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Erstes Kapitel.

Gastwirth bin ich und kenne mein Geschäft,
Und ich studir's – bei meinem Hirn! das thu' ich.
Den Pflug zu zieh'n bedarf ich muntrer Gäste,
Und Knaben, pfeifend heim die Ernt' zu bringen.
Sonst hör' ich nicht der Flegel Schlag.

Das neue Wirthshaus.

Es ist das Vorrecht der Romanschreiber, ihre Erzählung in einem Wirthshause, dem freien Versammlungsorte aller Reisenden zu beginnen, wo Jeder ohne Ceremonie und Rückhalt seine Laune walten läßt. Dies ist ganz besonders passend, wenn man die Scene in die alten Tage des fröhlichen England verlegt, wo die Gäste nicht bloß die Hausgenossen, sondern auch die Tischgenossen und derzeitigen Gesellschafter des Wirthes waren, welcher sich gewöhnlich viele Freiheiten herausnahm und ein Mann von gefälligem Aeußern und guter Laune war. Unter seinem Vorsitz fand bald eine Annäherung der Charaktere der Gesellschaft statt, und während sie den mit sechs Reifen versehenen Krug leerten, warfen sie bald allen Rückhalt von sich und betrugen sich gegen einander und gegen ihren Wirth mit der Freiheit alter Bekannten.

Das Dorf Cumnor, drei oder vier Meilen von Oxford entfernt, rühmte sich während des achtzehnten Regierungsjahres der Königin Elisabeth eines trefflichen Gasthofes nach dem alten Schlage, geleitet, oder vielmehr beherrscht von Giles Gosling, einem Manne von wohlbeleibter Gestalt und etwas rundem Bauche, fünfzig Jahr alt und darüber, mäßig in seinen Rechnungen, prompt in seinen Zahlungen, im Besitz eines Kellers voll von trefflichem Getränke, eines allzeit fertigen Witzes und einer hübschen Tochter. Seit den Tagen des alten Harry Baillie im Waffenrock in Southwark hat Niemand Giles Gosling in dem Talente übertroffen, seinen Gästen jeden Standes zu gefallen; und so groß war sein Ruf, daß, wer in Cumnor gewesen wäre, ohne im Schwarzen Bären ein Gläschen zu nehmen, sich gänzlich unbekümmert um den Ruf eines Reisenden würde gezeigt haben. Ein Bursche vom Lande hätte ebenso gut aus London zurückkehren können, ohne der Majestät in's Gesicht zu sehen. Die Bewohner von Cumnor waren stolz auf ihren Wirth, und ihr Wirth war stolz auf sein Haus, sein Getränk, seine Tochter und sich selbst.

Auf dem Hofplatze des Wirthshauses, welches diesem ehrlichen Manne gehörte, war es, wo in der Dämmerung ein Reisender abstieg, sein Pferd an den Hausknecht abgab und einige Fragen that, welche folgenden Dialog zwischen den Aufwärtern im Schwarzen Bären veranlaßten.

»Heda, Kellner!«

»Hier, Hausknecht,« erwiderte der Zapfenzieher, welcher sich in seinem eigenthümlichen Costüm, einer weiten Jacke, leinenen Beinkleidern und einer grünen Schürze, halb in halb außer der Thür zeigte, welche in einen äußern Keller zu führen schien.

»Hier ist ein Herr, welcher fragt, ob Ihr gutes Ale führt,« setzte der Hausknecht hinzu.

»Verdamm' mich!« antwortete der Kellner, »haben wir doch nur vier Meilen bis Oxford. – Mein' Seel', wenn mein Ale es den Köpfen der Studenten nicht anthäte, so würden sie es meinem Schädel bald mit dem zinnernen Kruge anthun.«

»Nennt Ihr das Oxforder Logik?« sagte der Fremde, der jetzt den Zügel seines Pferdes abgegeben hatte und auf die Thür des Wirthshauses zuging, wo ihm die wohlbeleibte Gestalt des Giles Gosling selber begegnete.

»Redet Ihr von Logik, Herr Gast?« sagte der Wirth; »nun, da bedenkt Euch auf einen richtigen Folgesatz:

An die Raufe das Pferd,
Den Sect auf den Herd.«

»Amen! von ganzem Herzen, mein guter Wirth,« sagte der Fremde. »Laßt mir ein Quart von Eurem besten Canariensect bringen und helft mir es austrinken.«

»Ihr müßt noch ein Neuling sein, Herr Reisender, wenn Ihr Euren Wirth zu Hülfe ruft, um ein Quart Sect zu leeren, welches man ja in einem Zuge ausleeren kann; – wäre es noch ein Maß, so möchtet Ihr wohl einiger nachbarlichen Hülfe von mir bedürfen und Euch doch einen Zecher nennen.«

