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Vierzehntes Kapitel.

Der Page Roland blieb am Eingange zum Hofe stehen und warf einen Blick voll des lebhaftesten Interesses über das Bild, das seinen Augen sich hier bot. Allerhand Gruppen von Leuten standen umher. Solche in glänzender Tracht, aber mit nachdenklichen Mienen, offenbar bedrückt, entweder durch öffentliche, oder durch persönliche Angelegenheiten – greise Staatsmänner mit gebietenden Blicken, im pelzverbrämten Mantel und in Zobelschuhen, Kriegsmänner in Büffelwams und Stahlhaube, mit dichtem Schnauzbart und finstrer Stirn, die ihr langes Schwert klirrend hinter sich auf dem Pflaster herschleiften, dazwischen Dienstmannen, unterwürfig gegen den Herrn und Gebieter, keck, frech und schlagfertig gegen jeden, der im Range unter ihnen stand; dann armes Bittstellervolk mit verzagten Mienen und schüchternen Blicken, Beamte, erfüllt von der bescheidnen Würde, die ihnen anheimfiel, stolze Priester, auf den Fang einer fetten Pfründe, noch stolzere Barone, auf den Fang eines noch fettern Stückes Kirchenland erpicht, Räubervolk aus dem Landadel, das Pardon suchte für andern Leuten angetanen Schaden, und ausgeraubte Hörige und Bauern, die Ersatz forderten für erlittnen Schaden ... dort hielten Scharwächter Musterung ab über ihre Kommandos, hier wurden Boten abgeordert oder empfangen, vorm Tore wieherten und stampften Rosse, drinnen blitzten Waffen, klirrten Sporen, wehten Standarten und Federn. Kurz, es war ein Durcheinander von Farben und Pracht und Staat, daß für ein jugendliches Auge den Höhepunkt alles Schönen und Sehenswürdigen bildet, dem Auge des erfahrenen Mannes aber als ein Meer von Ungewißheit, Trug und Falsch- und Hohlheit, von Hoffnungen, die nie Wirklichkeit werden, von Verheißungen, die nie Erfüllung finden, erscheint.

Adam Woodcock war des Bildes bald überdrüssig, in dessen Anblick sein jugendlicher Gefährte noch immer versunken stand, und freute sich lebhaft, in einem stattlichen Diener des Hofgesindes unter tiefgrüner Mütze mit wallendem Federbusch ein bekanntes Gesicht zu erblicken.

Im andern Augenblick schon ertönte aus beider Leute Mund der Ruf: »Schockschwerenot! trügen mich nicht meine Augen? Seid Ihr's wirklich, alter Kamerad?« und dann setzte der eine der Frager den Namen Adam Woodcock, der andre den Namen Michael Wingthewind hinzu.

Und dann kam die Unterhaltung rasch in Fluß.

»Na, was macht denn die Windspielhatz?« fragte Woodcock.

»Damit wird's alle Jahre schwächer, wie mit den Kräften auch. Vier Beine tragen keinen Hund ewig, wir halten die Hatz zur Zucht, und auf diese Weise entgeht sie dem Ersäufen. – Sonst wär sie schon lang um die Ecke. Doch was steht Ihr und gafft? Der gnädige Herr Regent hat schon wiederholt gefragt, ob Ihr schon da seiet?«

»So? Graf Murray hat sich erkundigt nach mir? der Reichsregent nach Adam Woodcock?« fragte der Falkner.

