Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Was tröstest du mich nicht und hilfst mir nicht
Aus dieser grausen, blutbefleckten Höhle?
Titus Andronicus.
Groß war am nächsten Morgen die Unruhe und Verwirrung der Gerichtsdiener, als sie die Flucht ihres Gefangenen merkten. Mac-Guffog erschien vor Glossin mit einem von Branntwein und Furcht betäubten Kopfe und erhielt einen ernsten Verweis wegen Pflichtverletzung. Die Strafe schien der Friedensrichter nur vor großem Eifer, des Gefangenen wieder habhaft zu werden, zu unterlassen, und die Häscher, froh, seiner erzürnten und furchtbaren Person aus den Augen zu kommen, ließen sich in jeder Richtung (mit Ausnahme der richtigen) aussenden, um den Gefangenen womöglich wieder zu bekommen. Glossin empfahl vorzüglich eine sorgsame Durchforschung der Ruinen von Derncleugh, welche gelegentlich bei Nacht allerlei Landstreichern Zuflucht zu gewähren pflegten. Nachdem er so seine Myrmidonen in verschiedenen Richtungen zerstreut, eilte er selber auf abgelegnen Pfaden durch das Warrochholz zu der verabredeten Zusammenkunft mit Hatteraick, von dem er mit mehr Muße, als die gestrige Unterhaltung gestattete, die Umstände zu erfahren hoffte, welche die Rückkehr des Erben von Ellangowan nach seiner Heimath begleiteten.
Mit Manövern, wie sie ein Fuchs macht, wenn er die Hunde irre leiten will, bemühte sich Glossin, zu dem bezeichneten Orte auf eine Weise zu gelangen, daß keine bestimmten Spuren von seinen Tritten bleiben möchten. »Wollte der Himmel, es fiele Schnee,« sagte er, aufwärts blickend, »damit er diese Tritte bedeckte. Wenn sie einer der Gerichtsdiener entdeckte, er würde der Spur wie ein Bluthund folgen und uns überraschen. – Ich muß nach dem Strande hinabgehen und unter den Felsen hinwegzukriechen suchen.«
Er stieg daher mit einiger Schwierigkeit von den Klippen hinab und arbeitete sich zwischen den Felsen und der anwachsenden Fluth entlang hin; bald schaute er aufwärts, um zu sehn, ob seine Bewegungen von den Felsen oben beobachtet würden, bald warf er einen besorgten Blick nach der See, um zu sehn, ob sich etwa ein Boot zeige, von wo man seinen Gang bemerken könnte.
Aber selbst diese Empfindungen selbstischer Besorgniß traten eine Zeitlang in den Hintergrund, als Glossin an dem Orte vorüberging, wo man Kennedy's Leichnam gefunden hatte. Er war durch das Felsstück bezeichnet, welches mit oder hinter dem Körper von der Klippe gestürzt war. Der Block war jetzt mit kleinen Muschelthieren überzogen und von Meergras überwachsen; aber seine Gestalt und Masse unterschied sich noch immer von den andern Steinen, die hier zerstreut lagen. Seine freiwilligen Gänge hatten Glossin, wie sich leicht glauben läßt, nie zu dieser Stätte geführt; da er sich nun zum erstenmal nach jener schrecklichen Katastrophe hier befand, so stand mit einemmal jene Scene mit all' ihren Schrecken wieder vor ihm. Er erinnerte sich nun, wie er, als schuldbeladenes Wesen, aus dem nahen Versteck herzuschleichend, sich mit Besorgniß, aber auch mit Vorsicht unter die erschrockene Schaar gemischt hatte, welche den Leichnam umringte, fürchtend, daß ihn einer fragen möchte, von wannen er käme. Er erinnerte sich, wie er mit quälender Bangigkeit den schrecklichen Anblick vermieden habe. Das wilde Geschrei seines Wohlthäters: »Mein Kind! mein Kind!