»Fürchtet nichts,« sagte der Gast, »ich will meine Pflicht thun, wie es einem Manne geziemt, der sich innerhalb fünf Meilen von Oxford befindet; denn ich bin nicht von den Feldern des Mars gekommen, um mich unter den Anhängern der Minerva in Mißcredit zu bringen.«

Als er so redete, führte der Wirth seinen Gast mit dem Anschein herzlichen Willkommens in ein großes, niedriges Zimmer, wo mehrere Personen in verschiedenen Gruppen beisammen saßen. Einige tranken, Einige spielten Karten, Einige unterhielten sich, und Andere, deren Geschäft sie nöthigte, am folgenden Morgen früh aufzustehen, bestellten bei dem Aufwärter ihr Nachtquartier.

Der Eintritt des Fremden verschaffte ihm jene allgemeine und sorglose Aufmerksamkeit, welche gewöhnlich bei solchen Gelegenheiten gezollt wird, und wobei man folgende Beobachtungen anstellte: Der Gast war einer von Denjenigen, welche bei gutem Wuchse und an sich nicht unangenehmen Gesichtszügen, dessenungeachtet so weit entfernt sind, schön zu sein, daß entweder aus dem Ausdrucke ihrer Züge, oder aus dem Tone ihrer Stimme, oder aus ihrem Gange und Benehmen im Ganzen eine Abneigung gegen ihre Gesellschaft entsteht. Das Benehmen des Fremden war kühn, ohne offen zu sein, und er schien lebhaft und hastig einen Grad von Aufmerksamkeit und Rücksicht für sich in Anspruch zu nehmen, die, wie er fürchtete, ihm würde verweigert werden, wenn er nicht augenblicklich sein Recht daran geltend mache. Sein Anzug bestand in einem Reitmantel, welcher, wenn er offen war, ein hübsches mit Tressen besetztes Wams zeigte, von einem büffelledernen Gürtel umgeben, worin zwei Pistolen steckten und woran ein breites Schwert hing.

»Ihr reiset wohlbewaffnet, mein Herr,« sagte der Wirth, die Waffen betrachtend, als er den von dem Reisenden bestellten gewärmten Sect auf den Tisch setzte.

»Ja, Herr Wirth; ich habe den Nutzen davon in gefahrvollen Zeiten erfahren, und entferne nicht meine Begleiter im Augenblicke, sobald sie mir nutzlos sind, wie Eure heutigen Großen thun.«

»Ei, mein Herr,« sagte Giles Gosling, »da seid Ihr wohl aus den Niederlanden, wo man die Pike und die Hakenbüchse führt.«

»Ich bin hoch und niedrig, weit und breit, fern und nahe gewesen, mein Freund. Aber hier trinke ich Dir einen Becher Sect zu – fülle Dir einen andern und thu' mir Bescheid, und wenn er unter dem Superlativ ist, so trinke ihn, wie Du ihn gebraut hast.«

»Unter dem Superlativ?« sagte Giles Gosling, indem er den Becher leerte und mit unaussprechlichem Wohlbehagen mit den Lippen schmatzte; »ich weiß nichts vom Superlativ, auch gibt es, so viel ich weiß, keinen solchen Wein in den Drei Kranichen; doch wenn Ihr besseren Sect als den in Xeres oder selbst auf den canarischen Inseln findet, so will ich in meinem Leben keinen Krug noch einen Pfennig mehr anrühren. Haltet ihn nur gegen das Licht, so seht Ihr die kleinen Perlen in der goldenen Flüssigkeit tanzen, wie Staub im Sonnenstrahl. Doch ich möchte lieber zehn Narren als einem Reisenden Wein schenken. Ich hoffe, Ew. Gnaden schmeckt der Wein?«

»Er ist süß und lieblich, Herr Wirth; doch um gutes Getränk kennen zu lernen, solltet Ihr es trinken, wo der Wein wächst. Glaubt mir, Euer Spanier ist ein zu kluger Mann, um Euch die wahre Seele der Traube zu senden. Dieser, den Ihr für ausgezeichnet ausgebt, würde zu Corunna und Port St. Marie nur für unächter gehalten werden. Ihr müßt reisen, Herr Wirth, wenn Ihr tief in die Geheimnisse der Fässer und Weinkrüge eingeweiht werden wollt.«

»Meiner Treu, Herr Gast,« sagte Giles Gosling, »wenn ich nur reisen wollte, um mit dem unzufrieden zu werden, was ich zu Hause haben kann, so wäre ich wohl ein rechter Narr. Ueberdies, dafür stehe ich Euch, gibt es manchen Narren, der bei gutem Getränke die Nase rümpft, ohne doch je aus dem Rauche von Altengland gekommen zu sein, und so segne ich immer meinen eignen Herd.«

