Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Belagerung.


Siebentes Kapitel.


Als Valerian Surenburg verlassen hatte, begab er sich eiligst nach dem nur wenige Stunden entfernt liegenden Gute, auf welchem Herr von Sackenrode residirte.

Herr von Sackenrode hatte unterdeß Valerian's Cartelträger bei Tondern gemacht und dieser sich durch seinen Secundanten bereit erklärt, die verlangte Genugthuung zu geben. Daß aber Valerian zur sofortigen Erledigung der Sache die letzten Tage hindurch vermißt worden sei, wie Allgunde gesagt hatte, davon wußte Sackenrode nichts, als Jener ihn darum befragte, sobald er vor ihm stand.

Als Waffen wählte nun der Beleidigte Pistolen und bat seinen Freund, gleich zu Tondern selbst oder zu seinem Secundanten hinüberzureiten und diesem seinen Wunsch auszudrücken, daß die Sache am andern Morgen abgemacht werde. Valerian war in der höchsten Ungeduld, die verdrießliche Episode beseitigt zu sehen, um zu Theo zurückkehren zu können; er hatte keinen ruhigen Augenblick, bis er wieder an der Seite seiner Braut war, welche er vor den Plänen und Ränken der Gräfin von Quernheim jetzt einen Tag länger unbeschützt wußte.

Sackenrode war ein Pferdenarr und hatte den Adelssparren zu einer immensen Größe in sich ausgebildet; man sah an seinem Hause das freiherrlich Sackenrode'sche Wappen an allen Ecken und Enden; hier war es in die Rücklehne der Sessel und dort auf die Sophakissen, die Pantoffeln der Hausfrau, die Zipfel der Servietten gestickt; dort in die Fensterscheiben gebrannt, in die Ecken der Gemälde gepinselt, in die Halsbänder der Jagdhunde gravirt, die mit silbernen Ketten an die Wände seines Wohnzimmers angeschlossen lagen – sonst aber war er ein gutmüthiger und gefälliger Mensch, und als er Valerian's Unruhe wahrnahm, versprach er Alles zu thun, was in seiner Macht stehe.

Während er sich zu Pferde setzte, um nach Haus Crailsfurt zu reiten, schrieb Valerian einen Brief an Theo, der sie über sein Ausbleiben an dem bestimmten Tage trösten sollte und die Hoffnung aussprach, daß er einen Tag später werde bei ihr sein können. Den Grund seines Ausbleibens verschwieg er. Doch unterließ er nicht, seine Braut von den Erfolgen seiner Unterredungen mit Mainhövel und mit der Gräfin Allgunde in Kenntniß zu setzen.

Ein Eilbote ging mit diesem Briefe nach dem Hofe von Ostenwalde hin ab.

Gegen Abend kam Sackenrode zurück; er war unterwegs auf den Secundanten Tonderns gestoßen, der just ihn besuchen wollte und mit ähnlichem Auftrage von seinem Freunde versehen war, wie Sackenrode ihn auszurichten beauftragt worden. Auch Tondern hatte eine große Eile, das Duell zu beendigen, gezeigt, und so war festgesetzt worden, daß es am andern Morgen vor sich gehen solle.

Als Ort der Zusammenkunft hatte man eine Stelle gewählt, welche zwar ziemlich weit entfernt lag, aber den Vortheil gewährte, daß sie Schutz vor jeder Unterbrechung durch das Nahen irgend eines Menschen bot, und daß, im Falle einer der Streitenden verwundet werden sollte, sich ein stilles und verschwiegenes Obdach zu seiner Pflege in der Nähe befand. Das Stelldichein war nämlich in dem südlichen und gebirgigen Theile des Landes; hier hatte man ein einsames Thal ausgesucht, in dessen Grunde sich eine Mühle befand, welche dem Freiherrn von Sackenrode zugehörte, während etwa eine Stunde von dem Orte, seitwärts im Gebirge, ein Gut lag, welches dem Grafen von Quernheim eigen war und also einen Rückzugspunkt für Tondern bilden konnte.

