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Zwei große Bauernleiterwagen, der erste mit einigen Betten und Möbeln, der zweite mit vielen Büchern und etlichen Menschen beladen, rückten auf der Poststraße von Stuttgart nach Heilbronn, ungefähr eine halbe Meile oberhalb von Bietigheim, wo das lehmige Gelände sanft absinkt, auf den Bremsschuhen knirschend nur langsam von der Stelle.
Die Auszügler, die sich in dem zweiten Wagen befanden und recht vergnüglich miteinander plauderten, waren Pfarrersleute, die ihren Wohnsitz und ihre Gemeinde mit einer anderen vertauschen mußten. Solchen Wanderzügen begegnete man zu jener Zeit häufig auf den schwäbischen Landstraßen, und die merkwürdige Erscheinung war auf nichts anderes zurückzuführen als auf den allmächtigen Willen des schwäbischen Konsistoriums, eines recht eigenwilligen Institutes, das den einzelnen Pfarrern entweder mit wohlbegründeter Abneigung oder mit kaum begründeter Zuneigung ihren neuen Wirkungsort anwies, der manchmal sehr weit, öfters aber lächerlich nahe vom alten Platz gelegen sein konnte!
Mit Beginn des neuen Frühjahrs hatte Flattich seine Versetzung bescheinigt bekommen, und er ging nicht fehl, wenn er sie in Zusammenhang brachte mit den Vorgängen des vergangenen Sommers, seinem Streit mit dem Kriegsrat und dem damit verbundenen Aufsehen, das er gemacht hatte.
Vater Bengel war schon im verwichenen Frühjahr gestorben, und nun hatte er keinen Schutz mehr bei seinen Vorgesetzten, ja, es war möglich, daß man ihm seines nahen Verhältnisses zu Bengel wegen sogar unlieb gesinnt war. Die neue Richtung, die im Konsistorium nach Vater Bengels Heimgang an die Leitung gekommen war, war unbengelisch bis ins Gegenteilige, ganz auf nüchterne Moralpredigt und verstandesmäßige Auslegung der Schrift eingeschworen, – da war für einen einfältigen Gläubigen und Täter des Wortes wie Flattich keine Liebe mehr vorhanden.
Flattich ließ es sich gern gefallen, daß er bei den Herren in Ungunst geraten war. Es tat ihm nur leid um sein Asperg, wo nun ein anderer die Früchte seines Fleißes ernten konnte, einer, der vielleicht seine Arbeit gar nicht schätzte oder fortzuführen imstande war. Der Abschied war ihm schwer gefallen, dennoch konnte er sich mit der Hoffnung trösten, mit den Einzelnen in Verbindung bleiben zu können, da der Ort seines neuen Wirkens nicht allzuweit von Asperg entfernt lag und die Strecke sozusagen an einem Vormittag heruntergelaufen werden konnte!
Metterzimmern hieß der neue Ort und war ein achtbares, nicht gerade armes Dorf, auf den Vorhügeln des Stromberges gelegen und nach der Metter genannt, einem kleinen Bach, der in die Enz mündet.
Was war natürlicher, als daß er sich mit Margarete über die Veränderung seines Lebens unterhielt, Hoffnungen und Pläne hatte, desgleichen die Frau, die sich in dem trostlosen Asperg doch ein wenig übel befunden hatte, wenn sie auch nie hatte klagen wollen.
Unweit von Bietigheim kam den Auszüglern von der Heilbronner Richtung ein ganz ähnlicher Wagenzug entgegen, allerdings waren es bei den Entgegenreisenden drei statt zwei Wagen, und ehe sie sich noch gegenüberstanden, erkannte Flattich auf dem ersten der Wagen den Amtsbruder aus Metterzimmern, den er abzulösen hatte, und der seinerseits im Begriffe war, eine Stelle im Tübingischen anzunehmen. Der Metterzimmerner erkannte ebenfalls sofort den Asperger; die Fuhrleute brachten die Pferde zum Stehen, die beiden Pfarrer sprangen von den Wagen, um sich auf der Straße zu begrüßen. Der Metterzimmerner führte außer seiner kleinen kugeligen Frau zwei Dienstboten und eine kleine Schar von Kindern mit sich, die über die Unterbrechung der Reise sehr entzückt waren und sich sogleich an den warmen Rainen neben der Straße ans Veilchensuchen machten.