»Dies ist eine gemeine Ansicht von Euch, Herr Wirth,« sagte der Fremde. »Ich stehe dafür, nicht alle Eure Mitbürger denken so niedrig. Ich möchte behaupten, Ihr habt wackere Leute unter Euch, welche die Reise nach Virginien gemacht haben, oder doch in den Niederlanden gewesen sind. Denkt ein wenig nach. Habt Ihr nicht Freunde in fernen Ländern, von denen Ihr gern Nachrichten hättet?«

»Nein, meiner Treu, ich nicht,« antwortete der Wirth, »seit der prahlerische Robin von Drysandford bei der Belagerung von Brill erschossen wurde. Der Teufel hole die Büchse, aus der die Kugel kam, denn ein fröhlicherer Bursche füllte nie um Mitternacht seinen Becher. Doch er ist todt und dahin, und ich kenne keinen Soldaten, oder einen Reisenden, welcher der Freund eines Soldaten ist, für den ich einen abgeschälten Kochapfel geben würde.«

»Beim Sacrament, das ist seltsam. Sind doch so viele wackere englische Herzen im Auslande, und Ihr, der Ihr ein Mann von guter Familie zu sein scheint, habt keinen Freund, keinen Verwandten unter ihnen?«

»Ja, wenn Ihr von Verwandten redet,« antwortete Gosling, »ich habe so einen wilden Rangen von Neffen, der uns im letzten Jahre der Königin Maria verließ; doch er ist besser verloren als gefunden.«

»Sagt das nicht, Freund, wenn Ihr nicht kürzlich Schlimmes von ihm gehört habt. Aus manchem wilden Füllen ist ein edles Roß geworden. – Sagt mir doch seinen Namen.«

»Michael Lambourne,« antwortete der Wirth des Schwarzen Bären; »ein Sohn meiner Schwester – es ist wenig Vergnügen dabei, sich des Namens und der Verwandtschaft zu erinnern.«

»Michael Lambourne!« sagte der Fremde, als besänne er sich; – »was, Ihr wollt nicht mit Michael Lambourne, dem wackern Cavalier verwandt sein, der bei der Belagerung von Venloo so tapfer focht, daß Graf Moritz ihm an der Spitze der Armee dankte? Man sagte, er sei ein englischer Cavalier von keiner vornehmen Erziehung.«

»Es kann wohl schwerlich mein Neffe gewesen sein,« sagte Giles Gosling, »denn er hatte kaum den Muth eines Rebhuhnweibchens, wenn es nicht galt, anzurichten.«

»O, mancher Mann findet Muth im Kriege,« versetzte der Fremde.

»Es mag sein,« sagte der Wirth; »doch ich sollte denken, unser Michel müßte den wenigen Muth, den er besaß, noch verloren haben.«

»Der Michael Lambourne, den ich kannte,« fuhr der Fremde fort, »war ein gewandter Bursche – ging stets gut und zierlich gekleidet und hatte ein Falkenauge auf jede hübsche Dirne.«

»Unser Michael,« versetzte der Wirth,« sah aus wie ein Hund, dem man einen Knittel an den Schwanz gebunden, und trug einen Rock, woran ein Lumpen dem andern guten Tag bot.«

»O, man verschafft sich schon gute Kleider im Kriege,« erwiderte der Gast.

»Unser Michel,« antwortete der Wirth, »würde sie sich lieber in einer Trödelbude gestohlen haben, wenn der Handelsmann nach der andern Seite hingesehen; und das Falkenauge anlangend, das seinige war beständig auf meine umherliegenden silbernen Löffel gerichtet. Er war ein Vierteljahr Schenkjunge in diesem gesegneten Hause, und wäre er bei seinen Verrechnungen, seinem Mißverhalten und seinen Mißgriffen noch drei Monate länger geblieben, so hätte ich mein Schild herunternehmen, mein Haus verschließen und den Schlüssel dem Teufel aufzuheben geben können.«

»Bei alledem würde es Euch doch leid thun,« fuhr der Reisende fort, »wenn ich Euch sagte, daß der arme Michel Lambourne bei der Einnahme einer Schanze, in der Nähe von Mastricht, an der Spitze seines Regiments erschossen worden.«

»Leid thun! – Es würde die angenehmste Nachricht sein, die ich je von ihm gehört habe, denn ich würde dadurch die Gewißheit erhalten, daß er nicht gehängt worden. Doch lassen wir ihn, – ich zweifle, daß sein Ende je seinen Freunden solche Ehre machen wird; wäre es so, dann würde ich von ganzem Herzen sagen – (und er trank einen zweiten Becher Sect) –: Gott verleihe ihm Ruhe.«

