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1782
Während Schiller die Anthologie für den Druck rüstete, nahte endlich die erste Vorstellung der Räuber in Mannheim. Im December 1781 unterhandelte der Dichter mit seinem Gönner, dem Intendanten, über die Zeit der Generalprobe und äußert schon den Entschluß, bei der Aufführung zu erscheinen. Das Geburtsfest der Gräfin Franziska von Hohenheim, das am 10. Januar, dem ungefähren Aufführungstage, begangen werden sollte, und wo kein Militär wegbleiben durfte, schien indessen zwischen seine Hoffnung zu treten. Auf seinen bescheidenen Wunsch wurde die Aufführung verschoben.
Endlich, am 13. Jänner 1782, las man an den Straßenecken Mannheims den Theaterzettel: »Die Räuber, Trauerspiel in sieben Handlungen. Für das Mannheimer Theater vom Verfasser, Herrn Schiller, neu bearbeitet . . . Das Stück spielt in Deutschland, in dem Jahre, wo Maximilian den ewigen Landfrieden in Deutschland verkündigte. Wird präcise um 5 Uhr angefangen.« Dem Zettel war eine auf Dalberg's Rath von Schiller verfaßte Verständigung über das Stück angehängt, worin Karl und Franz Moor's Charaktere angedeutet und das liebe Publikum angewiesen wurde, seine Leidenschaften unter die Gesetze der Religion und des Verstandes zu beugen: »Der Jüngling sehe mit Schrecken dem Ende der zügellosen Ausschweifungen nach, und auch der Mann gehe nicht ohne Unterricht aus dem Schauspiel, daß die unsichtbare Hand der Vorsicht auch den Bösewicht zu Werkzeugen ihrer Gerichte brauche, und den verworrensten Knoten des Geschick's zum Erstaunen auflösen könne.«
Die Furcht vor Mißverständnissen hatte diese Worte eingegeben: im Uebrigen war das Gedicht weder mit derlei Absichten geschrieben, noch mit solchen Wirkungen begleitet. Es war ein Werk der Jünglingsideale und des Jünglingstrotzes, gereift in einer wechselschwangern Zeitatmosphäre, der Ruf eines poetischen Wettervogels, der von Unzufriedenen und von Hoffenden wohl verstanden wurde. Bald darauf brüllte das Räuberlied auf allen deutschen Universitäten und lockte dem nicht minder mit der Ahnungsgabe des Genius ausgestatteten Herder einen Ruf des Entsetzens ab.
Schiller selbst hatte sich, ohne Urlaub von seinem Regimentschef zu nehmen, aus Stuttgart entfernt, um sein Schauspiel zu sehen. »Welcher kräftige Jüngling,« schrieb er an seinen Freund Moser in Ludwigsburg, »würde nicht wünschen, das Kind seiner ersten Liebe zu sehen; und wünsche ich etwas anderes zu sehen, als jenes jugendliche, ernste Kind, welches sein Daseyn wo nicht einem kräftigen Jünglinge, doch einer jugendlichen, ernsten Beschäftigung eines Jünglings zu danken hat?« Der Entschluß war nicht ganz ohne Gefahr, denn ein früheres Urlaubsgesuch war nicht bewilligt und dem jungen Arzte, dem das Gerücht vorwarf, »daß er sein eigentliches Fach, die Medicin vernachlässige und Comödiant zu werden trachte,« in einer herzoglichen Resolution angedeutet worden, seinem Dienste gemäß überall sich zu betragen und keinesweges, wie bisher, Anlaß zur Unzufriedenheit mit ihm zu geben, widrigenfalls er es sich selbst zuzuschreiben haben würde, wenn die Ergreifung unangenehmer Maßregeln nöthig werden würde.«
In Mannheim waren indessen aus der ganzen Umgegend von Heidelberg, Darmstadt, Frankfurt, Mainz, Worms, Speier, die Leute zu Roß und zu Wagen herbeigeströmt, um das Stück, dem ein großer Ruf vorangegangen war, von den bedeutendsten Künstlern des damaligen Deutschlands aufführen zu sehen. Die Darstellung dauerte von fünf Uhr Abends bis nach zehn Uhr. Ueber diese mag derjenige Augenzeuge zuerst sprechen, der das größte Interesse aufmerksamer Beobachtung hatte, der Dichter selbst. Dieser versichert (in einer fingirten Theatercorrespondenz aus Worms, vom 15. Januar 1782), daß Herr von Dalberg unübersteiglich scheinende Hindernisse besiegt habe, um das unregelmäßige Stück dem Publikum aufzutischen. Dann rechtfertigt er die zum Vortheil der Maschinisten und Schauspieler geschaffenen sieben Aufzüge. »Alle Personen,« sagt er, »erschienen neu gekleidet; zwei herrliche Dekorationen waren ganz für das Stück gemacht, Herr Danzy hatte auch die Zwischenakte neu aufgesetzt, so daß nur die Unkosten der ersten Vorstellung hundert Thaler betrugen. Das Haus war ungewöhnlich voll, so daß eine große Menge abgewiesen wurde.