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Valerian und Theo hingen mit zu athemloser Spannung an Finkenberg's Munde, um ihn lange seinem Hinbrüten zu überlassen, bevor die Geschichte der sonderbaren Ehe der Gräfin Allgunde von Quernheim zu Ende gebracht war.
Von jenem Augenblicke an, fuhr Finkenberg zu erzählen fort, war unser Verhältniß aufgelöst; Allgunde war kalt und förmlich gegen mich, wenn Dritte zugegen waren; wenn ich sie allein sah, suchte sie durch ein Benehmen voll Hohn und Verachtung mich fern zu halten. Doch verschmähte sie, wo ich ihr nützlich werden konnte, meine Dienste nicht. Ich wurde zu allerlei kleinen diplomatischen Missionen verwendet, auch meine Feder nahm man zu Zeitungsaufsätzen und Aehnlichem in Anspruch. Dies hörte jedoch bald wieder auf; man begann auf den Grund von ein paar Schriften hin, in welchen ich meiner Ueberzeugung die Ehre gab und das Gegentheil von Dem bewies, was ich beweisen sollte, mich von »modernen Ideen« angesteckt zu glauben.
Die Verachtung, mit welcher mich Allgunde von nun an behandelte, erreichte einen völlig unerträglichen Grad. Auch hatte ich nach und nach mein kleines Gut so übel zerwirthschaftet, daß es nicht mehr zu meinem Auskommen hinreichte; ich schuldete zuletzt mehr, als ich in den ersten drei Jahren je einzunehmen hoffen durfte. Summen darauf aufnehmen konnte ich nicht, weil es mir nicht gehörte; meine Gläubiger wurden stürmischer. So entschloß ich mich, zurückzukehren, woher ich gekommen, und arm, gebeugt und kleinmüthig sah ich bald darauf Wien wieder.
Ich hoffte hier für meine früheren Dienste eine Pension oder ein kleines ehrenvolles Amt zu erhalten, wie man mir früher es versprochen hatte, um mich zu ködern; aber je verschwenderischer man damals mit solchen Verheißungen gewesen, desto karger war man jetzt, wo es auf die Erfüllung ankam. Man verlangte Nachweis von mir, daß ich durch Entdeckung irgend einer staatsgefährlichen Verbindung oder eines andern Anschlags, Complots und heimlichen Betriebs eine wirkliche Gefahr von Regierung, Land oder Einzelnen abgewendet habe; ich Aermster aber hatte nichts entdeckt, als etwa daß man in einem Privatzirkel einen betrunkenen Herrn habe gegen die Weisheit der obersten Censurhofstelle declamiren gehört oder daß ein k. k. Hofrath funfzig Gulden mühsam Erspartes von einem armen Teufel von Soldaten genommen habe, um ihn frei zu machen, nachdem er schon sechs Jahre über seine Dienstzeit wider Willen und Recht zurückgehalten worden. Derartig waren meine Enthüllungen gewesen.
Nachdem ich nun ein halbes Jahr lang von einem Beamten zum andern gewiesen und von einem noch schnöder behandelt worden, als vom andern, erhielt ich den Endbescheid, daß, da ich aus meiner Carrière längst eigenmächtig ausgeschieden, nichts weiter für mich zu thun stehe.
Dennoch blieb ich in Wien und lebte mehrere Jahre hinter einander dort. Wie – das erlassen Sie mir näher zu beschreiben. Ich war ein glücklicher Spieler. Frühere Bekannte unterstützten mich, weil sie meine Unterhaltung liebten; ich schrieb für Journale und erhaschte zuweilen ein kleines Honorar. Doch mit einem Male versiegten diese Hülfsquellen, als ob ein Dämon schadenfroh seine Hand darauf gelegt habe; Glück und Freunde verließen mich zu derselben Stunde und um das Maß des Elends voll zu machen, wurde ich krank und mußte mich in ein Spital bringen lassen.
Kaum ganz genesen, raffte ich mich auf und verließ diesen Ort des Unheils. Jetzt schien es, als ob da, wo man mich früher treulos zurückgewiesen hatte, ein Mitleid für mich erwacht sei; weiß der Himmel, welcher Zufall auf mich aufmerksam gemacht hatte – aber man ging wirklich so weit, mir eine Versorgung als Copist beim F…schen Gesandten anzubieten, für welche Wohlthat ich nur vor und nach durch kleine unschuldige Perfidien mich dankbar erweisen sollte, wenn irgend eine Depesche von Wichtigkeit in den Kreis meiner Sehkräfte geriethe.