Es mochte am andern Tage elf Uhr Vormittag sein, als nach einem ziemlich scharfen Ritte Valerian und Sackenrode, jeder von einem Diener begleitet, an der Mühle ankamen. Tondern und sein Secundant waren noch nicht da. Man mußte sich entschließen zu warten. Gegen drei Uhr Nachmittags kam ein Bote mit einem Briefchen an Sackenrode; Tondern war durch eine plötzlich eintretende Verhinderung, die er nicht näher bezeichnete, vom Kommen abgehalten worden, versprach aber, am andern Morgen bei Zeiten ganz sicherlich eintreffen zu wollen. Trotz seiner Ungeduld, nach dem Hofe zu Ostenwalde zurückzukehren, konnte Valerian nicht umhin, sich in die Verzögerung zu fügen. Man verschlenderte den Rest des Tages in der pittoresken Waldgegend des Gebirges und mußte sich am Abende in der Mühle einrichten, so gut es gehen wollte.

Als Valerian am folgenden Morgen erwachte und seine ersten Gedanken mit den frischen Grüßen seiner Liebe zu Theo hinüberflogen, da fiel ihm jenes Wort Allgundens ein, welches er sie vor einigen Tagen in der Gesellschaft hatte sprechen gehört:

»Es wird Theo eine hübsche Ueberraschung sein, wenn ich eines schönen Morgens vor ihrer ländlichen Residenz vorfahre!«

Diese Drohung der unternehmenden und gewaltthätigen Gräfin erfüllte ihn mit großer Beunruhigung. Er sprang auf aus dem breiten und dumpfen Bettungeheuer, welches für ihn hergerichtet war Da er vernahm, daß Sackenrode noch schlafe – obwol es durchaus nicht mehr früh war, da die Ermüdung der vorhergehenden Tage Valerian in einen sehr festen und tiefen Schlummer geworfen hatte – so wandelte er in das Freie hinaus, folgte dem Mühlenbache durch ein schattiges Erlen- und Weidengehölz und erklomm dann eine der Anhöhen, welche das Thal umschlossen.

Hier war ein alter Mann, der mit freundlicher Gesprächigkeit Valerian anredete, beschäftigt den hohen Ginster, die gelbblühende Wappenpflanze der Plantagenets abzuschneiden, um Besen daraus zu binden. Man überblickte auf der sandigen Anhöhe das Mühlenthal und den Weg, den Tondern kommen mußte. Das Thal war öde und zeigte die dürftigste Vegetation; unter der dünnen Decke von kargen Grashalmen und Sandhafer, welche über den Abhängen lag, trat der sterile Boden vielfältig nackt zu Tage; nur unten im Grunde rieselte der Bach durch Wiesen und schmales Gehölz. Nach Süden hin war dagegen die Umgebung des Thales romantisch und schön; hier dehnte sich das Waldgebirge aus und hob sich in immer gewaltigeren Höhen, die übereinandergelagert den Horizont schlossen.

Valerian überblickte das Landschaftsbild, das vor ihm ausgebreitet lag; links und vor ihm, jenseit des dürren Thales zu seinen Füßen, stieg das Gebirge empor; rechts, nach Norden hin, waren ebenfalls Anhöhen, aber keine geschlossene Kette, sondern einzelne Gipfel, zwischen denen Schluchten und Pässe Durchblicke gewährten. Durch diese Schluchten sah man die Dorfhütten und die Thurmspitzen und Mauerzinnen der kleinen Städte, die weißgetünchten Gebäude der Rittergüter mit Giebeln und Söllern, welche in der fruchtbaren Ebene über grüne Wiesen und aus dunkeln Hainen ragten. Es lag Wald und Acker und Weide in wohlthuender, malerischer Abwechselung da unten durcheinander und über der ganzen, weiten Fernsicht schwebte der verklärende, duftige Morgennebel des Herbstes, mit dem die Strahlen der Sonne und der goldighelle Aether der höheren Atmosphäre im Kampf zu liegen schienen, so daß die schönsten blauen Tinten über den Höhen und den fernsten Waldstreifen ausgegossen waren.

