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Fünfzehntes Kapitel.

Ihr seid einer von denen, die Gott nicht dienen
werden, wenn's auch der Teufel gebietet –
Weil wir kommen, euch unsre Dienste anzubieten,
so haltet ihr uns für Schurken.

Othello.

Als Glossin nach Hause kam, fand er unter andern Papieren und Briefen, die an ihn gesendet waren, auch einen von besonderer Wichtigkeit. Er war unterzeichnet von Mr. Protocol, einem Advocaten in Edinburg, und er ward darin angeredet als Geschäftsführer des Gottfried Bertram, verstorbenen Esq. von Ellangowan und dessen Erben. Der Brief berichtete ihm den plötzlichen Tod der Mrs. Margarete Bertram von Singleside, und ersuchte ihn, dies seine Clienten wissen zu lassen, im Fall sie es für gut finden sollten, einen Bevollmächtigten bei Eröffnung des Nachlasses der Verstorbenen gegenwärtig sein zu lassen. Mr. Glossin begriff sogleich, daß der Briefschreiber nicht von dem feindseligen Verhältnisse wußte, welches zwischen ihm, Glossin, und dem verstorbenen Laird bestanden hatte. Das Vermögen der verstorbenen Dame mußte von Rechtswegen, wie er wohl wußte, auf Lucy Bertram übergehen; aber es war tausend gegen eins zu wetten, daß die Laune der alten Lady anders verfügt haben werde. Nachdem er alle möglichen Fälle und Wahrscheinlichkeiten überdacht hatte, um sich zu belehren, welcher persönliche Vortheil ihm wohl bei der Angelegenheit zu Theil werden könne, fand er doch zu seinem eignen Besten bei der Sache weiter nichts, außer, daß er sich dabei jenes Ansehn erwerben könnte, dessen Mangel er bereits erfahren hatte und wahrscheinlich noch weit schmerzlicher zu fühlen haben konnte. Ich muß mir selber, dachte er, einen festen Grund schaffen, damit, wenn Hatteraick's Plan fehlschlagen sollte, ich wenigstens die günstige Meinung für mich habe. – Ueberdies mochte er (damit wir ihm, so schlecht er auch war, doch Gerechtigkeit widerfahren lassen) einiges Verlangen fühlen, der Miß Bertram einigermaßen Vergütung zu gewähren für das große Mißgeschick, welches er ihrer Familie bereitet hatte – freilich nur, in so weit die Vergütung seinem eigenen Interesse nicht im Wege war. Er beschloß daher, gleich am nächsten Morgen nach Woodbourne zu reiten.

Nicht ohne Bedenken that er diesen Schritt, indem er den natürlichen Widerwillen, dem Oberst Mannering unter die Augen zu treten, empfand, den Betrug und Schurkerei stets vor einem Zusammentreffen mit Ehre und Rechtlichkeit hat. Doch setzte er großes Vertraun auf sein eigenes savoire faire. Seine Talente waren bedeutend und keineswegs auf seinen Berufskreis beschränkt. Er hatte mehrmals lange in England gelebt und sein Benehmen war eben so frei von ländlicher Unbeholfenheit, als von berufsmäßiger Pedanterie; so unterstützte ihn bedeutend seine gute Lebensart und seine Ueberredungsgabe, die er mit einer unerschütterlichen Frechheit verband, welche er als gerades Wesen und Sitteneinfalt darzustellen wußte. Im Vertrauen auf sich selbst erschien er daher zu Woodbourne, etwa 10 Uhr Morgens, und ward angemeldet als ein Herr, der Miß Bertram seine Aufwartung zu machen wünsche.

Er nannte sich nicht eher, als bis er an der Thür des Frühstückzimmers war, wo der Bediente, auf seinen Wunsch, laut sagte: »Mr. Glossin wünscht Miß Bertram seine Aufwartung zu machen.« Lucy, an den letzten Auftritt im Leben ihres Vaters denkend, ward todtenblaß, und fiel fast von ihrem Stuhle. Julie Mannering eilte ihr zu Hilfe und beide verließen das Gemach mit einander. Es blieben zurück Oberst Mannering, Charles Hazlewood, mit dem Arm in der Binde, und Simson, dessen hageres Gesicht und große Augen den feindseligsten Ausdruck annahmen, als er Glossin erkannte.

Dieser wackere Gentleman, obwohl etwas bestürzt über den Eindruck seines ersten Erscheinens, trat mit Selbstvertrauen näher und hoffte, er komme doch den Damen nicht störend. Oberst Mannering bemerkte in sehr klarer und bestimmter Weise, daß er nicht wisse, was ihm die Ehre eines Besuchs von Mr. Glossin verschaffe.