»Hm, diesen Morgen war Graf Morion bei ihm. Er kam in gar böser Stimmung. Wenn ihm was im Kopfe steckt, diesem Herrn, dann sieht er aus wie der leibhaftige Teufel. Ich war grade im Zimmer drin, weil ich Instruktion einholen mußte wegen einer Falkenhecke, die von Danoway geholt werden soll, da wetterte Graf Morton los, ob das ehrliches Spiel sei, für seinen Bruder sei ihm die Kommenthurei von Kennaqhueir in Aussicht gestellt worden mit der festen Zusage, daß eine königliche Domäne draus geschaffen werden solle zu seinen gunsten, und nun hätten die falschen Mönche die Frechheit gehabt, einen neuen Abt zu wählen, der nun seinem Bruder mit seines Rechten in den Weg treten würde. ... Zudem hat das Gesindel aus der Nachbarschaft alles, was in der Abtei noch niet- und nagelfest war, verbrannt und zerschlagen und ausgeplündert, so daß der Grafenbruder, wenn er die faulen Hunde von Pfaffen hinausgejagt hätte, nicht einmal wüßte, wohin er sein Haupt legen solle. Mein gnädiger Herr hat ihm freilich drauf gesagt, wenn daran was Wahres sei, dann hätte ihm Ritter Halbert Glendinning gewiß schon berichtet, vornehmlich wenn im Kloster ein Abt gewählt, oder die Abtei zerstört worden sein solle. Da hat denn der Graf gesagt, der neu gewählte Abt sei der Bruder von Glendinning, und er habe schon immer, wenn auch leeren Ohren, gepredigt, man dürfe sich auf diesen in den Adel erhobnen Bauerssohn nicht allzu viel verlassen. Das hat aber mein gnädiger Herr nicht aufkommen lassen, sondern hat Euern Herrn mächtig herausgebissen, an dessen Treue sei nicht zu zweifeln, und dafür stehe er ein, u. s. w., wenn aber, was Wahres dran sei, dann erwarte er von Glendinning die Kutte eines gehängten Mönches und den Kopf eines der aufrührerischen Bauern zu bekommen, und zwar als Opfer einer gestrengen und prompten Justiz! Da ist denn Graf Morton still geworden und hat das Feld geräumt, wenn auch, wie mir vorkam, in etwas bedrückter Stimmung. Aber seitdem hat mein gnädiger Herr schon ein paarmal gefragt, ob denn noch immer kein Bote von Glendinning da sei ... Und wenn ich Euch das erzählt habe, Woodcock, so ist's darum geschehen, weil ich dachte, Ihr könntet Eure Rede danach einrichten, wenn Euch mein gnädiger Herr ausfragt, denn ich vermute, wenn so was verlautete, wie Graf Morton hat verlauten lassen, dann möcht's mit der guten Laune und Wohlmeinenheit bei meinem Herrn vorbei sein!«

Ob mancher Dinge in diesen Mitteilungen zog sich Woodcocks Gesicht gewaltig in die Länge, und er fragte beklommen:

»Was war's, was dieser grimmige Graf Morton von einem Bauerntropfe sagte?«

»Aber das war ja nicht der Graf Morton, sondern mein gnädiger Herr, der Regent selber!« erwiderte Michael Wingthewind; »der sagte, er rechne drauf, daß Euer Ritter, wenn sich Gesindel an der Abtei vergriffen hätte, ihm den Kopf des Rädelsführers überschicke.«

»Ach, von Zerstörung ist ja gar nicht die Rede gewesen,« erklärte Woodcock mit wachsender Beklommenheit, »höchstens sind bei dem bißchen Radau ein Paar bunte Scheiben eingeschlagen, und ein paar Heilige in ihren Gräbern gestört worden. Um die Abtei, in Brand zu stecken, ist ja gar nicht mal Zünddocht da gewesen, geschweige Lunte oder Feuerstahl. Darauf habe ich bei der Affäre von Anfang an gesehen.«

»Was sagt Ihr da, Woodcock?« rief sein Kamerad, »Ihr habt doch hoffentlich nicht die Hand dabei im Spiele gehabt? Da sollt's mir leid tun, Euch in Schrecken jagen zu müssen, zudem Ihr grade erst von der Reise kommt. Aber ich kann Euch bloß sagen, der Graf Morton hat von Halifax eine Jungfer mitgebracht, so was habt Ihr in Eurem Leben noch nicht gesehen! die umarmt Euch und behält Euren Kopf in den Armen, während Euer Leib in einen Trog zu ihren Füßen kollert.«

»Schwatzt nicht solches Zeug! ich bin doch zu alt, daß mir solche Vettel noch den Kopf verdrehen könnte! Lord Morton mag ja schmücken Dirnen gern nachlaufen. Aber was braucht er darum nach Halifax zu laufen, und wenn er sich dort ein Liebchen holt, was hat das mit meinem Kopfe zu schaffen?«

»Hm, eine ganze Menge!« meinte Michael Wingthewind, »die Herodias hats Kopfabsäbeln nicht schlechter verstanden als diese Mortonsche Jungfer aus Halifax! Das Beil fällt ganz von selbst herunter und erspart alle Henkersarbeit ...«

»Meiner Treu, eine hundsföttische Erfindung, vor der einen der Himmel bewahren möge!« sagte Woodcock.