Valerian wandte sich, nachdem er eine Weile glänzenden Auges den Zauber der schönen Fernsicht hatte auf sich wirken lassen, welcher fromme, betende Gedanken in ihm erweckte. Er war gerührt in tiefster Seele und seine Stimmung war die eines Kindes: o wäre meine Seele so rein und klar wie diese lautere, kristallhelle Morgenluft, die mich umweht! dachte er; wäre mein Herz, mein Muth, meine Treue und mein Glaube so unerschütterlich, so fest, wie diese Berge vor mir ruhen, die duftigen, blauen Wände emporspannend, gleich Riesengezelten einer geheimnißvollen Stiftshütte! Ja, sie, sie! rief es dann in ihm und ein unendlicher Jubel zog durch seine Seele, sie wird mich von nun an athmen lassen in der goldreinen Gedankenatmosphäre ihrer Nähe, in ihr Auge werde ich sehen, wie in das Allerheiligste einer Stiftshütte und warnende Stimmen eines Engels werde ich heraushören, wenn ich irren oder fehlen will!

Seine Blicke fielen auf das dürftige Thal zu seinen Füßen. Betroffen wandte er sie ab und setzte sich sinnend auf einen Granitblock, der neben ihm halb aus dem Sande emporragte.

Bin ich denn nicht im Begriffe zu irren und zu fehlen, grade jetzt? Was führt mich in diesen düstern Mühlengrund da unten? Eine Handlung will ich begehen, die nach meiner innersten Ueberzeugung, wenn ich besonnen mich frage, entweder eine Kinderei oder ein Verbrechen ist! Sein Vorhaben schien ihm in seiner jetzigen Stimmung so unendlich nichtig und verkehrt, daß er sich vor sich selber schämte.

Und du solltest den Muth nicht haben, zu thun, was deine Ueberzeugung dir gebietet? rief er aus, du solltest auch deinen Zoll geben an die feige Mattherzigkeit deiner Zeit, die kritisch genug ist, alles Verkehrte zu durchschauen und doch den Muth nicht hat, durch eine entschiedene Willensermannung es abzuschütteln? – Die Zeit drängt – Theo ist unbeschützt und allein!

Er sprang auf.

He, Alter, rief er dann den Mann im Ginster an, wo ist der nächste Weg für einen Reiter nach Schlettendorf oder, wenn Ihr den Ort nicht kennt, nach der Gegend von Birkenheim?

Valerian wollte über Schlettendorf, von wo aus er Sackenrode die für sich und seinen Bedienten entliehenen Pferde zurückzusenden beabsichtigte, und über Blankenaar, wo er Theo's Wagen und Diener nach dem Hofe von Ostenwalde abschicken sollte, zu seiner Braut zurückeilen.

Nach Birkenheim? fragte der Alte und, indem er dicht neben Valerian trat, legte er die Hand an die Stirne und wies mit seiner Sichel in östlicher Richtung nach einer der Schluchten, welche die Bergreihe nach dieser Seite hin durchschnitten.

Dort, sagte er, dort durch die Schlucht; da hindurch führt der Fußweg ins ebene Land; halten Sie sich nur immer an den Mühlbach dort unten, der fließt auch durch die Schlucht, und wenn Sie dann weiter kommen und Niemanden finden, der Ihnen den Weg zeigt, so steigen Sie nur auf's Arnsteiner Schloß und fragen da nach.

Ich danke Euch, Alter, sagte Valerian, schenkte ihm etwas und wanderte langsam, unentschlossen, mit sich kämpfend, zur Mühle hinab.

Es drängte ihn gewaltsam, wie eine innere Ahnung trieb es ihn fort von hier; aber er durfte, konnte nicht, es war unmöglich!

Als er im Grunde unten angekommen war, noch ein paar Büchsenschüsse weit von der Mühle, stieß er auf einen Menschen zu Pferde, der zwar keine Livree trug, aber ganz das Ansehen eines Lakaien hatte.

Herr, sagen Sie mir, redete dieser ihn an, wie spät ist es?

Neun Uhr beinahe.

Erst neun?

Ist's Euch zu früh?

Der Reiter blickte forschend den Grafen an und antwortete nicht.

Woher kommt Ihr?

Von Crailsfurt, versetzte trocken der Gefragte, wandte sein Pferd und ritt sehr langsamen Schrittes denselben Weg zurück, den er gekommen.

Valerian eilte ihm nach; er ergriff die Zügel seines Thieres und sagte in heftigem, befehlendem Tone:

Halt, Bursche! Gib mir Antwort: kommt dein Herr, oder kommt er nicht?

Kommen? wohin?

Hierher!

