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Es würde viel zu weitläufig, auch undiensam fallen, alle weiteren Karessen und verliebten Gespräche dieser beiden vergnügten Personen zu referieren, doch ist dieses noch zu bemerken, daß Elbenstein, da er aus ihren Reden vernommen, wie sie gesonnen, seine Verleumderin und seinen Inquisitor bestrafen zu lassen, eine Fürbitte für diese beiden Verbrecher bei der Dame einlegte. Allein, diese gab darauf zur Antwort:
»Alles bittet von mir, mein Leben, was Ihr wollt, alles, was in meinem Vermögen ist, auch sogar das Blut aus meinen Adern soll Euch zu Diensten stehen, nur in diesem Stück laßt mir meinen Willen und der Gerechtigkeit den Lauf.«
Er fuhr im Fürbitten fort, indem er befürchtete, sie möchte diese beiden bösen Personen gar ums Leben bringen lassen, allein sie gab zur Antwort:
»Mein Engel, nur in diesem Stücke laßt mir meinen Willen, in allem anderen aber will ich nicht nur Eure Bitten, sondern auch Eure Befehle gelten lassen, denn ich bin die Eurige.«
Wie nun Elbenstein merkte, daß sie diese Rede mit einiger Heftigkeit vorbrachte, schwieg er still, bis sie endlich sagte, es würde ihm nicht entgegen sein, daß sie heute gewisser Ursachen wegen die Abendmahlzeit allein in ihrem und er in seinem Zimmer einnehmen; aufs längste drei Stunden hernach aber bäte sie sich von ihm eine Nachtvisite aus seinem in ihr Bett durch die Zugtüre aus.
Demnach schieden sie auf diesmal voneinander, sie in ihr und Elbenstein in sein angewiesenes Zimmer, wo er sich die Kleidung abziehen ließ und seinen Schlafhabit anlegte, erst eine Zeitlang im Fenster guckte, bis ihm die Abendmahlzeit gebracht wurde, nach Einnehmung derselben aber sein Historienbuch vor die Hand nahm und sich die Zeit damit passierte, bis er vermerkte, daß die Stunde gekommen, sich im Bett einzufinden.
Er hatte die richtige Zeit getroffen, denn kaum da er sich niedergelegt, wurde die köstliche Tür aufgezogen, und die Tapeten öffneten sich, da er denn die Dame im Bett sitzend erblickte, welche ihren Arm gegen ihn ausstreckte. Er trat also die kurze Reise an und kam nicht eher wieder zurück, bis der Tag angebrochen war, dennoch war beiden die Zeit gar nicht lang worden, sondern unter den Händen verschwunden.
Elbenstein schlief fast bis gegen Mittag und wurde kaum eine Stunde hernach, als er sich angekleidet, bei der Dame zur Tafel gerufen, welche sich zwar sehr freundlich gegen ihn, jedoch dabei auch etwas tiefsinnig aufführte.
Nach aufgehobener Tafel brachte sie ihm einen Becher Wein zu mit den Worten:
»Auf unser beiderseits beständiges Vergnügen.«
Wie nun Elbenstein Bescheid getan hatte, sagte die Dame:
»Nun kommt, mein Engel, ich will Euch etwas zeigen.«
Hiermit nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn eine verborgene Treppe hernieder in eben dasjenige Gewölbe, wo er anfänglich gefangen und geschlossen gesessen hatte. Es war niemand darin befindlich als die beiden Stummen, welche, als ihnen die Dame einen Wink gab, den Teppich von einem Tisch abnahmen, da denn Elbenstein auf zwei Schüsseln zwei abgehauene Köpfe liegen sah.
Er erkannte beide alsogleich, wie nämlich der eine Kopf der Person zugehört hatte, welche er vor einiger Zeit bei der Dame in Ariqua gesehen, der andere aber dem Schloßverwalter, welcher sein Inquisitor gewesen war.
Seine Bestürzung war hierbei sehr groß, und als die Dame selbige bemerkte, führte sie ihn wieder zurück die Treppe hinauf, unterwegs aber sagte sie:
»Seht, mein Leben, so habe ich die an mir und an Euch begangene Bosheit und Falschheit rächen und bestrafen lassen, nun ist mein Herz zufriedengestellt, zu Eurer Satisfaktion aber müßte mein eigener Kopf von Rechts wegen zwischen diesen beiden stehen.«
Elbenstein fiel abermals zu ihren Füßen und bat, ihn mit dergleichen herzkränkenden Worten nicht ferner zu quälen, kontestierte anbei hoch und teuer, wie er es sehr gern gesehen, wenn sie diese beiden Delinquenten begnadigt und ihnen das Leben geschenkt hätte.
»Nein!« versetzte sie, »das konnte nicht sein, sondern ihr Verbrechen und Eure und meine Liebe erforderten ein solches Urteil absolut. Kommt aber weiter, wir wollen uns einen anderen Zeitvertreib machen.«
Hiermit führte sie ihn wieder in ihr gewöhnliches Zimmer, da sich denn alsobald in dem Nebenzimmer ein schöne Musik hören ließ. Sie aber hielt Elbenstein, der sich neben sie in den Schlafstuhl setzen mußte, beständig in ihren Armen und machte ihm alle ersinnlichen Karessen, bis sie wiederum zur Tafel und dann zu Bett gingen.