Dem Pagen schien über dieser Unterhaltung der beiden alten Kameraden die Geduld auszugehen. Er unterbrach sie jetzt durch die Bemerkung, ob Woodcock nicht besser tun möchte, den Brief an den Regenten abzugeben, den ihm der Ritter zur Befolgung mitgegeben habe?

»Der Bursch hat recht,« meinte Wingthewind, »der gnädige Herr wird sicher begierig sein, ihn zu lesen. Es läßt sich doch annehmen, daß über die Vorgänge in Kennaqhueir drin berichtet wird.«

»Der Bursche ist klug genug, sich den Rücken frei zu halten,« sagte Woodcock, »und an anderm fehlt's ihm schließlich auch nicht. Ich dächte, Herr Roland, am Ende wär's das gescheiteste, Ihr überbrächtet dem Lordregenten selbst das ritterliche Schreiben. Ein junkerlicher Page findet wohl leichter freundliches Gehör bei solchem Herrn als ein ausgedienter Falkner.«

»Das mag wohl sein, Ihr, alter Schlaumeier von Yorkshirer Blut. Aber mir kam's doch anfangs so vor, als ob Ihr selber recht erpicht drauf seiet, dem Regenten vor die Augen zu treten? Und nun wollt Ihr den jungen Menschen ins Feuer schicken? Meint Ihr am Ende, die Mortonsche Jungfer schnitte lieber solchen schmucken Hals durch als Euren sonnverbrannten alten?«

»Dein Witz, mein Lieber, versteigt sich zu hoch, um zu treffen,« erwiderte mit beklommenem Lachen der Falkner, »aber der Jüngling läuft keine Gefahr. Darauf könnt Ihr rechnen! hat er doch mit dem Mummenschanz vor der Abtei nicht das mindeste zu tun gehabt, was ihm zum Schaden werden könnte. Aber eine feine Komödie war's, das muß ich Euch sagen. Bloß schade, daß wir nicht mehr dazu kamen, die feine Ballade abzusingen, die ich expreß dazu gedichtet und komponiert hatte. Aber basta! Bring den jungen Menschen vor zur Audienz, ich will hier bleiben und warten, mit dem Zügel in der Faust, wie die Geschichte ausgeht. Nimmt's, schlimme Wendung, dann denk ich, soll bald eine Meile zwischen dem Herrn Regenten und meiner Wenigkeit liegen.«

»Nun, dann kommt, mein junger Herr,« wandte sich Michael Wingthewind an den Pagen, »wenn's doch nicht anders sein soll, als daß Ihr vor dem schlauen Yorkshirer Bauern in den Sprenkel geht.«

Mit diesen Worten ging er Roland voraus, der ihm auf dem Fuße folgte. Durch eine Reihe von gewundnen Gängen gelangten sie zu einer breiten steinernen Wendeltreppe, die sie nach dem obern Stockwerk hinauf führte. Hier wendete sich der Führer seitwärts und stieß die Tür eines finstern, modrig riechenden Vorzimmers auf. So finster war es, daß der Page fast über eine niedrige Stufe gestolpert wäre, die seltsamerweise grade vor der Schwelle angebracht war.

