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Sechstes Kapitel.

Karl und der Marquis schritten durch mehre Straßen. Endlich bog der Marquis in eine enge und lange Gasse ein, die zum Theil von schmutzigen schmalen Häuserfronten, zum Theil von Magazinen und Hof- oder Gartenmauern gebildet wurde. Diese düstere Gasse war verlassen, als ob sie einer ausgestorbenen Stadt angehöre. Nur ein Mensch begegnete den beiden jungen Leuten, als sie hineinschritten. Es war ein langer Mann in einer Blouse, ein verdächtiges Gesicht mit einer Narbe über der Wange, die ein ergrauender Bart nur unvollständig bedeckte. Er ging, wie es schien, achtlos vorüber. Der Marquis blickte nach einer Weile hinter sich. Der Mann hatte die Gasse verlassen, sie war ganz öde. La Roche trat nun an eine kleine Thüre, welche in einer der die Gasse bildenden Mauern angebracht war. Er öffnete sie rasch und Beide traten in einen ziemlich großen, aber in hohem Grade verwilderten Garten ein. Auf den unbestellten Beeten stritten die jungen Schößlinge und grünen Triebe mit dem abgestorbenen Gezweig und den vermodernden Stämmen des vorigen Jahres; die Spaliere und zierlich zugestutzten Zwergbäume waren regellos auseinander gewuchert und die graziös angelegten Schlingpfade waren von dürren und grünen Ranken, von Gräsern und wild aufgeschossenen Loden überwuchert. Die kunstreichen Taxusfiguren, die aus einer frühern Periode des Gartenbaugeschmacks, als in Frankreich die Anglomanie noch nicht Fuß gefaßt hatte, herübergerettet waren, hatten sich in die abenteuerlichsten Auswüchse verirrt. Einem Elephanten war eine grüne Pyramide auf den Kopf gewachsen wie eine vollständige Harlequinsmütze, und einem kolossalen Löwen war der Rücken so in die Höhe gegangen, daß es aussah, diesem royalistischen Thiere sträubte sich aus Entsetzen über die Revolution, die ihn ohne Pflege und Dienerschaft ließ, das Mähnenhaar vor Grimm und Entsetzen empor.

Es sieht wild aus, sagte der Marquis, im Garten meines edeln emigrirten Vetters – fast so wild und wüst wie im ganzen lieben Vaterlande: die edeln Pflanzen verderben und das Unkraut wuchert mit Macht über sie empor. In der That, es ist ein außerordentlich demokratischer Garten. Aber da ist Delcour.

Delcour kam ihnen entgegen und deutete von weitem schweigend auf das Hotel, dessen hintere Façade auf diesen Garten hinausging. Sie näherten sich ihm. Eine geöffnete Glasthüre ließ den Blick in einen großen Gartensalon dringen, von dessen nackten und kahlen Wänden die Möbeln verschwunden waren, und der sich in einem höchst melancholischen Zustande befand, als ob eine innere Ahnung seine geflüchteten Bewohner schon seit Jahren habe darauf verzichten lassen, ihr Haus wohnlich zu erhalten.

Warten Sie einen Augenblick, sagte der Marquis; ich will vorausgehen, um mit dem Secundanten Ihres Gegners das Nöthige zu besprechen.

La Roche näherte sich dem Hause, aber bevor er es erreicht hatte, trat Lambert aus dem offenen Salon, eilte mit einem hastigen Gruße an dem Marquis vorüber und näherte sich raschen Schrittes seinem Gegner.

Was ist das? rief ihm La Roche nach – Sie sind ohne Secundanten, mein Herr?

Lambert antwortete ihm nicht. Er wandte sich an Karl.

Herr von Schwalborn, Sie sind gekommen, sich mit mir zu schlagen; ich werde mich mit Ihnen schlagen, auf Tod und Leben schlagen, mit jeder Waffe, die Sie wollen. Ich bin ohne Secundanten, damit Ihr Leben nicht gefährdet sei, denn ich habe keinen Freund in Paris, der, wenn ich fiele, Sie nicht als meinen Mörder und Aristokraten verfolgen ließe. Sie sehen, ich habe mich ganz in Ihre Hände gegeben – ich stehe allein Ihnen und Ihren zwei Begleitern gegenüber, auf einem Boden, den Sie kennen und ich nicht – einem Boden, der eine Falle sein kann, in welche Sie mich gelockt haben.