»Hm! hm! ich nahm mir die Freiheit, Miß Bertram meinen Besuch zu machen, nämlich in Geschäftsangelegenheiten.«

»Wenn die Sache Mr. Mac-Morlan, ihrem Geschäftsführer, mitgetheilt werden kann, Sir, so glaub' ich, daß dies Miß Bertram angenehmer sein wird.«

»Bitt' um Verzeihung, Oberst Mannering,« sagte Glossin, indem er vergebens einen ungezwungenen Ton des Gesprächs anzunehmen bemüht war; »Sie sind ein Weltmann – Sie wissen, es gibt Fälle, wo es für alle Parteien klüger ist, unmittelbar mit einander zu verhandeln.«

»Nun,« erwiederte Mannering mit einer abweisenden Miene, »wenn sich Mr. Glossin die Mühe nehmen will, die Sache brieflich darzustellen, so bürg' ich dafür, daß Miß Bertram derselben alle Aufmerksamkeit widmen wird.«

»Gewiß,« sagte Glossin betroffen; »aber es gibt Fälle, in denen einen Unterredung viva voce – hm! ich begreife, ich weiß – Oberst Mannering hat einigen Vorurtheilen Raum gegeben, welche meinen Besuch zudringlich scheinen lassen; aber ich stell' es seinem gesunden Urtheil anheim, ob er mir Gehör verweigern soll, ohne den Zweck meines Besuchs zu kennen, oder welche Folgen es für die junge Dame haben kann, die er mit seinem Schutze beehrt.«

»Sir, dies ist sicherlich meine Absicht nicht,« erwiederte der Oberst. »Ich will Miß Bertram's Meinung über die Sache hören und Mr. Glossin damit bekannt machen, wofern er Zeit hat, die Antwort zu erwarten.« Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.

Glossin war noch stehend in der Mitte des Gemachs geblieben. Oberst Mannering hatte nicht die leiseste Bewegung gemacht, ihn zum Sitzen einzuladen, und war auch selber während des kurzen Zwiegesprächs stehen geblieben. Als er jedoch das Zimmer verließ, ergriff Glossin einen Stuhl und setzte sich mit einer Miene darauf, welche zwischen Verlegenheit und Frechheit die Mitte hielt. Das Schweigen seiner Gesellschafter fiel ihm sehr unangenehm auf, und er beschloß, es zu brechen.

»Ein schöner Tag, Mr. Simson.«

Der Gelehrte antwortete mit etwas, was halb wie ein beistimmendes Brummen, halb wie ein unwilliges Murren klang.

»Sie kommen nie herab, um Ihre alten Bekannten auf dem Gute Ellangowan zu sehn, Mr. Simson – Sie würden die meisten derselben noch ganz wie sonst finden. Ich habe zu viel Achtung vor dem ehemaligen Eigenthümer, als daß ich alte Einwohner stören sollte, selbst wo dies mit Vortheil geschehn könnte. Ueberhaupt ist das meine Art nicht – ich liebe dergleichen nicht zu thun – Mr. Simson, die Schrift verdammt ja auch ganz besonders diejenigen, welche Arme bedrängen und Gränzsteine verrücken.«

»Und die das Gut der Waisen verschlingen,« fügte der Gelehrte bei. »Anathema! Maranatha!« mit diesem Ausruf stand er auf, ergriff den Folianten, worin er gelesen hatte, machte rechtsum und marschirte mit den Schritten eines Grenadiers aus dem Zimmer.

Mr. Glossin, der keineswegs außer Fassung war oder zum wenigsten nicht so scheinen wollte, wandte sich an den jungen Hazlewood, welcher scheinbar eifrig in der Zeitung las. »Was für Neuigkeiten, Sir?« Hazlewood erhob den Blick, schaute nach jenem hin und schob ihm das Papier zu, wie etwa einem Fremden im Kaffeehause, dann stand er auf und ging nach der Thüre. »Ich bitt' um Vergebung, Mr. Hazlewood, – aber ich kann nicht umhin, Ihnen meine Freude darüber zu bezeigen, daß Sie so leicht das unselige Ereigniß überstanden haben.« Dies ward durch eine Art von Kopfnicken beantwortet, welches aber so gering und so steif war, als man es nur denken kann. Doch ermuthigte es unsern Rechtsgelehrten, fortzufahren. »Ich kann versichern, Mr. Hazlewood, daß wenig Leute solchen Antheil an der Sache genommen haben, wie ich, sowohl hinsichtlich der Landeswohlfahrt, als auch aus besonderer Achtung gegen Ihre Familie, welche einen so hohen Rang unter uns behauptet; wirklich, einen so hohen Rang, daß, da Mr. Featherhead nun alt wird, es sich wohl der Mühe lohnen dürfte, wenn Sie sich ein wenig umschauen wollten – ich spreche als Freund, Mr. Hazlewood, und als ein Mann, der alles, was die Wahlen betrifft, wohl kennt; und wofern, sobald Sie mit mir« – –