»Vorsicht!« mahnte der Führer den Pagen, ängstlich sich umsehend, ob ihn auch niemand belausche – – »Vorsicht, junger Freund! denn wer auf den Dielen hier stolpert, erhebt sich nicht wieder. Schau her,« fuhr er fort, mit noch leiserer Stimme als bisher und zeigte auf ein paar dunkelrote Flecke auf dem Fußboden und verschiedene Spritzer an der Wand, auf die aus einer schmalen Klause ein Lichtstreif fiel, »schau her! und setz behutsam Deine Füße, Jüngling, denn hier sind vor Dir Männer gefallen!«

»Was bedeutet Eure Rede?« fragte der Page, den eine Gänsehaut überlief, ohne daß er sich sagen konnte, warum ... »Ist das Blut?«

»Ja doch, ja doch,« sagte der Diener, noch immer flüsternd, und zog den Pagen hinter sich her. »Blut ist es, aber jetzt ziemt es sich nicht, danach zu fragen oder danach zu schauen ... Blut, greulich und grausig vergossen, und greulich und grausig gerochen! ... es ist,« und seine Stimme sank zu noch tieferem Geflüster, »das Blut des Signor David.«

Roland klopfte das Herz, als er sich so unvermutet an der Stelle sah, wo Rizzio, der Sänger, ermordet worden war, ein Mord so furchtbar, daß die Kunde davon selbst in jener wilden, Zeit alle Gemüter, in Palast und Hütte, mit Grausen erfüllt hatte und auch bis nach Avenel gedrungen war. Aber sein Führer drängte ihn, als hätte er über ein gefährliches Thema bereits zuviel gesprochen. Er klopfte an eine niedrige Tür am Ende des Vorgemachs, ein Türsteher kam herbei und nahm Michaels Anmeldung entgegen, daß ein Page vom Ritter von Avenel da sei und Briefe zu überreichen habe.

»Der Staatsrat will grade auseinander gehen,« sagte der Türsteher, »aber gebt mir die Briefe, vielleicht entschließt sich Seine Gnaden, den Boten vorzulassen.«

»Mein Auftrag lautet, die Briefe an den Regenten selbst abzugeben,« erwiderte Roland.

Der Türsteher maß den Pagen vom Kopf bis zu den Füßen, gleich als ob ihn seine Keckheit in Staunen setzte. Dann fuhr er ihn an:

»So, so, mein Herrlein? für ein Kücken krähst Du ja schon ziemlich laut, obendrein für eins aus dem Bauernstall!« »Wäre Zeit und Ort angemessen,« sagte Roland, »dann wollt ich Dir zeigen, daß ich mehr als krähen kann. Aber tut was Eures Amtes ist, und laßt Euren Herrn wissen, daß ich seiner Befehle mich gewärtig halte.«

»Du bist ein Naseweis, mir von dem zu reden was meines Amtes sei,« erwiderte der diensttuende Türsteher, »aber es wird sich schon Zeit und Gelegenheit finden, Dir zu zeigen, was Deines Amtes ist. Vorläufig kannst Du ja hier auf Bescheid warten.«

Mit diesen Worten schlug er Roland die Tür vor der Nase zu, erschien aber sehr bald wieder mit der Weisung, die er in wesentlich höflicherm Tone ausrichtete. Seine Gnaden der Regent wolle die Botschaft des Ritters von Avenel entgegenzunehmen geruhen.

Demzufolge geleitete er Roland Gräme in ein Gemach, das ganz wie eine Kanzlei eingerichtet war. Der Regent, der an einem mit Akten bedeckten Tische saß, drehte sich langsam um, als die Tür aufging. Seine Züge zeigten den Ausdruck trüben Ernstes. Er war einfach gekleidet, in schwarzen Samt, nach niederländischer Mode; das einzige, was an ihm auffällig hätte sein können, war eine demantne Agraffe, die an der Seite des hohen Hutes steckte, den er auf hatte. An der Seite trug er einen Dolch, und auf einer langen eichnen Tafel, die in der Mitte des Gemaches stand, lag ein Schwert.

Huldvoll nahm er das Schreiben aus der Hand Rolands entgegen und winkte huldvoll mit der Hand, als Roland versuchte, den ihm aufgetragen Gruß des Ritters von Avenel auszurichten. Ja er zögerte einen Augenblick, ehe er den seidnen Faden löste, der das Schreiben zusammenhielt, um Roland, an dessen Zügen er offenbar Wohlgefallen fand, nach dem Namen zu fragen.