Es ließ sich kaum ein größerer Gegensatz der Physiognomie und Gestalt denken, als er zwischen den beiden Pfarrern bestand. Der Metterzimmerner ein sehr großes und gut gewampetes Mannsbild mit einem roten Gesicht und feistem Doppelkinn, in einem alten abgeschabten Rock steckend, der ihm schon längst zu klein geworden war und an allen Nähten in die Brüche ging – daneben unser kleiner Flattich auf seinen kurzen, fast dünn zu nennenden Beinen, bewegt und lebhaft gestikulierend, wo jener, ein gigantischer Fleischberg, gleichsam mit Gipfelruhe über ihn hinwegzuschauen halb und halb gezwungen war. Das Gespräch ging ihren Individualitäten entsprechend denn auch sehr eigenartig vor sich. Flattich war der fragende, unentwegt redende Teil, der Fleischberg aber antwortete kaum, und wenn schon, dann mit merklicher Unlust und nicht geringem Zynismus, wie ja nicht anders zu erwarten war, denn die Rede ging über die Ortschaft Metterzimmern, die der Koloßpfarrer gern verließ, weil sie ihn in mancherlei Hinsicht enttäuscht hatte.
Der Koloß ließ ganz offen durchblicken, daß die Arbeit in dem buckligen Nest, wie er's nannte, ganz gehörig, die Besoldung und die Freigaben der Gemeinde an Holz und Wein sehr gering seien, weshalb er sich freue, es im Tübingischen besser zu treffen. Als Flattich fragte, wie groß denn die Freigaben seien, gab der Koloß einige Zahlen an, die Flattich sehr verwunderten, jedoch nicht nach ihrer Kleinheit, sondern nach ihrer Größe hin. Nun, der scheidende Metterzimmerner war auf jeden Fall unzufrieden, was auch einigermaßen erklärlich war, wenn man ihn ansah, – wie ja die Beurteilung der Portionen immer schwankt je nach der Person des Essenden.
Nachdem nun noch einige bürokratische Fragen, die Gemeinde betreffend, zwischen den beiden beredet worden waren, wobei sich der Koloß aus wohlbegreiflichen Gründen hütete, ins Detail zu gehen, war der Scheidende der Meinung, daß der Freundlichkeit genug sei, worauf er seinen Dienstboten und Kindern pfiff, zurückzukommen, nochmals einen verächtlichen Blick auf das bucklige Dorf warf und Flattich zurief, daß es in dem abscheulichen Nest auch einige Pietisten gäbe, um sich dann mit viel Mühe und großem Ächzen wieder auf seinen Wagen zu schwingen, herzlich froh, in das gelobte Tübinger Land abreisen zu dürfen.
Die runde kugelige Frau des Metterzimmerners hatte nicht gewagt, sich ihrerseits mit Flattichs Frau zu unterhalten – sie stand offenbar in strenger Zucht, auch in bezug auf die Zunge –, dennoch hatte sie mit den Augen freundlich von ihrem Wagen herüber gegrüßt und manchesmal zu den Äußerungen ihres Herrn Gemahls durch unzweideutiges Mienenspiel ihre eigene andere Meinung von der Sache kundgegeben.
Flattich war mit den Auskünften zufrieden, er hatte in seiner neuen Gemeinde eher bessere Verhältnisse anzutreffen als in Asperg, und was die unangenehmen Pietisten betraf, wegen denen der Freßpfarrer das Dorf verachtete, so hoffte er, sich mit ihnen auf guten Fuß zu stellen, denn er war selber auf dem besten Wege, einer zu werden, ohne sich einen Scheuklappengaul nennen lassen zu müssen!
Was ist ein Pietist? Wir wollen an dieser Stelle am besten Flattich selber darüber sprechen lassen. Er hatte vor Jahren ein Verslein gemacht. Es lautete:
Was ist ein Pietist?
