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Zweites Kapitel.


Gentz soll kommen! rief Valerian, als er auf dem Hofe von Schlettendorf aus dem Wagen sprang.

Er ist seit mehreren Tagen abwesend, Herr Graf, antwortete der Rentmeister, der den Schlag geöffnet hatte.

Aber es ist ein Brief von ihm da, den ein Bauerbursche gebracht hat, fiel der Kammerdiener ein, der die Schloßtreppe heruntergesprungen kam.

Valerian ließ sich den Brief holen; eine, wie es schien, zitternde Hand hatte darin folgende Zeilen geschrieben:

 

Herr Graf!

Ich bedauere gezwungen zu sein, Sie inständigst um die Gnade einer Unterredung bitten zu müssen; ich befinde mich auf dem Bauerhofe Ostenwalde, eine kleine Tagereise von Ihnen entfernt; der Ueberbringer dieser Zeilen wird den Führer machen. Eine gefährliche Verwundung läßt mich wünschen, Mittheilungen von Bedeutung, die ich Ihnen zu machen habe, nicht länger hinaussetzen zu dürfen. Ich beginne schon hier mit der, daß ich die Ehre in Anspruch nehmen darf, mich zu zeichnen, Herr Graf, Ihr

gehorsamer Diener
Franz Xaver, Edler von Finkenberg,
sonst Gentz.

 

Ah! rief Valerian aus – also in der That! Verwalter, lassen Sie die beiden Rappen einspannen. Wo ist der Bauerbursch? Er wird mit mir fahren!

Valerian begab sich rasch mit dem Rentmeister in seine Zimmer, durchflog hier die Briefe, die für ihn angekommen waren, ertheilte einige Befehle und Anordnungen, unterzeichnete ein paar Actenstücke, die der Rentmeister ihm vorlegte und, nachdem er darauf einem verspäteten Mahl einige Ehre erwiesen, warf er sich auf's neu' in seine Reisekalesche, die in nördlicher Richtung mit ihm davonrollte. Es war nicht weit mehr vom Abend.

 

Wir eilen ihm voraus auf den Bauerhof von Ostenwalde, rascher als er den Weg und auch die Nacht zurücklassend, welche ihn noch von seinem Ziele trennen.

Es ist ein klarer und heißer Morgen des beginnenden Herbstes; an der weitgespannten, dunkelblauen Himmelsglocke schwimmt kein einziges Wölkchen und die Luft ist so sonnighell, so rein und geklärt, daß das Auge eine doppelte Sehkraft in diesem Aether gewinnt und jede Blattzacke in den Laubschichten der träumenden Eichenwipfel glaubt unterscheiden zu können.

Auch jeder Ton hat hellern Klang und das Schwirren der Libelle, wie sie mit den goldglänzenden Flügeln von Halm zu Halm fährt, klingt doppelt lustig und kräftig. Vor allen machen sich die Erdgrillen den herrlichen Morgen zu Nutze und musiciren vor ihren Löchern, als ob in die tolle Insectenwelt die Wuth der Riesenconcerte gefahren wäre; denn wenigstens ein halbes tausend leidenschaftlicher Dilettanten scheinen hier die Geigen zu streichen, um allen Maulwürfen, Erdkrebsen und Roßkäfern auf ewig ihr Nervensystem zu ruiniren.

Die Hühner auf dem Bauerhofe haben sich Sand zum Bade aufgekratzt, in den sie sich einwühlen, Flügel und Bein zusammen von sich streckend und die Augen verdrehend, einer Sippschaft gottseliger Gevatterinnen gleich, während sie wollüstig den Sand durch ihre Federn rieseln lassen. Eine dieser Damen ist dabei so keck, der in der Sonne liegenden prachtvollen Dogge eine Ladung Sand ins Auge zu schleudern, aber Sultan scheint zu tief versunken in seine Betrachtungen, um mit einem moralisch so tief stehenden und so oberflächlichen Geschöpfe, wie eine Henne ist, Streit anfangen zu mögen. Er wischt mit der breiten Tatze über sein Auge, niest und legt sich dann wieder in die Stellung zurück, welche er für die Meditationen, die ihm eine so tiefsinnige Miene geben, am zweckmäßigsten zu halten scheint.