« klang wieder in seinen Ohren. »Guter Gott!« rief er, »ist denn auch alles, was ich gewann, diesen schrecklichen Augenblick werth, und die tausend Besorgnisse und Befürchtungen, die mir seitdem das Leben verbitterten? – O wie sehr wünsch' ich, daß ich läge, wo der unglückliche Mann liegt, und daß er statt meiner hier lebend und gesund stände! – Aber diese Klagen kommen alle zu spät.«
Indem er daher seine Gefühle unterdrückte, kam er vorwärts zu der Höhle, – welche dem Orte, wo man den Leichnam fand, so nahe war, daß die Schmuggler in ihrem Versteck die verschiedenen Vermuthungen der Anwesenden in Betreff des Schicksals ihres Opfers gehört haben konnten. Aber nichts konnte vollständiger verborgen sein, als der Zugang zu ihrem Asyl. Die Oeffnung, kaum breiter als die eines Fuchsbaues, lag an der Vorderseite der Klippe genau hinter einem schwarzen Felsstück oder aufrechtstehenden Steine, welcher sie den Fremden eben so gut verbarg, als er für die, welche den Ort als Versteck benutzten, ein Zeichen der Lage des letztern war. Der Raum zwischen diesem Stein und der Klippe war außerordentlich schmal, und da er sehr mit Sand und dergleichen umhäuft war, so hätte die genaueste Forschung den Zugang zur Höhle nicht entdecken können, wenn man nicht zuvor jene Substanzen, welche die Fluth hier angeschwemmt, beseitigt hätte. Um die Verborgenheit sicherer zu machen, pflegten die Schleichhändler, die den Ort besuchten, nach ihrem Eintritt die Oeffnung mit welkem Seegras zu verstopfen, welches sie locker davor häuften, als wenn es die Wellen angespült hätten. Dirk Hatteraick hatte diese Vorsichtsmaßregel nicht vergessen.
Glossin, obwohl ein kühner und dreister Mann, fühlte doch sein Herz schlagen und seine Kniee beben, als er sich zum Eintritt in diese Höhle heimlicher Vergehen anschickte, um mit einem Schuft Conferenz zu halten, den er als einen der verzweifeltsten und rohesten Menschen kannte. »Aber er hat kein Interesse, mir zu schaden,« damit tröstete er sich. Er prüfte seine Taschenpistolen jedoch, ehe er das Gras entfernte und eintrat, welches auf Händen und Knieen geschah. Die Passage, anfangs niedrig und schmal, so daß sie einem Menschen nur in kriechender Lage den Zugang gestattete, erweiterte sich einige Ellen nach innen zu einer hohen Wölbung von beträchtlicher Weite. Der Boden, der allmälig aufstieg, war mit dem reinsten Sande bedeckt. Ehe noch Glossin auf den Füßen stand, heulte die rauhe aber gedämpfte Stimme durch die Höhlung hervor.
»Hagel und Donner! – Bist Du's?«
»Seid Ihr im Finstern?«
»Finster? der Teufel! ja,« sagte Dirk Hatteraick; »woher sollt' ich Licht haben?«
»Ich habe Licht mitgebracht;« und darauf zog Glossin ein Feuerzeug hervor und zündete eine kleine Laterne an.
»Ihr müßt auch Feuer anmachen, denn, hol' mich der Teufel, ich bin ganz erfroren!«
»'s ist freilich ein kalter Ort,« sagte Glossin, einige verwitterte Faßdauben und Holzstücke sammelnd, die vielleicht in der Höhle lagen, seit Hatteraick das letzte Mal hier gewesen war.
