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Siebentes Kapitel.

Julian Avenel nahm mit Erstaunen wahr, daß der fremde Greis an der Tafel nicht Platz nehmen wollte.

»Zum Henker!« rief er aus, »haben unsre neumodischen Pfaffen etwa auch Fastenzeit? Fast möcht ich drauf wetten. Unsre alten Schwarzkittel überließen solche Faxen den Laien, fraßen sich selbst aber die Hucke voll.«

»Wir kennen dergleichen Gesetze nicht,« erwiderte der Prediger. »Unser Glaube schreibt keine Fastenzeit vor; aber wenn wir fasten und Buße tun, dann zerreißen wir nicht unsre Kleider, wohl aber unsre Herzen.«

»Gut für Euch, doch schlimm für Euren Schneider,« erwiderte der Baron; »nun aber komm her und setz Dich! Mußt Du uns aber von Deinem Amt ein Pröbchen geben, dann murmle Deinen Spruch her!«

»Herr Baron,« versetzte der Prediger, »ich bin in fremdem Lande, wo man weder mein Amt noch meine Lehre kennt, ja, wo beide, wie es scheint, falsch aufgefaßt und mißverstanden werden. Mir liegt die Pflicht ob, mich so zu benehmen und so zu verhalten, daß die Würde meines heiligen Herrn in meiner Person, so unwürdig sie auch sein mag, geachtet werde, und daß die Zügel der Ordnung nicht erschlaffen und die Sünde sich nicht überhebe und breit mache.«

»Laß das! laß das!« erwiderte der Baron; »Du bist hierher geschickt worden um Deiner Sicherheit willen, aber wohl nicht, damit Du mir die Moral liest oder den Aufseher über mich spielst. Was hast Du, Pfaffe, denn im Sinn? Laß nicht außer acht, daß Du mit einem Manne sprichst, der nicht viel Geduld hat, dem jede Minute, die ihm seinen Genuß verkürzt, leid tut.« »Nun, dann seien wir kurz!« erwiderte in strengerem Tone der Prediger ... »diese Frau hier ...«

»Was willst Du von der Frau?« fuhr der Baron grimmig auf, »was willst Du von dieser Dame wissen?«

»Ist sie Deine Hausfrau?« fragte der Prediger nach kurzem Schweigen, nach dem passendsten Ausdruck auf der Suche zur Bezeichnung dessen, was er zur Sprache bringen wollte, »ist sie Dein Eheweib?«

Die unglückliche junge Frau bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, wie wenn sie versuchen wollte, die Röte ungesehen zu machen, die ihr in die Wangen schoß, aber die durch ihre schmalen Finger hervorbrechenden Tränen verrieten ihren Schmerz sowohl als ihre Scham.

»Bei meines Vaters Asche!« schrie der Baron, aufspringend und seinen Schemel mit solcher Gewalt von sich wegstoßend, daß er bis an die entgegengesetzte Seite des Zimmers flog ... aber ebenso schnell tat er seinem Grimm Einhalt und rief lachend: »Was soll ich mich um eines Narren willen aufregen?« Dann setzte er sich wieder und erwiderte kalt und voll Verachtung: »Nein, Pfaff, oder Herr Prediger, Katharina ist mein Eheweib nicht, ... hör doch auf, albernes Weib, mit Deinem Geflenne ... aber versprochen sind wir zusammen, und dadurch ist sie grade so gut mein rechtschaffnes Eheweib, als wenn wir zusammen vor dem Altar gestanden hätten.«

»Versprochen?« wiederholte Heinrich Warden.

»Weißt Du, frommer Mann, denn nichts von diesem Brauch?« erwiderte Julian Avenel im gleichen höhnischen Tone. »Na, dann will ich Dir es sagen. Paß auf! Wir Grenzer sind vorsichtigere Leute als Eure Bauern drin im Lande von Fife und Lothian. Wir tappen nicht gern im Dunkeln und schmieden uns nicht gern früher Fesseln, als bis wir wissen, daß sie uns auch sitzen ... und darum nehmen wir uns auch ein Weib erst auf Probe, genau so, wie wirs machen mit unsern Pferden. Wenns bei uns heißt, es haben sich zwei Leute zusammen versprochen, so heißt das, daß sie zusammen eins geworden sind, es auf ein Jahr lang mit dem Ehestande zu probieren. Ist dies Jahr vorbei, dann kann das Paar wieder auseinander gehen oder weiter zusammen bleiben, in welch letzterm Falle aber dann in der Regel die priesterliche Kopulation eintritt. So, nun wißt Ihr, was bei uns unter versprochen bei den Eheleuten zu verstehen ist.«

