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Kaum graute der Morgen, so war Halbert auf den Beinen und fuhr geschwind in die Kleider. Dann gürtete er sein Schwert um und griff nach seiner Armbrust, ganz so, wie wenn er seinem gewöhnlichen Zeitvertreib nachgehen wollte. Er tappte die finstre Wendeltreppe hinab, schob behutsam von dem innern Tor die Riegel zurück und stand auf dem Hofe. Als er nun sich umsah und auch zum Turme hinauf blickte, bemerkte er, daß jemand mit einem Schnupftuch aus dem Fenster winkte. Er dachte im ersten Augenblick, sein Widersacher sei es, und blieb stehen, um auf ihn zu warten. Aber es war Mary Avenel, die wie ein Geist unter dem niedrigen, grob gezimmerten Torwege hervorschlich.
Halbert schreckte zusammen. Es war ihm ganz so zu Mute, wie einem, der sich auf einem verbotenen Wege ertappt findet. Noch nie zuvor war ihm die Gesellschaft des jungen Mädchens so peinlich gewesen wie in diesem Augenblicke. Und um so peinlicher wurde sie ihm, als in dem Tone, in welchem sie ihn anredete, sich Besorgnis mit Vorwürfen zu mischen schien. Sie fragte ihn ernst und eindringlich, was er zu beginnen gedächte. Halbert zeigte auf die Armbrust, und wollte eben eine Ausflucht machen, als Mary ihm ins Wort fiel.
»Laß doch das sein, Halbert!« sagte sie; »Deine Rede war immer bisher ja ja, nein nein, und strenge Wahrheit. Ausflüchte sind eines rechten Mannes unwürdig. Deine Gedanken sind heut nicht auf Wild gerichtet, das unsre Wälder belebt. Du suchst nach anderm Ziele ... Du willst einen Zweikampf ausfechten mit dem Fremden!«
»Und aus welchem Grunde sollte ich Händel suchen mit unserm Gaste?« fragte Halbert, während tiefe Glut in seine Wangen stieg.
»Du hast mehr denn einen Grund dazu, Halbert, aber noch mehr Gründe ließen sich für Dich finden, solchem Vorhaben nicht nachzugehen!« versetzte das Mädchen, »und jeder dieser letztern wöge für sich allein die sämtlichen andern auf. Und doch begibst Du Dich jetzt auf den Weg, solchen unseligen Zwist auszufechten?«
»Wie kannst Du bloß solche Dinge vermuten, Mary?« erwiderte Halbert, eifrig bemüht, sein geheimes Vorhaben zu verbergen, »der Ritter ist der Gast meiner Mutter, genießt den Schutz des Abtes und der gesamten Klosterbrüderschaft, er ist von hoher Geburt, und Du kannst trotz alledem meinen, ich wollte mir herausnehmen, ein hastiges Wort aus seinem Munde, das vielleicht mehr im Uebermut seines Witzes gefallen ist, als daß es die wirkliche Meinung seines Herzens gegen mich wäre, zu ahnden?«
»Halbert, Halbert!« rief das Mädchen, »diese letzte Frage macht mir, was ich ahnte, zur Gewißheit. Du warst von Kind auf verwegen. Du hast immer die Gefahr gesucht, statt ihr aus dem Wege zu gehen, hast Dich allezeit gefreut über alles, was waghalsig und gefahrvoll war! Du wirst auch, was Du jetzt vorhast, nicht aus Furcht aufgeben. Aber, Halbert, tu es aus Mitleid, aus Mitleid mit Deiner bejahrten Mutter, die Dein Tod des Trostes und der Stütze beraubt, und Dein Sieg nicht minder.«
»Meine Mutter,« erwiderte Halbert, sich abwendend, »hat ja doch noch meinen Bruder Edward!«
»Allerdings bleibt ihr noch der sanftmütige, edelgesinnte und besonnene Edward,« antwortete Mary, »der Deinen Mut besitzt, Halbert, doch ohne Dein Feuer, ohne Deinen Wagemut, der den gleichen hohen Sinn hat wie Du, aber ihn mit bessrer Vernunft zu regieren weiß. Er hätte seiner Mutter schon sein Ohr geliehen, er hätte seine Pflegeschwester nicht umsonst bitten lassen, wenn sie ihn beide gebeten hätten, sich nicht in solches Verderben zu stürzen, nicht all ihre Hoffnungen zu vernichten!«
