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Der einstige Pfarrer von Metterzimmern hatte Flattich eine schlimme Erbschaft hinterlassen: eine Gemeinde, die sich um Gotteswort wenig kümmerte, ein übel zugerichtetes Pfarrhaus und einen ausgerauften Garten.
Sein wertvollstes Hinterbleibsel war ein neugebauter Stall, den er nicht mitnehmen konnte, ein deutliches Zeugnis, daß er sich um die Schweinemast mehr gekümmert hatte als um die Seelenspeisung. Die Metterzimmerner waren gewöhnt, in ihrem Pfarrer eine Drohne zu sehen, die vom Konsistorium in das Dorf gesetzt wurde und nur zu Zeiten der Kirchweihe als Herrgottsbüttel auftrat, wenn die bäuerliche Lust einmal über das Maß zu quellen und alle gute Sitte zu ersäufen drohte!
Solcher Art sind die Früchte, die ein Mietling Gottes hinterläßt!
Eines Abends, als unser Flattich sich grämte und sorgte, wie er die Herzen der Metterzimmerner gewinnen könnte, kam ein Besuch von Asperg. Der Mann war ein früherer Nachbar des Pfarrers und lange Zeit ein Sorgenkind der Seelsorge gewesen, nun war er ein ganzer Mann und Christ geworden. Wenn in früheren Jahren die Rede von ihm war, sagte jedermann nur verächtlich »Ach, der Motz!« – nun aber hieß es »Ja, der Motz!« Und das klang ganz anders!
Unser alter vertrauter Motz kam zu Flattich und klagte, daß das Asperg in der kurzen Zeit nach Flattichs Wegzug vollends ein Aschenberg geworden sei, weil sich der neue Pfarrer weder auf die Bibel noch auf die Asperger verstünde!
»Ach,« seufzte Flattich, als er die Nachricht hörte, »ein Altes sehe ich zugrunde gehen und ein Neues will nicht gedeihen! Was ist mir geblieben? Mein Asperg habe ich verloren und das Metterzimmern kann ich nicht gewinnen; ich bin ein Hirt ohne Herde und werde noch am Ende vom Herrgott verstoßen werden!«
Der Motz war redlich bekümmert, daß er seinem geliebten Pfarrer keine bessere Nachricht bringen konnte, und sagte in seiner Einfalt: »Es sind doch in beiden Gemeinden Schäflein genug, die auf einen Hirten warten. Könntet Ihr nicht die guten Asperger und die guten Metterzimmerner auf einen Haufen treiben und mit ihnen zusammen auf die Weide gehn?!«
»Der Gedanke ist nicht schlecht,« antwortete Flattich, »mein Herz ist hüben wie drüben, aber mein Amt ist nicht teilbar!«
»Ein rechter Schafhirt ist immer unterwegs«, wendete der Asperger ein.
»Da hat Er was gesagt!« erwiderte Flattich, – »ich darf aber eurem neuen Hirten nicht ins Gehege kommen!«
»Herr Pfarr,« meinte der Motz treuherzig, »mit einem Fuß in Asperg und mit dem andern in Metterzimmern könnt Ihr nicht stehn, aber mit beiden Füßen könnt Ihr von Metterzimmern nach Asperg laufen und wieder zurück!«
»Wär es da nicht besser,« fiel ihm Flattich aufgeregt ins Wort, »wir kommen uns beide auf Weges Hälfte entgegen und treffen uns dort, wo es keine Gesätzel gibt, auf unseres Herrgotts großem Anger –?«
»Oder sagen wir gleich – am Schmätzlesbrunnen beim Bissinger Wald!« schlug der Motz eifrig vor.
»Wie gut, daß Ihr schon einen fertigen Plan habt, Motz!« rief Flattich begeistert, – »ich will euch jeden Sonntagnachmittag eine Asperger Predigt halten, solange es der Himmel leiden will in diesem Sommer! Mögen uns, wenn es nicht anders geht, die Hummeln zur Kirche läuten – am Schmätzlesbrunnen! Ich tu's um Gottes Willen!«
Der Motz küßte ihm überschwänglich die Hand, ließ sich nicht einmal mehr zu einem Trunke nötigen und eilte gleich aus dem Haus, um den Aspergern noch in der Nacht die gute Nachricht zu verkünden!
