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Zehntes Kapitel.

Eintretend fanden sie den Herrn des Hauses
Mit seiner Arbeit emsiglich beschäftigt.
Doch wißt, ein Elfe war der arme Wicht,
Mit hohlem Aug' und eingefall'ner Wange,
Als hätt' er im Gefängniß lang' gelegen.

Die Feenkönigin.

»Haben wir noch weit bis zur Wohnung dieses Hufschmieds, mein hübscher Bursche?« fragte Tressilian seinen jungen Führer.

»Wie nennt Ihr mich?« fragte der Knabe, indem er ihn mit seinen scharfen grauen Augen anblinzelte.

»Ich nenne Dich einen hübschen Burschen – liegt etwas Beleidigendes für Dich darin?«

»Nein – aber wenn Ihr bei meiner Großmutter und dem Magister Holiday wäret, so könntet Ihr mit ihnen im Chor das alte Lied anstimmen:

Ei, ei, ei,
Narren sind wir alle Drei.«

»Und warum das, mein kleiner Mann?« fragte Tressilian.

»Weil Ihr die einzigen Menschen seid, die mich je einen hübschen Burschen genannt haben,« antwortete der häßliche Zwerg. »Meine Großmutter thut es, weil sie halb blind vor Alter und stockblind vor Zärtlichkeit ist – und mein Lehrer, der arme Magister, thut es, um sich bei ihr in Gunst zu setzen, die größte Schüssel Weizenbrei zu erhalten und den wärmsten Sitz am Feuer. Doch warum Ihr mich einen hübschen Burschen nennt, müßt Ihr selber am Besten wissen.«

»Du bist wenigstens ein listiger Schalk, wenn Du auch kein hübscher Bursche bist. Aber wie nennen Dich Deine Spielkameraden?«

»Den Kobold,« antwortete der Knabe sogleich; »aber bei alledem will ich doch lieber mein häßliches Gesicht behalten, als einen von ihren Eselsköpfen haben, worin nicht mehr Gehirn ist, als in einem Ziegelstein.«

»So fürchtest Du also diesen Schmied nicht, zu dem wir gehen?«

»Ihn fürchten?« antwortete der Knabe; »und wäre er der Teufel, für den ihn die Leute halten, so würde ich ihn doch nicht fürchten. Und wenn es gleich nicht ganz richtig bei ihm ist, so ist er doch nicht mehr Teufel als Ihr selber, und das würde ich nicht Jedermann sagen.«

»Und warum sagst Du es denn mir, mein Junge?« fragte Tressilian.

»Weil Ihr ein anderer Mann seid, als die Leute, die man hier täglich sieht,« versetzte Dickie, »und obgleich ich so häßlich bin wie die Sünde, so möchte ich doch nicht, daß Ihr mich für einen Esel hieltet, besonders da ich vielleicht einst eine Gefälligkeit von Euch erbitten werde.«

»Und worin besteht die, Bursche, da ich Dich keinen hübschen Burschen nennen soll?« versetzte Tressilian.

»Ja, wenn ich sie jetzt aussprechen wollte,« sagte der Knabe, »so würdet Ihr sie mir verweigern; darum will ich warten, bis wir uns bei Hofe wiedersehen.«

»Bei Hofe, Richard! Bist Du für den Hof bestimmt?« fragte Tressilian.

»Ja, ja, Ihr seid auch wie die Uebrigen,« versetzte der Knabe. »Gelt, Ihr denkt, was sollte ein so häßlicher, widerwärtiger Zwerg bei Hofe? Aber laßt Richard Sludge nur machen; nicht umsonst bin ich hier Hahn im Korbe gewesen. Scharfer Witz kann schon ein häßliches Gesicht zu Gnade bringen.«

»Aber was wird Deine Großmutter sagen und Dein Lehrer, der Magister Holiday?«

»Was sie wollen,« versetzte Dickie; »die Eine hat ihre Küchlein zu überzählen und der Andere seine Jungen zu peitschen. Ich würde ihm schon längst ein Licht zu halten gegeben und dem ärmlichen Dörfchen den Rücken gewendet haben, hätte mir nicht der Magister versprochen, daß ich ihn begleiten und an dem Schauspiel Theil nehmen soll, welches er bei den bevorstehenden Festlichkeiten veranstalten wird.«

»Und wo sollen diese Festlichkeiten gehalten werden, mein kleiner Freund?« fragte Tressilian.