Nichts als ein frommer Christ,
Auf den der Herzog schlägt,
Dem man den Beutel fegt,
Der den Soldat logiert
Und dabei selber friert!
Wen wundert's, daß er gern
Sucht einen besseren Herrn
Und find't in Jesus Christ?
Das ist ein Pietist!
Mittlerweile hatten sich Flattichs Wagen dem Pietistendorf, das jenseits von Enz und Metter lag, auf Büchsenschußweite genähert; ein paar halbwüchsige Burschen, die auf der Straße lauerten, hatten den Ankommenden als ihren neuen Pfarrer erkannt, liefen stracks in das Dorf und meldeten mit lautem Gejohle seine Ankunft, worauf die Metterzimmerner, soweit sie sich zur Kirche hielten, aus ihren Häusern traten und Flattich beim Schall der Glocken, die ihm zu Ehren mächtig in Schwung gesetzt wurden, neugierig und freundlich begrüßten.
*
Bald nach seinem Aufzug in Metterzimmern machte Flattich den Gottesfreunden seinen Besuch. Im Garten des Bauern Nothwang saß die kleine Pietistenschar unter blühenden Obstbäumen. Da der Garten an einer sanft abfallenden Halde gelegen war und unten die Metter durch eine liebliche Schlucht rauschte, drängte sich dem Besucher der Vergleich mit dem Ölberg und dem rauschenden Bach Kidron auf, – was nicht verwundern darf, da man sich doch in der Karwoche befand und das Wetter so recht karwöchig mit einem düsteren Klagehimmel auf Tälern, Hügeln und der schimmernden Baumblüte lag.
Die Gottesfreunde waren über Flattichs Erscheinen nicht im geringsten verlegen, ja, da sie vermuteten, daß er Spionierens halber komme, eher mißtrauisch als freundlich gegen ihn gesinnt.
Nothwang, der Herr des Gartens, fuhr nach dem Hinzutritt des Pfarrers unbehindert fort in der Lesung der Schrift, nickte dem Teilnehmer nur ein wenig über die Brille zu, schloß dann das Buch und trat mit seinen beiden Beisitzern, dem sanftmütigen Holderieth und dem alten Göttle, die rechts und links von ihm auf der Bank saßen, in geistliche Konversation über die Schriftstelle.
Es war die Verhandlung von Christi Gefangennahme auf dem Ölberg, vom Verräter Judas, vom Schwerthieb des Petrus und der anschließenden Heilung des Malchus.
Der alte Nothwang tat nun nichts anderes, als daß er seine beiden Beisitzer durch geschickte und wunderliche Fragen zum Reden nötigte.
»Was dünkt Euch um Christi Gefangenschaft?« fragte er gleich zu Anfang. Der alte Göttle, ein kahlköpfiger kleiner Greis mit wasserhellen Kinderaugen, blickte bedächtig vor sich nieder und fing nach einiger Zeit an:
»Christi Gefangenschaft ist eine immerwährende, beständige, unaufhörliche bis an das Ende der Welt! Sehet, sie ist eine innere und eine äußere! Seine äußere Gefangenschaft hat der göttliche Herr in dieser Welt allezeit durch die Raufkönige und Gewalthaber, durch die Spötter und Spotthörer, die Gifter und Giftmischer, durch die Bedrücker der Armen!
Sie und ihre Helfer machen ihm streitig das Recht auf den zeitlichen und ewigen Menschen. Die Buhlerschaft der Gewaltigen mit dem Mammon, der Venus und dem martialischen Teufel ist so groß und die Wonnen, die ihnen durch die Buhlerschaft zufließen, machen sie so trunken, daß sie in ihrer Trunkenheit sich vermessen, dem Allmächtigen gleich zu sein! Doch gedenket auch des großen gleichgültigen Haufens, der ist wie der Sand am Meer, der losen Gimpelfänger, der Milchwässerer, der gedankenlosen ›Soso‹- und ›Ach Gott‹-Schwätzer! Sie alle setzen den Herrn Christus in die zeitliche Gefangenschaft, und zu guter Letzt lehnen sich die elendesten Faulpelze noch an die Tür, hinter der er gefangenliegt, und halten sie mit ihrem kugelrunden Rücken zu!