»Schau mir einer den Motz an,« sagte Flattich, als der Gast gegangen war, zu seiner Frau, »wie viel edles Gold steckt doch unter dem kalten Aschenberg, in dem Asperger Schlackenhaufen! Ich habe geglaubt, es sei alles verloren, und darf auf einmal erleben, daß ein ganzer Himmel voll Seligkeit herunterkommt auf mich verstoßenen Hirten!«
Die Metterzimmerner Gottesfreunde hatten in kurzer Zeit ein freundliches Zutrauen zu ihrem neuen Pfarrer gewonnen. Es war wohl darauf zurückzuführen, daß er sich nicht hochmütig von ihnen ferngehalten, sondern höflich und bescheiden zu ihnen gekommen war, wie es sich für einen Menschen ziemt, der weiß, wie wenig die Kopfgelehrtheit wert ist in höheren Dingen. Flattich war zwar offen genug, ihnen seine Nöte mit der neuen Gemeinde und seine Sorge um die Asperger Hinterlassenschaft anzuvertrauen, und zugleich enthüllte er ihnen seinen Plan, sich mit den Aspergern unterwegs zu treffen. Da waren sie Feuer und Flamme, sagten sogar ihre eigenen Erbauungsstunden ab und beschlossen, mit ihm den Aspergern entgegenzuziehen, wie es bereits mit Motz vereinbart worden war.
Sehet sie nun am frischgeschnittenen Maienstecken, die Männer frohgemut und die Frauen erwartungsfreudig, nach der sonntäglichen Mittagsstunde von ihrem heimatlichen Hügel herunterklettern, Hillers fromme Weisen singend, zwischen den blühenden Weißdornhecken im Enztal wandern hinab zur Bissinger Fähre, wo sie übersetzen, um drüben im gleichen Blust wieder die Hügel hinaufzusingen und noch eine halbe Stunde durch die Felder und Wiesen zu wandern, bis sie den Brunnen erreichen, wo sich die Asperger bereits versammelt haben und nicht wenig erstaunt sind, daß ihr Prophet schon so eine große Schar von Jüngern in seiner neuen Gemeinde gefunden hat!
Wer nichts weiß vom Geiste der Erweckung und der pfingstlichen Liebesflamme der Kinder Gottes, mag die Überschwänglichkeit getrost belächeln, die sich der Seelen bemächtigt, wenn der Strom der Gottesliebe ein neues Bett findet und die Wogen der herzlichen Leutseligkeit mächtig ineinanderschlagen! Die Metterzimmerner Gottesfreunde begrüßten die Asperger Leute auf so herzliche und brüderliche Art, die Männer umarmten sich und die Frauen verküßten sich gar, daß Flattich selig verwundert inmittenstand und sich immer wieder fragen mußte, wie nur alles so von ungefähr gekommen war.
So ist es mit dem Geiste, der göttlichen Lebens ist, er weht von ungefähr, – nach der Schwüle regt sich mit einem Male die Luft, und niemand ist da, der sie regt, der Atem Gottes ist erlöst und die Kreaturen lodern auf in mächtiger Liebesflamme!
Mit einem Male sind die Menschen licht, und wenn sich das Licht auch bald wieder in der nachwachsenden Trübung verliert, – es bleibt noch lange ein Schein davon im Herzen, und er ist's, von dem wir zehren, wie das Heute zehrt vom ersten Aufgang der Sonne am Schöpfungsmorgen.
Die vereinten Freunde hatten sich unterdessen auf dem Wiesenbühel im Schatten des Waldes in einem Halbkreis niedergelassen, und Flattich sah zu seiner Überraschung sogar ein kleines Lesepult aus Buchenstecken gebildet und mit grünem Laubwerk durchflochten inmitten des Halbkreises aufgebaut, ein kleines Kunstwerk, das die Asperger vor seiner Ankunft gebastelt hatten, damit er sich beim Lesen leichter tue.
Er mußte sich an die neue Art, Kirche zu halten, erst selber gewöhnen, fand sich aber schnell in die ungewohnte Lage, und da er die erwartungsfreudigen, ja glühenden Gesichter seiner Asperger sah, ging es ihm alsbald leichter von der Seele, als er anfänglich gedacht hatte.
In seiner Andachtsrede mußte er sich insbesondere hüten, die Asperger Verhältnisse zu berühren, um seinem Nachfolger ja keinen Grund zu geben, gegen ihn zornig zu werden, auch wollte er sie keineswegs rühren, weil ja die Rührung ein ganz unredliches Hilfsmittel ist und nur den mittelmäßigen Predigern so gelegen kommt!