Diese Lebensart, welche man deutlicher zu beschreiben ein Bedenken trägt, währte also so lange fort, bis endlich der Dame die Geburtsschmerzen ankamen und dieselbe einen jungen, wohlgestaltenen Sohn zur Welt brachte, über welchen sich Elbenstein selbst nicht wenig vergnügte. Sie befand sich bei dieser ihrer Niederkunft frischer und stärker, als man hätte vermeinen sollen; weil aber nicht allein Briefe von ihrem Gemahl eingelaufen waren, worin derselbe seine baldige Zurückkunft ankündigte, überdies das fernerweitige Liebes-Commercium sehr gefährlich zu sein schien, war die Dame endlich von selbst so genereux, Elbenstein seine Demission zu geben, und diese stellte sie ihm eines Abends schriftlich in folgenden Zeilen zu:
Mein Allerliebster! Ich bitte nochmals um Verzeihung wegen aller Euch meinetwegen zugefügten Schmach und Herzleides. Hierbei aber danke ich Euch zu tausendmalen für das mir gemachte unschätzbare Vergnügen. Ich werde Euch lieben, solange ein Atem in mir, und die Zeit wohl absehen, Euch, sobald es immer möglich ist, Nachricht zu erteilen, wo wir einander aufs neue vergnügt umarmen können.
Den morgenden Tag verlange ich noch tausend Küsse von Euch, die Anstalten aber sind bereits gemacht, daß Ihr, sobald es dunkel ist, in einem zugemachten Wagen von hier ab und bis nach M.* gebracht werden sollt, von wannen Ihr auf der Post weiter fortkommen könnt. Einen Reisekoffer habe ich Euch selbst eingepackt, worin Ihr tausend Zecchinen finden werdet, nebst anderen Kleinigkeiten, die Ihr zum Angedenken meiner Person tragen sollt. Die übrigen Sachen, die Ihr bei Euch habt und worauf man sich noch besinnen wird, werdet Ihr bei Euch selbst einzupacken belieben, es werden die Stummen hierzu einen anderen Koffer bringen.
Eurem Fürsten habe ich durch die dritte Hand Euretwegen soviel Nachricht geben lassen: Ihr hättet Euch mit einem gewissen vornehmen Frauenzimmer in Liebessachen eingelassen und derselben die Ehe versprochen, weil es aber Euch nachher gereut haben möchte, so wären deren Freunde, denen sie es geklagt, auf die Gedanken geraten, Euch einen Possen zu spielen und listigerweise in genaue Verwahrung bringen zu lassen, damit sie Eure Erklärung vornehmen möchten. Unterdessen sollten Seine Durchlaucht so gnädig sein und Eure Sachen sowohl als Eure Ehre in Dero Schutz nehmen, weil Ihr vielleicht mit nächstem wiederum vor Ihnen erscheinen würdet.
Diese Szene, mein Leben, könnt Ihr fortspielen und Eurem Fürsten zu verstehen geben, daß Ihr zwar wieder ledig und freigestellt worden, jedoch Euch mit einem körperlichen Eid verpflichten müssen, von allem dem, was Euch begegnet, niemandem etwas zu melden, vielweniger auf Rache bedacht zu sein. Ich glaube, daß ich keinen unebenen Rat gegeben habe, unser Liebesgeheimnis verborgen zu halten, und weil ich mich auf Eure Treue und Redlichkeit völlig verlasse, so beharre, wenn ich zuvor morgen noch mündlichen Abschied von Euch genommen habe, Eure ewig Getreue.
Einesteils war Elbenstein einigermaßen betrübt, daß er eine so unvergleichliche Amour verlassen sollte, anderenteils aber war er auch erfreut, sich in Freiheit und aus gefährlichen Umständen kommen zu sehen, zumal da er sich dergestalt bereichert sah. Nunmehr, ach leider, dachte er erst wieder an das liebe Gebet und bat den Himmel, daß ihn derselbe doch noch einmal aus diesem Irrsal heraus und glücklich an Ort und Stelle führen möchte, jedoch ein Gelübde wollte er nicht tun, weil er wohl sah, daß sein Fleisch und Blut zu schwach war, dasselbe zu halten. Er hatte in der darauffolgenden Nacht einen wenigen Schlaf, indem er sich allerhand Gedanken machte, wie er seine Lebensart hinfort anstellen und ob er noch eine Zeitlang in Italien verbleiben wollte oder nicht; endlich fiel der Schluß da hinaus, daß er, je eher, je lieber, seine Demission bei seinem Fürsten suchen und aus diesem gefährlichen Land hinweg entweder nach Frankreich oder gar wieder in sein Vaterland reisen wollte; indem er befürchtete, daß es ihm gar leicht einmal der verbotenen Liebeshändel wegen unglücklich ergehen könne. Des darauffolgenden Morgens stand er etwas zeitiger auf als gewöhnlich, und weil ihm die Stummen, nachdem er sich angekleidet, einen Korb mit Wäsche brachten, die er ihnen etliche Tage vorher gegeben, um selbige waschen zu lassen, fing er allgemach an, seine Sachen einzupacken. Bald hernach brachten ebendiese Stummen einen großen, schweren Reisekoffer in sein Zimmer getragen und überreichten ihm den in ein Papier versiegelten Schlüssel dazu. Er war sehr begierig zu wissen, was sich darin befände, wollte aber doch denselben nicht eher öffnen, bis er erst mit Einpacken fertig wäre; kaum aber, da dieses geschehen, ließ ihn die Dame durch die Olympia zu sich in ihr Zimmer rufen, wo er dieselbe auf dem Bett sitzend und weinend antraf. Er fiel auf das eine Knie vor ihr nieder und fragte nach der Ursache ihrer Betrübnis.
