Gustav Schwab
Schiller's Leben
Gustav Schwab

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Schillers Todesfeier zu Hellebeck.

1791.

Während so Schiller und seine Freunde sich in ihres Herzens Freude gebärdeten, wie Kinder (spielten doch auch Scipio, Lälius und Lucilius der Dichter vor Tische Plumpsack mit den Servietten!Scholien beim Cruquius zu Horazens erster Satire des zweiten Buchs. Es geschah auf dem Lande, und Cicero sagt von ihnen (vom Redner 2, 6.), daß sie dort »unglaubliche Kindereien zu treiben gewohnt gewesen seyen.« So setzten sie sich z. B. zusammen ans Meeresufer, lasen Muscheln und Schnecken und spielten damit, – die größten Staatsmänner und der größte Dichter des damaligen Roms.) – gelangte ins ferne Ausland, durch seine wiederholte Krankheitsanfälle veranlaßt, die Nachricht von Schillers Tode, und der Irrthum führte einen höchst tröstlichen Wendepunkt in des Dichters ökonomischer Lage herbei.

Eine Hauptrolle bei diesem Zwischenspiel übernahm ein begeisterter Verehrer Schillers und später selbst namhafter Dichter.

Wie es vor zwölf Jahren noch Göthokoraxe oder Götheselstern gab, so konnte man vor fünfzig Jahren und später in Deutschland und selbst über der Gränze Schillerspapageyen genug zählen. Von diesen wohl zu unterscheiden sind aber jene edleren Enthusiasten für beide Männer, denen es an wahrem Gefühl und an Einsicht in ihre Größe keineswegs fehlte, und deren Urtheil nur die zur Leidenschaft gewordene Liebe für den Genius bis zu einem Uebermaße von Bewunderung steigerte, das, an Anbetung grenzend, zuweilen ins Lächerliche fiel. Unter die letzteren gehört, was Schillern betrifft, der Däne Jens Baggesen.Der Verfasser dieses Buchs begegnete dem Sänger das zweitemal an der Quelle seines Dichterrufes, zu Lauterbrunnen im Berneroberland, im Herbst 1824. Er war im Alter ein liebenswürdiger Enthusiast geblieben, und stieß von Lust und Natur trunken, begeistert auf die Gesundheit »seiner lieben Schwaben« an. Sein phantastischer Enthusiasmus für den Dichter wird nicht mehr belächelt werden, sobald man sich vergegenwärtigt, welche edle That durch ihn herbeigeführt worden ist.

Baggesen hatte im Jahre 1790, mit seiner jungen Frau aus der Schweiz, einem Lande, das er später in seiner Parthenais so begeistert schilderte, zurückkehrend, einige Tage in Weimar und Jena verweilt, mit Reinhold einen Bund fürs Leben geschlossen, und auch Schillers Persönlichkeit hatte einen unvertilgbaren Eindruck auf sein Herz zurückgelassen. In Kopenhagen angekommen, theilte er seine Begeisterung für Schillers Werke dem Minister, Grafen Ernst v. Schimmelmann, dem Herzog Christian Friedrich von Holstein-Augustenburg und deren Gemahlinnen, seinen Wohlthätern und Freunden, mit. »Wenn dieser Prinz uns nicht gewiß ist,« schrieb er über den Herzog an Reinhold, »so können alle jetzige und künftige Posa's sich mit ihren Planen nach dem Tollhause begeben.«

Im Juni 1791 war zwischen diesen Verehrern Schillers eine kleine Reise nach Hellebeck verabredet, wo »am donnernden Weltmeer« des Dichters Lied an die Freude an dem entzückenden Orte gesungen werden sollte, und wohin Baggesen die Schiller'schen Werke schon vorausgeschickt hatte. Alles war bereit; der junge Däne mit seiner Gattin wollte die Schimmelmann'sche Familie in Seelust abholen, als ein Billet der Gräfin ankam, das die Reise abstellte –: Schiller sey gestorben. Baggesen stürzte wie vom Blitz getroffen in die Arme seiner Sophie. »Ihm war, als hätte die Menschheit einen ihrer ersten Erzieher verloren.« »Trösten Sie mich über den Verlust von Mirabeau und über den noch empfindlicheren von Schiller,« schrieb er auf der Stelle an Reinhold, . . . »o warum mußte dieser Raphael vor seiner Transfiguration sterben!«