Mit herber Unruhe im Herzen erwiderte Halbert auf diese Worte:
»Nun wohl, Mary! was ist der Sinn all dieser Reden? Ihr behaltet ja doch denjenigen von uns beiden, der in Euren Augen der Bessere ist, der Klügere, der Mutigere ... wenn Ihr beide diesen Beschützer behaltet, was braucht Ihr dann mich? was schert Ihr Euch dann noch um mich?«
Er wandte sich zum Gehen, aber Mary Avenel legte ihre weiche Hand so sanft auf seinen Arm, daß er den Druck kaum fühlte, wohl aber, wie schwer, wie unmöglich es ihm sei loszukommen. So stand er denn, mit einem Fuß bereit, den Hof zu verlassen, und doch so unschlüssig, daß er den Eindruck eines Menschen machte, der von einem Platz weg will, den aber ein Zauber an den Boden bannt, so daß er den Fuß nicht weiter zu setzen vermag.
Mary Avenel nahm seine Unschlüssigkeit wahr und drang weiter in ihn.
»Höre mir zu, Halbert,« sagte sie, »bloß ein paar Worte noch! Ich bin eine Waise, und selbst der Himmel erhört die Waisenkinder ... ich war die Genossin Deiner Kindheit, und wenn Du mir nicht solche Liebe erweisen willst, mich einen Augenblick anzuhören, wer anders soll mir dann solche geringfügige Gabe gewähren? wen anders soll ich darum angehen?«
»Ich höre Dir ja doch zu,« erwiderte Halbert, »aber, liebe Mary, fasse Dich kurz! Du bist im Irrtum darüber, was ich heut vorhabe. Es handelt sich um nichts weiter zwischen uns beiden Männern als um einen einfachen Frühspaziergang an dem schönen Sommermorgen.«
»Sprich nicht so zu mir,« erwiderte Mary, ihn unterbrechend, »nicht so zu mir! Andre kannst Du ja zu täuschen versuchen und täuschen, aber nicht mich! Seit meiner frühesten Jugend regt sich, wenn ich mich einer Falschheit gegenüber sehe, in meinem Herzen eine Stimme, die mich warnt, vor der aller Trug zerstiebt, vor der alle List zu nichte wird. Zu welchem Zweck mir das Schicksal solche Kraft verliehen hat, weiß ich freilich nicht; aber trotzdem ich in diesem weltfremden Tale in Unwissenheit erzogen worden bin, erkennen meine Augen doch gar häufig, was die Menschen sich bemühen zu verheimlichen. Auch unter der heitersten Stirn bleibt mir das düstre Vorhaben nicht verborgen, das der Mensch in seinem Herzen brütet, und ein einziger Blick meines Auges sagt mir mehr, als andern Menschen Eide und Versicherungen.«
»Ei, ei, liebe Mary,« erwiderte Halbert, »bist Du solche Herzenskünderin, dann sage mir, was liest Du wohl in meinem Herzen? Sag mir nur eins, daß, was Du hier in diesem Busen liest, Dich nicht kränkt. Bloß dieses eine sag mir, und Du sollst hinfort meines Herzens Lenkerin und meines Tuns und Lassens Seele sein, sollst mich, ganz nach Deinem Gefallen und Willen, leiten können zu Ehre oder Unehre.«
Bei diesen Worten des Jünglings schoß in Marys Wangen zuerst eine jähe Röte, die aber ebenso schnell einer Leichenblässe wich. Als er sich aber dann umdrehte in der Absicht, ihre Hand zu fassen, antwortete sie, indem sie sich sanft von ihm losmachte:
»In den Herzen, Halbert, kann ich nicht lesen; ich möchte auch in Deinem Herzen nichts lesen, als was sich für uns beide geziemt; bloß auf Zeichen, Worte und Handlungen von geringerer äußerer Bedeutung verstehe ich mich besser als meine Umgebung, wie ja auch meine Augen, wie Du weißt, Dinge gesehen haben, die andern niemals sichtbar geworden sind.«
»So richte sie denn auf jemand, den sie nimmer wieder sehen werden!« erwiderte Halbert, wandte sich von ihr und stürzte, ohne sich noch einmal umzusehen, zum Hofe hinaus.