»Sie verzeihen, Sir, aber ich habe keine Pläne, wobei mir Ihr Beistand nützlich sein könnte.«

»O, ganz wohl – es ist immer noch Zeit genug, und ich sehe es gern, wenn ein junger Herr mit dergleichen vorsichtig zu Werke geht. Aber ich sprach vorhin von Ihrer Wunde – ich glaube dem Thäter auf der Spur zu sein; wirklich ziemlich auf der Spur – und wenn ich den Menschen nicht zur verdienten Strafe ziehe« – –

»Verzeihen Sie, Sir, ich bitte nochmals; aber Ihr Eifer übersteigt meine Wünsche. Ich habe allen Grund, zu glauben, daß die Verwundung zufällig war – gewiß geschah sie nicht mit Absicht. Wenn Sie Jemand finden, der der Undankbarkeit und absichtlichen Verrätherei schuldig ist, so soll mein Zorn eben so stark sein, als der Ihrige.« Dies war Hazlewoods Antwort.

Wieder abgewiesen, dachte Glossin; ich muß es anders versuchen. »Wohl wahr, Sir; sehr edel gesprochen! Ich würde mit einem undankbaren Menschen nicht mehr Erbarmen haben, als mit einer Schnepfe – Und da wir wieder auf die Jagd kommen:« (diese Weise, die Unterhaltung zu wenden, hatte Glossin von seinem ehemaligen Gebieter gelernt,) »ich sehe Sie oft mit der Büchse gehn, und ich hoffe, Sie werden bald wieder im Stande sein, dieses Vergnügen zu genießen. Wie ich bemerkt habe, beschränkten Sie sich stets auf Ihr eignes Gebiet. Ich hoffe, mein theurer Herr, Sie werden kein Bedenken tragen, Ihre Beute auch auf dem Gebiet von Ellangowan zu verfolgen; ich glaube, die Schnepfen sind dort häufiger, als hier, obwohl beide Arten vorzüglich sind.«

Dies Anerbieten veranlaßte nur eine kalte und gezwungene Verbeugung: Glossin war genöthigt zu schweigen, und fühlte sich erst beim Eintreten Oberst Mannerings wieder etwas erleichtert.

»Ich habe Sie lange aufgehalten, Sir, wie ich fürchte,« sagte er, Glossin anredend; »ich wollte Miß Bertram dahin vermögen, daß sie mit Ihnen spräche, denn nach meiner Meinung mußten Ihre Einwürfe der Nothwendigkeit weichen, welche verlangt, daß sie persönlich hört, was sie wissen soll. Indeß finde ich, daß neuerdings eingetretene Umstände, die sich nicht leicht vergessen lassen, sie so sehr abgeneigt gemacht haben, mit Mr. Glossin persönlich zu sprechen, daß es grausam sein würde, darauf zu bestehen; sie hat mich beauftragt, Ihre Aufträge, Vorschläge, oder was Sie ihr sonst zu sagen wünschen, zu empfangen.«

»Hm! hm! ich bedauere, Sir – bedauere sehr, Oberst Mannering, daß Miß Bertram glauben kann – daß ein Vorurtheil – kurz, daß – irgend etwas von meiner Seite« –

»Sir,« sagte der unbeugsame Oberst, »wo keine Anklage statt fand, sind Entschuldigungen und Erläuterungen unnütz. Tragen Sie Bedenken, mir, dem derzeitigen Vormund Miß Bertrams, die Umstände mitzutheilen, welche ihr Wohl betreffen?«

»Durchaus nicht, Oberst Mannering; sie konnte keinen achtbarern Freund wählen, auch keinen, dem ich mich offener mitzutheilen wünschte.«

»Haben Sie die Güte, zur Sache zu kommen, Sir, wenn es Ihnen beliebt.«

»Nun, Sir, es spricht sich nicht leicht auf einmal aus – doch, Mr. Hazlewood, Sie haben nicht nöthig, das Zimmer zu verlassen, – ich meine es so gut mit Miß Bertram, daß ich wollte, die ganze Welt hörte meinen Theil am Gespräch.«

»Mein Freund Mr. Charles Hazlewood wird wahrscheinlich nicht begierig sein, Mr. Glossin, das mit anzuhören, was ihn nichts angeht – und jetzt, da er uns allein gelassen hat, lassen Sie mich bitten, kurz und einfach in dem zu sein, was Sie zu sagen haben. Ich bin Soldat, Sir, und Formen und Einleitungen machen mich ungeduldig.« So sagend, nahm er seinen Stuhl ein, und erwartete Mr. Glossin's Mittheilung.