Da stellt sich ein sehr schmaler, aber ziemlich langer Schuh auf seinen Hals, ein hellfarbiger Mousselin fällt rauschend über seine Augen und obwol der zierliche Fuß seine weiten Nackenfalten kräftig hin und her schiebt, so scheint Sultan doch diese etwas auffallende Behandlung eines ruhenden Philosophen in keinerlei Weise beleidigt aufzunehmen. Er erhebt sich und indem er den Schweif sehr lebhaft hin und her bewegt, blickt er geschmeichelt zu der Eigenthümerin des Fußes auf, welche niemand Anders ist als Theo, das Edelfräulein von Blankenaar.

Sie legt ihre weiche Hand auf seinen Kopf – sie kraut ihm den Schädel – o Philosophie, welch' ein eitles, charakterloses, bestechliches Ding bist du! Sultan ist im Augenblick zu einem lächelnden, geschmeichelten »Löwen« umgewandelt, er hat seine ganze mürrischtiefe Gedankenarbeit dahingegeben für ein Krauen seiner Ohren von den Händen eines schönen Mädchens – er kennt nur ein Gefühl, ein Lebensglück, eine Existenz mehr und hingerissen von der Magie freundlicher Blicke stürzt er mit beiden schweren Vordertatzen an die Brust Theo's!

Pfui, Sultan, marsch Schlingel! ruft sie abwehrend und die staubigen Spuren seiner Entzückung von ihrer Robe schlagend. Komm, geh mit, sagt sie dann und schreitet dem Baumhofe zu; hier treibt sich der kleine Kuhhirt umher, der wie Sultan die Speculation, so die Naturforschung auf dem Hofe zu vertreten berufen scheint. Er bohrt mit einem langen Grashalm in jedes Grillenloch und hat einen großen Jubel, wenn das Thier auf diese Aufforderung geschäftig herbeigelaufen kommt, um sich mit großer Gefälligkeit von ihm behufs seiner zoologischen Untersuchungen den Kopf abreißen zu lassen.

Durch die offenen Fenster des Bauerhauses hört man die Uhr zehn schlagen und jetzt beginnt ein großer Lärm auf dem Hofe. Der Kuhhirt springt auf, holt ein großes Horn herbei und beginnt darauf mit einer Macht zu tuten, als ob er, nicht wie Roland die Felsen von Ronceval, aber doch die Hügel seiner kirschrothen Pausbacken sprengen wolle; Hexenlene treibt eine Heerde schnatternder Gänse zusammen, die auf einen Anger im Moor gebracht werden sollen; eine Unzahl von Schafen wälzt sich glockentönend und blökend aus dem »Kofen« hervor und zieht davon mit so vollem, glückseligem Vertrauen auf eine erleuchtete Leitung, wie nur eine Schar Texasauswanderer sich zu den verhießenen Triften führen lassen kann; und endlich strömen Rinder und Kühe aus den einzelnen Wohnungen der Heuerleute in eine Heerde zusammen und wandern unter der Anführung ihres binsentrichtergekrönten jugendlichen Lenkers den andern nach.

Wenige hundert Schritte weit vom Hofe entfernt stocken die Züge der Heerden; die stattliche Rinderaristokratie sieht sich mit plebejischem Schafvieh vermischt und geräth in den Haufen proletarischen Gänsepöbels, der zu nichts gut ist, als Nachkommen zu erzeugen und gerupft zu werden.

Das Hemmniß bildet ein großer, auf vier sehr hohen Rädern sich heranschaukelnder Kasten, der hinten und vorn mit zwei, einander gegenüber aufsteigenden, nischenähnlichen Verdecken versehen ist und eine sehr zierliche, einst mit Lack und Vergoldung bedeckte Schnitzarbeit zeigt. Zwei schauderhaft magere Gäule, von denen einer ursprünglich ein Esel gewesen und nur in Folge einer besondern Standeserhöhung für sich und seine legitimen Nachkommen zu seinem jetzigen Range und Zwitterdasein, halb Kuh, halb Pferd, befördert zu sein scheint, ziehen ihn langsam heran.

Ein Herr in einer gepuderten Perücke mit einem kurzen Zopf bildet den Inhalt der imponirenden Carrosse und wie es scheint ist der Insitzer ein Mann, dessen Pfade man nicht ungestraft durchkreuzt, wenigstens läßt er sehr erbost ein spanisches Rohr auf dem Rücken des unglücklichen Viehes tanzen, das malitiöser Zufall in seinen Bereich bringt.