»Roland Gräme heiße ich,« antwortete der Page. »Gräme?« wiederholte der Regent, indem er den Namen wiederholte. »Etwa vom Geschlechte der Grahams von Lennox?« »Nein, gnädiger Herr,« erwiderte Roland, »meine Eltern haben in dem bestrittnen Lande gewohnt.«

Murray fragte nicht weiter, sondern las in dem Schreiben des Ritters weiter. Bald aber trat ein düstrer Ausdruck auf seine Stirn wie bei jemand, der von etwas Kunde erhält, die ihn zugleich verwundert und beunruhigt. Er überlas den Brief nochmals, dann lehnte er sich ein paar Augenblicke in dem Stuhle zurück. Als er nach einer Weile aufblickte, traf sein Blick den Türsteher, der sich vergeblich bemühte, einen unbefangnen Ausdruck zu zeigen. Der Regent hatte recht gut den spähenden Blick bemerkt, mit welchem der Diener jedem Zug auf dem Angesichte seines Herrn verfolgte.

»Hinaus, Hyndham,« rief in strengem Ton der Regent, »stell Deine Betrachtungen anderswo an als hier. Du bist mir schon lange zu pfiffig für Deinen Posten, für den ein Schwachkopf besser geeignet ist. So! diese Miene kleidet Dich schon besser, aber es ist Dir bloß nicht darum Ernst. Behalte diese dumme Miene, damit Du Dir Deinen Dienst erhältst ... Und nun hinaus, Patron!«

Zitternd verschwand der Türsteher, mit vermehrtem Grolle auf Roland blickend, weil dieser von dem Unwillen des Regenten gegen ihn unwillkürlich Zeuge gewesen war. Sobald der Regent mit Roland allein war, stellte er an diesen die Frage:

»Armstrong, sagtet Ihr, sei Euer Name?«

»Nein, Gräme,« erwiderte der Page, »Roland Gräme, dessen Eltern im bestrittnen Lande gewohnt haben unter dem Namen Heathergill.«

»Richtig, richtig. So sagtet Ihr ja vorhin. Habt Ihr Bekanntschaft in Edinburg?«

»Gnädiger Herr,« versetzte Roland, bemüht die Frage zu umgehen, statt, unmittelbar zu beantworten, denn sein Abenteuer mit Lord Seyton zu verschweigen, gab ihm ein guter Genius ein – »ich bin kaum eine Stunde in Edinburg und zwar zum erstenmal in meinem Leben.«

»Was? und Ihr seid Page bei Sir Halbert Glendinning?« fragte der Regent.

»Ich bin als Page der Schloßherrin erzogen worden,« erklärte der Jüngling, »und habe das erste Mal in meinem Leben den Fuß aus dem Schlüsse von Avenel gesetzt.«

»Page der Schloßherrin?« wiederholte wie in Gedanken der Regent. »Sonderbar, in solch wichtiger Angelegenheit den Pagen seiner Frau zu schicken! Morton wird sagen, es sei das Gegenstück zur Abtwahl des Bruders, und doch ist in gewisser Hinsicht dieser unerfahrene Jüngling der tauglichste Bote: Was ist Dir denn während Deiner Lehrzeit beigebracht worden, mein Sohn?«

»Ich hab die Jagd betrieben und auch die Beize,« versetzte Roland Gräme.

»Wohl die Kaninchenjagd und die Drosselbeize?« fragte der Regent lächelnd, »denn das sind ja die Belustigungen der Damen und ihrer Begleiter.«

Roland, errötete tief, und nicht ohne Schärfe erwiderte er:

»Wir haben Rotwild gejagt, wenn, es die Krone ansetzt, und Reiher gebeizt. Vielleicht sagt man bei Hofe dafür Kaninchen jagen und Amseln beizen? Indessen kann ich auch ein Schwert schwingen und eine Lanze einlegen, wie es bei uns an der Grenze heißt, bei Hofe aber sagt man da wohl, Wasserlilien und Heidebinsen?«

»Deine Worte haben metallnen Klang,« meinte der Regent, »der Wahrheit zuliebe sei der Stachel verziehen ... Es ist Dir also bekannt, was einem Kriegsmann für Pflichten obliegen?«