Ich wies diesen Antrag, der mich förmlich in Wuth versetzte, mit all der Verachtung von mir, welche er verdiente; lieber den Hungertod, als einen Schritt zurück in jene infame Bahn, der Allgunde mich entrissen hatte, indem sie mich fortführte von dem Orte, wo Noth und Gewissenlosigkeit mir die Rolle eines Verräthers aufgedrungen! Und indem ich so ihrer gedachte, welcher ich doch so viel verdankte – trotz aller Mishandlung, wozu sie sich später hatte berechtigt geglaubt – so war es natürlich, daß ich der Hoffnung Raum gab, wenn ich jetzt, vom Leben gebrochen und gedemüthigt zu ihr zurückkehrte, so werde sie edel genug denken, um nicht ganz jene heiligen Rechte, die ich auf ihren Beistand habe, zu verläugnen. Sollte nicht ihr Stolz schon sie bewegen, dachte ich, mir wenigstens Das zu gewähren, was ich allein für meinen Lebensrest von ihr verlangen wollte, Ruhe und so viel, um nicht zu darben!
Ich machte mich also auf; die Hülfe meiner in Böhmen in beschränkten Umständen verkümmernden Geschwister mußte mich in den Stand setzen, noch einmal die weite Reise zu unternehmen, und so kam ich denn in dieses Land zurück und stand eines Abends in der Dämmerung vor dem Schlosse, worin meine Gemahlin zur Zeit sich aufhielt; es war das Ihre, Fräulein von Blankenaar!
Unangemeldet drang ich zu ihr; sie ging im Zimmer auf und ab und schien eine Gedankenreihe zu verfolgen, die viel Befriedigendes für sie haben mußte, denn ich hörte sie leise sprechen, was ihre Gewohnheit ist, wenn etwas sie heiter stimmt.
Bring' Licht, Hermann! sagte sie, als ich eintrat, und stellte sich in eine Fensternische. Dann, als ich ihr folgte und sie sah, daß es nicht der Bediente, der eingetreten, kam sie mir hastig einen Schritt entgegen, blickte mich forschend an – lange, immer blässer und blässer werdend, und dann rief sie mit einem erschütternden Tone aus: Ist's möglich! Finkenberg!
Ich muß gestehen, ich erbebte bis ins Innerste meiner Seele vor der erschütternden Wirkung, die meine Erscheinung auf sie ausübte; denn in dem Tone, womit sie meinen Namen ausrief, lag Etwas, das an Verzweiflung grenzte.
Ich erzählte ihr, wie es mir ergangen, und wie die Noth mich jetzt wieder zu ihr treibe, zu ihren Füßen, wie ich ohne Ansprüche zu ihr komme und nichts verlange, als Schutz vor Armuth.
Sie hörte zerstreut und in großer Unruhe meiner Erzählung zu; dann fragte sie mit anscheinender Gelassenheit nach meiner Reise, wo ich eingekehrt, wen ich gesprochen, ob man mich erkannt u. s. w. Ich mußte gestehen, erkannt hatte mich Niemand wieder von Denen, welche früher mich gesehen; das Leben hatte aus einem blühenden, jungen Manne einen schwachen und siechen Menschen mit ergrauendem Haare geschaffen; in dürftigem Aufzuge, zu Fuße wandernd, hatte ich es vermieden, von Jemanden wiedererkannt zu werden, um in der Begegnung mit einem Bekannten aus bessern Tagen keiner Demüthigung ausgesetzt zu sein. Auch hatte ich, um mich noch unkenntlicher zu machen, mir meinen Bart abnehmen lassen.
Als ich Allgundens Fragen in diesem Sinne beantwortet hatte, änderte sich plötzlich ihr Betragen; statt der anfänglichen Gelassenheit erklärte sie mir in einem Tone, der keinen Widerspruch erträgt, daß es ihr unmöglich sei, einen Menschen um sich zu dulden, der, wenn es ihm einfalle, die Frechheit haben könne, auf alte, längst aufgelöste Verhältnisse zurückzukommen und sie täglich mit neuen Forderungen zu behelligen, sobald sie ihm die erste zugestanden und ihn dadurch ermuthigt habe. Sie kündigte mir an, daß ich augenblicklich wieder die Gegend zu verlassen habe, wozu sie mir die nöthige Summe einhändigen wolle; dann verlangte sie meinen Paß und meine Briefschaften, die ich ihr übergab. Auch sorgte sie dafür, daß Niemand von den Domestiken mich sehe, als ihr vertrautes Kammermädchen und ein Hausirjude, der spät noch zu ihr kam und mit dem sie eine lange, geheime Unterredung hatte.