Pfui! unterbrach Karl seinen Gegner.

Aber dafür, fuhr Lambert immer heftiger fort, verlange auch ich einen Beweis von Vertrauen von Ihnen.

Und der ist?

Ich habe ein furchtbares Geheimniß auf dem Herzen, das ich von ihm wälzen muß, ehe ich sterben oder mich durch eine Verwundung vielleicht zu langer Unthätigkeit verdammen lassen darf. – Um es abzuschütteln, muß ich Bianca Tondini sehen. Sagen Sie mir ihre Wohnung, führen Sie mich zu ihr – dann lassen Sie mir nur drei Tage Zeit – später will ich Alles thun, was Sie wollen!

Ueber Karl's Züge flog ein spöttisches Lächeln.

Ich begreife nicht, wie Sie mir eine solche Zumuthung zu machen sich erdreisten können, sagte er dann mit verächtlichem Achselzucken.

Lambert ergriff seinen Arm und preßte ihn so krampfhaft, daß Karl Mühe hatte, ihn so rasch abzuschütteln, wie sein durch diese zudringliche Vertraulichkeit gesteigerter Unwille es versuchte.

Sehen Sie, Karl, rief er flammenden Auges, aber mit todtenblassem Gesicht aus, für diese höhnische Zurückweisung könnte ich Sie erdrosseln; aber so groß ist der Drang in mir, die absolute Notwendigkeit, Bianca zu sprechen, daß ich mich bezwinge, daß ich meinen Zorn niederhalte und mich in diesem Augenblicke zu einer Bitte demüthige: ich bitte Sie, sagen Sie mir, wie ich Bianca sprechen kann!

Karl sah ihn prüfend an – betroffen über ein solches Maß innerer Leidenschaftlichkeit, wie es aus Lambert sprach.

Sie wollen nicht! fuhr Lambert stürmisch fort – nun wohl, so hören Sie! Sie sind hierher gekommen mit der Absicht, mich zu tödten, nicht wahr? War es nicht Ihre Absicht? Gestehen Sie mir es! Nun wohl, ich verspreche Ihnen, mir nach drei Tagen selbst eine Kugel durch den Kopf zu jagen, wenn Sie mir sofort zu einer Unterredung mit Bianca verhelfen. Ich will es Ihnen schwören, bei Allem, was Sie verlangen.

Sie sind ein furchtbarer Mensch! Welch düsterer Spiegel für die Welt und die Menschen muß Ihre Seele sein, um glauben zu können, ich würde einen solchen Handel eingehen! Ich habe Sie gehaßt, Lambert; ich fange an, ein tiefes Mitleid mit Ihnen zu fühlen!

Ich brauche Ihr Mitleid nicht; ich will nichts, als ein paar Worte von Ihren Lippen und will sie Ihnen bezahlen mit meinem Leben!

Karl war halb erweicht, halb bezwungen worden durch die leidenschaftliche Inständigkeit seines Gegners. Er trat zum Marquis und besprach sich mit diesem. Der Marquis glaubte, daß es eine schlechte Politik sein würde, die Mittheilung eines Geheimnisses, welches ja vielleicht sie Alle in hohem Grade interessiren könne, zu hintertreiben. Karl kehrte zu Lambert zurück und sagte ihm:

Es kann keine Rede davon sein, daß ich Bianca's Aufenthalt Ihnen mittheile. Aber ich will ihr von Ihrem stürmischen Verlangen, sie zu sehen, sprechen und es in ihre Hand legen, ob sie hierher in diesen Garten kommen will, um Ihre Mittheilungen entgegenzunehmen.

Ich sähe sie lieber allein, in ihrer Wohnung. Aber ich kann Ihnen keine Bedingungen machen. Gehen Sie – holen Sie sie hierher und sagen Sie ihr, daß es sich ganz einfach um ihr und um mein Leben handelt.

Karl und der Marquis verließen den Garten auf demselben Wege, welchen sie gekommen. Delcour hatte den Befehl, als Beobachter zurückzubleiben und Lambert nicht aus den Augen zu verlieren; denn so überzeugt auch Karl war, daß hinter Lambert's stürmischem Verlangen sich keine List berge, so wenig war der Marquis geneigt, irgend eine Vorsichtsmaßregel darauf hin zu versäumen.