»Dann darf ich Dir, edler Baron,« versetzte der Prediger, »aus Bruderliebe und um Deines Seelenheiles willen nicht verbergen, daß dies ein heidnischer, roher, verderblicher Brauch ist, denn er bindet Dich, den stärkern Teil, an den schwächern Teil, das Weib, bloß so lange, als Du Befriedigung bei ihr findest für Deine Begierden, und gibt dem tierischen Triebe alles, während für die edle, zarte Neigung nicht das geringste Recht verbleibt. Wer aber solches Band zerreißen, wer ein beschimpftes Weib mit seinem hilflosen Sprößling im Stiche lassen kann, der ist schlimmer als ein Raubvogel, denn der Raubvogel bleibt doch mit seinem Weibchen, wenigstens so lange zusammen, bis die Nestlinge ausfliegen können. Vor allem aber sage ich Dir, solcher Brauch ist der Christenlehre vollständig zuwider, denn sie gesellt das Weib dem Manne in Freud und Leid für alle Zeit, nach dem Worte der heiligen Schrift, als Balsam für seine Leiden, als Helferin in seinen Mühen, als Freundin in seiner Trübsal, nicht aber als Spielzeug für müßige Stunden, oder wie eine Blume, die er nach Laune und Belieben aus der Hand werfen kann, wenn er sie abgebrochen hat von ihrem Stengel.«

»Eine recht tugendsame Predigt, Pfaffe,« erwiderte der Baron, »fein ausgeklügelt und mit unvergleichlichem Geschick vorgetragen, obendrein vor exquisiter Gemeinde! Nun aber ein paar Worte meinerseits, Pfaffe! Meinst Du etwa, Du habest einen Esel vor Dir? meinst Du, ich wüßte nicht, daß Deine Sekte bloß um deswillen vom Heinz Tudor im Lande gelitten worden ist, weil Ihr ihm dazu verholfen habt, von seiner Käthe loszukommen? Ei, und warum sollte ich der gleichen christlichen Freiheit mich nicht ebenso bedienen dürfen? Also kein Wort mehr von dem Kram! setz Dich an den Tisch und stopf Dir den Schnabel! Im übrigen scher Dich nicht weiter um Geschichten, die Dich keinen Dreck angehen. In Julian Avenel hast Du keinen Strohkopf vor Dir, der sich ein X für ein U machen ließe.«

»Für sein U hat der sich selbst sein X gemacht,« erwiderte der Prediger kühn, »denn kann er die arme Genossin seiner häuslichen Sorgen jetzt noch zum Range einer reinen unbefleckten Hausfrau erheben? kann er das Kind freimachen von dem Jammer, daß es sein Dasein einer Mutter verdankt, die einen Fehltritt auf dem Gewissen hat? Freilich, er kann sich die Frau nachträglich antrauen lassen und zu seiner rechtmäßigen Gattin machen, er kann den Sohn zu seinem rechtmäßigen Kinde erklären lassen; aber das kann er nicht ändern, daß an dem Weibe und an dem Kinde in der öffentlichen Meinung ein Flecken haftet. Und doch, Baron, unterlaß nicht, dem Weibe und dem Kinde diese letzte, wenn auch noch unvollkommne Gerechtigkeit anzutun! Befiehl mir, Euch ehelich zusammen zu tun, aber feiert das Fest Eurer Hochzeit nicht mit Festlichkeit und Schmauserei, sondern mit Herzeleid und Trübsal über begangne Sünde und mit dem Vorsatz, hinfort ein besseres Leben zu führen. Dann kann ich sagen, daß mich ein glücklicher Zufall in diese Burg geführt hat, wiewohl ich den Fuß in sie setzte als ein vom Unglück verfolgter Mann, der nicht weiß, wohin er sich wenden solle!«

Vielleicht zum ersten Male in seinem ganzen Leben hatte der wilde Baron, der gewohnt war, alles Gesetz zu verhöhnen und allen Zwang religiösen und sittlichen Gebots zu verwerfen, die Empfindung, daß er sich vor einem höhern Geiste als dem seinen beugen müsse. Stumm und unschlüssig saß er auf seinem Schemel, schwankend zwischen Zorn und Scham und niedergedrückt durch die Wucht gerechten Tadels, der ihm mit solcher Festigkeit und Kühnheit ins Gesicht geschleudert wurde. Das unglückliche schöne Weib aber meinte, Schweigen und Unschlüssigkeit ihres Tyrannen so deuten zu dürfen, als fühle er sich zur Nachgiebigkeit gestimmt. Und Furcht und Scham außer acht setzend, heftete sie die Augen bittend auf ihn und rückte näher und näher zu seinem Sitze heran, bis sie endlich die Hand auf seinen Mantel legen konnte. Sie tat es zitternd und bebend, und zitternd und bebend sprach sie leise zu ihm:

»Ach, edler, edler Julian! leih den Worten des guten Mannes Herz und Ohr!«

Aber Wort und Bewegung der schönen Frau waren übel angebracht und bewirkten in seinem harten Gemüte das Gegenteil von dem, was sie bewirken sollten. Ingrimmig fuhr der Ritter empor und schrie die Frau an:

»Was? Verrückte Vettel! hast Dich wohl mit dem Landstreicher unter einen Hut gesteckt, mich in meinem eignen Hause zu schmähen? Hinweg mit Dir! und laß Dir gesagt sein, daß Julian Avenel gefeit ist gegen alle Heuchelei, mag sie vom Manne oder vom Weibe kommen!«

Bleich wie der Tod fuhr das arme Wesen zurück und suchte seinem Befehle Folge zu leisten, aber ehe sie die Tür gewonnen hatte, verließen sie die Kräfte, und sie schlug auf den steinernen Boden nieder. Das Blut rann ihr von der Stirn, und Halbert Glendinning, außer stande, solche schändliche Szene länger mit anzusehen, sprang von seinem Schemel und fuhr mit der Hand nach seinem Schwert; aber Christie von Clinthill erriet sein Vorhaben und hielt ihn fest. Avenel war selbst schwer betroffen über die Folgen seiner Heftigkeit, eilte zu der schönen Frau hin, hob sie vom Boden auf und sprach ihr auf seine Weise Trost zu.

»Sei doch bloß ruhig, Du einfältige Närrin!« sprach er, »wahrlich, Käthe, wenn ich auch dem zudringlichen Pfaffen kein Gehör schenke, so könnte am Ende doch sich was zwischen uns im Sinne seiner Worte ereignen, falls Du mir einen Jungen bescheren solltest. Aber nun gut, hörst Du? wisch Dir Deine Tränen ab und laß Deine Weiber kommen! Heda, wo steckt denn die Brut? ... Christie, Rowley, Hutcheon! schleppt die faulen Kanaillen an den Haaren herbei!«

Ein halbes Dutzend auf den Tod erschrockner Weiber, mit verstörten Blicken, stürzte in die Halle, um Käthe hinauszutragen, die man ebenso gut ihre Gefährtin hätte nennen können wie ihre Gebieterin. Sie gab kein Lebenszeichen, außer daß sie unter leisem Wimmern die Hand gegen die Seite preßte.

Sobald das unglückliche Weib aus der Halle getragen worden war, trat der Baron an den Tisch und goß einen Humpen voll Wein ein. Dann wandte er sich um und rief dem Prediger zu, der von Entsetzen über den Vorfall ergriffen worden war:

»Pfaffe, Du hast uns derb zugesetzt, aber da Du mit so wuchtiger Empfehlung zu uns kommst, wollen wir annehmen, daß Du in guter Meinung gehandelt habest. Doch laß Dir noch einmal sagen, wir in unsern Bergen sind ein wilderes Volk als Ihr drunten im Tale. Drum rat ich Dir, laß Dir den alten Sekt schmecken und uns von andern Dingen reden.«

»Ich bin gekommen, Euch zu befreien von böser Leidenschaft ...« hub der Prediger wieder an. Aber ungestüm fiel ihm Avenel in die Rede.

»Setz Dich!« schrie er, »oder bei meines Vaters Helmbusch und bei der Ehre meiner Mutter ...«

»Wenn er sich jetzt nicht setzt,« flüsterte Christie dem jungen Glendinning zu, »dann gebe ich keine sechs Dreier für seinen Kopf!«

»Lord Baron,« nahm Warden wieder das Wort, »Du hast mich aufs äußerste gebracht. Aber das sage ich Dir: lieber werde ich das Licht der Welt einbüßen, als daß ich mich im geringsten dazu verstehen werde, das Licht, dessen Verbreitung Gebot meiner Mission ist, zu verstecken. Gleichwie der heilige Täufer zu Herodes sprach: Es ist nicht recht, daß Du dieses Weib hast, so spreche ich auch, und wenn mich Ketten und Tod erwarten, zu Dir: Es ist nicht recht, Julian Avenel, daß Du dieses Weib hältst!«