»O, in einem Schlosse, weit nach Norden zu,« antwortete sein Führer, – »eine Erdlänge von Berkshire. Unser alter Magister glaubt, es könne nicht ohne ihn abgehen, und er mag wohl Recht haben, denn er hat schon manches schöne Schauspiel angeordnet. Er ist nicht halb so närrisch, wie Ihr glauben mögt, wenn es sich um Etwas handelt, was er versteht. Er kann Verse herleiern, trotz dem besten Komödianten; doch wenn er ein Gänseei aus dem Neste nehmen sollte, so würde er sich, weiß Gott! von dem Gänserich in die Flucht schlagen lassen.«

»Und Du spielst auch eine Rolle in dem bevorstehenden Schauspiel?« fragte Tressilian, den die kühne Unterhaltung und scharfe Beobachtungsgabe des Knaben einigermaßen interessirte.

»Gewiß,« sagte Richard Sludge, »er hat es mir versprochen, und wenn er sein Wort nicht hält, so würde es schlimm um ihn aussehen; denn wenn ich das Gebiß zwischen die Zähne nehme, und meinen Kopf zwischen die Füße, so soll er einen Fall thun, daß ihm die Knochen krachen. – Und doch möchte ich ihm auch nichts zu Leide thun,« fuhr er fort, »denn der langweilige alte Narr ist sehr bemüht gewesen, mich mit dem ganzen Schatze seiner Gelehrsamkeit auszustatten. – Aber genug davon – hier sind wir an der Thüre von Waylands Schmiede.«

»Du scherzest, mein kleiner Freund,« sagte Tressilian; »ich sehe ja hier nichts als ein ödes Moor und einen Kreis von Feldsteinen mit einem größeren in der Mitte, der einem Grabhügel in Cornwall gleicht.«

»Ja, jener große platte Stein in der Mitte, der quer über dem aufrechtstehenden liegt,« sagte der Knabe, »ist Schmied Waylands Zahltisch, worauf Ihr Euer Geld niederlegen müßt.«

»Was meinst Du mit dieser Tollheit?« fragte der Reisende, der über den Knaben unwillig zu werden begann, und sich ärgerte, diesem tollen Führer so weit gefolgt zu sein.

»Euer Pferd müßt Ihr an den aufgerichteten Stein binden, worin sich der Ring befindet,« sagte Dickie grinsend; »dann müßt Ihr dreimal pfeifen, Euer Silberstück auf den andern platten Stein niederlegen, aus dem Kreise treten und Euch an der westlichen Seite jenes kleinen Gebüsches niedersetzen. Nehmt Euch aber in Acht, daß Ihr in zehn Minuten, oder so lange Ihr den Schmied hämmern hört, weder zur Rechten noch zur Linken blickt. Und wenn das Hämmern aufhört, betet so lange wie man Hundert zählen kann – oder zählt nur Hundert schlechtweg, es wird dieselben Dienste thun – dann tretet in den Kreis, Euer Geld wird fort und Euer Pferd beschlagen sein.«

»Ich zweifle nicht, daß mein Geld fort sein wird,« sagte Tressilian; »aber höre übrigens, Bursche! ich bin nicht Dein Schulmeister, doch wenn Du mir einen Possen spielen willst, so werde ich ihm einen Theil seiner Arbeit abnehmen und Dich nachdrücklich bestrafen.«

»Ja, wenn Ihr mich erhaschen könnt!« sagte der Knabe und eilte mit einer Schnelligkeit über das Feld, die Tressilian's Bemühen, ihn einzuholen, vereitelte, da er mit schweren Reiterstiefeln beladen war. Am meisten ärgerte sich Tressilian darüber, daß er nicht so schnell lief, als ob er in Gefahr sei, oder sich fürchte, sondern immer nur so schnell, um Tressilian zur Fortsetzung seiner Verfolgung zu ermuthigen, aber mit Windesschnelle davoneilte, wenn sein Verfolger ihn erreicht zu haben glaubte, indem er sich so drehte und wendete, daß er stets in der Nähe des Ortes blieb, von wo er ausgelaufen war.