Wollen wir ein wenig teilhaben an seiner Feld- und Waldpredigt, so sei verraten, daß er vom Ablegen des alten und vom Anziehen des neuen Menschen redete, also von der inneren Wiedergeburt, und ungefähr folgendes sagte:
»Der alte Mensch ist nicht nur Fleisch und Blut, sondern ein aus Fleisch und Blut hervorgewachsenes, verkehrtes Gewächs der Finsternis, wobei auch unser äußerlicher Körper und unsere inneren Seelenglieder, nämlich die Werkzeuge des Sehens, Redens, Hörens und Fühlens, durch solche üble Gewohnheiten ganz verkehrt und verderbt worden sind, also daß ein Mensch, dessen Zunge das Lügen gewohnt ist, wenn auch schon ein neuer Trieb in ihn gekommen ist, die Wahrheit zu reden, doch wieder ins Lügen hineingezogen wird, weil seine Zunge es schon so gewohnt und eine Lügenzunge geworden ist. Da hat ein jeder Mensch einen eigenen alten Menschen an sich, den er kennenlernen und nach und nach mit Ernst töten soll, damit ein neuer Mensch aufwachse, nach Gott gebildet, der sich nicht mehr durch falsche Lüste in Irrtum selbst verderbt und an seinem eigenen Untergang arbeitet, sondern der durch höhere Lust des wahren Guten aus der guten Botschaft Wahrheit und Wesen für Irrtum und Phantasie findet und dadurch sich selbst zur Unverweslichkeit erhöhet.
Der neue Mensch ist also der Geistesmensch, der aus Gott geborene verborgene Mensch, der göttlichen Wesens, Ursprungs und Eigenschaft ist, wie ein von Menschen Geborener ein natürlicher Mensch ist; er ist das Ziel des Wortes: ›Laßt uns Menschen machen nach unserem Bilde, nach unserem Gleichnis.‹ Dieses ist Wahrheit, dieses ist der ganze Inhalt und Ziel des Wortes der Wahrheit. Das ist Wesen und kein Traum. Das ist Unverweslichkeit und kein vorübergehender Schatten. Und dieser neue Mensch wächst auch aus der Wahrheit hervor, nämlich aus dem Wort Gottes als dem rechten unverweslichen Samen. Darum heißt's: ›in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit‹!«
Als Flattich das gesagt hatte, setzte er seine Rede ab und ließ die Zuhörer Fragen an ihn tun, denn er wußte gut, daß sein Thema hoch genommen war und mancher Erläuterung und bildlichen Stützung bedurfte.
Die Fragen kamen am Anfang zögernd und verlegen und litten ganz besonders unter der Not des geistlichen Ausdrucks, bis er den Fragern erlaubte, sich am bequemsten mit ihrer Mundart zu behelfen, worauf es denn bald frisch von der Leber weg ging und am Ende in ein gar zu stürmisches Durcheinandersprechen ausklang.
Weil Flattich aber im eigentlichen Sinne nicht um zu predigen, sondern um seine Asperger wieder zu sehen und zu trösten in den Bissinger Wald gekommen war, kürzte er den anderen Teil seiner Rede ordentlich ab und setzte sich darnach zu seinen Zuhörern auf der Mutter Erde grünen Lendenschurz, wo sie ihm nun alle ihre großen und kleinen Sorgen anvertrauten und recht herzlich mit ihm übereinkamen. Die mitgebrachten Kinder ließ man unterdessen in der Nähe spielen, hopsen und scherzen, hatte sie wohl im Auge, und ging gemach zu den ökonomischen und alltäglichen Fragen über, auf welchem Gebiete Flattich gleichfalls seinen Mann zu stellen wußte, wie wir von früher wissen. Allmählich hatten sich die Schatten des Waldes verlängt, ein frisches Windchen hatte sich erhoben und zauste sehr lustig die grüne Laubkanzel, daß sie rauschte und wisperte, als hätte sie selber Lust, noch eine kleine Predigt zu halten, – da fanden sie alle, daß es an der Zeit wäre, nach Hause zu wandern, riefen die Kinder herbei und zogen, nachdem sie von Flattich auf rührende Weise Abschied genommen und versprochen hatten, am folgenden Sonntag wieder zu kommen, langsam in den grünen Saaten verschwindend, heim in ihr Asperg.
*
Der Pfarrer von Metterzimmern saß in seinem Gärtchen und schrieb einen langen Brief an seinen blinden Amtskollegen in Thamm, den wir an jenem denkwürdigen Tag vor der Flattichschen Hochzeit in Asperg kennengelernt haben. Während er schrieb, umsummten ihn die fleißigen Bienen seines Amtsvorgängers, die einzige nützliche Hinterlassenschaft des Koloßpfarrers, die ihm dieser gegen ein schönes Stück Geld abgetreten hatte, nur aus der Furcht, sie könnten ihm auf der langen Fahrt ins gelobte Tübinger Land davonfliegen und als wilder Schwarm unnützlich werden.