»Kalt? Schneewasser und Hagel! ich konnte mich nur lebendig halten, indem ich auf und ab rannte in diesem verfluchten Loche, und an die lustigen Schmausereien dachte, die wir darin hielten.«
Die Flamme begann hell aufzuflackern, und Hatteraick bog sein verbranntes Gesicht und streckte seine harten, sehnigen Hände darüber, und zwar mit einer Gier, die der eines verhungerten Armen glich, dem man plötzlich Speise vorsetzt. Das Licht machte seine wilden und harten Züge sichtbar, und der Rauch, den er in seiner Erstarrung fast bis zum Ersticken auszuhalten schien, stieg, nachdem er um sein Haupt gewirbelt, zu der dunkeln und rauhen Decke der Höhle, durch welche er mittelst geheimer Spalten im Felsen einen Ausweg fand; wahrscheinlich durch dieselben Spalten, welche der Höhle zur Fluthzeit Luft zuführten, wo die Oeffnung nach der See mit Wasser bedeckt war.
»Und nun hab' ich Euch auch ein Frühstück mitgebracht,« sagte Glossin, einige kalte Küche und eine Flasche Branntwein zum Vorschein bringend. Die letztere ergriff Hatteraick begierig und setzte sie an den Mund; und nach einem derben Zuge rief er mit großem Entzücken: »Das schmeckt! – das ist gut – das wärmt die Eingeweide!« – dann sang er das Bruchstück eines deutschen Liedes:
»Saufen Bier und Branntewein,
Schmeißen den Bauern die Fenster ein;
Ich bin liederlich,
Du bist liederlich –
Sind wir nicht liederliche Leute!«
»Wohlgesprochen, mein wackerer Capitain!« rief Glossin, bemüht, in denselben lustigen Ton einzustimmen:
»Branntwein muß und Wein behagen,
Und die Fenster eingeschlagen!
Sind wilde Bursche, brave Kerls,
Drei wilde Bursche doch;
Du auf dem Land, ich auf dem Sand,
Und Jack am Galgen hoch!«
»So geht's, mein Junge! nun, Ihr seid ja nun wieder aufgelebt! – und nun laßt uns ein Bischen von unserm Geschäfte schwatzen.«
» Euer Geschäft, wenn Ihr's erlaubt,« sagte Hatteraick; »Hagel und Donner! – mein's war abgemacht, so wie ich aus den Ketten war.«
»Geduld, mein guter Freund; – ich will Euch überzeugen, daß unsre Vortheile gemeinsam sind.«
Hatteraick antwortete nur mit einem kurzen, trockenen Husten, und Glossin fuhr nach einer Pause fort:
»Wie kam's, daß Ihr den Knaben entwischen ließt?«
»Ei, Fluch und Hagelwetter! er ging mich gar nichts an. Leutnant Brown gab ihn seinem Vetter, in das Middelburger Haus Vanbeest und Vanbrüggen, und machte dem so was weiß, wie man ihn in einem Scharmützel mit Land-Buschkleppern gefangen hätte – er gab ihn als Laufjungen hin. Ich ihn entwischen lassen! – ich habe mich nicht im mindesten um den Racker bekümmert.«
»Gut, und er ward also als Bedienter erzogen?«
»Nein, nein; der Junge gewann des alten Mannes Herz, der gab ihm seinen eignen Namen, erzog ihn im Geschäft und schickte ihn nach Indien – Er würde ihn, glaub' ich, hieher zurückgesandt haben, aber sein Neffe machte ihm deutlich, daß es den freien Handel für manches Jahr aufheben würde, wenn der Junge wieder nach Schottland käme.«
»Meint Ihr, der junge Mann wisse jetzt mehr von seiner Herkunft?«
»Teufel,« erwiederte Hatteraick, »wie kann ich denn sagen, was er jetzt weiß? aber was er einmal weiß, vergißt er nicht so leicht. Als er nur zehn Jahr alt war, überredete er einen andern Teufelsbuben aus England, unser Boot stehlen zu helfen, um damit nach seinem Heimatlande, wie er's nannte, zurückzukehren – daß ihn die Pest! Ehe wir ihrer habhaft werden konnten, war der Nachen schon weit fort – im Meere wär' er verloren gewesen.«
»Wollte der Himmel, dies wäre geschehn – das Boot mit ihm zugleich!« rief Glossin.