»Was sich ohne wirklichen Dienst im Feld?, also durch bloße Uebung erlernen läßt, ja,« versetzte Roland, »aber das Glück, ein Schlachtfeld zu sehen, ist mir noch nicht beschieden gewesen.« »Das Glück?« wiederholte der Regent, mit einigermaßen zweifelhaftem Lächeln, »junger Freund, Du darfst es mir aufs Wort glauben, Krieg ist das einzige Spiel, aus dem beide Teile mit Verlust hervorgehen.«

»Doch wohl nicht immer,« antwortete kühn der Page, »sofern das Gerücht nicht trügt.«

»Was willst Du damit sagen, Bursche?« fragte der Regent, der vielleicht in diesen Worten eine Anspielung auf sein eignes Glück im Kriege erblickte.

»Weil dem, welcher sich tapfer im Kriege hält,« antwortete Roland, ohne seinen Ton zu ändern, »Ruhm im Leben oder Ehre im Tode anheimfallen muß. Also ist Krieg doch ein Spiel, aus dem keiner mit Verlust hervorgehen kann.«

Der Regent schüttelte lächelnd das Haupt. Da ging die Tür auf, und Graf Morton trat herein.

»Verzeiht, lieber Graf, ich komme mit Hast, infolge wichtiger Nachricht und infolgedessen unangemeldet ... Die Sache ist, wie ich gesagt habe, Edward Glendinning ist zum Abte gewählt, und – –«

»Still, Mylord, ich weiß es,« sagte der Regent; »aber ...«

»Vielleicht habt Ihr es früher gewußt als ich, Mylord Murray,« und Mortons finstre, rote Stirn verfinsterte und rötete sich noch tiefer, während er dieser Vermutung Worte lieh.

»Laßt mich mit Eurem Argwohn in Ruhe, Morton,« versetzte Murray, »und tretet meiner Ehre nicht zu nahe! ... ich habe genug von den Verleumdungen meiner Feinde zu leiden, werdet Ihr nicht Ursache, daß ich mich noch gegen ungerechten Argwohn von Freunden zu wehren habe... Wir sind nicht allein,« setze er hinzu, sich besinnend, »sonst könnte ich Euch mehr sagen.«

Er führte den Grafen in eine Nische, die einen günstigen Platz für geheime Zwiesprache bot. Zuerst sprachen sie leise, so daß Roland von ihren Worten nicht hören konnte. Als ihre Unterhaltung aber ernsthafter wurde, sprachen sie auch lauter und vergaßen zuletzt wohl überhaupt, daß der Page noch im Zimmer war, was um so begreiflicher war, als derselbe an einer Stelle stand, die ihre Augen nicht erreichten, und so konnte Roland, ohne daß er es besonders darauf anlegte, manches deutlich hören, andres durch Vermutungen ergänzen.

»Es ist alles im Gange,« sagte z. B. Murray, »und Lindesay ist wohl schon auf dem Wege. – Länger besinnen darf sie sich nicht! Du siehst, ich handle nach Deinem Rat und verschließe mich milderen Erwägungen.«

»Nur in Ordnung, Mylord,« entgegnete Morton. »Gilt es, Macht zu erringen, so zeigt Ihr Euch nicht unschlüssig, sondern steuert energisch aufs Ziel; aber bewahrt Ihr auch das Errungne mit gleicher Energie? ... Wozu eigne Dienerschaft? Hat Eure Mutter nicht Dienerschaft genug zur Aufwartung für eine Person mehr? war es notwendig, diese überflüssige und zudem gefährliche Bedingung zu erfüllen?«

»Morton, schämt Euch! Ihr sprecht von einer Fürstin und meiner Schwester! sollte ich ihr standesgemäße Dienerschaft weigern?«

»Das ist der Flug aller Eurer Geschosse,« erwiderte Morton,, »sie schnellen kräftig vom Bogen und sind nicht ungeschickt gezielt, aber schädliche Zuneigung lähmt sie im Fluge und bringt den Pfeil aus der Richtung.«