Mary von Avenel stieß einen matten Schrei aus und preßte die Hände an die Stirn. Kaum eine Minute mochte sie so gestanden haben, als hinter ihr sich eine Stimme vernehmlich machte:
»Es ist sehr edelmütig von meiner gütigen Protektion, diese leuchtenden Augen vor jenen um so vieles gemeineren Strahlen zu verhüllen, die eben den östlichen Horizont mit ihrem Golde säumen wollen. Freilich könnte es wohl geschehen, daß Phöbus, außer stande, den stärkern Strahlenglanz zu ertragen, mit beschämtem Angesicht seinen Wagen umlenkte und lieber die Welt in Dunkelheit ließe, als die Schmach solcher Begegnung auf sich nähme. Glaubt mir, meine liebwerte Protektion ...«
Als nun aber Sir Piercie Shafton, denn der Leser wird an dieser blumenreichen Rede sicher den Sprecher erkannt haben, die Hand der jungen Dame ergreifen und seine Ansprache fortsetzen wollte, da machte sie eine flinke Wendung beiseite und eilte, mit einem Blicke, aus dem Schrecken und Bewegung zugleich sprachen, an ihm vorbei und in den Turm zurück.
Der Ritter blickte ihr nach mit einer Miene voll Verachtung und gleichzeitig auch Verdruß, und rief dann:
»Bei meiner Ritterschaft! ich habe an diese bäurische Phidele eine Rede weggeworfen, die von der erhabensten Schönheit an Felicias Hofe ... so möge man mir hinfort das Elysium zu nennen erlauben, aus dem ich verwiesen worden ... als Cupidos Frühmesse bezeichnet worden wäre. Ja, mein Piercie Shafton, das Schicksal hat sich recht herbe gegen Dich erwiesen, indem es Dich hierher bannte in diesen einsamen Winkel, wo Du Deinen herrlichen Witz vergeuden mußt an Bauerndirnen und Dich messen mußt mit vierschrötigen Gesellen. Aber für solchen Schimpf, und wär er mir zugefügt worden von dem gemeinsten Plebejer, gibt es keine andre Remedur als den Tod. Von meiner Hand soll er sterben, der Wicht, die Maßlosigkeit der Beleidigung gleicht den Unterschied im Stande hier vollständig aus. Zudem glaube ich, daß sich der Flegel und Prahlhans zu Hieben wohl ganz ebenso bequemen wird, wie zu Spott und Hohn.«
Unter solchem Selbstgespräch eilte der Ritter nach dem kleinen Birkengebüsch, das zwischen den beiden Widersachern als Stätte des Rendezvous gewählt worden war. Als er dort hinkam, fand er den Gegner schon anwesend. Er grüßte ihn höflich und begleitete den Gruß mit den Worten:
»Ich ersuche Euch, mein junger Herr, nicht unbeachtet zu lassen, daß ich vor Euch den Hut ziehe, trotzdem Ihr mir an Rang so tief nachsteht. Indessen hat die Ehre, die ich Euch dadurch erwiesen habe, daß ich Eure Herausforderung annahm, uns nach dem besten Urteil aller Kämpen gewissermaßen, wenigstens für die Zeit unsres Zwistes, auf gleiche Stufe miteinander gestellt. Diese Ehre muß Euch, meine ich, höchst wohlfeil dünken, selbst wenn sie Euch das Leben kosten sollte, was im bevorstehenden Kampf allerdings hohe Wahrscheinlichkeit für sich haben dürfte.«
»Diese Gnade von Eurer Ehren,« versetzte Halbert, »habe ich wohl lediglich dem geringfügigen Dinge aus Silber zu verdanken, das ich Euch zeigte?«
Im Nu verfärbte sich der Ritter und knirschte vor Wut mit den Zähnen.