»Ach!« sprach sie, »mein Leben! Soll ich nicht weinen, da ich Euch von mir lassen muß und nicht weiß, ob ich Euch zeit meines Lebens wieder zu sehen bekommen werde? Denn wie bald könnt Ihr Euch resolvieren, dieses Land zu verlassen und nach Eurem Vaterland zu reisen.«
Es schien, als ob sie seine Gedanken erraten hätte, allein Elbenstein versicherte, wie er zwar gesonnen, den Abschied von seinem Fürsten zu fordern, um noch die vornehmsten Städte in Italien zu sehen, hernach aber wollte er sich in Padua unter dem Vorwande, daselbst noch seine Studien abzuwarten, so lange aufhalten, bis er von ihr Erlaubnis bekäme, einmal eine Reise zu seinen Eltern zu tun.
»Wie lange vermeint Ihr«, fragte sie, »herumzureisen, ehe Ihr nach Padua kommt?«
»Ich vermeinte«, gab er zur Antwort, »etwa um die Neujahrszeit oder auch wohl etwas früher daselbst einzutreffen.«
»Ach! Tut doch dieses«, sagte sie, »je eher, je lieber. Von mir werdet Ihr alle drei Monate hundert Zecchinen Zuschuß zu Eurem Studieren zu empfangen haben, um Euch vor anderen in etwas hervortun zu können.«
Elbenstein küßte ihre Hände und gab zu vernehmen, wie er von ihrer Gütigkeit bereits dergestalt mit Geschenken überhäuft worden, daß er nicht genügsame Worte vorzubringen wüßte, seine Dankbarkeit an den Tag zu legen.
»Ich will«, versetzte sie hierauf, »daß Ihr mir hiervon durchaus nichts gedenken sollt, sondern redet mir heute zu guter Letzt noch etwas vor, das ich lieber höre.«
Diesem nach gerieten sie beide auf verliebte Gespräche, nahmen auch Abrede, wie sie ihre Korrespondenz einrichten wollten, endlich aber wurde das Zeichen gegeben, zur Tafel zu kommen, da sie denn über zwei Stunden miteinander speisten, nachher eine gute Zeit im Zimmer herum spazierengingen und von ihren Geheimnissen sich unterredeten; allein, sie vertieften sich dergestalt, daß die Dame endlich sprach:
»Mein Engel, es ist heute der achtzehnte Tag nach meiner Niederkunft, an welchem ich dich von mir lassen muß, weil mein Gemahl wo nicht diese, doch längstens die andere Woche zurückkommt. Ich befinde mich sonst in vollkommen gesundem Stande, deswegen kann ich den Abschied nicht so trocken geschehen lassen. Meine Augen haben die vergangene Nacht und heute früh Tränen genug fließen lassen, deswegen ist es billig, daß ich noch etwas zur Gemütsberuhigung empfange.« Wie aber das übrige Bezeigen einige Schwachheit anzeigte, indem sie ganz ermüdet auf das Bett darniedersank, war Elbenstein auch so unbarmherzig nicht, dieselbe trostlos zu verlassen, sondern gab ihr von dem bei sich führenden, probat befundenen Lebensbalsam, den er nun fast drei Wochen daher präpariert und aufgespart, noch etliche Dosen ein, welche ihr dergestalt wohlbekamen, daß sie vor Freuden, jedoch mit schwacher Stimme ausrief:
»Nun ists genug! Habe Dank, mein Engel! Es hat seine Richtigkeit aufs neue, oder ich verwette mein Leben.«
Es ist nicht zu beschreiben, wie zärtlich sie ihn hierauf karessierte, und Elbenstein wurde hierdurch dergestalt eingenommen, daß er fast selbst nicht wußte, wie ihm zu Mute war.
Endlich richtete sich die Dame wieder auf, löste ihre mit kostbaren Juwelen versetzten Armbänder ab, entblößte Elbensteins Arme und befestigte sie darum, welcher, wo er sie nicht alterieren wollte, mit sich machen lassen mußte, was ihr beliebte; ja er durfte sich nicht einmal dafür bedanken, sondern mußte nur angeloben, daß er sie beständig verdeckt an seinen Armen tragen und niemals ablegen wollte.