Dann setzte er sich mit seiner Frau in den Wagen und fuhr im Sturm und Regen nach Seelust zum Grafen Schimmelmann. »Wir haben nach Hellebeck gehen wollen,« sprach der Graf, »um in aller Munterkeit Schillers Ode an die Freude zu singen – jetzt wollen wir trotz dem schlechten Wetter hingehen und sie in aller Wehmuth von Ihnen vorlesen hören.« Es wurde angespannt und man fuhr fort. Der Minister Schubert im Haag mit seiner Gemahlin, die diesem Kreise angehörten, waren mit von der Gesellschaft.

In Hellebeck, sechstehalb Meilen nördlich von Kopenhagen, am »naturgrößesten Ort,« am Meeresufer, dem Kullen, dem höchsten Felsen Schwedens gegenüber, saßen bei aufgeklärtem Himmel sechs sich liebende, fürs Gute begeisterte Menschen, und Baggesen fing an in tiefer Trauer zu lesen: »Freude, schöner Götterfunken!« Klarinetten, Hörner und Flöten, von ihm und dem Grafen heimlich bestellt, fielen ein, und hingerissen sang die ganze Gesellschaft im Chore mit. Als alles fertig schien, fuhr Baggesen fort:

Unser todter Freund soll leben,
Alle Freunde stimmet ein!
Und sein Geist soll uns umschweben.
Hier in Hellas Himmelhain.

                Chor.

Jede Hand emporgehoben!
Schwört bei diesem freienVergessen wir nicht, daß man 1791 schrieb, und der Wein ohne Zweifel Franzwein war. Wein:
Seinem Geiste treu zu seyn
Bis zum Wiedersehn dort oben.

Aller Augen schwammen in Thränen; vier Knaben und eben so viel Mädchen erschienen, weiß als Hirten und Hirtinnen gekleidet, mit Blumenkränzen, und führten einen Reigentanz auf.

So blieben die, recht im Künstlersinne Schillers, Leidtragenden drei Tage beisammen. Lieblingsscenen seines Don Carlos, die Götter Griechenlands, Stücke aus dem Abfall der Niederlande, die Künstler, wurden gelesen, und der herbe Schmerz löste sich in sanfte Rührung auf. –

Als nun der Todtgeglaubte von Karlsbad und Erfurt nach Jena zurückgekehrt war, machte Reinhold es sich zum ersten Geschäfte, dem Dichter Baggesens Brief mitzutheilen; »und ich zweifle,« schreibt er seinem Freunde, »ob irgend eine Arznei heilsamer auf ihn gewirkt habe.« Die Nachricht von der Hellebecker Todesfeier war nach Jena gekommen, als eben in Schillers Hause Klub war. Schillers Frau zog Reinhold bei Seite. »Wenn Sie Baggesen schreiben,« sagte sie, »so sagen Sie ihm, – sagen Sie ihm – schreiben Sie ihm –« ein Thränenfluß erstickte ihre Stimme. »Ich kann ihm nichts Rührenderes schreiben,« erwiederte Reinhold, »als was ich jetzt sehe und höre.«

Baggesen, »von des unsterblichen und ungestorbenen Schillers Auferstehung« durch den Jenaer Freund benachrichtigt, war doch nicht ruhig, so lange er ihn nicht vollkommen hergestellt wußte. »Wenn das Gebet das wäre,« schreibt er, »wofür es unser wahnsinniger Engel Lavater ausgiebt, alle Kranken in Karlsbad und in der Umgegend würden dann gesund geworden seyn, so viel Segen hätte ich vom Himmel auf diesen Ort heruntergebetet.«

Dem Prinzen von Augustenburg las er einen Brief Reinholds vor, worin stand, daß sich Schiller vielleicht ganz erholen könnte, wenn er nicht, wie auch dieser selbst, im Fall einer Krankheit unschlüssig wäre, ob er seinen fixen Gehalt von 200 Thalern in die Apotheke oder in die Küche schicken sollte.

Und auf der Stelle wurde das nachfolgende Schreiben an Reinhold nach Jena eingeschlossen.


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