»Still, Mann,« erwiderte der Reisende, »fürchtet nichts, Euer Neffe wird Euch doch noch Ehre machen, besonders wenn er der Michael Lambourne war, den ich kannte, und beinahe oder vollkommen so sehr liebte, wie mich selber. Könnt Ihr mir kein Zeichen sagen, woran ich erkennen kann, ob es derselbe war?«

»Ich kann mich in der That auf keines besinnen,« antwortete Giles Gosling, »außer daß unserm Michel ein Galgen auf die linke Schulter eingebrannt war, weil er Frau Snort zu Hogsditch eine silberne Suppenschüssel gestohlen.«

»Nein, das lügst du wie ein Schurke, Onkel,« sagte der Fremde, indem er seine Halskrause auf die Seite schob und den Aermel seines Wamses von Hals und Schulter herunterzog; »noch heutiges Tages ist meine Schulter so unverletzt wie die Deinige.«

»Was, Michel, Junge – Michel!« rief der Wirth, – »und bist Du es in vollem Ernste? Ich habe es schon diese halbe Stunde gedacht, denn ich wußte Niemand, der nur halb so viel Interesse hätte an Dir nehmen sollen. Aber, Michel, wenn Deine Schulter unverletzt ist, wie Du sagst, so mußt Du gestehen, daß Goodman Thong, der Henker, gnädig zu Werke ging und Dir ein kaltes Eisen aufdrückte.«

»Still, Onkel – zum Henker mit Euren Scherzen. Behaltet sie, um Euer saures Ale damit zu würzen, und laßt uns sehen, wie herzlich Ihr einen Neffen willkommen heißen werdet, der sich achtzehn Jahre in der Welt umgetrieben hat; der die Sonne hat untergehen sehen, wo sie aufgeht, und gereist ist, bis der Westen zum Osten geworden ist.«

»Eine Eigenschaft der Reisenden hast Du mit zurückgebracht, Michel, wie ich wohl sehe, und zwar eine solche, um derenwillen Du am wenigsten zu reisen nöthig gehabt hättest. Ich erinnere mich sehr wohl, unter Deinen übrigen trefflichen Eigenschaften war auch die, daß man keinem Worte glauben durfte, welches aus Deinem Munde kam.«

»Hier seht Ihr einen ungläubigen Heiden vor Euch, meine Herren!« sagte Michael Lambourne, indem er sich zu denen wendete, welche diesem seltsamen Wiedersehen zwischen Onkel und Neffen beiwohnten. Einige von ihnen waren in dem Dorfe geboren und daher nicht unbekannt mit seiner jugendlichen Wildheit. »Heißt dies nicht ein gemästetes Kalb für mich schlachten? – Aber, Onkel, ich komme nicht von den Träbern und dem Schweinetroge, und mir liegt wenig daran, ob ich Dir willkommen bin oder nicht; ich führe das bei mir, was mich überall willkommen macht, wohin ich komme.«

Bei diesen Worten zog er eine leidlich gefüllte Goldbörse hervor, deren Anblick eine sichtbare Wirkung auf die Gesellschaft machte. Einige schüttelten die Köpfe und flüsterten einander zu, während Andere, weniger bedenklich, sich seiner sogleich als Schulkameraden, Nachbarn und so weiter zu erinnern begannen. Zwei oder drei ernst und gesetzt aussehende Personen dagegen schüttelten die Köpfe, und verließen das Wirthshaus mit der Andeutung, daß, wenn Giles Gosling noch fernerhin ordentliche Gäste haben wolle, so müsse er seinen nichtsnutzigen, gottlosen Neffen wieder in die Welt hinausschicken, sobald er könne. Gosling benahm sich, als sei er fast derselben Meinung; denn selbst der Anblick des Goldes machte weniger Eindruck auf den ehrlichen Herrn, als sonst bei Leuten seines Berufes zu geschehen pflegt.

»Vetter Michel,« sagte er, »stecke Deine Börse ein. Meiner Schwester Sohn soll für Abendessen und Nachtlager in meinem Hause keine Rechnung erhalten; und ich rechne darauf, daß Du schwerlich wünschen wirst, länger hier zu bleiben, wo Du nur zu wohl bekannt bist.«

»In der Hinsicht, Onkel, werde ich nach meiner eigenen Bequemlichkeit handeln,« versetzte der Reisende. »Inzwischen wünsche ich diesen guten Bürgersleuten, welche nicht zu stolz sind, sich des Schenkjungen Michel Lambourne zu erinnern, ein Gläschen vorzusetzen. Kann ich hier Bewirthung für mein Geld haben, so ist es gut – wo nicht, so ist es nur ein Gang von zwei Minuten bis zum Hasen und der Trommel, und unsere Nachbarn werden sich die Mühe nicht verdrießen lassen, so weit mit mir zu gehen.«