Unter allen diesen verliebten Unternehmungen rückte endlich der Abend herbei, weswegen die Dame der Olympia ein Zeichen gab, daß sie keine ordentliche Abendmahlzeit, sondern nur kalte Küche auf die Serviette verlangte. Wie nun dieses bereit, hielten beide Verliebte die Abschiedsmahlzeit miteinander, und zwar sehr kurze Zeit, denn Elbenstein, welcher sich ungemein wehmütig angestellt, gab zu vernehmen, wie er noch ein und anderes von Kleinigkeiten zu besorgen hätte.
Die Dame fragte ihn, ob er seinen Koffer, den ihm die Stummen überbracht, geöffnet hätte? Er gab zur Antwort, wie er es willens gewesen; wäre aber durch die Olympia, welche ihn abgerufen, daran gestört worden. Alsobald fiel ihm die Dame ins Wort und sagte:
»Mein Kind, es ist unnötig, daß Ihr denselben hier öffnet, jedoch weil ich mich besinne, daß Ihr Eure Barschaften neulich wohl meistens von Euch gegeben, will ich Euch solche wieder vergüten.«
Hiermit ging sie über ihre Schatulle und langte einen gestickten Beutel mit dreihundert Zecchinen heraus, welchen Elbenstein ohne einige Widerrede annehmen mußte; nach diesem erlaubte sie ihm erst, nach seinen Sachen zu sehen und den Stummen zu befehlen, daß sie dieselben sofort auf den Wagen bringen sollten, damit er, wenn die Nacht eingetreten, gleich abreisen könnte; jedoch solle er sich nicht säumen, alsobald wieder bei ihr zu sein.
Der in seinem Gemüt ziemlich verwirrte Elbenstein packte demnach alles, was er etwa von Kleinigkeiten noch herumliegen hatte, vollends ein, erteilte den Stummen die Ordre und schenkte jedem fünfundzwanzig Zecchinen für die bisherige Aufwartung; der Olympia aber, die einen neuen Reiserock und ein Flaschenfutter mit Wein herbeitragen ließ, verehrte er fünfzig Zecchinen, welche sich zwar anfänglich weigerte, dieselben anzunehmen, jedoch endlich erbittlich war und ihm die Hand dafür küßte.
Endlich rückte die Stunde heran, da es allmählich anfing, dunkel zu werden, deswegen Elbenstein sich nicht säumte, nochmals zu seiner Gebieterin zu gehen und Abschied von ihr zu nehmen. Er traf sie abermals weinend an, und seine Tränen vereinbarten sich mit den ihrigen, jedoch, er faßte ein Mannsherz, sprach ihr den kräftigsten Trost zu und malte die Hoffnung eines baldigen Wiedersehens so lebhaft ab, daß sie endlich ganz munter ward und sagte:
»Nun, so reise glücklich, mein Leben! Der Himmel bewahre dich vor allem Unglück. Verbleibe mir getreu und vergiß meiner nicht leichtsinnigerweise, weil ich dich über alles in der Welt liebe. Halte dein Versprechen und komme so bald es möglich ist nach Padua, so werde ich binnen vierundzwanzig Stunden Nachricht von deinem Dasein haben können, wenn du dich bei demjenigen meldest, wo ich dich hingewiesen.« Elbenstein versicherte, daß er ihren Befehlen in allen Stücken aufs genaueste nachleben wollte, und endlich sagte er:
»Noch eine Gnade bitte ich mir von Eurer Durchlaucht aus.«
»Worin besteht diese, mein Herz?« fragte sie.
»Dasjenige noch wenigstens ein einzigmal zu küssen, welches Sie das Pfand unserer Liebe zu nennen belieben.«
Augenblicklich ging die Schöne selbst hin und holte den kleinen Prinzen, welchem Elbenstein mehr als hundert Küsse gab. Dieses afficierte die Dame dergestalt, daß sie der Olympia rief, das Kind wieder hinwegzutragen, zu Elbenstein aber sagte sie: »Diese Karesse hat mein Herz am allerweichsten gemacht, nimm diesen Ring noch zu dessen Angedenken«, unter diesen Worten zog sie noch einen Ring, der mehr als zweihundert Zecchinen wert war, von ihrem Finger ab und steckte ihn an Elbensteins Finger.
»Ach! Reise glücklich und komme bald zurück, vielleicht kann ich noch diejenige Person sein, die dein Glück auf dieser Welt macht.«
Elbenstein konnte vor innerlichem Jammer fast kein Wort mehr hervorbringen, deswegen wurden, weil die Nacht schon eingebrochen war, nur noch etliche hundert Küsse gewechselt, worauf er, sozusagen wie die Katze vom Taubenschlag, stillschweigend Abschied nahm und sich (da sie ebenfalls mit zugedrückten, weinenden Augen auf dem Bett halb ohnmächtig liegenblieb), sobald nur die Olympia herzukam, von den Stummen bis an den bereits angespannten Wagen begleiten ließ und fortfuhr.