»Belieben Sie diesen Brief anzusehn,« sagte Glossin, Protocols Schreiben in Mannerings Hand legend, als welches der kürzeste Weg war, seine Sache zu erklären.

Der Oberst las, und las es noch einmal, nachdem er den Namen des Schreibers in seinem Taschenbuche bemerkt hatte. »Dies, Sir, scheint keiner langen Erläuterung zu bedürfen. – Ich werde Sorge tragen, daß Miß Bertrams Vortheil erzielt wird.«

»Jedoch, Sir, – jedoch, Oberst Mannering,« fuhr Glossin fort, »es ist noch ein anderer Umstand vorhanden, den Niemand erläutern kann, als ich. Jene Dame – jene Mrs. Margarete Bertram hat, wie ich genau weiß, eine Verfügung hinsichtlich ihrer Angelegenheiten zu Gunsten der Miß Lucy Bertram gemacht, als sie bei meinem alten Freunde, Mr. Bertram, zu Ellangowan wohnte. Der Dominie – so wurde der sehr achtbare Mr. Simson von meinem verstorbenen Freunde immer genannt – dieser und ich sind Zeugen bei der Sache gewesen. Und sie hatte volles Recht, damals eine solche Verfügung zu treffen, denn sie war Erbin des Gutes Singleside, obwohl eine ältere Schwester eine Leibrente darauf hatte. Der alte Singleside hatte ein närrisches Testament gemacht, Sir; er machte die beiden Töchter feindselig gegeneinander wie zwei Katzen, ha ha ha!«

»Ja, Sir,« jagte Mannering, ohne das leiseste Lächeln zu zeigen; »aber zur Sache. Sie sagten, diese Dame hatte das Recht ihr Gut der Miß Bertram zu vermachen, und hat sie dies gethan?«

»Allerdings, Oberst,« erwiederte Glossin. »Ich denke doch, ich verstehe das Recht – ich bin viele Jahre damit beschäftigt gewesen, und obwohl ich mich nunmehr zur Ruhe gesetzt habe, so vernachlässigte ich deßhalb doch nicht diejenige Wissenschaft, die, wie es heißt, besser als Haus und Hof ist, die Rechtswissenschaft, da ja auch schon der gemeine Reim sagt,

»Schön ist's fürwahr,
Ein Gut gewinnen, das verloren war.«

Nein, nein, ich liebe das Landleben – ich habe nur noch ein Bißchen Rechtskunde, um meinen Freunden zu dienen.«

Glossin fuhr in dieser Weise fort, weil er einen günstigen Eindruck auf Mannering hervorgebracht zu haben meinte. Der Oberst hielt in der That dafür, daß diese Umstände eine wichtige Krisis hinsichtlich der Glücksumstände Miß Bertrams mit sich führen könnten und beschloß, daß dem seine starke Neigung, Glossin aus der Thür oder dem Fenster zu werfen, keinen Eintrag thun sollte. Er legte seiner Leidenschaft einen Zaum an und beschloß, zum wenigsten mit Geduld, wenn auch ohne Freundlichkeit, bis an's Ende zuzuhören. Er ließ daher Mr. Glossin seine Lobsprüche auf sich selbst ungestört beenden, und sodann fragte er ihn, ob er wisse, wo sich die Urkunde befände?

»Ich weiß – das heißt, ich glaube, – ich glaube sie finden zu können – In solchen Fällen pflegen die Inhaber von dergleichen zuweilen Ansprüche zu machen.«

»Das soll uns nicht hinderlich sein, Sir,« sagte der Oberst, sein Taschenbuch zur Hand nehmend.