»Ei, ich war selber so böse, Sapperment! daß ich ihm einen derben Stoß gab – aber der kleine Teufel schwamm wie eine Ente; ich ließ ihn wohl eine Meile schwimmen, um ihn Sitte zu lehren, und dann erst nahm ich ihn wieder ein, als er zu sinken begann. – Aber wahrlich, er wird Euch nun hier plagen, da er wiedergekommen! Als er nur erst so groß war, hatt' er schon einen Geist und Muth wie Donner und Blitz.«
»Aber wie kam er von Indien zurück?«
»Ei, wie kann ich das wissen? – Das Haus dort war gefallen und dadurch erhielten auch wir in Middelburg einen Stoß, denk' ich – drum schickten sie mich wieder aus, um zu sehn, was etwa mit unsern alten Bekannten hier anzufangen wäre – denn wir glaubten, alte Geschichten wären abgethan und vergessen. Wir hatten mit den beiden letzten Reisen einen hübschen Handel in Gang gebracht, aber der arme hundsföttische Schelm, der Brown, hat Alles wieder schlimm gemacht, wie ich vermuthe, weil er sich von dem Obersten erschießen ließ.«
»War't Ihr denn nicht mit dort?«
»Sapperment, Ihr seht, ich fürchte nichts – aber es war zu tief im Lande und da hätte man mich leicht ausspüren können.«
»Freilich. Aber um wieder auf den Junker zu kommen« –
»Ja, ja, Donner und Blitz! Er ist Euer Geschäft« – sagte der Capitain.
»Wißt Ihr denn wirklich, daß er in diesem Lande ist?«
»Nun, Gabriel hat ihn im Gebirge gesehn.«
»Gabriel! wer ist das?«
»Ein Kerl von den Zigeunern, der vor etwa achtzehn Jahren zum Seedienst gepreßt wurde. Er war es, der uns warnte und die Nachricht brachte, daß der Haifisch Jagd auf uns mache, am nämlichen Tage, wo Kennedy umkam; er berichtete, daß Kennedy die Anzeige von uns gemacht hatte. Die Zigeuner und Kennedy hatten ohnedies Zwist mit einander. Dieser Gabriel ging im nämlichen Schiff mit Eurem Junker nach Ostindien, und kannte denselben recht gut, Sapperment! obwohl der Andre sich seiner nicht erinnerte. Gabriel wich ihm aus, weil er den Holländern gegen England gedient hatte und obendrein Deserteur war; er gab uns auch sogleich die Nachricht, damit wir wissen möchten, er sei hier – wiewohl uns das gar nichts angeht.«
»Nun denn, aufrichtig und mit nüchternem Ernste gesprochen, ist er in der That in diesem Lande, Hatteraick?« fragte Glossin.
»Wetter und Donner, ja! Wofür haltet Ihr mich?«
Für ein blutdürstiges, furchtloses Ungeheuer, – dachte Glossin im Stillen; laut aber sagte er: »Und wer von Euren Leuten war es, der den jungen Hazlewood schoß?«
»Sturm und Wetter!« sagte der Capitain, »haltet Ihr uns für toll? – keiner der Unsern, Mann. Gott, das Land war ohnehin gegen uns erbittert, des dummen Streiches wegen, den Brown bei dem Hause Woodbourne beging.«
»Aber mir ward gesagt,« antwortete Glossin, »Brown habe den Hazlewood geschossen.«
»Nicht unser Leutnant, verlaßt Euch darauf; denn er lag schon sechs Fuß tief zu Derncleugh den Tag vorher, eh' die Sache geschah! – Tausend Teufel! Mensch – meint Ihr, er könne aus der Erde aufstehen, um einen andern zu erschießen?«
Hier begann Glossin in seinem Chaos von Ideen ein Licht aufzugehen. »Sagtet Ihr nicht, daß der Junker, wie Ihr ihn nennt, den Namen Brown führe?«
»Brown? Ja – Vanbeest Brown; der alte Vanbeest Brown, von unserm Hause Vanbeest und Vanbrüggen, gab ihm seinen eignen Namen – das hat seine Richtigkeit.«
»Dann,« sagte Glossin, die Hände reibend, »ist er es, der das Verbrechen beging, beim Himmel!«
»Und was geht uns das an?« fragte Hatteraick.