Von rasender Wut gepackt über die feste, entschiedne Art, wie der Prediger zu ihm sprach, schleuderte Julian den Becher, mit dem er dem Gaste hatte zutrinken wollen, in die Ecke. Sein nächster Griff war nach dem Dolch an seiner Seite. Aber er besann sich ebenso schnell eines andern und schrie mit Donnerstimme:

»Heda! Ihr da, in den Kerker mit dem frechen Wicht von Landstreicher! Und daß mir niemand das Wort für ihn einlegt! Wenn sich der Heuchler nicht gutwillig wegführen läßt, denn schleppt ihn weg!«

Ohne die geringste Furcht und ohne das leiseste Zeichen von Widerstand ließ sich Heinrich Warden von den beiden Trabanten, die sich auf ihn stürzten, wegführen. Dann schritt Julian Avenel in düsterm Schweigen noch ein paarmal durch die Halle, dann winkte er einen seiner Trabanten zu sich heran, flüsterte ihm einen Auftrag zu und setzte sich hierauf wieder an die Tafel.

»Diese Hundsfotte von Pfaffen, die sich in alles mischen, machen uns, beim Henker! schlimmer, als wir ohnehin schon sind!«

In diesem Augenblick kam der Trabant wieder herein, und der Bescheid, den er ihm brachte, schien sein erregtes Gemüt zu besänftigen; und nun forderte er auch die Dienerschaft auf, ihre Plätze wieder einzunehmen. Alle kamen der Aufforderung schweigend nach und fingen an zu essen. Christie gab sich alle Mühe, seinen jugendlichen Kameraden zum Zechen zu animieren, aber nicht einmal sprechen mochte Halbert. Er sagte, er sei müde, und wolle nichts andres genießen, als ein bißchen Heidelbeermeth, der damals das gewöhnliche Tischgetränk für die Dienerschaft bildete. Er bat auch Christie bald, ihn in seine Kammer zu bringen, und dieser ließ sich nach einiger Zeit bereit finden, ihm seinen Wunsch zu erfüllen; aber nie mag wohl ein Korporal von einem Werbekommando schärfer aufgepaßt haben, daß ihm ein Mann, den er »auf dem Rohre« hat, nicht entrinne, als Christie von Clinthill auf Halbert. Zwar brachte er Halbert in eine Kammer, die nach der Seeseite hin lag; aber ehe er den Fuß wieder hinaus setzte, unterließ er nicht, das äußere Gitter vorm Fenster nachzusehen und den Schlüssel zweimal im Schlosse umzudrehen. Halbert erkannte hieraus, daß man nicht gewillt sei, ihn ruhig seines Weges vom Schlosse weiter ziehen zu lassen. Er hielt es jedoch für klüger, diese Wahrnehmung, so beängstigender Natur sie für ihn war, für sich zu behalten. Doch schwächte die Empfindung, daß er selbst sich als Gefangenen dieses wilden Häuptlings anzusehen habe, seine Teilnahme am Schicksal seines Leidensgefährten in keiner Weise ab; vielmehr nahm er sich vor, der Unerschrockenheit desselben nachzueifern und sich weder durch Drohungen noch Leiden in die Dienste eines solchen Mannes zwingen zu lassen. Sein nächster Gedanke war, zu untersuchen, welche Aussicht sich ihm für Flucht böte. Er eilte an das Fenster und sah, daß die Kammer, in der man ihn untergebracht hatte, nicht im ersten Stockwerk der Burg und nicht so weit entfernt von dem Felsen, auf dem sie erbaut war, lag, daß ein behender, kühner Mann sich nicht auf ein Felsstück unmittelbar unter dem Fenster hätte schwingen können, von wo aus es nicht unmöglich sein konnte, in den See hinunter zu klettern oder zu springen, dessen helle, blaue Flut sich in dem stillen Lichte des Sommervollmondes vor seinen Augen dehnte. Wenn aber auch das Fenster groß genug war, um einem Menschen Durchgang zu gewähren, so schienen doch die Eisenstäbe des Gitters ein unbezwingliches Hindernis zu bieten. Als Glendinning jetzt zum Fenster hinausblickte, drangen von unten herauf Laute an sein Ohr, an denen er die Stimme des Predigers erkannte, der eben seine Andacht verrichtete. Der Plan, sich mit ihm in Beziehung zu setzen, reifte auf der Stelle in ihm, aber ebenso schnell sagte er sich, daß ihm kein andres Mittel dazu verfügbar sei, als die eigne Sprache, und so wagte er endlich, den Prediger laut beim Namen zu rufen. Er erhielt auch schnell die Antwort von unten herauf: »Bist Du es, mein Sohn?«