Es ist, wie die wenigsten leugnen werden, die Liebe überhaupt ein wunderlicher Affekt, insbesondere aber die heimliche und verbotene, denn diese ist vermögend, dem Menschen weit mehr Leidenschaften zu verursachen als die erlaubte.
Wie es der Dame nach Elbensteins Abschied ergangen, davon haben wir keine zuverlässige Nachricht; Elbenstein aber saß in dem Wagen als ein wachender Träumer, indem die ganze Nacht hindurch kein Schlaf in seine Augen kam, jedoch konnte er sich nicht eher besinnen, bis er des andern Tages gegen Mittag von dem obgedachten Thomas erinnert wurde, aus dem Wagen zu steigen und seiner Bequemlichkeit zu gebrauchen. Er ermunterte sich demnach aus seiner schlaflosen Träumerei, stieg aus dem Wagen und ward gewahr, daß er nicht nur den Thomas, sondern noch andere sechs Reiter zur Eskorte bei sich hatte, welches ihm einigermaßen bedenklich vorkam; jedoch er ließ sich nichts merken, sondern von dem Wirte in ein besonderes Zimmer führen, wo er sich einen glühenden Wein bestellte und sich mittlerweile aufs Bett streckte, um womöglich ein wenig zu schlafen. Indem aber kam Thomas und überreichte ihm einen versiegelten Brief, worin er folgende Zeilen zu lesen bekam:
Liebstes Leben! Ich habe meinem Thomas befohlen, Dir diesen Brief nicht eher einzuhändigen, als bis Du in M.* angelangt bist. Ich wünsche, daß Deine Reise bis dahin glücklich gewesen und noch fernerweit glücklich sein möge. Gefahr hat es nicht leicht haben können, weil ich Dir außer meinem Thomas zur Begleitung sechs Reiter mitgegeben habe, und auf den Posten wirst Du auch unfehlbar sicher sein. Thomas hat einen gesattelten Neapolitanerhengst nebst allem anderen Zubehör an Dich zu übergeben, anstatt Deines Pferdes, welches hier umgefallen ist und sich unfehlbar um seinen Herrn zu Tode gegrämt hat.
Antworte mir mit wenigen Zeilen, damit ich mich nur an den leblosen Buchstaben ergötzen kann, bis ich das Vergnügen habe, Dich in eigener Person wieder zu umarmen. Ich bin und verbleibe die Deinige.
Elbenstein ließ sich Tinte, Papier und Feder bringen und beantwortete den Brief folgendergestalt:
Meine Seele! Ich weiß fast nicht, ob ich noch recht mehr lebe oder nicht, weil von Dir, meine Seele, ich mich getrennt sehen muß. Oh, wie unbarmherzig bist Du gewesen, mich zu einem unaussprechlichen Vergnügen, aber nur auf so kurze Zeit, führen zu lassen, und wie unbarmherzig bist Du nicht nachher gewesen, mir den letzten Streich zurückhalten zu lassen. Wie längst wäre ich alle meine Marter los, nunmehr aber empfinde ich erst tägliche, ja, was sage ich, beständige Todesangst, da ich nicht allein von Dir entfernt leben, sondern auch einem anderen dasjenige überlassen muß, was meine Sehnsucht sich einzig und allein, aber keinem anderen gönnt. Mein Dir allein ergebenes Herz fängt schon an, den Adern den Dienst zu versagen und den Umlauf des Geblüts zu verhindern, demnach dürfte mein Ende fast nahe sein, jedoch verbleibe ich nebst gehorsamster Danksagung für alle genossene Liebe, Gnade und Wohltaten, Dein bis in den Tod Getreuer.
Kaum hatte er diesen Brief ausgeschrieben, als Thomas den glühenden Wein brachte und dabei fragte, ob Ihro Gnaden nicht belieben wollen, das kostbare Pferd selbst in Augenschein zu nehmen, welches Ihro Durchlaucht ihm zu überreichen mitgegeben hätten?
Elbenstein war oder stellte sich wenigstens ganz malade an, ging aber doch, nachdem er den glühenden Wein getrunken hatte, mit ihm herunter, ließ seine Koffer und Sachen erst hinauf in seine Stube schaffen und besah hernach den neapolitanischen Hengst, welcher ihm sehr wohl anstand, auch dahin bewog, daß er dem Thomas zwölf, jedem Reiter aber drei Zecchinen zur Diskretion gab, da denn diese ein paar Stunden hernach mit dem Wagen ihre Rückreise antraten.
Der Wirt mochte Elbenstein unfehlbar für einen Prinzen oder andere Standesperson ansehen, begegnete ihm demnach auf die alleruntertänigste Art, da dieser aber sich vernehmen ließ, daß er erst ausschlafen, nicht eher als auf den Abend speisen, den anderen Tag noch ausruhen, dritten Tages aber mit einer Extrapost weiterreisen wolle, richtete er sich danach ein und ließ ihm einen artigen Knaben zur Bedienung, welcher, da sich Elbenstein aufs Bett legte, sogleich seine sodomitischen Dienstleistungen anbot.