Glossin schwieg, und überdachte im Stillen eilig, aber geschickt, seinen Plan, worauf er den Schmuggler mit einer vertraulichen Miene näher an sich heranzog. »Ihr wißt, mein lieber Hatteraick, es ist unser Hauptgeschäft, diesen jungen Mann los zu werden.«
»Hm!« antwortete Dirk Hatteraick.
»Nicht,« fuhr Glossin fort, »nicht, als ob ich ihm persönliches Leid zuzufügen wünschte – wenn – wenn – wenn es ohne das geschehn kann. Nun, er kann leicht verhaftet werden, einmal, weil er denselben Namen mit Eurem Leutnant führt, der in die Affaire bei Woodbourne verwickelt war, und dann, weil er auf den jungen Hazlewood schoß, um ihn zu tödten oder zu verwunden.«
»Ja, ja,« sagte Dirk Hatteraick; »aber was soll Euch das nützen? Er wird wieder los kommen, sobald er zeigt, daß er andere Farben führt.«
»Wahr, mein lieber Dirk; wohl bemerkt, mein Freund Hatteraick! Aber es ist doch Grund genug zu einer temporären Gefangenschaft vorhanden, bis er seine Legitimationen von England oder sonstwoher beibringt, mein guter Freund! Ich kenne die Gesetze, Capitain Hatteraick! Und ich will es auf mich nehmen, auf mich, Gilbert Glossin von Ellangowan, Friedensrichter der Grafschaft – –, seine Bürgschaft zu verwerfen, brächte er auch die beste im Lande, – nun, wo denkt Ihr, daß ich ihn einkerkern werde?«
»Hagel und Wetter! was kümmert das mich?«
»Halt, mein Freund – es muß Euch bedeutend kümmern. Wißt Ihr, daß Eure Güter, die weggenommen und nach Woodbourne gebracht wurden, nun im Zollhause zu Portanferry liegen?« (Es ist dies ein kleiner Fischerort.) »Nun bringe ich diesen Junker« –
»Sobald Ihr ihn haben werdet?«
»Ja, ja, wenn ich ihn haben werde; ich werde damit bald zu Stande kommen – ich will ihn in das Arbeitshaus bringen, welches, wie Ihr wißt, neben dem Zollhause liegt.«
»Ja, das Arbeitshaus kenn' ich sehr gut.«
»Ich werde dafür sorgen, daß die Rothröcke im Lande zerstreut sein sollen; Ihr landet Nachts mit der Mannschaft Eures Fahrzeugs, nehmt Eure Güter, und führt den Junker Brown mit Euch davon. Wollt Ihr das thun?«
»Ja, nach Holland führen wir ihn,« sagte der Capitain, »oder – nach Amerika?«
»Ja, ja, mein Freund.«
»Oder – nach Jericho.«
»Pfui! wo habt Ihr nur Eure Gedanken.«
»Ja; oder – ihn über Bord werfen?«
»Nein, ich rathe nicht zu Gewaltthat.«
»Nein, nein – Ihr überlaßt das mir. Sturm und Wetter! ich kenn' Euch von Alters her, aber, hört an, was werde ich, Dirk Hatteraick, davon haben?«
»Ei, ist es nicht Euer Bestes so gut, wie das meine?« sagte Glossin; »überdies hab' ich Euch diesen Morgen frei gemacht.«
» Ihr mich frei gemacht? – Donner und Teufel! ich machte mich selber frei.«
»Ei, wir wollen doch nicht scherzen; – bedenkt, es ist Eure Angelegenheit so gut, als die meine.«
»Was schwatzt Ihr von meiner Angelegenheit? waret Ihr es nicht, der das ganze Vermögen des Junkers nahm? Dirk Hatteraick hat nie einen Batzen davon gesehn.«
»Still, still, – ich sag' Euch, der Gewinn soll gemeinschaftlich werden.«