Dies währte so lange, bis Tressilian aus Ermüdung still stand und im Begriff war, mit einem heftigen Fluche die Verfolgung des widerwärtigen Zwerges aufzugeben, der ihn zu einer so lächerlichen Anstrengung verleitet hatte. Doch der Knabe hatte sich auf eine kleine Erhöhung dicht vor ihm hingestellt, klatschte in seine dürren Hände, zeigte mit seinen hagern Fingern auf ihn und verzog sein häßliches Gesicht zu einem so seltsamen Ausdruck höhnischen Lachens, daß Tressilian fast geglaubt hätte, er habe es mit einem wirklichen Kobold zu thun.

Auf's Aeußerste erzürnt und zu gleicher Zeit einen unwiderstehlichen Antrieb zum Lachen empfindend, bei den seltsamen Bewegungen und Grimassen des Knaben, kehrte er zu seinem Pferde zurück und bestieg es mit dem Vorsatze Dickie auf diese Weise schneller zu verfolgen.

Sobald der Knabe sah, daß er sein Pferd bestieg, rief er ihm zu, lieber als daß er seinem Weißfuchs Schaden thue, wolle er zu ihm kommen, wenn er ihm verspreche, ihn frei ausgehen zu lassen.

»Ich mache keine Bedingungen mit Dir, Du Schurke!« sagte Tressilian; »ich werde Dich im Augenblick in meiner Macht haben.«

»Aha, Herr Reisender!« sagte der Knabe, »es ist hier ein Sumpf in der Nähe, der alle Pferde der königlichen Garde verschlingen würde. Ich eile dorthin und will sehen, ob Ihr mir folgen werdet. – Ihr sollt eher die Rohrtrommel rufen und die wilde Ente schreien hören, ehe Ihr mich wider meinen Willen erhaschet, dafür stehe ich Euch.«

Tressilian sah sich um und überzeugte sich nach dem Ansehen des Bodens hinter dem Hügel, daß der Knabe Recht habe, und beschloß darauf, mit einem so leichtfüßigen und gewitzigten Feinde Frieden zu schließen. – »Komm herunter, Du boshafter Bube!« sagte er. »Laß Deine Grimassen und komme hieher; ich will Dir nichts zu Leide thun, so wahr ich ein Edelmann bin.«

Der Knabe folgte seiner Einladung mit der größten Zuversicht, tanzte von dem Hügel herunter und heftete seine Blicke auf Tressilian, welcher wieder abgestiegen war und mit dem Zügel seines Pferdes in der Hand, athemlos und halb erschöpft von der fruchtlosen Anstrengung dastand, während sich kein Schweißtropfen auf der gesprenkelten Stirn des Zwerges zeigte, die wie ein Stück trockenes und farbloses Pergament, über einen fleischlosen Schädel gespannt, aussah.

»Sage mir, Du boshafter Zwerg, warum Du mich so behandelst?« rief Tressilian; »oder warum Du mir ein so thörichtes Märchen aufbinden wolltest? Wenn Du mir diese Schmiede im Ernste zeigen willst, so gebe ich Dir so viel, daß Du Dir den ganzen Winter hindurch Aepfel dafür kaufen kannst.«

»Und wolltet Ihr mir einen ganzen Obstgarten voll Aepfel geben,« sagte Dickie Sludge, »so hätte ich Euch nicht besser führen können, als ich gethan habe. Legt das Silberstück auf den platten Stein, pfeift dreimal und setzt Euch dann an der westlichen Seite jenes Gebüsches nieder. Ich will neben Euch sitzen und es soll Euch erlaubt sein, mir den Hals umzudrehen, wenn Ihr zehn Minuten später, nachdem wir uns niedergesetzt haben, den Schmied nicht arbeiten hört.«