»Morton, ich leide solchen Tadel nicht,« versetzte Murray mit Ungeduld, »was ich getan habe, das habe ich getan, und was ich noch tun muß, werde ich tun und will ich tun. Aber aus Stahl und Eisen wie Du bin ich nicht, und Erinnerungen vermag ich nicht zu bannen ... Genug jetzt! mein Entschluß ist gefaßt.«

»Ich bin fest überzeugt,« sagte Morton, »die Wahl dieser Dienerschaft wird auf ...«

Er, flüsterte nun Namen, die Roland nicht hören konnte. Murray antwortete gleichfalls flüsternd, aber gegen den Ausgang hin wurden die Stimmen wieder deutlicher, und so hörte Roland ganz deutlich:

»Und seiner halte ich mich versichert, auf Glendinnings Empfehlung hin ...«

»Die vielleicht ebenso vertrauenswürdig ist wie jüngst sein Verhalten bei der Abtwahl ... Ihr habt doch gehört, daß sein Bruder gewählt worden ist? Er scheint eben soviel brüderliche Zuneigung zu hegen wie Ihr!«

»Beim Himmel, Morton, für solche Spöttelei sollte ich Euch den Fehdehandschuh hinwerfen, indessen will ich sie Euch nachsehen, ist ja doch Euer Bruder auch dabei beteiligt. Aber, diese Wahl soll kassiert werden. So lange ich das Schwert des Reiches für meinen königlichen Neffen in meiner Hand halte, so lange soll mir weder ein Lord noch ein Ritter in Schottland mein Ansehen streitig machen. Das sage ich Euch, Graf Morton, und das mag sich gleich Euch jeder andre gesagt sein lassen. Beleidigungen meiner Freunde ertrage ich einzig und allein um deswillen, weil ich es mit Freunden nicht verderben mag und weil ich weiß, daß sie es wert sind, daß ihnen Torheiten nachgesehen werden.«

Morton murmelte etwas wie Entschuldigung, und der Regent murmelte hierauf ein paar Worte in milderem Tone, dann fuhr er fort:

»Außerdem habe ich neben Glendinnings Bürgschaft noch ein weiteres Unterpfand für seine Treue: die nächste Verwandte von ihm hat sich als Geisel für ihn selbst in meine Hand gegeben, damit ich mit ihr verfahre, wie seine Aufführung es verdient.«

»Das läßt sich wohl hören,« murmelte Morton, »und doch muß ich Euch in treuer Liebe und guter Absicht wiederholt bitten, auf der Hut zu sein. Unsre Feinde rühren sich wieder, erst heute morgen hat sich Georg Seyton mit etwa zwanzig seiner Leute mit den Leslies geschlagen, auf offner Straße ... bis vom Magistrat aus Hellebardierer anrückten und die Kampfhähne auseinandertrieben...«

»Ich weiß, Graf Morton, denn auf meinen Befehl ist die Scharwache ausgerückt,« erwiderte der Regent. »Sind Leute verwundet?«

»Lord Seyton selbst, vom schwarzen Leslie ... hol' der Teufel diesen Stoßdegen, daß er nicht gleich mitten durchfuhr! ... der schwarze Ralph hat eins über den Schädel bekommen von einem Pagen, den niemand kennt ... Fritz Seyton ist durch den Arm gestochen worden, und ein paar andre haben wohl noch leichten Aderlaß bekommen. Im übrigen ist von edlem Blute nichts bei der Rauferei geflossen, aber ein paar Kriegsknechten sind die Beine gebrochen und die Ohren heruntergeschlagen worden, die Kneipwirtsweiber haben die Halunken von der Straße aufgehoben und klagen nun wegen Mordes.«

Douglas, Ihr nehmt die Sache sehr leicht,« erwiderte der Regent, »solche Fehden auf offner Straße gereichten aber nicht einmal der Residenz des Großtürken zur Ehre, geschweige uns! Doch auch diesem Unfuge soll, wenn ich lebe, Abhilfe geschehen! es soll von mir in der Geschichte nicht heißen, ich hätte das Ansehen nicht zu wahren gewußt, das mir nach der Entthronung meiner Schwester anheimfiel. Nein, ich werde es wahren zum Heile des Gemeinwesens ...«

»Und zum Heil Eurer Freunde!« versetzte Morton, »daher hoffe ich unverzüglich auf einen Befehl von Euch, der die Wahl dieses Faulpelzes von Mönch, dieses Glendinning, zum Abt von Kennaqhueir für ungültig erklärt!«

»Euch soll sogleich Genüge getan werden!« erklärte der Regent, trat einen Schritt vor und wollte eben rufen: »Holla, Hyndman!« als sein Blick auf Roland Gräme fiel.