»Heraus mit der Klinge!« schrie er grimmig. »Nicht hier, Herr Ritter,« versetzte Halbert, »denn hier könnten wir gestört werden. Seid so freundlich, mir an einen Ort zu folgen, wo wir mit Ruhe und Sicherheit vor jeder Störung unsern Zweikampf zu Ende führen können.«
Er schritt das Tal hinauf, in der Absicht, die unter dem Namen Corrinan-Shian bekannte Schlucht aufzusuchen, weil sie als Aufenthalt von Gespenstern und Geistern verschrieen war und zufolgedessen von den Leuten der Umgegend gemieden wurde. Aber als er am Eingange der Schlucht angelangt war, legte ihm die geringe Breite des ebnen Bodens den Gedanken nahe, daß es unklug von ihm wäre, einen Platz zu wählen, der ihm nicht Raum genug böte, seine Gewandtheit zu voller Entfaltung zu bringen, da er doch lediglich dadurch die ihm mangelnde Kenntnis der Fechtkunst einigermaßen ausgleichen könnte. Einen solchen Platz fand er nun aber nicht früher, als bei der wohlbekannten Quelle, an deren Rande sich, gegenüber von dem gewaltigen Felsblock, aus dessen Schoße sie entsprang, eine weite Rasenfläche ausdehnte, die Raum genug bot für das Vorhaben, das sie hierher geführt hatte.
Die finstre, einsame Lage dieser Oertlichkeit machte sie zum Schauplatz eines Kampfes auf Leben und Tod in ganz besonderm Maße geeignet. Aber eine höchst seltsame Ueberraschung wurde ihnen hier zu teil, denn dicht am Fuße des Felsens war mit äußerster Sorgfalt und Akkuratesse ein Grab geschaufelt worden. Der grüne Rasen lag auf der einen, die Erde auf der andern Seite aufgeschüttet, und am Rande lagen Hacke und Schaufel.
Sir Piercie Shafton heftete auf Halbert Glendinning einen Blick des tiefsten Ernstes und fragte in strengem Tone: »Soll das Verrat bedeuten, Jüngling? Habt Ihr etwa vor, mich hier wie in einer Imboscata, einem Hinterhalte, zu überfallen?«
»Nicht ich, Herr Ritter, beim Himmel! nicht ich!« rief entrüstet der junge Glendinning. »Ich habe keinem Menschen von unserm Vorhaben etwas erzählt und möchte auch um den Thron von Schottland nicht gegen einen Feind mich solches Vorteils bedienen.«
»Ich glaube so etwas auch nicht von Dir, mein Sohn,« erwiderte der Ritter, »aber das Grab ist mit solcher Akkuratesse ausgehoben, daß es dreist als Meisterstück des letzten Bettmachers der Natur, ich meine des Totengräbers, gelten könnte. Aber danken wir hierfür dem Zufall oder einem unbekannten Freunde, der es sich nicht hat nehmen lassen mögen, für einen von uns ein schickliches Begräbnis vorzubereiten, und lassen wir uns dadurch nicht abhalten, die Entscheidung darüber zu suchen, wem von uns beiden das Glück beschert sein wird, sich an diesem einsamen Plätzchen einem ungestörten Schlummer überlassen zu dürfen.«
Mit diesen Worten legte er Wams und Mantel ab, legte sie mit äußerster Sorgfalt zusammen und auf einen Felsblock. Nicht ohne Unruhe folgte Halbert Glendinning seinem Beispiel, denn da er die Behausung der weißen Frau hier in der Nähe wußte, kam er wider Willen auf mancherlei Vermutung in betreff des hier aufgeworfnen Grabes.