»Ich würde in Versuchung gerathen, Dich beim Wort zu nehmen,« sagte Tressilian, »wenn Du mich auch nur zu etwas halb so Lächerlichem bewogen hättest, um Deinen boshaften Spott mit mir zu treiben. Doch ich will den Versuch machen. – Hier binde ich also mein Pferd an diesen aufgerichteten Stein – hier muß ich mein Silberstück niederlegen und dreimal pfeifen, sagtest Du nicht so?«

»Ja, aber Ihr müßt lauter pfeifen, als eine unbefiederte Amsel,« sagte der Knabe, als Tressilian das Geldstück niedergelegt hatte und halb beschämt über die Thorheit, die er beging, nicht allzulaut pfiff – »Ihr müßt lauter pfeifen, denn wer weiß, wo der Schmied ist, den Ihr ruft! – Meinetwegen mag er jetzt vielleicht in den Ställen des Königs von Frankreich arbeiten.«

»Du sagtest mir ja aber soeben, er sei kein Teufel,« versetzte Tressilian.

»Mensch oder Teufel,« sagte Dickie, »ich sehe schon, daß ich ihn für Euch rufen muß;« und nach diesen Worten pfiff er so laut und durchdringend, daß Tressilian die Ohren gellten. – »Das nenne ich pfeifen,« sagte er, nachdem er das Signal dreimal wiederholt hatte, »und nun in's Gebüsch, oder Weißfuß wird heute nicht beschlagen.«

Tressilian dachte über die Bedeutung dieser Possen nach, hielt sich aber wegen der Zuversicht, womit der Knabe sich in seine Macht gegeben hatte, überzeugt, daß derselben etwas Ernstes zum Grunde liege. Dann ließ er sich an die Seite des kleinen Gebüsches führen, welche von dem Kreise am weitesten entfernt war, und setzte sich dort nieder. Da es ihm aber dennoch einfiel, es könne eine List sein, um ihm sein Pferd zu stehlen, so hielt er den Knaben fortwährend am Kragen fest, und war entschlossen, ihn als Geisel für die Sicherheit desselben zurückzubehalten.

»Nun hört!« sagte Dickie mit leisem Geflüster; »Ihr werdet bald den Schlag des Hammers hören, der nicht aus irdischem Eisen geschmiedet wurde, denn der Stein, woraus er gemacht ist, fiel vom Monde.«

Und in der That hörte Tressilian den leisen Schlag eines Hammers, als wenn ein Hufschmied bei der Arbeit ist. Dieser Ton in einer so einsamen Gegend machte, daß er unwillkürlich schauderte; doch als er den Knaben anblickte und an dem boshaften Ausdruck seines Gesichtes bemerkte, daß der Zwerg seine geringe Furcht beachte und sich darüber freue, hielt er sich überzeugt, daß es eine verabredete List sei und wollte erfahren, von wem und zu welchem Zwecke diese Posse gespielt werde.

Er hielt sich daher die ganze Zeit über ruhig, wo er den Schlag des Hammers hörte, was nicht länger währte, als gewöhnlich zum Beschlagen eines Pferdes erforderlich ist. In dem Augenblick, wo das Hämmern aufhörte, sprang Tressilian auf, anstatt die von seinem Führer geforderte Zeit zu warten und eilte mit dem Schwerte in der Hand um das Gebüsch herum, wo er einem Manne begegnete, der wie ein Hufschmied eine lederne Schürze trug, sonst aber in eine Bärenhaut gehüllt war, mit der rauhen Seite nach Außen, und eine Mütze von demselben Felle, welche seine rusigen Gesichtszüge fast ganz verbarg.