Könnten wir nun eines der tüchtigen Bienlein sein, die unserem Flattich während des Schreibens um den Kopf summen und aufs Papier stoßen, – und hätten wir dazu die Gabe, Geschriebenes lesen zu können, so glaubten wir, genau zu wissen, was der Inhalt des Briefes gewesen ist! Da wir aber nicht minder fleißig als die Bienen uns in sein Wesen und Leben vertieft haben, wissen wir wohl, was er geschrieben hat, und beginnen:
Mein lieber Bruder in Christo!
Weil Du mit Anteil und Sorge zu hören verlangst, wie ich hier lebe und wie ich's treibe, will ich Dir ausführlich schreiben von Anfang an.
Nachdem wir zu Metterzimmern aufgezogen und mit großem Schall empfangen worden sind, ward es alsbald sehr still um uns, denn die Hiesigen haben von uns Gottesdienern die Meinung, man müsse uns nur in Ruhe und Frieden lassen, dann hätten sie auch ihren lieben Frieden vor uns!
Dies ist ein angenehmes Verhältnis für einen, der seine Zeit abgedient hat, nicht aber für einen, der noch so vieles zu tun hat; weshalben ich mich sogleich zu den wenigen hier gehalten habe, die noch einen Hunger haben zu Gott und die in ihren erbaulichen Stunden, die sie beim alten Nothwang in dessen Gärtlein halten, je und je zusammensitzen.
Da ich dort bei ihnen so mancherlei hörte und sah, was mir wie ein neues Geigenspiel geklungen hat, habe ich mich zu ihnen auf die Schulbank gesetzt und lerne wieder das ABC mit neuem Geist und Verstand. Du mußt wissen, daß es sich um die Leute handelt, die uns der biedere Michael Hahn erweckt hat und die dazu berufen sind, unsere bis auf den Grund baufällige Kirche zu stützen, wenn nicht wieder aufzuerbauen, wenn sie einmal gefallen sein wird!
Es fügte sich, daß zu gleicher Zeit ein alter Freund aus Asperg eines Abends zu uns herüberkam und sagte, daß sich nach meinem Wegzug die dortige Gemeine in die Wüste verloren habe, weil der neue Pfarrer den Pferch nicht zu spannen vermöchte, – und er bat mich inständig, ihr eine Wüstenpredigt zu halten. So bin ich nun ein Wanderprediger geworden und eile allsonntäglich mit meinen wenigen Freunden, die ihre eigenen Stunden sogleich abgesagt haben, über den Jordan, der bei uns die Enz heißt, und feiere mit den alten Gesichtern ein Wiedersehen. Man hat vereinbart, sich bei einem gewissen Brunnen in der ›Wüste‹ zwischen Asperg und Metterzimmern zu treffen, und gleich die ersten Zusammenkünfte sind sichtlich unter einem guten Zeichen gestanden.
Da haben sie mir auf freiem Felde eine kleine Kanzel aus Laubwerk gebaut, wo ich nun meine Andachten halte und die Liebe zu meinen Aspergern erneuere, die nicht von mir los wollen.
Wie aber in allen Dingen, die mit gutem Willen und in der Liebe begonnen werden, der Segen Gottes als eine fortlaufende Schnur sich erweist, hat sich bald gezeigt, daß die absonderliche Handlung ihre Früchte bringt und zuletzt in die richtige Ordnung führt, die alle Dinge doch wieder haben sollen!
Die Metterzimmerner, die mir einfach nicht in die Kirche gegangen sind, haben uns, ich weiß nicht, war's Neugierde oder was anderes, eines Sonntags ihre Kinder und Mägde mitgeschickt, und sie mußten dabei doch wenigstens der Meinung sein, sie seien bei uns besser aufgehoben als bei ihnen daheim.
Also hatte ich schon ein Zipfelchen ihres Vertrauens in der Hand! Ich ging nun aber ganz vorsichtig zu Werke und gab meinen Feldpredigten ein fortlaufendes Thema und versprach denen, die nicht gut zu Fuße oder einmal keine Zeit oder Lust hätten, mich an den Sonntagen über Feld zu begleiten, die gleiche Predigt in der Kirche halten zu wollen, und siehe! ich hatte an den nächsten Kirchtagen schon einige Zuhörer mehr.