»Aber, mein theurer Sir, sie verstehen mich so undeutlich – ich sagte, manche Personen könnten solche Ansprüche machen – ich meine für die Kosten bei Fertigung der Urkunde, für die Mühe dabei u. s. w. Aber ich meinerseits wünsche nur, Miß Bertram und ihre Freunde zu überzeugen, daß ich als Ehrenmann gegen sie handle. Hier ist das Papier, Sir! Es würde mir ein Vergnügen gewährt haben, es der Miß Bertram persönlich zu überreichen und ihr Glück zu den Aussichten wünschen zu können, die es eröffnet. Aber da ihr Vorurtheil hierin so unüberwindlich ist, so bleibt mir nur übrig, es ihr mit meinen besten Wünschen durch Sie, Herr Oberst, zu übersenden und zugleich ihr die Versicherung zu geben, daß ich die Urkunde gern mit meinem Zeugnisse auf Verlangen unterstützen werde. Ich habe die Ehre, Ihnen guten Morgen zu wünschen, Sir.«

Diese Abschiedsrede ward so geschickt angebracht und hatte so sehr den Ton selbstbewußter, ungerecht verdächtigter Rechtschaffenheit, daß selbst Oberst Mannering in seiner schlechten Meinung wankend wurde. Er folgte ihm einige Stufen hinab und nahm mit mehr Höflichkeit (wiewohl immer noch kalt und förmlich) von ihm Abschied, als er ihm während des Besuchs bewiesen hatte. Glossin verließ das Haus, halb zufrieden mit dem zurückgelassenen Eindrucke, halb geärgert durch die strenge Vorsicht und stolze Zurückhaltung, womit man ihn empfangen hatte. »Oberst Mannering hätte höflicher sein können,« sagte er zu sich selbst – »nicht Jedermann vermag einen guten Wechsel von 400 Pfd. jährlich einem blutarmen Mädchen zu bringen. Singleside muß jetzt 400 Pfd. jährlich bringen – da ist Reilageganbeg, Gillifidget, Loverleß, Liealone und Spinster's Knowe – gute 400 Pfd. jährlich. Manche Leute würden an meiner Stelle ihr eigenes Beste im Auge behalten haben – und doch, um die Wahrheit zu gestehn, seh' ich, nach aller Ueberlegung, nicht ein, wie das möglich wäre.«

Glossin war kaum aufgestiegen und davon geritten, als der Oberst einen Reitknecht an Mac-Morlan abschickte und diesen, dem er die Urkunde übergab, befragte, ob sie für seine Freundin Lucy Bertram ersprießlich sein könne. Mac-Morlan durchlas das Papier mit Augen, die vor Freude leuchteten, und rief endlich: »Ersprießlich! – Dies ist völlig gewiß – Glossin hat das ganz gut gemacht; – aber« (sein Gesicht verdunkelte sich,) »die alte Schachtel, daß ich mich so ausdrücke, hat es freilich nach Belieben ändern können!«

»Ach! und wie können wir erfahren, ob sie das gethan hat?«

»Es muß ein Bevollmächtigter für Miß Bertram zugegen sein, wenn die Verlassenschaft der Gestorbenen eröffnet wird.«

»Können Sie das?« sagte der Oberst.

»Ich fürchte, ich kann es nicht,« erwiederte Mac-Morlan, »ich werde bei unserm Gerichtshofe beschäftigt sein.«

»Dann werd' ich selber gehn,« sagte der Oberst; »ich will morgen reisen. Simson soll mich begleiten – er ist Zeuge dieser Urkunde. Aber ich werde einen Anwalt nöthig haben?«

»Der Herr, welcher zuletzt Sheriff dieser Grafschaft war, steht im besten Rufe als Rechtsgelehrter, ich werde Sie an ihn empfehlen.«

»Was mir an Ihnen gefällt, Mac-Morlan,« sagte der Oberst, »ist, daß Sie immer gleich gerade auf die Sache losgehn. Geben Sie mir die Empfehlung sogleich – sollen wir der Miß Lucy davon sagen, daß sie Aussicht hat, Erbin zu werden?«

»Allerdings, denn Sie müssen Vollmacht von ihr haben, die ich sogleich aufsetzen will. Ueberdies wird sie verständig genug sein, und das ganze nur als eine gute Aussicht betrachten.«

Mac-Morlan urtheilte ganz richtig. Es ließ sich aus Miß Bertrams Benehmen nicht erkennen, ob sie allzufrohe Hoffnungen aus der so plötzlich gebotenen Aussicht schöpfte. Allerdings befragte sie im Laufe des Abends, ganz wie zufällig, Mac-Morlan, wie hoch sich wohl das jährliche Einkommen Hazlewoods belaufen möge; aber sollen wir daraus gleich den Schluß ziehen, daß sie erwogen habe, ob eine Erbin von 400 Pfd. jährlich eine passende Partie für den jungen Laird sein könne?



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