»Zurück!« rief der Knabe Tressilian zu, »oder Ihr werdet in Stücke zerrissen – noch hat ihn kein Lebender geschaut.« – In der That erhob der unsichtbare, jetzt sichtbar gewordene Schmied seinen Hammer und schien sich zum Angriff vorzubereiten.

Doch als der Knabe bemerkte, daß weder seine Bitten noch die Drohungen des Hufschmieds Tressilian von seinem Vorhaben abzubringen schienen, sondern daß er mit bloßem Schwerte dem Hammer entgegenging, da rief er dem Schmied zu: »Wayland, berühre ihn nicht, oder es wird Dir schlecht ergehen! Der Herr ist ein wahrer und muthiger Edelmann.«

»So hast Du mich also verrathen, Flibbertigibbet?« sagte der Schmied, »das soll Dir theuer zu stehen kommen.«

»Wer Du auch sein magst,« sagte Tressilian, »von mir hast Du nichts zu fürchten, darum sage mir, was diese Umschweife bedeuten, und warum Du Dein Handwerk auf so geheimnißvolle Weise ausübst?«

Der Schmied aber wendete sich zu Tressilian und rief in drohendem Tone: »Wer fragt den Besitzer der krystallenen Burg des Lichtes, den Herrn des grünen Löwen, den Reiter des rothen Drachen? – Fort mit Euch, ehe ich Talpack mit der feurigen Lanze aufrufe, zu zerschmettern, zu tödten und zu vernichten!« Diese Worte sprach er mit heftigen Geberden und Grimassen, indem er seinen Hammer schwang.

»Still, still, du gemeiner Gaukler mit Deinen Zigeunerpossen!« versetzte Tressilian verächtlich, »und folge mir zu der nächsten Obrigkeit, oder ich zerschlage Dir die Hirnschale.«

»Still, ich bitte Dich, guter Wayland!« sagte der Knabe; »glaube mir, Deine hochtrabenden Reden helfen Dir nicht bei ihm, Du mußt gute Worte geben.«

»Ich glaube, würdiger Herr,« sagte der Schmied, indem er seinen Hammer sinken ließ, und einen mildern und unterwürfigern Ton annahm, »daß, wenn ein armer Mann sein Tagewerk thut, es ihm erlaubt sein mag, dasselbe auf seine eigene Weise zu vollbringen. Euer Pferd ist beschlagen und Euer Hufschmied bezahlt – was habt Ihr noch weiter zu thun, als Euch in den Sattel zu schwingen und Eure Reise fortzusetzen?«

»Nein, Freund, da irrt Ihr,« erwiderte Tressilian; »Jedermann hat das Recht, einem Betrüger und Gaukler die Maske vom Gesicht zu nehmen, und Eure Lebensweise bringt mich zu dem Verdacht, daß Ihr Beides seid.«

»Wenn Ihr dazu entschlossen seid, mein Herr,« sagte der Schmied, »so kann ich mir nicht anders als mit Gewalt helfen, die ich ungern gegen Euch anwende, Herr Tressilian, – nicht daß ich Eure Waffe fürchte, sondern weil Ihr ein würdiger, gütiger und hochbegabter Edelmann seid, der lieber einem armen Manne, der sich in Noth befindet, helfen, als ihm Etwas zu Leide thun würde.«

»Wohl gesprochen, Wayland,« sagte der Knabe, welcher der Unterredung mit großer Aufmerksamkeit zugehört hatte. »Aber laß uns in Deine Höhle gehen, denn es könnte Deiner Gesundheit schaden, hier in der freien Luft zu stehen.«

»Du hast Recht, Hobgoblin,« versetzte der Schmied und ging auf das kleine Gebüsch zu, wo er eine mit Buschwerk bedeckte Fallthür öffnete, in die Erde hinabstieg und sich ihren Blicken entzog. Ungeachtet seiner Neugierde trug Tressilian einiges Bedenken, dem Manne in die Höhle zu folgen, welches eine Räuberhöhle sein konnte, besonders da er die Stimme des Schmieds aus der Erde hervortönen hörte: »Flibbertigibbet, komm Du zuletzt und verschließe die Fallthür wohl!«

»Habt Ihr jetzt genug von Schmied Wayland gesehen?« flüsterte der Zwerg Tressilian mit schalkhaftem Lächeln zu, als ob er die Unentschlossenheit seines Gefährten bemerkte.