Während diese Kutsche sich in sehr gemäßigtem Tempo heranbewegte, schritt Theo, von Sultan gefolgt, in den Baumhof. Hier hatte man unter den großen Birnbaum einen weichgepolsterten Lehnsessel gebracht und eben kam Finkenberg aus dem Hause dahergeschritten, um sich an der Luft des herrlichen Morgens zu laben. Er war noch auffallend blaß, schien sehr hinfällig und stützte seine wankenden Schritte auf einen Stock, mit dessen Hülfe er langsam weiter schlich. Die eine Seite seines Gesichts war mit Tüchern verbunden. Theo eilte zu ihm und ließ ihn auf ihren Arm sich stützen. So geleitete sie ihn zu seinem Sessel, wo er schmerzhaft lächelnd ihre Hand küßte.

Wie geht es Ihnen heute, Herr von Finkenberg? fragte sie.

Ach, zu Ende mit mir, zu Ende! versetzte der Verwundete, welcher es für gerathen hielt, sich leidender zu stellen, als er war.

O schämen Sie sich! ein Mann und so muthlos! Ihre Verwundung ist ja an sich gar nicht gefährlich, nur der Blutverlust und die Nervenerschütterung durch den Schrecken haben Ihnen so zugesetzt. In ein paar Tagen sind Sie hergestellt.

Mein gnädiges Fräulein, sagte Finkenberg, es freut mich, daß ich Sie sehe; ich habe Ihnen etwas zu sagen, das mich drückt und das ich ungern sage, weil ich voraussetzen muß, daß es mir Ihren Unwillen zuzieht. Doch ist dies der letzte Augenblick, bis zu dem ich es verschieben durfte.

Nun, ich bin begierig, was da kommen wird!

Ich habe Ihren Aufenthaltsort verrathen – freilich nicht als den Ihrigen, aber Jemand wird kommen, mich hier aufzusuchen und dann auch Sie finden!

Nun, mag es sein, versetzte Theo; Sie wissen, daß ich im Begriffe stehe, schon morgen nach O. zu meiner Tante zu reisen.

Es ist eine indiscrete Frage, aber erlauben Sie dieselbe der Theilnahme des ergebensten Dieners und Freundes, den Ihnen das Leben nur zuführen kann: zogen Sie nicht vor, sich gleich zu Ihrer Tante in O. zu begeben, statt hier auf dem Hofe von Ostenwalde eine Zuflucht zu suchen?

Freilich hätte ich das vorgezogen, wenn es möglich gewesen wäre, unvermittelt und unangemeldet mich der guten Tante Crispine vorzustellen. Diese Dame ist in gewissen Beziehungen ein sehr entschiedener und heftiger Charakter und hat ihre vielfachen Eigenheiten. Und glauben Sie, man habe Charaktereigenthümlichkeiten ungestraft in unserer Familie, ohne sich dafür unweigerlich in den Bann und die Gewalt Allgundens von Quernheim gebracht zu sehen? In der That, meine verehrte Cousine Allgunde ist eine Art Lehnsherrin aller Wunderlichkeiten, Schrullen, fixen Ideen und Tollheiten auf zwanzig Meilen im Umkreis; denn jede muß ihr Tribut zahlen, jede sich von ihr am Fädchen lenken lassen. Allgunde fürchtete von dem Einfluß der zur Hälfte schwachen, zur andern Hälfte sehr eigensinnigen Tante Crispine in ihren eigenen souverainen Bestimmungen über mich gehindert zu werden. Deshalb benutzte sie eine fixe Idee dieser würdigen, alten Dame, um daraus eine unübersteigliche Schranke zwischen der letztern und mir zu machen. Dies war um so leichter zu bewerkstelligen, als ich schon in der Wiege mit allen Antipathien meiner Tante beladen war – denn ich Unselige ließ mich ja, in offenbarer Rebellion gegen alte, ehrwürdige Gebräuche, Theo nennen, während es doch meine heilige Pflicht gewesen wäre, mich mit allen Mitteln, die einem Säugling zu Gebote stehen, gegen jeden andern Namen zu wehren, als den: Crispina, welchen meine Tante und Pathin trug. Ja, so lächerlich wie es lautet – vielleicht hätte mein ganzes Leben eine andere Wendung genommen, hätte mein Vater nicht einen Abscheu vor dem Namen Crispine gehabt!

Heißt Ihre Tante nicht gewöhnlicher Tante Stachelbeere? sagte Finkenberg lächelnd.

Ja, die Uebersetzung der plattdeutschen Verstümmelung ihres Namens in Krisbette. Aber wodurch sind Sie in ein solches Familiendetail eingeweiht?

Ein Zufall, versetzte Finkenberg ausweichend.

