilte raschen und entschlossenen Schrittes aus den Foljambischen Zimmern hinweg.



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