Wie aber Elbenstein vor dergleichen einen recht natürlichen Abscheu hatte und ihm zurückzugehen befahl, kam ein alter Hausknecht und meldete sich, daß er befehligt wäre, die Wache vor seiner Tür zu halten, und sofern Ihro Gnaden etwas zu befehlen hätten, dürften sie nur Antonio rufen. Dieses ließ sich Elbenstein eher gefallen, schlief aber alsbald ein und ruhte einige Stunden.
Als er wieder aufgewacht, befahl er dem Antonio, daß er ihm die Abendmahlzeit bestellen solle, welche bald hernach gebracht wurde. Der Wirt wartete ihm selbst auf und fing nach unterschiedlichen Gesprächen dieses zu reden an:
»Ich sehe, daß Eure Gnaden keinen Bedienten bei sich haben, wenn Ihnen demnach an einem geschickten deutschen Menschen etwas gelegen wäre, wollte ich denselben heraufrufen, er ist einige Jahr hier in Italien bei einem vornehmen deutschen Kavalier in Diensten gewesen und hat die italienische Sprache sehr wohl gefaßt.«
Elbenstein gab hierauf zur Antwort, daß der Herr Wirt diesen Menschen nach der Mahlzeit herauf zu ihm senden möchte, welches denn auch geschah, indem Elbenstein nicht lange bei Tisch saß.
Sobald der Deutsche ins Zimmer getreten und Elbenstein an ihm bemerkte, daß er wohlgekleidet und sehr reputierlich aussah, fragte er denselben ganz freundlich, wer und woher er wäre; Dieser gab zur Antwort:
»Ihro Gnaden, gebe gehorsamst zu vernehmen, daß ich von Frankfurt gebürtig bin und daselbst die Chirurgie erlernt habe, vor sechs Jahren aber bin ich mit einem vornehmen deutschen Baron, dem Herrn von L.*, als Kammerdiener mit in dieses Land gereist. Nachdem aber dieser, mein Herr, vor etlichen Wochen in N. meuchelmörderischerweise ums Leben gebracht worden, habe ich seither Gelegenheit gesucht, bei einem oder anderen deutschen Herrn in Dienste zu kommen, damit ich endlich einmal mein Vaterland wieder zu sehen bekommen möchte.«
»Ich habe«, sagte Elbenstein, »von dem Baron von L.* vielmal reden hören; was hat aber Gelegenheit zu seiner Ermordung gegeben?«
»Ach leider!« gab der Kammerdiener zur Antwort, »nichts anderes als die Ausschweifungen in Liebessachen; allein, es würde Euer Gnaden wohl zu langweilig fallen, wenn ich Ihnen die Streiche, so er in diesem Lande vorgenommen, ausführlich erzählen wollte.«
»Mein lieber Landsmann«, versetzte Elbenstein, »Er erzeigte mir einen besonderen Gefallen, denn ich habe nicht allein hier wohl ausgeschlafen, sondern pflege auch sonst meinen Schlaf abzubrechen, wenn mir jemand Geschichten erzählt. Hier ist Wein, trinke Er nach Belieben soviel, als Er will, und setze sich dabei nieder, damit Ihm das Reden nicht zu sauer wird. Ich werde Ihm, wo ich Ihn nicht in Dienste nehme, dennoch eine Diskretion geben.«
Der Mensch gehorsamte Elbenstein und fing seine Erzählung also an:
»Nachdem mein Herr, der Baron von L.*, die vornehmsten Städte Italiens besehen und fast allerwegen der Göttin Venus vielfältige Opfer gebracht, indem er ihre Nymphen nicht suchen durfte, sondern selbst von ihnen aufgesucht und zur Liebeslust angereizt wurde, kamen wir endlich nach N., wo es ihm besser als an irgendeinem Ort gefiel, weil er daselbst nicht allein den vergnügtesten Umgang mit schönen Frauenzimmern, sondern auch mit verschiedenen deutschen Offizieren und Kavalieren haben konnte. Eines Tages trug sichs zu, daß er einen seiner guten Freunde besuchte, welcher tags vorher im Duell einen gefährlichen Stoß in die Brust bekommen hatte. Es kamen noch verschiedene andere deutsche Offiziere und Kavaliere dahin, welche dem Patienten die schmerzhafte Zeit vertreiben wollten. Auch war ein Medicus zugegen, der dem Patienten innerliche Medikamente gab.
Dieser Medicus war ein ziemlich glücklicher und wohlgereister Arzt, indem er viele Sprachen redete, hierbei aber haselierte er gar gewaltig, so daß die Offiziere und Kavaliere gemeiniglich einen Narren aus ihm machten, denn er wollte sein Geschlecht von den alten longobardischen Königen herführen, war aber doch bloß mit dem adeligen Charakter zufrieden, wenn man ihn nämlich nur den Herrn von Oegneck nannte.