« – »Im Ganzen that das Stück die vortrefflichste Wirkung. Herr Böck, als Räuberhauptmann, erfüllte seine Rolle, soweit es dem Schauspieler möglich war, immer auf der Folter des Affekts gespannt zu liegen. In der mitternächtlichen Scene am Thurm hör' ich ihn noch, neben dem Vater knieend, mit aller pathetischen Sprache den Mond und die Sterne beschwören. – Sie müssen wissen, daß der Mond, wie ich noch auf keiner Bühne gesehen, gemächlich über den Theaterhorizont lief, und nach Maßgabe seines Laufs ein natürliches, schreckliches Licht in der Gegend verbreitete. – Schade nur, daß Herr Bock für seine Rolle nicht Person genug hat. Ich hatte mir den Räuber hager und groß gedacht. Herr Iffland, der den Franz vorstellte, hat mir am vorzüglichsten gefallen. Diese Rolle, die gar nicht für die Bühne ist, hatte ich schon für verloren gehalten, und nie bin ich noch so angenehm betrogen worden. Iffland hat sich in den letzten Scenen als Meister gezeigt. Noch höre ich ihn in der ausdrucksvollen Stellung, die der ganzen laut bejahenden Natur entgegenstand, das ruchlose Nein sagen, und dann wiederum, wie von einer unsichtbaren Hand berührt, ohnmächtig umsinken: ›Ja, ja, droben einer über den Sternen!‹ Sie hätten ihn sollen sehen auf den Knieen liegen und beten, als um ihn schon die Gemächer des Schlosses brannten – wenn nur Herr Iffland seine Worte nicht so verschlänge und sich nicht im Deklamiren so überstürzte! Deutschland wird in diesem jungen Mann noch einen Meister finden. Herr Beil, der herrliche Kopf, war ganz Schweizer. Herr Meyer spielte den Hermann unverbesserlich, auch Kosinsky und Spiegelberg waren sehr gut getroffen. Madame Toskani (als Amalie) gefiel, mir zum mindesten, ungemein. Ich fürchtete anfangs für diese Rolle, denn sie ist dem Dichter an vielen Orten mißlungen. Toskani spielte durchaus weich und delikat, auch wirklich mit Ausdruck in den tragischen Situationen, nur zu viel Theateraffektation und ermüdende weinerlich klagende Monotonie. Der alte Moor konnte unmöglich gelingen, da er schon von Haus aus durch den Dichter verdorben ist.«
Diese Theaterkritik seines eigenen Stücks durch den Dichter, ergänzt uns sein Freund Streicher. Nach seiner Versicherung machten die drei ersten Akte die Wirkung nicht, die man im Lesen davon erwartete, aber die letzten drei befriedigten auch die gespanntesten Forderungen. Böck's kleine Figur ließ das Feuer des Spiels vergessen, Iffland aber schien ganz eins mit seiner Rolle und ragte hoch über alle hervor. Er war damals 26 Jahre alt, von Körper etwas schmächtig, im Gesichte blaß und mager; seiner Jugend ungeachtet war sein Spiel auch in den kleinsten Schattirungen so durchgeführt, daß es ein nicht zu verlöschendes Bild in jedem Auge, das ihn sah, zurückließ.
Von der ganzen Aufführung urtheilte Schiller (an Dalberg 17. Januar 1782): »Beobachtet habe ich sehr Vieles, sehr Vieles gelernt; und ich glaube, wenn Deutschland einst einen dramatischen Dichter in mir findet, so muß ich die Epoche von der vorigen Woche zählen.« Auch hatte diese Vorstellung so begeisternd auf den Dichter gewirkt, daß er einen Augenblick daran dachte, selbst Mitglied des Mannheimer Theaters zu werden, und diesen Gedanken den Schauspielern Böck und Beil äußerte. Der letztere erwiederte ihm prophetisch: »Nicht als Schauspieler, sondern als Schauspieldichter werden Sie der Stolz deutscher Bühnen werden.«