»Nein, Michel,« versetzte sein Onkel, »da achtzehn Jahre über Deinen Kopf dahingegangen sind und ich hoffe, daß Dein Charakter sich etwas gebessert hat, so sollst Du mein Haus zu dieser Stunde nicht verlassen, und haben, was Du vernünftigerweise wünschen kannst. Doch ich wollte, ich wäre überzeugt, daß Du auf ebenso gute Weise zu der Börse gekommen bist, deren Du Dich rühmst, als sie gut gefüllt zu sein scheint.«

»Seht hier den Ungläubigen, meine guten Nachbarn,« sagte Lambourne, indem er sich wieder an die Versammlung wendete. »Dieser Kerl will seinem Neffen die Thorheiten vorrücken, die er vor mehr als einem Dutzend Jahren begangen hat. – Und was das Gold anbetrifft, seht, meine Herren, ich bin da gewesen, wo es wächst und man es nur auflesen darf. In der neuen Welt bin ich gewesen, Freund, – in dem Eldorado, wo die Jungen mit Diamanten, wie hier zu Lande mit Kirschkernen spielen, wo Landmädchen statt Hagebutten Rubinen zu Halsbändern aufziehen, wo die Hohlziegel aus gediegenem Golde und die Pflastersteine aus reinem Silber gemacht sind.«

»Meiner Treu, Freund Michel,« sagte der junge Lorenz Goldthred, der Ausschnittkrämer von Abingdon, »das wäre eine hübsche Küste, um dorthin zu handeln. Und welchen Gewinn würde man auf Leinwand, Flor und Bänder haben, wo das Gold so reichlich ist?«

»O, der Gewinn würde unberechenbar sein,« versetzte Lambourne, »besonders wenn ein hübscher junger Kaufmann den Pack selber trüge; denn die Damen jenes Himmelsstrichs lieben schöne Kleider, und da sie selber etwas von der Sonne verbrannt sind, so fangen sie gleich Feuer wie Zunder bei einer frischen Gesichtsfarbe wie die Deinige und einem Haarwuchs, der etwas in's Röthliche spielt.«

»Ich wollte, ich könnte dorthin handeln,« sagte der Krämer wohlgefällig lächelnd.

»Ei, das kannst Du ja,« sagte Michel; »das heißt, wenn Du noch derselbe muntere Bursche bist, der mit mir den Obstgarten des Abtes plünderte. Es bedarf nur eines kleinen Kunstgriffs der Alchymie, um Dein Haus und Land in baares Geld umzuschmelzen, und dieses baare Geld in ein großes Schiff mit Segeln, Ankern, Tauwerk und Allem, was dazu gehört. Dann bringe Deine Waaren an Bord, setze fünfzig wackere Kerle auf's Verdeck, welche ich commandire; dann die Topsegel beigesetzt und hei hei nach der neuen Welt.«

»Du hast ihn das Geheimniß gelehrt, sein Pfund zu einem Pfennig und seine Gewebe zu einem Faden umzuschmelzen, Vetter,« sagte Giles Gosling. – »Nimm keines Narren Rath an, Nachbar Goldthred. Wage Dich nicht auf's Meer, denn es ist ein unersättliches Raubthier. Mögen auch Karten und Dirnen ihr Schlimmstes thun, Deines Vaters Waarenballen mögen Dein lustiges Leben wohl noch ein oder zwei Jahre gut machen, ehe Du in's Spital kommst; doch das Meer hat einen bodenlosen Appetit, es würde den ganzen Reichthum von Lombard Street in einem Morgen ebenso gemächlich verschlingen, wie ich ein weich gesottenes Ei und ein Glas Claret – und was meines Vetters Eldorado betrifft, so traue mir niemals wieder, wenn ich nicht glaube, daß er es in den Taschen solcher Einfaltspinsel wie Du gefunden hat. – Aber stopfe Dir die Nase deshalb nicht voll Schnupftabak; greift zu und seid willkommen, denn hier kommt das Abendessen, und ich gebe es herzlich gern allen denen, die Theil daran nehmen wollen, um die Rückkehr meines hoffnungsvollen Neffen zu feiern, indem ich das Vertrauen hege, daß er als ein anderer Mann zurückgekehrt ist. – Wahrhaftig, Vetter, Du siehst meiner armen Schwester so ähnlich, wie nur je ein Sohn seiner Mutter.«

»Doch nicht ähnlich dem alten Benedict Lambourne, ihrem Gatten,« sagte der Krämer nickend und winkend. »Erinnerst Du Dich, Michel, was Du sagtest, als des Schulmeisters Ruthe über Dir schwebte, weil Du Deinem Vater die Krücken weggeschlagen? – Es ist ein kluges Kind, sagtest Du, welches seinen eigenen Vater kennt. Doctor Bircham lachte bis er weinte, und durch sein Weinen wurdest Du des Weinens überhoben.«

»Ja, er trug es mir später manches Jahr nach,« sagte Lambourne; »und wie geht es dem würdigen Pädagogen?«

»Er ist schon manchen Tag todt,« sagte Giles Gosling.