Endlich am Tage nach meiner Ankunft kündigte sie mir an, daß ich unter dem Namen und mit dem Passe eines Jägers ihres Vaters nach Amerika reisen solle und daß jener Jude mich bis an den Einschiffungsort begleiten werde.
Vorher wollte sie, um mir die Rückkunft unter meinem rechten Namen und die Verfolgung meiner Ansprüche an sie vollständig unmöglich zu machen, einen Arzt herbeischaffen lassen, der einen Todtenschein ausstellen sollte, dahin lautend, daß ich am Abend nach meiner Ankunft in Blankenaar gestorben sei.
Der Arzt aber kam nicht und statt dessen entstand eine ungewöhnliche Verwirrung im Schlosse durch Ihre Flucht, Fräulein Theo –
Ha, also in jener Nacht waren Sie in Blankenaar? und darum war Pauli da?
Ich wollte nicht nach Amerika reisen, fuhr Finkenberg fort, ich fürchtete die Meerfahrt und das fremde Klima für meine untergrabene Gesundheit. Dann hatte Allgundens Härte und Perfidie mich in einem Grade empört, daß ich nach Rache dürstete an diesem unmenschlichen Weibe. Ich wollte bleiben, ihr zum Trotze. Deshalb benutzte ich die Augenblicke jener entstehenden Verwirrung; ich entfloh, ich schleppte mich bis zu Ihnen, Graf Schlettendorf, und in ihrem Hause mich erholend konnte ich dem Gedanken der Rache nachhängen, der jetzt allein mich erfüllt und mich aufrecht erhält.
Und nun? fragte Valerian.
Nun sehen Sie mich hier, in dem Zustande, worein mich die unerbittliche Härte meines Weibes versetzt hat. Denn es bleibt mir kein Zweifel übrig, daß diese Wunden meines armen Schädels von ihr geschlagen sind und daß sie nicht ablassen wird, mir Gefahren zu bereiten, so lange ich den Boden dieses Landes betrete. Sie hat beschlossen, mich zu entfernen, es koste was es wolle, und ich weiß, daß sie kein Mittel scheut, bis sie ihren Zweck erreicht hat. Ich bin für sie ein lebendiger Vorwurf, eine Mahnung an Stunden, worin sie menschlich, weiblich fühlte, und woran gemahnt zu werden eine Kränkung ihres falschen, auf männliche Geistesstärke eifersüchtigen Ehrgeizes ist.
Mein Dasein liegt mithin der Leidenschaft im Wege, von welcher sie jetzt beherrscht wird, und darum will sie es zertreten. Auch bin ich ein lebender Beweis für sie, daß ihre Menschenkenntniß sich einmal bitter getäuscht hat; dieser Beweis, der sie in ihrem unermeßlichen Selbstvertrauen irre macht, ist eine Demüthigung, die sie unmöglich in ihrer Nähe dulden kann. Nun kommt noch hinzu, daß sie zu Ihnen, Graf Schlettendorf, eine große und gewaltige Leidenschaft gefaßt hat.
Theo wurde dunkelroth.
Finkenberg bemerkte es und beeilte sich, rasch fortzufahren:
Nicht eine Leidenschaft des Herzens, aber eine andere, die in der Brust dieses heftigen Charakters dieselbe Macht und Gewaltsamkeit annehmen kann; die Leidenschaft der Herrschsucht und der Ehrbegier, die in Ihnen ein Werkzeug ihres Willens und ihres Sieges sich ausersehen hat. So hat ihre Seele sich an Sie mit derselben Heftigkeit angeklammert, womit die Eisenfaust eines siegreichen Kriegers die Waffe umkrampft, die seinen Feind niederschmettern soll.
Und nun trete ich Unseliger dazwischen – ich komme in Ihre Nähe, so daß sie stets in der Angst sein muß, ich öffne grade im Augenblicke den Mund zu den Mittheilungen, welche Sie nun gehört haben! Und wie werden diese Mittheilungen auf Den, dem sie vertraut werden, wirken? muß sie sich fragen. Werden sie nicht auf ewig den Einfluß untergraben, den Allgunde ihr Leben lang auf Sie auszuüben hofft? Und muß dies Weib, dem selbst jedes Mittel gerecht ist, nicht befürchten, daß ich obendrein durch Lügen aller Art ihren Charakter noch schwärzer darstelle, als er schon ist, und daß ich sie dadurch für immer in Ihrer Achtung verderbe, Graf Schlettendorf?