Also, fuhr Theo fort, – aber ich will Ihnen die Eigenheiten, woran meine Cousine Allgunde die Tante in O. erfaßte, um sie mir bis zu unserer jetzigen brieflichen Versöhnung abgeneigt und feindlich gestimmt zu erhalten, später schildern; erlauben Sie mir, daß ich gespannt auf die Eröffnung zurückkomme, welche Sie mir machen wollten.

Ich habe sie gemacht in der Hauptsache wenigstens; man wird hierher kommen, man wird Sie sehen! antwortete Finkenberg.

Wer wird kommen?

Graf Valerian von Schlettendorf!

Theo wechselte die Farbe. Sie fühlte es; um es zu verbergen, stützte sie den Arm auf die Rückenlehne von Finkenberg's Sessel und drückte die Stirn in ihre flache Hand.

Er ist ein Freund Allgundens von Quernheim, aber ein edler, ritterlicher Mann, fuhr Finkenberg fort, dem daran gelegen war, Theo's Aufmerksamkeit auf Valerian zu lenken, und der dachte, daß dieser, als Freund einer Feindin, weiblicher Eroberungslust doppelt interessant sein werde.

Wann kommt er? fragte Theo und versuchte so viel Gleichgültigkeit wie möglich in den Ton ihrer Stimme zu legen.

Uebermorgen, morgen, heute, in dieser Stunde vielleicht. Wollen Sie ihn sehen?

Theo antwortete nicht.

Ich mußte ihn bitten, fuhr Finkenberg fort, meinetwegen sich dieser Reise zu unterziehen. Daß ich ihn spreche, ehe ich vielleicht auf immer den Mund schließe, ist für mich eine letzte Beruhigung, der einzige Wunsch, der mich ans Leben kettet, und für ihn ist Das, was ich ihm sagen werde, von großer Bedeutung; ja, es kann für ihn der Schlüssel werden, der ihm die Räume eines Lebensglückes öffnet, so schön und glänzend, wie ich es ihm wünsche.

Finkenberg hob mit einem Anflug schlauen Lächelns den Kopf auf und blickte über sich empor, um Theo anzusehen. Diese wandte ihr Gesicht ab und im nächsten Augenblicke stieß sie einen leisen Ruf der Ueberraschung aus. Finkenberg blickte um sich. Was Theo erschreckt hatte, war die Gestalt eines Fremden, der aus dem Bauerhause trat und, der Weisung einer Magd folgend, auf die Gruppe unter dem Birnbaum zuschritt.

Theo hatte unrecht, bei dem plötzlichen Auftauchen dieser Erscheinung zu erschrecken; es konnte nichts Freundlicheres geben, als dieses alte Herrchen im grünen Jagdfrack mit goldenen Knöpfen, kurzen Manchesterbeinkleidern und Stiefeln mit gelben Klappen; auch nahte er sich mit sehr höflichen Verbeugungen und so hätte er der gepuderten Perrücke und des Zopfes nicht einmal bedurft, um das vollendete Bild eines wohlgezogenen Landjunkers aus den Tagen Siegfried's von Lindenberg »Siegfried von Lindenberg. Eine komische Geschichte« (1779), satirischer Roman von Johann Gottwerth Müller, erzählt die Geschichte des pommerschen Landadligen Siegfried von Lindenberg, der sehr stolz auf seinen alten Adel ist und sein sehr kleines Territorium »so gut als der Kaiser« regiert. Müller nicht nur die Unbildung und die Willkür der Fürsten, sondern auch die Servilität ihrer Untertanen. darzustellen. Er hatte ziemlich gutmüthige, wohlwollende Züge; doch deutete die grade aufsteigende, eckige Stirn auf eine nicht kleine Dosis von Eigensinn und Hochmuth hin.

Es war niemand Anders als Herr von Bischoving, der unterdeß mit seinem Gespann auf dem Hofe angelangt war und zum »Jäger Gentz« geführt zu werden verlangt hatte.

Die Anwesenheit des Fräuleins machte ihn nicht wenig stutzig; er wußte augenscheinlich nicht, ob er in ihrer Gegenwart Finkenberg als Standesgenossen oder als Jäger behandeln solle und versuchte deshalb eine Art mittlerer Höflichkeit gegen ihn in Anwendung zu bringen.

Freilich wurde dadurch der Eifer um desto auffallender, womit Herr von Bischoving eine Einladung an den Kranken, die gastliche Bewirthung und sorgliche Pflege seines Hauses annehmen zu wollen, vorbrachte und unterstützte.