»Ei, wollt Ihr mir die Hälfte des Gutes geben?«
»Was, das halbe Gut? – meint Ihr, wir könnten zusammen zu Ellangowan wohnen, und die Baronie gemeinsam haben?«
»Sturm und Wetter, nein! aber Ihr könntet mir die Hälfte des Werthes geben, das halbe Geld. Mit Euch leben? nein – ich habe selber ein Lusthaus zu Middelburg, und einen Blumengarten, wie der des Bürgermeisters.«
»Ja, und einen hölzernen Löwen an der Thür, und eine gemalte Schildwache im Garten, mit einer Pfeife im Munde! – Doch, hört an, Hatteraick; was werden Euch all' diese Tulpen, Blumengärten und Lusthäuser in den Niederlanden nützen, wenn Ihr hier in Schottland gehängt seid?«
Hatteraick's Züge verdunkelten sich. »Der Teufel! gehängt?«
»Ja, gehängt, Mynheer Capitain. Der Teufel wird schwerlich den Dirk Hatteraick davor bewahren, als Mörder und Kinderdieb gehangen zu werden, sobald der Junker von Ellangowan sich in diesem Lande niederläßt, und wenn der wackere Capitain etwa ertappt würde, während er seinen guten Schleichhandel wieder einrichtet. Und, ich will nichts behaupten, – aber man schwatzt jetzt viel vom Frieden, und die Generalstaaten dürften Euch wohl, den neuen Bundesgenossen zu Gefallen, ausliefern, selbst wenn Ihr Euch im Vaterlande befändet.«
»Potz Hagel, Blitz und Donner! ich – ich glaube, Ihr habt recht.«
»Nicht,« sagte Glossin, welcher merkte, daß er den erwünschten Eindruck hervorgebracht hatte, »nicht etwa, als ob ich unhöflich sein möchte;« dabei ließ er in Hatteraick's nicht widerstrebende Hand eine Banknote von beträchtlichem Werthe gleiten.
»Ist das Alles?« sagte der Schmuggler; »Ihr bekamt den Werth einer halben Ladung, nur daß Ihr schweigen solltet, während Ihr uns selber für Euer Bestes sorgen ließt.«
»Aber, mein guter Freund, Ihr vergeßt – in diesem Falle sollt Ihr all' Eure eignen Güter wieder erhalten.«
»Ja, indem wir all' unsre eignen Hälse dranwagen – das könnten wir ohne Euch thun.«
»Daran zweifle ich, Capitain Hatteraick,« sagte Glossin trocken, »weil Ihr wahrscheinlich ein Dutzend Rothröcke im Zollhause finden würdet, die ich meinerseits, wofern wir über die Sache einig werden, schon entfernen werde. Wohlan, ich will so freigebig sein, als ich kann, aber Ihr solltet auch ein Gewissen haben.«
»Nun, strafe mich der Teufel! – das reizt mich mehr auf, als alles Uebrige! – Ihr raubt und Ihr mordet, und Ihr braucht mich zum Rauben und Morden, und Ihr macht den Geldräuber und Kinderdieb, wie ihr's nennt, wohl ein Dutzend mal, und dann, Hagel und Sturmwind! wollt Ihr mir auch noch von Gewissen reden! – Könnt Ihr denn kein besseres Mittel erdenken, Euch jenen unglücklichen Burschen vom Halse zu schaffen?«
»Nein, Mynheer; aber da ich ihn Eurer Obhut übergebe« –
» Meiner Obhut – der Obhut von Eisen und Pulver! und – wohlan, wenn es sein muß, muß es sein – aber Ihr habt Verstand genug, um zu wissen, was draus entstehen kann.«
»O, mein lieber Freund, ich hoffe, es wird keine Strenge nöthig sein,« erwiederte Glossin.