Sie sehen, unter diesen Umständen kann ich hier selbst meines Lebens nicht sicher sein. Sie könnten Zweifel an meinen Worten hegen, aber die besten Zeugen sind diese Wunden meines armen Kopfes. Diese Wunden haben mir gezeigt, wie ich mir selbst schuldig sei, alle Rücksichten gegen meine Frau aus den Augen zu setzen, mich offen auszusprechen und durch ein Geständniß, wie ich es jetzt abgelegt habe, meine Bitte um den mächtigen und ritterlichen Schutz des Grafen Schlettendorf zu begründen.
Valerian sprang auf, reichte Finkenberg die Hand und rief mit edler Wärme aus:
Mein Schutz ist Ihnen gewiß und was in meinen Kräften steht für Sie zu thun, soll geschehen, soll mit einer freudigen Begeisterung gethan werden. Denn welche Vorwürfe man auch immer ihrem frühern Leben machen kann, so berechtigt doch weder Dies noch irgend Etwas in der Welt zur Grausamkeit und zur Gewaltthat gegen Sie, so ist doch Ihr eigenes Weib nicht Ihre Richterin, so darf doch diese nicht das heilige Band zerreißen, das euch mit ewigen Rechten aneinander knüpft, sowenig wie ein Kind sich von seiner Mutter lossagen darf! Ich danke Ihnen, Finkenberg, daß Sie mir Gelegenheit gegeben haben, ein Unrecht zu bekämpfen; ich will mit der Gräfin von Quernheim reden und ich glaube, daß ein entrüstetes Wort hier hinreicht, den Schleier von Sophismen zu zerreißen, welchen sie sich um die Augen gewunden haben wird, damit sie das eigene Verbrechen nicht sehen!
Finkenberg lächelte ungläubig, aber er machte keinen Einwurf. Er sah voraus, daß eine Unterredung über diesen Gegenstand Valerian und Allgunde zu bittern Feinden machen werde, und Dies war ja, was er herbeizuführen strebte.
Thun Sie jetzt, was Ihnen am Zweckmäßigsten erscheint, sagte er; ich habe mein Vertrauen, meine Sicherheit und meine letzte Hoffnung in Ihre Hände gelegt! Und nun lassen Sie mich ins Haus gehen; die Abendluft weht kühl herein und ich bin erschöpft.
Valerian wollte ihn führen, aber Finkenberg winkte einen Arbeiter herbei, auf dessen Arm er sich stützte, und schritt so langsam dem Bauerhause zu.
Es ist geglückt, sagte er leise vor sich hin mit zufriedenem Lächeln; ich habe durch die einfache Wahrheit den tiefsten Eindruck bewirkt! Jetzt ist einer seiner Arme wider sie erhoben, den andern wird die Liebe bewaffnen!
Die Liebe findet eine süße Nahrung darin, wenn sie bewundern kann. Die Wärme, womit Valerian für Finkenberg's Recht in die Schranken zu treten versprochen hatte, und die ein Ausfluß jener, der Jugend eignen, raschen Aufwallung des gekränkten Rechtsgefühls war, erschien Theo in einem Glanze von Edelmuth und Liebenswürdigkeit, dem sie hingerissen huldigen mußte. Sie legte ihre Rechte auf seine Schulter und indem sie die Wange darauf lehnte, schaute sie mit leuchtenden Augen in die seinigen empor. Es durchrieselte ihn ein tiefer, wonniger Schauer, als die schlanke, blühende Gestalt sich so an ihn schmiegte.
Er wollte den Arm um sie schlingen, aber er wagte es nicht, sondern saugte sich erst Muth dazu aus ihren lächelnden Augen; als er es nun endlich über sein verzagtes Herz brachte, das kühne Wagestück, und sie innig an sich drückte, da blickte er ihr so tief, so bedeutsam und schwärmerisch in das rosige Gesicht, als solle sie nichts von seiner Keckheit merken, als solle ihr ganzes Denken, Leben und Fühlen von diesem Blicke gefangengenommen und gefesselt werden. Aber sie merkte es doch, die Schlaue, wenigstens lächelte sie schalkhaft; da erglühte sein Gesicht in dunkler Röthe und als sie es sah, breitete sie beide Arme aus und umklammerte voll leidenschaftlicher Inbrunst seinen Nacken.