Ich würde es mir nie vergeben können, sagte Herr von Bischoving, wenn so nahe im Bereiche meines Gutes Jemanden ein solches Unglück zugestoßen wäre und ich hätte es mir nehmen lassen, Alles zu seiner Erleichterung zu thun, was in meinen Kräften steht! Meine Frau hegt dieselben Gesinnungen; auch sie wäre untröstlich. Und ich kann Sie versichern, sie ist eine vortreffliche Krankenpflegerin!

Finkenberg blickte überrascht den beredten, alten Herrn an und antwortete keine Silbe.

Herr von Bischoving kam hierdurch in noch größere Verlegenheit und da er obendrein den Bauer kommen sah, dem er als einer Art von Frondeur, als einem eigenwilligen, sarkastischen Gesellen um so weniger geneigt war, die vielen Scheffel Einsaatkorn und die Quantitäten frischer Milch, die er ihm schuldete, mit christlicher Liebe zu verzeihen, so wurde ihm die ganze Mission, zu der man ihn ausgesandt hatte, sehr unangenehm.

Nun, fuhr er fort, werden Sie mich hoffen lassen, daß ich Sie unter meinem Dache –

Ich danke Ihnen, Herr von Bischoving; ich befinde mich hier sehr wohl – und, setzte Finkenberg mit einem bittern Lächeln hinzu, Sie werden sich auch wohler dabei befinden, wenn Sie mich hier lassen. Ich bin ein unangenehmer Kranker: ich leide häufig durch Anfälle einer aufgeregten Phantasie, zu deren Zeugen ich Sie um keinen Preis machen möchte, Herr von Bischoving; wäre ich bei Ihnen – ich würde z. B. glauben, ich wäre in den Gemächern Ihres Schlosses von Feinden und Gefahren umringt; die sorgliche Pflege aufopfernder Gastlichkeit würde ich für heuchlerische Schadenfreude halten; ich würde jeden Augenblick befürchten, in irgend ein Verließ versenkt zu werden und von den Händen treuloser Pagen säh' ich Gift rühren in jeden Trank, den Ihre teilnehmende Freundlichkeit mir reichte! O ich habe schlimme Phantasien, Herr von Bischoving!

Finkenberg hatte bei diesen Worten den alten Herrn starr fixirt. Da dieser nichts als ein aufrichtiges Erstaunen in seinen Mienen zeigte und beruhigt darauf antwortete: Nun, so sehen Sie denn in meiner Einladung nichts, als den Ausdruck des Wunsches, Ihnen eine Erleichterung Ihrer unangenehmen Situation bieten zu können! so reichte ihm Finkenberg freundlicher werdend die Hand, während der Bauer dazu trat und seinerseits dagegen protestirte, daß man den armen zerschlagenen Herrn seiner gastlichen Pflege entziehe.

Finkenberg hatte die Gründe der Einladung durchschaut. Sie wollen mich in ihre Macht bekommen, sagte er, aber dieser alte Herr mag doch zu loyal sein, als daß sie gewagt hätten, ihm den eigentlichen Zweck seiner verunglückten Mission zu enthüllen. Dafür hat er denn seine diplomatische Aufgabe desto ungeschickter gelöst!

Herr von Bischoving richtete nun einige verbindliche Worte an Theo, aus deren Erscheinung und Anwesenheit auf dem Hofe er augenscheinlich nicht klug zu werden wußte.

Er mochte sich das namenlose, »verrückte Fräulein aus der Stadt«, von dem seine Leute gesprochen hatten, anders vorgestellt haben. Theo aber war in diesem Augenblicke durchaus nicht geneigt, irgend eine gleichgültige Unterhaltung zu führen. Sie machte sich los und ging. Herr von Bischoving verabschiedete sich nun auch, gefolgt von dem Bauer, der ihm die Honneurs seines Hauses machte; Finkenberg blieb so allein in seinem Lehnsessel unter dem Birnbaum zurück.

Es ist gut, daß der auch noch kommen mußte! sagte er leise für sich; es ist mir eine Warnung. Ich sehe, man wird mir keinen Augenblick Ruhe lassen. Mit der Erbitterung eines bösen Geistes verfolgt man mich. Nicht mal Zeit, um zu genesen, will man mir lassen; wie ein schädliches Wild soll ich gejagt werden, bis ich erliege oder zum Lande hinaus bin. Gut denn, es gilt mein Leben, wenn ich nicht Alles aufbiete. Ich will Schlettendorf Alles, Alles sagen. Und dann Kampf dir, Allgunde, Kampf auf Leben und Tod!



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