Lambert wanderte während der Entfernung seiner beiden Gegner ungeduldig im Garten auf und ab. Delcour machte sich in den Nebengängen zu schaffen und schien ganz damit beschäftigt, aus einigen großen Rosenstöcken die schwarzen vorjährigen Samenkapseln fortzuschneiden. Der lauernde Blick dieses Mannes lag darum nicht weniger spähend auf dem jungen Jacobiner. Dieser hielt von Zeit zu Zeit seine eilenden Schritte an: er stand eine Weile unbeweglich, das Kinn mit der Hand stützend, die Augen auf den Boden heftend; einmal stemmte er die Flächen beider Hände mit krampfhafter Heftigkeit gegen seine Schläfen, als ob er das Blut, welches darunter pochen mochte, zurückdrängen wolle, und dann warf er sich auf eine Steinbank, welche jener kleinen Pforte gegenüber lag, durch die Karl und der Marquis verschwunden waren. Er ließ seine Blicke nicht mehr von ihr fortgleiten, bis sie sich endlich nach einer halben Stunde des Harrens öffnete und Bianca Tondini's schlanke Gestalt, in schwarze Seide gekleidet und tief verschleiert, in den Garten trat. Der Marquis La Roche folgte ihr. Bianca hemmte ihre Schritte in dem Augenblicke, in welchem sie Lambert erblickte.

Bleiben Sie zurück, aber in der Nähe, sagte sie gepreßten Athems zu La Roche; dann wandte sie sich und ging festen Schrittes Lambert entgegen.

Dieser war aufgesprungen und traf sie in der Mitte des Gartens, an einer kurzen Sandsteinsäule, welche eine Sonnenuhr trug. Bianca legte, wie um sich zu stützen, ihren Arm darauf und fragte mit zitternder Stimme:

Was wollen Sie von mir?

Lambert hatte einen Augenblick stumm in ihre Züge geschaut. Ein Stich fuhr ihm durchs Herz, als er jetzt die Spuren der Krankheit wahrnahm, welche ihm bisher, bei der Beleuchtung des Abends, verborgen geblieben waren.

Ich habe eine furchtbare Schuld gegen Sie, sagte er stockend, die Worte mit Mühe hervorstammelnd – aber ich bin furchtbar dafür bestraft worden. Denken Sie sich die allerentsetzlichste Strafe aus, durch welche Sie gerächt werden konnten: ich leide an dieser Strafe!

Bianca hatte diese Worte nicht verstanden, hätte in den Blicken Lambert's nicht etwas gelegen, was einen Schlüssel zu dem Sinne derselben gab. Ein unbeschreibliches Gefühl tiefen Widerwillens kam über sie.

Was wollen Sie von mir? sagte sie noch einmal, diesmal hart und fest.

Ich will wieder gut machen, was ich an Ihnen gethan habe. Ich will Ihnen das Leben retten, dasselbe Leben, welches ich in Todesgefahr brachte.

Das Leben retten? Und glauben Sie, daß ich ein Leben Ihnen verdanken will?

Lambert hatte auf eine solche Antwort sich nicht gefaßt gemacht. Er schwieg einen Augenblick.

Sie wollen es nicht? Sie müssen wollen. Sie sind Ihrem Leben schuldig, es zu schützen und wollten Sie es auch nicht. – Sie können Ihrem Ohre nicht befehlen, taub zu sein gegen das, was ich Ihnen sage. So hören Sie: Nach wenig Tagen, vielleicht morgen schon werden Sie an den Straßenecken ein Decret des Gemeinderaths von Paris angeschlagen finden, welches wie mit einem Zauberworte alles Leben dieser großen Stadt lähmt. Bei Todesstrafe wird Jedermann in seiner Wohnung sein müssen: kein Fuß darf die Straße mehr betreten, kein Arzt wird zu einem Kranken, kein Priester zu einem Sterbenden eilen dürfen. Dann werden die bewaffneten Sectionen ihr Werk beginnen. Sie werden Paris durchsuchen. Kein Haus, keine Kammer, kein noch so gut ersonnenes Versteck, kein doppeltes Parquet, keine Mauerhöhlung, kein Kellergewölbe wird verschont bleiben. Weder das Dach von Notre-Dame noch die unterirdischen Kanäle, welche in die Seine münden, werden Rettung bieten. Man wird Alle, die fremd, die des Royalismus verdächtig, die mit Emigranten verbunden sind, die einen Aristokratennamen führen, verhaften. Man wird auch Sie verhaften, Bianca: Sie sind eine Gräfin, welche im Verein mit einer Fürstin aus Wien nach Paris gekommen ist. Glauben Sie mir, Ihre Anstellung am Theater schützt Sie nicht. Das Theater selbst ist verhaßt, verdächtig. Die österreichische Fürstin, die sich ohne Grund in Paris aufhält, verdirbt Sie unrettbar.