Warden hatte sich der kleinen Oeffnung genähert, die seinem Kerker, freilich in sehr geringem Maße, Licht und Luft zuführte und grade zwischen Mauer und Fels befindlich war, und zwar ziemlich unmittelbar unter Halberts Kammer, so daß es den beiden Kameraden möglich war, sich leise zusammen zu verständigen. Halbert flüsterte nun dem Prediger zu, daß er sich mit der Absicht zu entfliehen trage, und daß es ihm recht wohl möglich erscheine, diese Absicht auch auszuführen, sobald es ihm gelänge, das Gitter zu ...«

»Probiere es, mein Sohn,« fiel ihm Warden in die Rede, »ob es Deiner Stärke gelingen kann, es zu bezwingen.«

Halbert leistete diesen Worten Folge, jedoch mehr infolge der Verzweiflung, die ihn erfüllte, als von der Hoffnung getrieben, daß es ihm gelingen werde. Aber wie groß war sein Erstaunen, als der Gitterstab, an dem er seine Kraft zuerst versuchte, mitten durchbrach und die obere Hälfte, wahrscheinlich weil die Fugen gelockert waren, ihm entgegen rutschte.

»Beim Himmel!« flüsterte er dem Prediger zu, »der Gitterstab hat nachgegeben.«

»Sage dem Himmel Dank, mein Sohn,« versetzte Warden aus seinem Kerker, »statt bei ihm zu schwören.«

Halbert zwängte sich nun durch die auf so wunderbare Weise entstandne Oeffnung und ließ sich an dem ledernen Gurte seines Schwertes wie an einem Seile nieder auf das Felsstück; gleich darauf öffnete sich das Fensterloch in dem Verließe des Predigers. Dieses aber ließ sich nicht zu einem Durchschlupf erweitern, denn es war nicht viel breiter, als eine Schießscharte für Musketen zu sein brauchte, und hatte wahrscheinlich auch nur die Bestimmung einer solchen.

»Läßt sich Eure Rettung auf keine Weise bewerkstelligen?« fragte Halbert den Prediger.

»Ich wüßte nicht, wie sie sich bewerkstelligen ließe,« antwortete Warden, »indessen steht es in Deiner Macht, mich zu retten.«

»Ich werde es an ernstlichem Bemühen nicht fehlen lassen,« versetzte Halbert.

»Gib diesen Brief hier auf Deinem Wege nach Edinburg dem Anführer der Reiterschar, der Du begegnen wirst. Sie ist auf dem Ritte nach dem Süden begriffen, und Du kannst sie unmöglich fehlen. Benachrichtige den Anführer von der Lage, in der ich mich befinde, und es kann wohl geschehen, daß die Begegnung mit dem Herrn zu Deinem Glück ausschlägt.«

Als er Halbert den Brief durch die enge Oeffnung gereicht hatte, setzte er hinzu: »Und nun, mein Sohn, ziehe mit dem Segen Gottes weiter und vollende das Werk, das er mit seiner unendlichen Güte in die Wege geleitet hat.«

»Amen!« sprach Halbert und schritt ohne weiteres Säumen zur Ausführung seines Planes.

An dem Felsen hinunter zu klimmen bis zum Seespiegel, erschien ihm bei der herrschenden Finsternis zu gefahrvoll; er besann sich deshalb schnell eines andern und schlug die Hände über den Kopf, um mit einem kühnen Sprunge von dem Felsen in den See hinunter zu tauchen. Das Wasser schlug hoch über ihm zusammen, aber solcher Uebung gewohnt, tauchte er wie ein Wasserhuhn wieder empor und schwamm, wenngleich das Schwert ihn hinderte, mit kräftigen Stößen in nördlicher Richtung durch den See. Am Lande angelangt, warf er noch einen Blick nach der Burg zurück. Da ward er inne, daß dort Lärm entstand; er hörte, wie die Zugbrücke niedergelassen wurde, dann Pferdegetrappel über den Damm hinüber, dann sah er, wie die Fenster eins nach dem andern hell wurden. Aber vor einer Verfolgung in der Finsternis hatte er wenig Bange, er wand das Wasser aus den Kleidern, watete durch den Morast, der sich zwischen dem Seeufer und der Heide dehnte, und eilte, vom Polarstern geleitet, in nordöstlicher Richtung von dannen.


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