»Meiner Treu, Douglas,« rief er, zu seinem Freunde sich wendend, »hier haben drei Rat gehalten.«

»Aber nur zwei gehören dazu,« versetzte Morton, »der Junge muß beiseite geschafft werden.«

»Pfui doch, Morton! ein Waisenknabe!« verwies ihm der Regent solches Ansinnen. Dann rief er Roland zu sich. »Höre, mein Sohn, Du hast mir vorhin einiges genannt, was Du gelernt habest. Hast Du auch gelernt, die Wahrheit zu reden?«

»Jawohl, gnädiger Herr, sofern es zu meinem Frommen sei,« erwiderte kühn Roland Gräme.

»Zu Deinem Frommen sollst Du sie jetzt sagen,« sprach in strengem Tone der Regent, »Lüge wäre Dein Verderben. Was hast Du gehört oder verstanden von dem, was zwischen uns beiden gesprochen wurde?«

»Nur wenig, gnädiger Herr,« entgegnete Roland, »bloß soviel ist mir klar geworden, daß man die Treue des Ritters von Avenel in Zweifel zieht, unter dessen Dache ich erzogen worden bin.«

»Und was denkst und weißt Du darüber?« fragte der Regent weiter, einen durchdringenden Blick auf den Jüngling richtend.

»Das richtet sich nach dem Stande desjenigen, der die Ehre des Ritters antastet, dessen Brot ich so lange gegessen habe,« antwortete der Page. »Steht solcher Mensch unter mir, dann sage ich ihm, daß er ein Lügner sei und daß ich ihm mit meinem Stocke dienen werde, sofern er den Mund nicht hält. Ist er meinesgleichen, so halt ich den Lügner aufrecht und fordre ihn zum Zweikampf. Steht er über mir, dann . ..« er stockte in seiner Rede.

»Fahre getrost fort,« munterte ihn der Regent auf, »also: wenn solcher Mensch, sagst Du, über Dir steht, dann ...«

»Dann würde ich ihm sagen,« fuhr Gräme fort, »es sei nicht in Ordnung, über einen Abwesenden Uebles zu sprechen, und mein Herr sei Mannes genug, Rechenschaft über sein Tun und Lassen jedem zu geben, der sie mannhaft von Angesicht zu Angesicht von ihm fordert.«

»Mannhaft gesprochen, mein Sohn,« sagte der Regent, indem er dem Pagen die Hand auf die Schulter legte, »wie denkst Du darüber, Morton?«

»Ich denke,« versetzte der Graf, »daß sich zwischen seinem Denken und Tun eine große Verschiedenheit finden möchte, falls er einem gewissen alten Freunde an Verschlagenheit ebenso gleichkommt wie er ihm im Ausdruck des Auges und an Stirn und Nase ähnelt.«

»Und wem soll er Deiner Ansicht nach ähneln?« fragte der Regent.

»Dem redlichen und treuen Julian Avenel,« antwortete Morton.

»Aber der Jüngling stammt doch aus dem bestrittenen Lande,« sagte Murray.

»Das kann ja sein, aber Julian war ein Jäger, der gern in fremde Gehege strich und dem es auf einen Weg nicht ankam, wenn er ein schmuckes Wild auf dem Rohr hatte.«

»Pah!« rief der Regent, »das sind hohle Vermutungen ... Da, Hyndman, Du Naseweis, bring den jungen Menschen wieder zu seinem Kameraden! ... Du hältst Dich mit Deinem Begleiter zu sofortigem Aufbruch bereit,« sprach er zu Gräme. »Ich laß Dir Weisung zukommen.«

Dann winkte er ihm freundlich, sich zu entfernen, und die Unterredung hatte ein Ende.


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