Zu den Feldpredigten kamen meine lieben Asperger mit der Zeit beinahe vollzählig. Da waren einige, die sich früher nie bei mir in der Kirche gezeigt hatten, die liefen halber aus Neugierde mit, saßen während der Andacht abseits und schnitzelten an einem Stecken, als ginge sie der ganze Gottestrost nicht viel an, – mit der Zeit aber humpelten sie näher heran, fanden dies und jenes wie für ihren Fall gesagt (und ich wußte ja ihre Fälle recht gut!), und zuletzt waren sie die eifrigsten, wann es galt, für Ruhe und Ordnung zu sorgen während der Andacht oder darnach auf dem Heimweg die langhinschweifende Schar zusammenzuhalten.
So bin ich ein Wüstenprediger geworden, mein lieber Thammenser, und ein Wanderprediger und habe lernen müssen, daß die umständlichsten und krümmsten Wege manchmal die kürzesten sind im Reich Gottes. Lege mir's nicht als Hochmut aus, wenn ich sage: Es ist mir ergangen wie dem jungen Saul, ich habe weinend die verlaufenen Eselinnen meines Vaters gesucht und habe ein Königreich gefunden, das ich mir nicht mehr abhandeln lasse!
Gott gebe mir bescheidenen Sinn und stärke mir den Willen, ihm auf jede Weise zu dienen! Soll es nicht so sein, dann anders! Wenn man mich nicht in die Scheuer einläßt, dann fahre ich eben durch die Küche!
Ich empfehle mich Deiner Liebe als Dein allzeit getreuer
Während Flattich seinen Brief zu Ende schrieb, war Margarete leise hinter ihn getreten und hatte ihm über die Schulter geguckt. Er fühlte, daß jemand hinter ihm stand, vermutete gleich die Frau und hielt ihr die linke Hand hin, dieweil er mit der Rechten Sand auf den frischen Brief streute. Sie drückte ihm die Linke, aber so schwach, daß er mitten in seinem Geschäft bestürzt hinter sich sah und ihr ins Gesicht blickend erkannte, daß sie ihm etwas Wichtiges zu sagen hatte. Er dachte, daß es wohl etwas wäre, was mit ihrem Zustand zu tun hätte, sie war seit Wochen verändert, blaß und müde, und fragte besorgt, ob sie ihre Stunde schon nahen spüre. Da fing die Frau zu weinen an und gestand ihm endlich, daß ein Brief von Stuttgart für ihn angekommen sei, dem sie schon von außen nichts Gutes ansehen könne! Sie zog ihn unterm Fürtuch hervor und legte ihn auf den andern, noch nicht gefalteten und versiegelten, den er eben geschrieben hatte.
Flattich sah schweigend auf ihn nieder, betrachtete das amtliche Siegel und ahnte, was drinnen stehen konnte.
Mit einem Ruck stand er auf, nahm seine Frau am Arm, führte sie die Staffeln hinab auf die untere Terrasse des Gärtchens, wo ein kräftiger Geißhirtlesbaum schon die ersten grünen Früchte der herankommenden Reife trug, ließ sich mit ihr auf die Bank nieder, die an den Baum gelehnt war, und sagte: »Gelt, Weible, wir gucken uns heute den Brief nicht an!«
»Ja, weißt du denn, was drinsteht?« fragte sie ängstlich.
»Was wird drinstehen, als daß dein Flattich wieder einmal andere Wege gegangen ist, als das Konsistorium will, das ihm den Sold bezahlt!
Da hab' ich jetzund« – mäßigte er sich, »Amt und Herz liegen halt in argem Streit bei mir! Weil mich aber mein Herz berufen hat zu diesem – Amt, will ich mich so wenig sorgen wie dieser Birnbaum da und meine Früchte tragen, so gut ich's kann!
Wenn sie nun Knäufe haben, gefällt es dem Konsistorium gar nicht, die Buben und Mädchen aber essen sie um so lieber!
Du wirst mich jetzt für ein paar Tage entbehren müssen, liebe Margarete, denn man ist in Stuttgart geneigt, meine Birnen nicht so ganz recht zu finden! Bete zu Gott, daß ich in der Demut bleibe und die richtigen Worte finde zu meiner Verteidigung! Sieh!« fuhr er ruhig fort und streichelte ihr die blasse Hand, »jetzt bist du wieder ganz getrost! Käme das Gericht nicht, so wüßte ich, daß mir Gott nicht mehr gnadete! Ich glaube aber, daß Gott uns besser haben will, als wie wir sind, und macht er uns wieder zu Teig, so wollen wir uns hüten, daß wir neu anbrennen! –
Mit dem Wanderpredigen wird es wohl wieder aus sein!« seufzte er zum Schluß.
»Und nur das Wandern wird uns bleiben!« fügte die Margarete hinzu, schmerzlich lächelnd.