»Von ihr muß es herrühren,« dachte er bei sich, »und von niemand sonst! der Geist sieht den verhängnisvollen Ausgang voraus. ... Ich kann den Platz bloß verlassen als Mörder, oder muß in dies Grab hier steigen.«
»Da wir,« nahm nun Sir Piercie das Wort, »ohne Sekundanten unsern Zweikampf ausfechten, so möchte es wohl gut sein, Ihr befühltet meine und ich Eure Körperseite, wenn ich auch keineswegs meine, als könntet Ihr einen verborgnen Panzer auf dem Leibe tragen, sondern einzig und allein einem alten, löblichen, bei solcherlei Fällen vorgeschriebnen Brauche zu Ehren.«
Halbert Glendinning schickte sich in diese Grille seines Widersachers, und Sir Piercie verfehlte unterdes nicht, die Aufmerksamkeit des Jünglings auf das feine, kunstvoll gestickte Hemd zu lenken, das er auf dem Leibe trug.
»In diesem Hemde,« erzählte er, »in welchem ich jetzt mit einem Bauern aus Schottland, denn was anders bist Du nun doch einmal nicht, zu kämpfen mich anschicke, war mir das beneidenswerte Los vergönnt, in jenem herrlichen Ballspiel, das zwischen dem göttlichen Asphodel, unserm unvergleichlichen Sidney, und dem höchst ehrenwerten und liebreichen Lord von Oxford stattfand, die von Sieg gekrönte Partei zu führen. Alle Huldinnen unsrer Felicia, unter welchem Namen ich mein geliebtes England meine, befanden sich auf der Galerie, und bei jeder Wendung, die das Spiel nahm, schwenkten sie mit den Tüchern und spornten die Kämpfer durch ihren Beifall. Auf das Ballspiel folgte ein unvergleichliches Bankett, wobei es der herrlichen Urania – der Gräfin von Pembroke – gefiel, mich durch Ueberreichung ihres eignen Fächers zu beglücken, damit ich mir das lebhaft gerötete Antlitz ein wenig kühle. Ich aber legte, um diese Artigkeit zu erwidern, mein Angesicht in trübe Falten und spracht: O, göttliche Urania! nehmet doch Eure huldvolle Gabe wieder an Euch, denn mir bringt dieser Fächer keine Kühlung, sondern übergießt mich gleich dem Hauch eines glühenden Sirokko mit Feuerbrand ... worauf sie mich mit höhnischen Blicken maß, ohne jedoch einen gewissen Grad von Wohlwollen dabei zu verbergen, der jedem Höfling von einiger Erfahrung ohne weiteres offenbar geworden wäre ...«
Hier aber fiel Halbert dem Ritter ins Wort, denn es kam ihm so vor, als ob Sir Piercie die größte Lust hätte, statt zu einem Schluß mit diesen Erinnerungen zu kommen, sich vielmehr aus dem Hundertsten ins Tausendste zu begeben.