»Strenge!« sagte der Kerl, mit einer Art Seufzer, »ich wollte, Ihr hättet geträumt wie ich, als ich zuerst in dies Hundeloch kam, und auf dem dürren Seegras einzuschlafen suchte. – Erstlich war jener verdammte Kerl mit dem gebrochenen Rücken da, sich ganz so geberdend, als da ich den Felsblock über ihn hinabrollte – ha, ha! Ihr hättet geschworen, er liege auf der Stelle da, wo Ihr steht, zuckend wie ein zertretener Frosch – und sodann« –
»Nein, mein Freund,« sagte Glossin, ihn unterbrechend, »wozu soll dieser Unsinn? – wenn Ihr hasenherzig geworden seid, nun, so ist das Spiel aus – aber mit uns beiden zugleich.«
»Hasenherzig? – nein. Ich habe nicht so lange gelebt, um zuletzt furchtsam zu werden, – mag nun der Teufel oder ein Mensch gegen mich kommen.«
»Nun gut; nehmt noch einen Schnaps zu Euch – Euer Herz ist noch nicht erwärmt genug. Und nun sagt mir, sind einige Eurer alten Kameraden mit da?«
»Nein – alle todt, erschossen, gehängt, ertrunken, und verdammt. Brown war der letzte – Alle todt, außer dem Zigeuner Gabriel, und der würde für eine Kleinigkeit gern daran gehen – oder er wird auch seiner selbst willen schweigen – oder die alte Meg, seine Muhme, wird ihn ruhig halten.«
»Welche Meg?«
»Meg Merrilies, das alte Teufelsstück von Zigeunerhexe.«
»Lebt sie noch?«
»Ja.«
»Und in dieser Gegend?«
»Und in dieser Gegend. Sie war mit zwei von meinen Leuten in Derncleugh, auch einige ihres eigenen Zigeunergesindels waren dabei.«
»Das ist wieder ein schlimmer Punkt, Capitain! Sie wird doch nicht plaudern, wie?«
»Sie nicht, sie gewiß nicht – sie schwur uns hoch und theuer, wenn wir dem Kinde kein Leid thäten, so wollte sie nie sagen, wie es dem Zöllner gegangen. Ja, seht, obwohl ich ihr in der Hitze einen Hieb mit meiner Klinge gab, und ihr den Arm verwundete, und obwohl sie der Geschichte wegen in Eurem Burgflecken hernach lange gefangen saß: – der Teufel! die alte Meg war so treu wie Stahl.«
»Nun, das ist allerdings wahr,« erwiederte Glossin. »Aber gleichwohl wäre es am Ende doch gut, wenn man sie nach Zeeland, Hamburg oder – sonstwohin schaffen könnte.«
Hatteraick sprang empor und stellte sich kerzengerade auf, Glossin vom Kopf bis zu den Füßen betrachtend. – »Ich sehe zwar den Pferdefuß nicht,« sagte er, »und doch muß es der Teufel selber sein! – Aber Meg Merrilies ist noch vertrauter mit dem Kobold, als Ihr – ja, und ich habe nie so böses Wetter gehabt, als nachdem ich ihr Blut vergossen hatte. Nein, nein, mit ihr will ich nichts mehr zu thun haben – sie ist eine Teufelshexe – eine eingefleischte Teufelin – aber das ist ihre Sache. Donnerwetter! ich will ganz und gar nichts mit ihr zu schaffen haben. – Was aber das andre anlangt – nun, wenn nur der Handel nicht leidet, so will ich Euch bald von dem Junker befreien; laßt mich nur wissen, wenn Ihr ihn habt.«
Mit kurzen und gedämpften Worten besprachen die würdigen Gesellen ihr Unternehmen, und bestimmten den Zufluchtsort, wo sich Hatteraick finden lassen sollte. Das Verweilen seines Fahrzeugs an der Küste fand keine Schwierigkeit, da zu dieser Zeit keine königlichen Schiffe gegenwärtig waren.