Zur Frau hatte er eine extraordinäre schöne Dame, doch weil er der Eifersucht im allerhöchsten Grad ergeben, ließ er sie fast vor keinem Menschen sehen, und wenn ihr ja einmal erlaubt war, frische Luft zu schöpfen, mußte solches dennoch durch eine Maske geschehen, um zu verhüten, daß sich niemand an ihrer Schönheit vergaffte; überdies war ihr ein altes, vertracktes und grämliches Weib zur Hofmeisterin vorgesetzt, vor welcher dieses schöne Bild sich nicht einmal frei umsehen, geschweige denn mit jemandem reden durfte, ohngeachtet sie viel Feuer im Leib hatte. Er, der Herr von Oegneck selbst, kam ihr selten von der Seite, ausgenommen, wenn seine Amtsverrichtungen oder eine gute Kompanie, bei welcher er kein Geld vertun durfte, ihn von ihrer Seite zog, denn er war ungemein gern lustig oder, auf deutsch zu sagen, er haselierte gern, hierbei auch dermaßen geizig, und dennoch spielte er gern.
Hier nun waren verschiedene Offiziere zugegen, welche um all sein Wesen genaue Wissenschaft hatten, deswegen kam bald ein Gespräch vom Frauenzimmer und vergnügten Heiraten aufs Tapet, und fast ein jeder brachte eine besondere Meinung hervor, von was für Temperament und Beschaffenheit nämlich er sich dermaleinst eine Frau wünschte.
Oegneck hatte gar nicht lange zugehört, als er mit beiden Fäusten auf den Tisch schlug und sagte: ›Um aller Heiligen willen! Meine Herren, reden Sie von anderen Dingen als vom Heiraten, denn wenn ich nur hieran gedenke, wird mir angst und bange.‹
›Ei wieso, mein Herr?‹ fragte ein gewisser Kapitän, der sich Reston nannte, ›wie ich vernommen, so ist ja Derselbe recht glücklich im Heiraten gewesen, indem Er eine bemittelte, verständige, tugendsame und ganz besonders schöne Frau haben soll. Ich habe dieselbe zu sehen zwar niemals die Ehre gehabt, jedoch solches von meiner eigenen Frau und anderen Damen vernommen, möchte also fast wünschen, wofern es anders ohne dessen Incommoditée geschehen könnte, die Wahrheit davon persönlich zu erforschen.‹
Oegneck antwortete mit einigem Kopfschütteln folgendes:
›Es ist wahr, meine Herren! Ich habe eine Frau bekommen, die einen recht englischen Verstand besitzt, denn sie ist nicht allein in der Schrift, sondern auch in allen anderen curieusen Wissenschaften vortrefflich wohl erfahren; kann einen zierlichen Vers machen, nebst der Laute unterschiedene andere musikalische Instrumente recht charmant spielen, sauber schreiben, perfekt rechnen, künstlich malen und in Wachs drücken, die schönste gestickte Arbeit und Summa Summarum alles, was ihre Augen sehen, können ihre Hände nachmachen.
Nackend und bloß‹, fuhr er fort, ›ist sie nicht zu mir gekommen, sondern hat ein Heiratsgut von mehr als tausend Dukaten mitgebracht, welches Kapital ich in Banco gelegt, der vortrefflichen Möbel zu geschweigen. Ihre Jungfrauschaft ist mir zu meinem allergrößten Vergnügen unversehrt zuteil worden, und habe ich die Marken und Beweistümer hiervon bis dato unter meinen kostbaren Raritäten verwahrt liegen. Es hat ihr niemals nach einer anderen Mannesperson gelüstet, als nach mir allein, auch führt sie beständig ein einsames, stilles und frommes Leben, woraus ihr tugendhaftes Wesen sattsam erhellt.
Was die Schönheit meiner Frau anbetrifft, so kann ich dieselbe mit allem Recht ganz unvergleichlich nennen, denn ihre Augen sind ein Paar blaue Kristalle und schicken mir so viel Feuer zu, daß ich mich zuweilen mit Gewalt von ihnen entfernen muß, um durch allzu hitziges Lieben mein Leben nicht vor der Zeit abzukürzen; ihre Wangen sind wie Milch und Blut, die Haut über dem ganzen Leib beschämt das allerweißeste und glattpolierteste Elfenbein, und die übrigen Leibesteile, an und in welchen die Verliebten die Quintam Essentiam der Wollust zu suchen pflegen, sind so beschaffen, daß . . .‹
Hierauf brach der mit Hasenschrot geschossene Herr von Oegneck auf einmal in seiner Rede ab, sagte aber bald hernach: ›Basta! Meine Herren, ich muß schweigen, sonst möchte einer oder der andere einen unordentlichen Appetit bekommen, mich zum Hahnrei zu machen. Vivat indessen‹, rief er, indem er zugleich ein Glas Wein an den Mund setzte, ›mein schönstes und liebstes Weibchen!‹
Mittlerweile hatten alle Anwesende genug zu tun, sich des lauten Lachens zu enthalten, gaben aber einander ihre Gedanken mit den Füßen unter dem Tisch zu verstehen.
Mein Herr aber stand unter der Zeit, da Oegneck seiner Frau Gesundheit trank, jählings auf, nachdem er einigen von der Gesellschaft einen heimlichen Wink gegeben, ging zur Tür hinaus und lachte sich satt.