»Ich meine, Herr Ritter, daß solche Erzählung für das, was wir hier vorhaben, nicht unbedingt von nöten ist, und so wäre es wohl auch geraten, sich nicht länger damit aufzuhalten. Wenn Ihr so gern die Zeit mit Reden verbringt, hättet Ihr meiner Meinung nach klüger gehandelt, in England zu bleiben, denn in Schottland zieht man Streiche den Worten vor.«
Die Schwerter fuhren aus der Scheide, und der Kampf nahm seinen Anfang. Halbert sah bald ein, daß seine Befürchtung begründet gewesen und daß er seinem Gegner in der Führung der Waffe bedeutend unterlegen war. Sir Piercie Shafton hatte wahrlich nicht geprahlt, als er sich einen hervorragenden Fechter nannte, und Halbert erschien es von Minute zu Minute zweifelhafter, ob es ihm gelingen werde, gegen einen solchen Meister im Fechten aufzukommen. Sir Piercie war mit allen Schlichen in der Führung von Schwert und Degen wohlvertraut und war auch im Besitze einer sehr beträchtlichen Körperkraft. Halbert hielt sich demzufolge zunächst in der Defensive, um seinem Gegner die Schliche und Schwächen abzugewinnen, und die unausbleibliche Folge hiervon war, daß auch der Ritter, nach ein Paar kräftigen Angriffen, die Halbert abgewiesen oder auf geschickte Weise vermieden hatte, sich auf die Defensive beschränkte, aus Furcht, bei stetigem Angriff sich zu leicht Blößen geben zu können. Halbert seinerseits war vorsichtig genug, einen Gegner nicht zu drängen, dessen Gewandtheit ihn mehr denn einmal in den Sand gestreckt hätte, wäre er nicht so außerordentlich auf seiner Hut gewesen. Nach ein paar weitern Gängen trat eine Pause ein, und beide Kämpfer senkten, wie wenn sie es verabredet hätten, gleichzeitig die Spitzen ihrer Schwerter, um einander, ohne daß einer ein Wort gesprochen hätte, mit den Blicken zu messen. Endlich nahm Halbert, der wegen seiner Angehörigen wohl allmählich von stärkerer Unruhe befallen werden mochte, nachdem er Gelegenheit gehabt hatte, die Stärke und Gewandtheit seines Gegners zu erproben, das Wort zu der Frage:
»Ist denn, Herr Ritter, der Gegenstand unsers Zwistes wirklich so ernster Natur, daß einer von unsern Leibern dieses Grab unbedingt füllen muß? sollten wir nicht besser tun, als Freunde heimzukehren, nachdem wir die Stärke unsrer Waffen beiderseits gemessen haben?«
»Mein tapfrer Junker,« antwortete Sir Piercie, »keinem Erdensohne hättet Ihr solche Ehrenfrage schicklicher vorlegen können, der die gleiche Fähigkeit besessen hätte wie ich, sie zu beantworten. Laßt uns um einen Stoß pausieren, damit ich Euch sagen kann, wie meine Meinung über den Streit ist, in welchem wir beide liegen. Denn soviel ist gewiß, daß sich tapfre Männer nicht in den Tod stürzen wie wilde Bestien, sondern einander mit Raisen, unter Wahrung von Anstand und Schicklichkeit, umbringen sollen. Treten wir also mit Kälte und Ruhe an diese Untersuchung unsers Zwistes heran, so wird sich leichter ermessen lassen, ob einer von uns, und welcher, durch die drei Schwestern verurteilt worden ist, den Zwist mit seinem Blute zu büßen. Verstehst Du den Sinn meiner Rede?«
»Ich habe den Pater Eustachius von den drei Furien sprechen hören,« antwortete Halbert nach kurzem Besinnen, »die mit Faden und Schere arbeiten.«
»Genug, genug!« fiel ihm Sir Piercie grimmig ins Wort, »Dein Lebensfaden ist gesponnen.«
Mit diesen Worten warf er sich mit äußerstem Ungestüm auf den Jüngling, dem kaum Zeit genug blieb, sich in Verteidigungsstand zu setzen. Aber wie so häufig bemerkt wird und bemerkt worden ist, infolge der unbesonnenen Wut des angreifenden Teiles kam der angegriffene in unvermuteten Vorteil, denn gerade als der Ritter einen verzweifelten Stoß führte, beugte Halbert sich vor und versetzte, ehe der Ritter sich seiner Waffe wieder bedienen konnte, ihm eine, um in seiner Blumensprache zu reden, Stoccata par excellence, die ihm mitten durch den Leib fuhr, so daß er wie eine Planke zu Boden schlug.