Und wenn man uns findet, wenn man uns verhaftet –

So wird man Sie nach wenig Tagen ohne Urtheil und Proceß tödten – man bereitet eine Schlächterei in Paris vor, wie die blutigsten Blätter der Geschichte nichts Aehnliches kennen.

Bianca war erblaßt bei dieser Mittheilung.

Wie entsetzlich ist das! rief sie aus. Sind denn die Menschen alle in Hyänen verwandelt?

Wollen Sie jetzt von mir die Rettung annehmen?

Bianca antwortete nicht. Unter dem Eindrucke der furchtbaren Mittheilung, welche ihr eben gemacht worden, war es ihr unmöglich, sogleich und ausschließlich ihr eigenes Schicksal ins Auge zu fassen. Wie hätte sie auch daran denken können, ohne die Fürstin zu fliehen? Wie daran, Lambert ihre Rettung anzuvertrauen? Und sollte sie den geheimnißvollen Plan, den sie verfolgte und um dessentwillen sie sowol wie die Fürstin in Paris sich aufhielten, für den so manche großartige Vorbereitung getroffen war, jetzt plötzlich erschrocken, feige fallen lassen? Gehörte zu diesen Vorbereitungen nicht auch ein sicherer, ganz unentdeckbarer Versteck, den sie von der Fürstin und deren Freunden für den Fall der Noth hergerichtet wußte? Bianca war bald entschlossen und gefaßt. Aber eine andere Frage war in ihr aufgetaucht und beschäftigte ihren Geist.

Sie antworten nicht? drängte Lambert.

Lassen Sie mir einen Augenblick der Besinnung.

Eine Menge Gedanken und Gefühle durchkreuzten sie. Es kam darauf an, ihren persönlichen Widerwillen, Lambert's Dienste zu benutzen, um eines großen Zwecks willen niederzukämpfen. Es war ein Opfer der Selbstverleugnung, ja beinahe des Ehrgefühls. Sollte sie dies Opfer bringen? Sie kämpfte lange. Dann heftete sich ihr Blick auf Lambert's Züge. Es lag etwas darin, was den Ausschlag gab. Sie sah, daß er entsetzlich litt. Der gewöhnliche, etwas stechende Blick seiner Augen war einem Ausdrucke gewichen, worin tiefer Schmerz lag.

Ich kann eine Rettung von Ihnen nicht annehmen, sagte sie; ich kann es nicht und ich will nicht –

Lambert zuckte zusammen. Er streckte die Hand nach der kleinen Steinsäule aus, um sich daran zu halten, und sagte mit bebender, erbleichender Lippe:

So gehen Sie in den Tod!

Mag sein! versetzte Bianca kurz. Aber, fuhr sie fort, ich erkenne darum nicht weniger an, was Sie für mich thun wollten. Sie sind zu mir, zu der, gegen welche Sie eine so entsetzliche Schuld auf sich geladen haben, gekommen und haben ohne Weiteres, ohne Rückhalt und Bedingung Ihr Leben in meine Hände gelegt. Mir das Geheimniß dessen verrathen, was Paris bevorsteht, war eben so viel, als Ihren Kopf unter das Beil der Guillotine legen und mir sagen: Ziehe die Schnur! Eine Zeile von mir an den Gemeinderath, oder an irgend einen Demagogen Ihres Clubs, der zu den Eingeweihten gehört – und das Eisen fällt! Ich will Ihnen zeigen, daß ich für dies Vertrauen wenigstens dankbar bin. Ich will einen Dienst, den Sie mir leisten können, annehmen.

Lambert hatte die Arme übereinandergeschlagen und starrte schweigend den Boden an, während Bianca sprach.