»Noch nicht,« sagte Tressilian mit festem Tone und indem er seine augenblickliche Unentschlossenheit überwand, stieg er die schmale Treppe hinunter, zu welcher der Eingang führte.

Dickie Sludge folgte ihm, machte die Fallthüre hinter sich zu und schloß so jeden Schimmer des Tageslichtes aus. Die Oeffnung war indeß nicht tief und führte zu einem ebenen Gange, der nur wenige Schritte lang war und an dessen Ende sich der Widerschein eines dunkelrothen Lichtes zeigte. Als Tressilian mit seinem bloßen Schwerte in der Hand bis zu diesem Punkte gekommen war, führte ihn Hobgoblin, der dicht hinter ihm folgte, nach einer Wendung zur Linken in ein kleines, viereckiges Gewölbe, welches eine Schmiede enthielt, die von Steinkohlen glühte, deren Dampf den kleinen Raum mit einem fast erstickenden Dunste erfüllte; auch hätte man wirklich ersticken müssen, hätte nicht das Gewölbe durch ein verborgenes Luftloch mit der äußeren Luft in Verbindung gestanden. Das Licht, welches die glühenden Kohlen, sowie eine an einer eisernen Kette hängende Lampe in dem Raume verbreiteten, zeigte außer dem Ambos, dem Blasebalg, den Zangen und Hämmern eine Menge fertiger Hufeisen; nebst andern Schmiedewerkzeugen noch Kohlentöpfe, Destillirkolben, Retorten, Schmelztiegel und andern alchymistischen Apparat. Die seltsame Gestalt des Schmieds und die widerlichen, aber phantastischen Gesichtszüge des Knaben stimmten, von dem düstern und ungewissen Lichte des Kohlenfeuers und der erlöschenden Lampe beleuchtet, vollkommen mit all diesen mystischen Vorkehrungen zusammen, und würden in jenem Zeitalter des Aberglaubens selbst auf den muthvollsten Mann einen schauerlichen Eindruck gemacht haben.

Doch die Natur hatte Tressilian mit festen Nerven begabt und seine ursprünglich gute Erziehung war durch spätere Studien zu sorgfältig verbessert worden, als daß er einem abergläubischen Schrecken hätte Raum geben sollen, und nachdem er sich umgesehen hatte, fragte er den Handwerker nochmals, wer er sei und wie er seinen Namen erfahren habe?

»Ihr werdet Euch wohl erinnern,« sagte der Schmied, »daß vor etwa drei Jahren am Luciatage ein herumziehender Gaukler auf ein gewisses Schloß in Devonshire kam und seine Geschicklichkeit vor einem würdigen Ritter und einer schönen Gesellschaft zeigte. So dunkel dieser Ort ist, so sehe ich es doch an Ew. Gnaden Gesicht, daß mein Gedächtniß mich nicht getäuscht hat.«

»Du hast genug gesagt,« entgegnete Tressilian, indem er sich wegwandte, als wolle er dem Andern die schmerzlichen Erinnerungen verbergen, welche diese Unterhaltung ohne sein Wissen erregt hatte.

»Der Gaukler spielte seine Rolle so gut,« sagte der Schmied, »daß die Landleute und thörichten Edelleute in der Gesellschaft seine Kunst für nichts weniger als Zauberei hielten; doch unter den Funfzehn, oder wie viel es sein mochten, war ein Mädchen von dem schönsten Gesicht, das ich je gesehen, deren rosige Wangen blaß und deren helle Augen trübe wurden beim Anblick der Wunder, die ich ausübte.«

»Schweig, ich befehle Dir, schweig!« sagte Tressilian.