»Das ist er,« sagte der Küster des Kirchspiels; »ich saß gerade an seinem Bette. – Er verschied in guter Stimmung. › Morior – mortuus sum vel fui – mori‹ – dies waren seine letzten Worte, und er setzte nur noch hinzu: ›Mein letztes Verbum ist conjugirt.‹«

»Nun, Friede sei mit ihm,« sagte Michael, »er ist mir nichts schuldig geblieben.«

»Nein, wahrlich nicht,« versetzte Goldthred; »und er pflegte auch immer zu sagen, durch jeden Streich, den er gebe, erspare er dem Büttel eine Arbeit.«

»Man sollte denken, er hätte ihm wenig zu thun übrig gelassen,« sagte der Küster, »und doch bei alledem ist Goodman Thong bei unserem Freunde nicht unbeschäftigt gewesen.«

» Voto a dios!« rief Lambourne, dessen Geduld ihn zu verlassen schien, indem er hastig seinen breitgeränderten Hut vom Tische nahm und auf den Kopf setzte, so daß der Schatten seinen Augen und Gesichtszügen, die schon so nichts Gutes verkündeten, den Ausdruck eines spanischen Bravo gab. »Hört, Ihr Herren – unter Freunden und unter dem Siegel der Verschwiegenheit lasse ich mir Alles gefallen, und ich habe es bereits meinem würdigen Onkel und Euch Allen gestattet, über die Possen meiner Jugend Euren Witz auszulassen. Doch ich führe Schwert und Dolch, meine guten Freunde, und verstehe sie unter Umständen auch geschickt zu gebrauchen – als ich bei den Spaniern diente, habe ich gelernt in Ehrensachen gefährlich zu sein, und ich wünschte nicht, daß Ihr mich reiztet, bis ich mich von einer andern Seite zeigen müßte.«

»Und was wolltet Ihr thun?« sagte der Küster.

»Ja, Herr, was wolltet Ihr thun?« sagte der Krämer, an der andern Seite des Tisches rasch aufstehend.

»Eure Kehle aufschlitzen und Euch Eure Sonntagstriller verderben, Herr Küster,« sagte Lambourne zornig; »Euch, Ellenreiter, in einen von Euren eigenen Waarenballen hineinprügeln.«

»Halt, halt,« sagte der Wirth, dazwischen tretend, »ich will hier keinen solchen Lärm. – Neffe, es würde sich am besten für Dich schicken, nichts übel zu nehmen. Und Ihr, meine Herren, werdet wohl thun, Euch zu erinnern, daß wenn Ihr in einem Wirthshause seid, Ihr immer des Wirths Gäste seid und die Ehre seiner Familie schonen solltet. – Wahrhaftig, Euer thörichtes Gezänk macht mich eben so vergeßlich wie Euch selber; denn dort sitzt mein stiller Gast, wie ich ihn nenne, der schon zwei Tage bei mir logirt und noch kein Wort gesprochen hat, als um Essen zu bestellen und seine Rechnung zu fordern. Er macht mir nicht mehr Umstände, als ein Bauer – bezahlt seine Zeche wie ein Kronprinz – sieht nur die Totalsumme der Rechnung an und weiß noch nicht, an welchem Tage er abreisen wird. O, es ist ein Juwel von einem Gast! und doch habe ich Nachlässiger ihn wie einen nichtsnutzigen Menschen in jenem dunkeln Winkel sitzen lassen, ohne ihn auch nur zu fragen, ob es ihm gefällig ist, mit uns zu Abend zu speisen. Es wäre der verdiente Lohn für meine Unhöflichkeit, wenn er noch heute Abend in den Hasen und die Trommel ginge.« Darauf legte der Wirth seine weiße Serviette graziös über den linken Arm, nahm seine Sammtmütze für den Augenblick ab, nahm seine beste silberne Flasche in die rechte Hand, ging so auf den erwähnten einsamen Gast zu und richtete dadurch die Augen der versammelten Gesellschaft auf ihn.