Ein Liebespaar, welches in dichtverschlungener Laube dem sacht heraufwallenden Monde zuschaut und Gefühle austauscht, die so klaren und milden Scheines durch die Herzen ziehen, wie das sanfte Auge der Nacht durch die weichen Lämmerwolken wandert – ein solches Paar ist mehr denn Rococo. Leider ist der Vorwurf so schlechten Geschmackes von Valerian und Theo nicht abzuwälzen, denn sie schienen Alles zu vergessen, die späte Stunde, die kühle Luft und die Rücksichten geläuterter Aesthetik, und blieben mit einer leidenschaftlichen Hartnäckigkeit dem Platze treu, wo nach und nach Alles um sie herum verstummte und einschlummerte. Nur die leisen Stimmen der Nacht mischten sich zuletzt noch in ihre Gespräche, das Rauschen der Blätter im Windhauche, der um die Laube strich, ein ferner Ruf, ein räthselhaftes Schwirren und Geächze – Töne, als sei die ruhende Natur ein Schlummernder, welcher halbe, unverständliche Worte im Traume flüstert.
Theo erhob sich endlich; jetzt, jetzt mußt du gehen, mir zu Liebe, Valerian, sagte sie. Mein armes Mädchen hat schon seit zwei Stunden die Nachtlampe in meinem kleinen Pavillon entzündet. Sieh, wie sie gelb durch die Blätter schimmert.
Gute Nacht denn, meine süße, süße Braut! schlafe sanft und sei getrost; wir wissen jetzt, weshalb du geopfert werden solltest; dieser Tondern war gefährlich als Eingeweihter in Allgundens großes Geheimniß, ihre Ehe. Wenn ich sie bewogen habe – und ich zweifle nicht daran, daß ich es werde – diese Ehe anzuerkennen, dann fällt ja die Rücksicht auf Tondern weg, und weshalb sollte man dann noch zwischen dich und mich treten wollen?
O du bist so edelmüthig, Valerian! Du hast in dir keinen Schlüssel zu dem Charakter dieser Frau. Deshalb täuschest du dich in deinen Hoffnungen, mit einigen einfachen und ehrlichen Worten hier Alles ins Grade bringen zu können.
Nein, nein, Theo, sie hat auch edle Züge neben den dunkeln; an jene will ich mich wenden – und sieh – ich kann nicht anders jetzt, als Licht und Hoffnung vor mir sehen. Meine Brust ist voll von ihnen; alle Stimmen meines Herzens jubeln, alle meine Gedanken schwärmen in süßem Rausche. Gott segne dich, mein Lieb!
Sie gab sich seinen Liebkosungen hin mit ihrem ganzen Sein; auch jeden ihm widersprechenden Gedanken ließ sie fahren und was er wollte und hoffte, das wollte und hoffte auch sie und ihr Herz jubelte mit dem seinen in diesen Hoffnungen.
War es Leichtsinn – war es Egoismus – was ihre Herzen so freudig und hoch schlagen und in süßen Hoffnungen eigenen, Glückes sich wiegen ließ, kurz nachdem sie eine so erschütternde Geschichte von menschlichem Elend, von menschlicher Schwäche und Verirrung, von Gesunkenheit und Frevel angehört hatten?
Nein, es war das Recht der Liebe, das ganze Weh' der Erde, wie ein Nichtiges und Beschränktes gleich Staub von den Füßen zu schütteln. Es war die ewige Berechtigung der Liebe, das Verkehrte, Dunkle, Vergängliche als das nicht Daseiende auszuschließen aus dem Umfange des eignen, von Harmonie getragenen Daseins. Die Liebe schwebt über die irdische Beengtheit der Verhältnisse, über die Schuld und über jedes Wirrniß, das aus der Schuld entsteht, mit leichten Psycheflügeln fort, sowie die Göttin über den Abgründen der Wogen schwebt, ohne in ihnen unterzusinken; darum heißt sie die Schaumgetragene. –
Der Gedanke hat dieses neidenswerthe Recht der Liebe nicht; er muß den Schmerz und die Schuld ins Auge fassen, er muß hinunter in ihre Abgründe, denn er hat die Mission, Beide zu versöhnen; aber die Poesie theilt das ewige, süße Recht der Liebe und die Psycheschwingen der schaumgeborenen Göttin.