Ich habe nicht gesehen, daß er Anstalten gemacht hätte, irgendwohin zu kommen!

Und was willst du hier?

Nichts, was Euch beträfe, sagte der Mensch trotzig und sein Pferd spornend.

Valerian hielt den Zügel fest, daß das Thier sich bäumte. Du kommst nicht von der Stelle, bis du mir Rede stehst, rief er zornig, und winkte seinem Reitknecht, welcher in diesem Augenblicke vor der Mühle sichtbar wurde.

Valerian's vornehm befehlende Stimme und der Umstand, daß ein Diener in reicher Livree ihm gehorchte, wirkten auf die berittene Lakaienseele so einschüchternd, daß er nachgab, den Hut zog und sagte:

Ew. Gnaden, ich soll einen Brief an Herrn von Sackenrode abgeben, aber nicht früher, als bis ich sehe, daß der Herr Anstalt trifft, heimzureiten, und nicht früher als zwischen zehn und elf Uhr sollt' ich hier eintreffen.

Ah, rief Valerian aus, und dein Herr, Tondern, denkt nicht daran aufzubrechen, um sich endlich hier zu stellen?

Ich weiß nichts davon.

Genug, genug, sagte Valerian; reit' jetzt und mache mit deinem Briefe, was du willst, ich sehe, welchen Zweck diese Verzögerung hat. Aber dein Herr hat falsch gerechnet, wenn er mich für einen langmüthigen Thoren hält, der sich mit Ausflüchten hinhalten läßt! – Stephan, sattle die Pferde – augenblicklich – fort! wandte er sich zu seinem Reitknecht, der unterdeß herangekommen war, und eilte dann selbst mit dem Diener zur Mühle zurück.

Herr von Sackenrode schlief noch. Dies war Valerian sehr erwünscht, denn er fürchtete seines Secundanten Einwürfe und Vorstellungen gegen seine rasche Handlungsweise, und ferner den Zeitverlust, wenn der bequeme, langsame Sackenrode mit ihm hätte heimreiten wollen. Deshalb trug er dem Reitknecht desselben eine kurze Botschaft an seinen Herrn auf, daß er erfahren, wie man ihn nur hinhalten wolle und wie eine äußerst dringende Angelegenheit ihn augenblicklich fortrufe; dann eilte er zu seinem Pferde.

Wenige Minuten darauf befand er sich auf dem Wege neben dem Mühlenbache hin und der Schlucht zu, welche der alte Mann Valerian als erstes Ziel gewiesen hatte, wenn er die Gegend auf dem kürzesten Wege verlassen wolle.

Der Weg wurde immer hübscher und lieblicher. Links rauschte der durch viele Seitenquellen verstärkte Bach um Felsblöcke und über kleine Wehre, schoß dann gurgelnd an gedämmten Ufern kleiner, schmaler Wiesen hin und schäumte gleich darauf eifrig durch die niederhängenden, grünen Zweige eines Erlenwäldchens. Rechts wölbte sich der dichte Wald, der die steilen Bergseiten des Thales bedeckte, mit seinen Aesten zu einem schattigen Dache über dem Reisenden. Hie und da lehnte sich eine kleine Hütte an die Hügelwände des Thales, doch waren diese Ansiedelungen selten und, wie es schien, nur von sehr armen Leuten bewohnt; und ebenso unbedeutend wie ihre Hütten waren die Flecke Landes, welche sie durch Arbeit der Cultur gewonnen hatten.

Valerian war eine kleine Stunde weit in raschem Trab ungefähr geritten, als er bei einer Beugung, die Bach und Thal machten, plötzlich über sich die Mauern, Thürme und zackigen Giebel eines kleinen, aber in seiner mittelalterlichen Eigenthümlichkeit wohlerhaltenen Schlosses erblickte, das altergrau und imponirend mit schlanken Structuren von einem Bergvorsprung emporstieg.

Das Arnsteiner Schloß, sicherlich, wie der Alte es nannte, dachte er, und dabei erinnerte er sich des Billets, welches durch ein Misverständniß in seine Hände gerieth an jenem Abende, als er in Blankenaar gewesen – Schloß Arnstein kam darin vor als Ort, wohin Theo gebracht werden solle.