Es war ein Mann zwischen fünf und zwanzig und dreißig Jahren, etwas über die mittlere Größe, einfach und anständig gekleidet, mit einer unbefangenen Miene, die sich fast der Würde näherte und anzudeuten schien, daß sein Kleid unter seinem Range sei. Seine Gesichtszüge waren verschlossen und gedankenvoll, mit dunklem Haar und dunklen Augen – die letzteren funkelten bei jeder augenblicklichen Aufregung mit ungewöhnlichem Glanze, bei andern Gelegenheiten aber hatten sie denselben sinnenden und ruhigen Ausdruck, wie seine Gesichtszüge. Die geschäftige Neugierde des kleinen Dorfes war bemüht gewesen, seinen Namen und Stand zu entdecken, so wie auch, was er zu Cumnor zu thun habe; doch war nichts Befriedigendes darüber an den Tag gekommen. Giles Gosling, Gemeindevorsteher und eifriger Freund der Königin Elisabeth und der protestantischen Religion, war eine Zeitlang zu dem Verdachte geneigt, daß sein Gast ein Jesuit oder Seminarpriester sei, wovon zu der Zeit Rom und Spanien so viele hersandten, um die Galgen in England zu schmücken. Doch war es kaum möglich, ein solches Vorurtheil gegen einen Gast lange zu hegen, der so wenig Umstände machte, seine Rechnung regelmäßig bezahlte, und, wie es schien, sich ziemlich lange im Schwarzen Bären aufzuhalten beabsichtigte.

»Papisten sind ein knauseriges, filziges Geschlecht,« dachte Giles Gosling bei sich selber, »und dieser Mann würde bei dem reichen Gutsbesitzer zu Bessellsley, oder bei dem alten Ritter zu Wootton, oder in irgend einer andern von ihren katholischen Höhlen Aufnahme gesucht haben, statt in einem öffentlichen Gasthause zu wohnen, wie jeder rechtliche Mann und guter Christ thun sollte. Ueberdies hielt er sich am Freitag zu dem gesalzenen Rindfleisch mit Möhren, obgleich so guter Brataal auf dem Tische war, wie nur je in dem Isis gefangen worden.«

Der ehrliche Giles hielt sich deshalb überzeugt, daß sein Gast kein Katholik sei, und bat ihn in aller Höflichkeit, ihm in einem Trunke Limonade Bescheid zu thun und ihm die Ehre zu geben, einem kleinen Festmahle beizuwohnen, welches er seinem Neffen zur Feier seiner Rückkehr und, wie er aufrichtig hoffe, seiner Besserung gebe. Der Fremde schüttelte anfangs den Kopf, als wollte er die Höflichkeit ablehnen; doch der ehrliche Wirth fuhr fort, ihm mit Gründen zuzusetzen, die von der Ehre seines Hauses und der Auslegung hergenommen waren, welche die guten Bewohner von Cumnor einer so ungeselligen Laune geben könnten.

»Meiner Treu, Herr,« sagte er, »es schadet meiner Reputation, wenn die Leute nicht fröhlich in meinem Hause sind, und wir haben böse Zungen unter uns zu Cumnor – wo wären die auch nicht? – die Männern einen Makel anhängen, welche ihren Hut über die Augenbrauen ziehen, als wenn sie zu den vergangenen Tagen zurückblickten, anstatt sich des milden Sonnenscheins zu erfreuen, welchen Gott uns in den lieblichen Blicken unserer Monarchin, der Königin Elisabeth, hat zu Theil werden lassen, welche der Himmel segne und lange erhalten wolle.«

»Mein guter Wirth,« antwortete der Fremde, »es ist doch gewiß nichts Verrätherisches, wenn ein Mann unter dem Schatten seiner eigenen Mütze seinen eigenen Gedanken nachhängt? Ihr habt zweimal so lange in der Welt gelebt, als ich, und müßt wissen, daß es Gedanken gibt, die uns wider unsern Willen verfolgen und zu denen man vergebens sagt: packt euch und laßt mich fröhlich sein.«

»Wahrhaftig,« antwortete Giles Gosling, »wenn solche unruhige Gedanken Euer Gemüth belagern und vor gutem Englisch nicht weichen wollen, so lassen wir einen von Pater Bacon's Schülern aus Oxford kommen, um sie mit Logik und Hebräisch wegzubannen. Oder wie wäre es, mein edler Gast, wenn Ihr sie in einem herrlichen rothen Meere von Claret ertränktet? Kommt, mein Herr, entschuldigt meine Freiheit. Ich bin ein alter Wirth und muß etwas zu schwatzen haben. Diese schwermüthige Laune steht Euch schlecht – sie paßt nicht zu einem blanken Stiefel, einem befiederten Hute, einem neuen Mantel und einer vollen Börse. Zum Henker, sendet sie zu denen, die ihre Beine mit einem Bündel Heu umwickeln, ihre Köpfe mit einer Filzmütze bedecken, deren Wams so dünn ist wie Spinnweb, und in deren Tasche sich kein Kreuzer befindet, um den Teufel der Schwermuth abzuhalten darin zu tanzen. Erheitert Euch, Herr! oder, bei diesem guten Getränk! ich verbanne Dich von den Freuden heiterer Gesellschaft in den Nebel der Schwermuth und in das Land der Gefangenschaft. Hier ist eine Gesellschaft guter Leute, die gerne lustig sein wollen; seht sie nicht so sauer an wie der Teufel, der über Lincoln hinblickt.«