Das ist die eine Gefangenschaft–« wiederholte der Greis, und sich an seinen Nachbar, den sanftmütigen Holderieth, wendend, sagte er: »Und jetzt sag du von der andern!«
Der sanfte Holderieth wußte nicht weniger trefflich zu reden und sagte:
»Ihr lieben Brüder und Schwestern, wenn wir auch dem Herren Christus, unserem König, keine äußere Gefangenschaft verhängen, so haben wir ihn um so mehr in der inneren, und zwar ein jeder von uns! Du schlägst ihn in Ketten durch dein Knirschen, Reißen und Toben, du schwichtigst ihn durch fromme Lügnerei, du mit Opfer und Almosen, du mit Pharisäerei, du bedeckest und erstickest ihn mit schönen Kleidern und Putz, du drückst ihm deines Hochmuts stechende Krone auf, du schlägst ihn gar, weil er dir nicht geholfen hat, du schiebst ihn hinaus, weil er dir zu unguter Stunde gekommen ist! Wir alle schlagen ihn ans Kreuz allstündlich!«
Nachdem der Holderieth auf diese Weise gesprochen hatte, stimmten die Gottesfreunde einen Gesang an, in den sich Flattich herzhaft einmengte. Die Art und Weise, von Christi Marter als von einer gegenwärtigen und unaufhörlichen zu reden, sprach ihn sehr an. Mit einemmal merkte er, daß ihm diese ›Gegenwart‹ Christi immer gefehlt hatte, wenn er predigte. Er hatte von Christi Leiden gesprochen als von einem längst Geschehenen und mit aller Mühe nicht so zum Herzen der Menschen vordringen können wie diese einfältigen Pietisten.
Während er noch in Betrachtungen darüber versunken war, hatten die Freunde ihr Gespräch zu dreien wieder miteinander aufgenommen.
Nun war die Rede vom Schwerthieb des Petrus.
Der Göttle sagte:
»Wenn einer zum Glauben erwacht, so ist doch zuerst der ganze alte Mensch noch in ihm! Und der ist voller Ungestüm! So kommt es, daß die neugewordenen Jünger des Herrn gleich Petrus mit großem Jäst dreinfahren, wenn der Herr einmal angefochten wird! Dem Herrn aber ist nicht geholfen mit menschlichem Ungestüm. Er hilft sich selbst und braucht den Menschen nicht! Wohl ist es ein guter Zug, wenn einer für seinen Herrn mit der ganzen Kraft seiner Natur eintritt, aber es ist nichts Gutes damit getan, wenn man für Christus mit dem Schwert ficht. Man vermehrt nur die Feindschaft auf der Welt, an der wir gerade genug haben. Christus ist aber der Stifter der Freundschaft. Darüber ist es eine Anmaßung, wenn einer für den Allmächtigen streiten will, für den die Engel streiten, ihrer zehntausend, wenn er sie ruft! Der Mensch soll nicht ein Arm Gottes sein, sondern Gottes Diener, indem er seine Gebote erfüllt! Noch einmal sag ich's: Die jungen, neugebackenen Christen sind's zumeist, die für den Herrn mit menschlichem Jäst und Ebermut dreinfahren, und an diesem Zeichen ist ihre Jungheit leicht zu erkennen!«
Als der alte Göttle so gesprochen hatte, fuhr der milde Holderieth fort:
»Das Reich Gottes ist keine Burg, die vom Satan umstellt ist, also daß die Christen sie verteidigen sollen! Der Herr hat keine Sorge um sein Reich. Er läßt es zu, daß die Bösen ungestüm wüten und gegen ihn eifern – und in einer Stunde schlägt er sie alle! Das Reich Gottes ist eine immerfort wachsende Stadt, und ihre Tore sind über, unter und auf der Erde. Ihre Straßen gehen quer durch unser Herz und an ihren Zinnen baut unser Glaube. Die Bausteine aber reichet uns Gott – und sie sind behauen für die Ewigkeit!«
Was der Göttle über den Arm Gottes gesagt hatte, gefiel Flattich über die Maßen. Er hatte in Asperg bisweilen stark die Versuchung gespürt, Gottes Arm sein zu wollen, und hatte erfahren, was jeder Petrus erfahren muß: Gott hatte ihn geheißen, das Schwert einstecken.