Ich habe den Wunsch, fuhr Bianca, ihre Stimme dämpfend, fort, die Königin Marie Antoinette zu sehen und zu sprechen.

Lambert blickte überrascht auf.

Ist Ihnen eine Todesgefahr nicht genug? sagte er.

Es handelt sich dabei um nichts Gefährliches. Ein Bekannter von mir wünscht ein neues Stück auf dem Theater der Italiener aufführen zu lassen. Es heißt: »François I. de retour.« Es ist eine Satyre auf die Aristokratie, den Hof, die Königin insbesondere. Ich soll die Rolle der Königin darin übernehmen. Der Verfasser aber wünscht aufs dringendste, daß ich die Königin sehe, sprechen höre, beobachte, ehe ich sie auf der Bühne darstelle. Es muß Ihnen nun leicht sein, zu einem solchen Zweck mir eine Erlaubniß auszuwirken, nach einigen Tagen den Tempel zu betreten.

Lambert blickte die Sprechende mit dem Ausdruck des höchsten Erstaunens an. Dann sagte er lächelnd, fast spöttisch:

Die Sache ist nicht ganz so, wie Sie mir sagen. In einem Stücke, worin die gefangene Königin dem Gelächter der Menge preisgegeben werden soll, werden Sie nicht auftreten!

Bianca erschrak jetzt. Sie begann Reue zu fühlen über das, was sie gesagt – sie fühlte, die geheime Leidenschaft, mit welcher sie ihr Ziel verfolgte, hatte sie zu weit geführt.

Wenn irgend ein Verdacht gegen mich in Ihnen aufsteigen sollte, so werden Sie sich jedenfalls hüten, ihm Worte zu geben, sagte sie. Sie können nicht vergessen, daß Ihr Leben in meiner Hand ist!

Bianca! versetzte er vorwurfsvoll – ich habe mein Leben daran gesetzt, Sie zu retten!

Nun wohl. Ich habe Ihnen eine Anerkennung dafür zeigen wollen, indem ich einen Dienst von Ihnen verlangte. Wollen Sie ihn mir erweisen?

Nein, nein, rief er stürmisch aus – ich kann nicht dazu mitwirken, daß Sie umsonst Ihr Blut vergeuden für eine verzweifelte Unternehmung, deren Gelingen unmöglich ist.

Ihren Rath über irgend eine »Unternehmung« habe ich nicht verlangt. So ist unsere Unterredung beendet.

O gehen Sie nicht – bei Allem, was Ihnen heilig ist – hören Sie mich an!

Bianca wandte sich ab, um zu gehen.

Ich will es – ich will thun, was Sie verlangen. Ich kann Ihnen die Erlaubniß verschaffen. Aber Sie müssen mir dazu zum Stadthause folgen, und zwar augenblicklich, denn ich weiß, daß ein vertrauter Freund von mir am heutigen Morgen für einen erkrankten Collegen als Secretair des Gemeinderaths fungirt. An ihn müssen wir uns wenden.

Augenblicklich? sagte Bianca zögernd.

Ja – versetzte Lambert; ich möchte sonst auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Mein Freund geht wahrscheinlich in den nächsten Tagen als Commissair zur Nordarmee ab.

Nun, so sei es, antwortete Bianca mit raschem Entschluß.

Sie wandte sich zu La Roche, der beobachtend in der Ferne stand, und theilte ihm mit, was sie zu thun beabsichtige. Dieser widerrieth ihr erschrocken, sich Lambert so rückhaltlos anzuvertrauen.

Fürchten Sie nichts und theilen Sie es der Fürstin mit, daß ich im Begriff bin, das schwerste Hemmniß unserer Pläne zu besiegen. Von Lambert befürchten Sie nichts. Er ist in meiner Gewalt! fügte sie zuversichtlich hinzu.

Ich kann Ihnen nicht widersprechen, sagte La Roche etwas kleinlaut. Wir müssen eben Alles wagen. Nur sein Sie klug und hüten Sie sich, bei der Rückkehr Ihre Wohnung erspähen zu lassen. Ich werde suchen, in Ihrer Nähe zu bleiben und Sie zu überwachen.

Bianca verließ mit Lambert den Garten, Delcour und La Roche folgten ihr in der Entfernung.

*


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