»Ihr habt Recht, mein wackerer Wirth,« sagte der Gast mit schwermüthigem Lächeln, welches, so schwermüthig es auch war, seinem Gesichte einen sehr angenehmen Ausdruck verlieh, – »Ihr habt Recht, mein jovialer Freund; und die, welche mißmuthig sind wie ich, sollten die Fröhlichkeit derer nicht stören, welche glücklich sind. Ich will lieber von ganzem Herzen mit Euren Gästen eine Runde trinken, als daß man mich einen Freudenstörer nennen soll.«

Mit diesen Worten stand er auf und ging zu der Gesellschaft, die, durch Michael Lambourne's Vorschrift und Beispiel ermuthigt und größtentheils aus Personen bestehend, die ein fröhliches Gelag auf Kosten ihres Wirths nicht verschmähten, bereits etwas über die Grenzen der Mäßigkeit hinausgegangen waren, wie sich in dem Tone, in welchem Michael nach seinen alten Bekannten im Dorfe fragte und in dem lauten Gelächter deutlich zeigte, womit die Antworten aufgenommen wurden. Giles Gosling selber nahm Anstoß an ihrer lärmenden Fröhlichkeit, besonders da er unwillkürlich einige Achtung vor dem unbekannten Gaste empfand. Er blieb daher in einiger Entfernung von dem Tische stehen, woran die lärmenden Zecher saßen, und begann eine Art Entschuldigung wegen ihrer Ausgelassenheit.

»Wenn Ihr diese Leute reden hört,« sagte er, »solltet Ihr denken, es sei Keiner darunter, der nicht zum Straßenräuber erzogen worden; doch morgen werdet Ihr sie als so mühsame Handwerker u. s. w. finden, wie nur je Einer um einen Zoll zu kurz maß, oder einen Wechsel auf einem Zahlbret in leichten Kronen auszahlte. Der Krämer dort trägt seinen Hut schief auf seinem buschigen Haar, welches aussieht wie der Rücken eines lockigen Wasserhundes, er geht ohne Hosenschnallen, trägt seinen Mantel auf einer Schulter und hat die seltsame Laune mit Schurkenstreichen zu prahlen – dagegen in seinem Laden zu Abingdon ist er von seiner platten Mütze bis auf seine glänzenden Schuhe so zierlich und abgemessen in seinem Anzuge, als wäre er zum Mayor ernannt. Er redet von Einbrüchen in die Parks und von Straßenraub in solcher Weise, daß man denken sollte, er treibe sich jede Nacht zwischen Hounslow und London umher, wo man ihn doch zu derselben Zeit fest schlafend in seinem Federbett finden könnte, mit einem Licht auf der einen Seite und einer Bibel auf der andern, um die bösen Geister wegzubannen.«

»Und Euer Neffe, Herr Wirth, eben dieser Michael Lambourne, welcher die Veranlassung des Mahles ist? Gibt sich der auch nur den Schein eines unruhigen Menschen, wie die Uebrigen?«

»Ei, da fragt Ihr mich auf's Gewissen,« sagte der Wirth; »mein Neffe ist mein Neffe, und obgleich er früher ein verzweifelter Bursche war, so müßt Ihr bedenken, daß Michael sich kann gebessert haben, gleich andern Leuten. Und Ihr müßt auch nicht an Alles, was ich eben sagte, so genau wie an ein Evangelium glauben. Ich kannte den Galgenvogel die ganze Zeit über und wollte ihm die Federn etwas ausrupfen. Und nun, mein Herr, unter welchem Namen soll ich meinen würdigen Gast diesen tapfern Leuten vorstellen?«

»Nun, Herr Wirth,« sagte der Fremde, »Ihr könnt mich Tressilian nennen.«

»Tressilian?« antwortete der Wirth im Bären, »ein würdiger Name und, wie ich glaube, von cornischer Abkunft; denn es heißt ja im Sprichwort:

An Pol, an Tre so wie an Pen
Den Mann aus Cornwall ich erkenn'.

Soll ich sagen: der würdige Herr Tressilian aus Cornwall?«

»Sagt nicht mehr, als ich Euch mitgetheilt habe, mein guter Wirth, so werdet Ihr gewiß sein, nicht mehr zu reden, als was wahr ist. Man kann wohl eine von jenen ehrenvollen Vorsilben vor seinem Namen haben und doch weit vom St. Michaelsberge geboren sein.«

Der Wirth trieb seine Neugierde nicht weiter, sondern stellte Herrn Tressilian der Gesellschaft seines Neffen vor, die den neuen Genossen begrüßte, seine Gesundheit trank und dann ihre Unterhaltung, worin er sie gefunden, fortsetzte und sie hin und wieder mit einem guten Trunke würzte.



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