Er ritt weiter, in Gedanken versunken und besorgt über die Gefahren nachsinnend, welche der heftige und gewaltthätige Charakter Allgundens Theo bereiten könne, so lange diese allein sei. Sein Weg lief jetzt hoch am Abhange der Bergwände hin; der Bach strömte, sich mehr und mehr zum Fluß erweiternd, tief unten durch Wiesengründe und jenseit derselben, dem Reiter zur Linken, stieg das Arnsteiner Schloß empor. Die malerischen Umrisse desselben hoben sich im hellen Sonnenglühen scharf von dem dunkeln Hintergrunde ab; denn eine dichte Tannenwaldung bedeckte den Berg, auf dessen Vorsprung das Gebäude in leichtem Schwunge seine pfeilschlanken Thurm- und Giebelspitzen emporhielt. Am Fuße der Fichtenwaldung drüben und bis an das Ufer des Gewässers dehnte sich ein Weidegrund aus, der von dem Schlosse bis tief hinein in die ferne Bergschlucht sich erstreckte, welcher der Bach zuströmte; ein Fahrweg schlängelte sich durch diesen Weidegrund vom Schlosse herab ebenfalls der Schlucht zu.

Auf diesem Fahrwege sah man einen Wagen nahen, welcher die Aufmerksamkeit Valerian's fesselte und seine, das hübsche Landschaftsbild überschweifenden Blicke bald ausschließlich anzog. Der Wagen, eine gewöhnliche gelbe Reisechaise, bewegte sich nämlich in auffallender Eile vorwärts dem Schlosse zu, und Valerian's scharfes Auge sah bald, daß der Kutscher mit einem ganz unerbittlichen Eifer auf die zwei Pferde lospeitschte, die augenscheinlich überangestrengt und dem Sturze nahe waren. In der Chaise saßen zwei weibliche Gestalten.

Als Valerian, sein Pferd anhaltend, eine Weile die hastige Fahrt beobachtet hatte, kam plötzlich ein Stillstand hinein; irgend ein Hemmniß schien sich dem Fortkommen der Eilenden zu widersetzen; war etwas am Wagen zerbrochen, war eines der Pferde stätig geworden – kurz, das Fuhrwerk hielt und kam nicht mehr vom Fleck trotz der mit letzter Anstrengung geschwungenen Peitsche des Kutschers.

Im nächsten Augenblicke sprangen die beiden Frauen aus dem Wagen. Die Eine, im dunkeln Kleide und im Strohhute mit wallendem, grünem Schleier eilte ohne Aufenthalt weiter; die Andere, die ohne Kopfbekleidung zu sein schien, holte ein paar große Cartons aus dem Wagen, sah sich mehrmals um und folgte dann in raschen Sprüngen der Ersten.

Der Kutscher untersuchte während deß am Wagen, nahm die Pferde beim Maul, um sie voran zu zerren, ließ nochmals die Peitschenschnur um ihre Ohren schwirren – doch seine Anstrengungen blieben vergebens. Da schien auch er wie von einem panischen Schrecken ergriffen zu werden; er warf die Peitsche und die Zügel fort und lief nun mit derselben Hast davon, welche die Frauen vor ihm an den Tag legten, die er bald eingeholt hatte.

Valerian sah noch, wie er mit den Cartons bepackt wurde; dann verschwanden alle drei Flüchtigen hinter Gebüsch und Hecken, und in dem Hohlweg, der zum Schlosse emporführt.

Was war das? fragte sich Valerian erschrocken, während sein Herz von den heftigsten Schlägen bewegt wurde.

Wer kann das sein, Ew. Gnaden? rief sein Reitknecht aus, neben ihn herankommend.

Valerian antwortete nicht; aber eine fürchterliche Angst bemächtigte sich seiner.

Im nächsten Augenblicke hatte er mit scharfem Stoße seinem Thiere die Sporen eingesetzt. Die Gefahr des abschüssigen Weges nicht achtend, sprengte er davon, der Brücke zu, die er in einiger Entfernung unten im Thale wahrnahm. Das zuverlässige Jagdpferd Sackenrode's trug ihn windschnell und sicher hinunter durch den Weidegrund und über die morsche Brücke und nach kurzer Zeit hielt es keuchend mit ihm vor dem Thore des Schlosses von Arnstein.



 << zurück weiter >>