Stille und unauffällig, wie er gekommen war, ging Flattich wieder aus dem Garten der Gottesfreunde. Daheim hatte er ein langes Gespräch mit Margarete.
»Es muß vieles anders werden mit mir!« sagte er: »Da bin ich bei den frommen Leuten gewesen und habe gesehen und gehört, was für ein lebendiger Quell der Liebe und Wahrheit von ihnen ausgeht! Mit keinem von ihnen kann ich mich messen!«
Die Frau war sehr bestürzt über seine bußfertige Zerknirschung und fragte ihn: »Was haben sie denn gesagt?«
»Das ist's gerade,« antwortete er, »ich könnt' es nicht einmal wiederholen, so ganz von innen war's, so ohne alle Kopfklugheit. Noch weniger ist's möglich, daß in mir solch ein Quell aufbricht! Kannst du mir sagen, woran es mir fehlt, Margarete?«
Er hatte immer ein großes Vertrauen in ihr Urteil, denn sie wog die Menschen nicht nach ihren Künsten und Talenten, sondern ganz nach dem, was ihr Herz wert war.
Es machte ihr ziemliche Mühe, ihm zu sagen, in was er ermangelte, da er sie aber inständig bat, überwand sie ihre Scheu und antwortete:
»Mich dünkt, du willst manchesmal unseres Herrgotts starker Michel sein und fährst dabei drein wie der Teufel selber!«
»Du sagst es, Margarete! Ich danke dir!« gestand er ihr, und nach einer Weile fing er an, ihr alle seine inneren Unarten zu beichten, daß sie große Mühe hatte, ihn zu trösten und wieder aufzurichten.
»Ich weiß es sehr wohl,« bekannte er, »an allem ist mein Ungestüm schuldig! Du hast es ja am Tag vor unserer Hochzeit gleich zu spüren bekommen! Ich schäme mich der Flegeltat bisweilen nachts, wenn ich wachliege, so sehr, daß ich in der Dunkelheit rot werde!«
»Es ist sonderbarlich,« entgegnete darauf die Margarete lächelnd, »auch mir ist ein Denkzettel von der Zeit her geblieben. Allemal, wenn ich hart und böse gegen dich werden möchte, brennt mich die Wange, die du mir geschlagen hast, wie Feuer!«
»Also haben wir beide unseren Pfahl im Fleisch an dieser Stelle«, fuhr er fort, »und wir müssen sehen, daß wir ihn herausziehen! Die Schuld aber trage ich ganz allein. Sieh, der alte Göttle hat gesagt, an seinem Ungestüm erkenne man die Jungheit eines Christenmenschen. Ich will nun mit der Jungheit ein Ende machen und mit Fleiß in die Jahre kommen, von denen man sagt, daß sie köstlich werden müssen! Wie fang ich's nur an?«
»Könntest du nicht«, meinte die Margarete, »dir einen Zügel anlegen, wie man den jungen Rössern tut?«
»Weißt du mir einen?« fragte er.
Sie sagte: »Es muß begreiflicherweise ein unsichtbarer Zügel sein! Zum Exempel: eine Gebärde!«
»Da hab' ich jetzund«, antwortet er, »den richtigen Weg vor mir« – blieb aber inmitten des Satzes stecken, legte den Finger an den Mund und glaubte, er hätte es schon gefunden!
»Da hab' ich jetzund« – fing er wieder an, »hörst du's, Margarete, wenn ich das Sätzlein allemal sagte, wenn ich ungestüm werden will, ich glaube, es wäre dann ein wenig Zeit gewonnen, und schon kommt's nicht so heiß hervor, was ich sagen oder tun will!«
»Da hab' ich jetzund« – wiederholte er lächelnd und glücklich – »Du bist doch ein gutes und rechtschaffenes Weib!« fuhr er dankbar fort. »Und vielleicht muß ich nun künftig nicht mehr so viel rot werden in der Nacht. Denn die Scham, die man mit sich allein hat, brennt immer am heißesten!«