»Ich will Ew. Gnaden nicht beleidigen,« sagte der Mann; »doch habe ich genügenden Grund, mich zu erinnern, wie Ihr Euch berabließet, um die Furcht des jungen Mädchens zu besänftigen, die Art und Weise zu erklären, wie diese Täuschungen vollbracht wurden und den armen Gaukler zu beschämen, indem Ihr die Geheimnisse seiner Kunst so geschickt darlegtet, als wäret Ihr ein Bruder seines Ordens gewesen. Sie war in der That ein so schönes Mädchen, daß um ein Lächeln von ihr zu gewinnen, ein Mann wohl –«

»Kein Wort weiter von ihr, ich bitte Dich!« sagte Tressilian; »ich erinnere mich sehr wohl des Abends, wovon Du redest – es war einer der wenigen glücklichen meines Lebens!«

»So ist sie also dahin?« fragte der Schmied, indem er auf seine Weise den Seufzer auslegte, welcher Tressilian's Worte begleitete, – »sie ist dahin, jung, schön und liebenswürdig, wie sie war! – Ich bitte Ew. Gnaden um Verzeihung – ich wollte, ich hätte was Anders gehämmert – ich sehe, ich habe unversehens den Nagel auf den Kopf getroffen.«

Dies sprach er mit einer Mischung natürlichen Gefühls, welches Tressilian günstig für den armen Handwerker stimmte, den er früher hart zu beurtheilen geneigt gewesen. Aber nichts erwirbt uns so leicht die Neigung der Unglücklichen, als wirkliches oder scheinbares Mitgefühl.

»Mich dünkt, Du warst in jenen Tagen ein fröhlicher Bursche,« fuhr Tressilian nach einem minutenlangen Schweigen fort, »der eine Gesellschaft durch Gesang, Märchen oder Spiel auf der Geige so gut wie durch seine Gauklerkünste zu unterhalten wußte. – Wie kommt es, daß ich Dich jetzt hier als einen arbeitsamen Handwerksmann wiederfinde, der sein Gewerbe in einer so elenden Behausung und auf so geheimnißvolle Weise treibt?«

»Meine Geschichte ist nicht lang,« sagte der Handwerker; »doch wäre es besser, wenn Ihr Euch während der Zeit niedersetztet. –« Mit diesen Worten rückte er einen dreifüßigen Stuhl zum Feuer, nahm selber einen andern, während Dickie Sludge, oder Flibbertigibbet, wie er den Knaben nannte, einen Schemel zu den Füßen des Schmieds hinrückte und ihm mit Zügen in's Gesicht blickte, die, von der Glut der Esse erleuchtet, vor Neugierde krampfhaft verzogen zu sein schienen. – »Auch Du,« sagte der Schmied zu ihm, »sollst, wie Du es wohl von mir verdienst, die kurze Geschichte meines Lebens hören, und in Wahrheit, es ist ebenso gut, sie Dir zu erzählen, als sie Dich aufspüren zu lassen, denn die Natur hat noch nie einen schärferen Witz in ein unförmlicheres Behältniß verschlossen, als das Deinige ist. – Nun, mein Herr, wenn meine dürftige Geschichte Euch Vergnügen machen kann, so steht sie zu Eurem Befehl. – Aber wollt Ihr nicht ein Gläschen gebrannten Wassers kosten? Ich kann Euch versichern, daß ich selbst in dieser ärmlichen Klause einigen Vorrath davon habe.«

»Redet nicht davon,« sagte Tressilian, »sondern beginnt mit Eurer Geschichte, denn meine Zeit ist mir kurz zugemessen.«

»Ihr sollt keine Ursache haben, die Zögerung zu bereuen,« sagte der Schmied; »denn Euer Pferd soll in der Zwischenzeit besser gefüttert werden, als es diesen Morgen geschehen ist, und um so besser zur Reise geeignet sein.«

Mit diesen Worten verließ der Schmied das Gewölbe und kehrte nach Verlauf weniger Minuten zurück. Hier machen auch wir eine Pause, und beginnen mit seiner Erzählung ein neues Kapitel.



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