Oegneck, da er das große Glas ausgeleert hatte, sagte mit einer lächelnden Miene:
›Hab ich es nicht gedacht, daß sich unter dieser Gesellschaft hitzige Venusbrüder befänden? Wenigstens dieser Kavalier, welchen ich heute zum erstenmal zu sehen die Ehre habe, gibt sattsam zu verstehen, daß unter meinen Reden Cupido einen Pfeil auf ihn abgedrückt hat.‹
Hierauf gab der Kapitän Reston zur Antwort:
›Der Herr von Oegneck irrt sich für diesmal gar gewaltig, denn ich kann denselben versichern, daß dieser Kavalier ein Erzmelancholikus und Abstemius von allem Frauenzimmer, demnach bekümmert ihn nichts mehr, als wenn von Frauenzimmer, Heiraten und verliebten Händeln geredet wird, jedoch dieses wollen wir uns insgesamt nicht irren lassen, sondern ihm zum Possen dergleichen Gespräche weiter fortführen.‹
›Ei! Das ist ein anderes‹, sagte Oegneck, ›allein, wenn es so mit ihm beschaffen ist, möchte sich der liebe Herr doch nur zu mir in die Kur begeben, denn ich kuriere Melancholie ex fundamento, wenn ich nur weiß, daß ich raisonabler Zahlung versichert bin.‹
›Wo sich der Herr von Oegneck‹, replizierte der Kapitän Reston, ›verobligieren kann und will, den Kavalier von diesem Malheur zu befreien, will ich sogleich mit ihm davon sprechen, auch werden mir die Herrn hier alle bezeugen, daß er sich sonst jederzeit sehr genereux aufgeführt.‹
›Ach! Tun Sie doch dieses, mein Herr Hauptmann‹, bat Oegneck, ›ich werde niemals ermangeln, Ihnen alle Gegenerkenntlichkeit zu erweisen.‹
Demnach ging der Kapitän Reston hinaus und berichtete meinem Herrn, was man in seiner Abwesenheit von ihm gesprochen; dieser, weil er ein extraordinär verliebter Mensch, dabei einen überaus lustigen, listigen und verschlagenen Kopf hatte, fragte sogleich:
›Ists denn wahr, mein Herr Hauptmann, daß dieses Haselanten Frau etwas Schönes an sich haben soll?‹
›Ich kann Ihnen‹, gab Reston zur Antwort, ›bei meiner Ehre versichern, daß, wie schon gesagt, nicht allein meine eigene Frau, sondern auch viele andere Offiziersfrauen, welche dieselbe bei gewissen Angelegenheiten gesehen und gesprochen, ihre ganz besondere Schönheit und Artigkeit mir nicht sattsam beschreiben können; hierbei wäre aber nichts zu beklagen, als daß sie einen solchen Hasenfuß und eifersüchtigen Grillenfänger zum Mann hätte, welcher sie weit strenger als eine Nonne hielte. Das gute Weib beweinte ihren unglückseligen Ehestand, welcher sie fast gänzlich von der Gesellschaft anderer Menschen verbannte, zwar täglich, dürfte dieses dem törichten Kerl aber im geringsten nicht merken lassen, weil er sonst sogleich Verdacht auf sie legte, als ob sie Lust hätte, Ausschweifungen zu begehen. Im Gegenteil müßte sie sich zwingen, ihm verliebt und freundlich zu begegnen, übrigens ihr Unglück mit Geduld ertragen. Ich für meine Person‹, verfolgte Reston seine Rede, ›würde mir eine unbeschreibliche Freude daraus machen, wenn ich erführe, daß jemand so glücklich gewesen, diesem Narren einen Possen zu reißen, doch ein solches ist fast unmöglich, denn obgleich das schöne und artige Weibchen wohl leicht bewogen werden könnte, ihrem närrischen . . . Hute Hörner aufzusetzen, so liegt doch beständig ein alter rotäugiger Drache, welcher noch ärger ist als der Teufel, neben ihr, welcher sie, der Mann sei zu Hause oder nicht, bewachen muß.‹
›Herr Hauptmann‹, versetzte hierauf mein Herr, ›Ihre Reden und das, was ich vor einigen Tagen an einem gewissen Ort von dem närrischen Oegneck und seiner Frau vernommen, trifft überein; ich traue Ihrer Verschwiegenheit und versichere, dem Oegneck eine Ochsenkrone aufzusetzen, ob er auch gleich seine Frau beständig bei sich im Schubsack herumtrüge; inzwischen bleiben Sie nur dabei, daß ich ein Melancholikus und Abstemius von Frauenliebe sei.‹
Reston hätte sich über meines Herrn Vorsatz und ernsthaftes Vorbringen mögen scheckig lachen, bestärkte ihn aber nicht wenig in diesem Vorsatz und versprach, nach Möglichkeit dazu behilflich zu sein, worauf einer nach dem anderen wieder ins Zimmer zur Gesellschaft ging.
Sobald sie sich beiderseits niedergelassen und den Herrn von Oegneck in tiefen Gedanken sitzend antrafen, rief der Kapitän Reston:
›Allons! Herr von Oegneck, wie so tiefsinnig? A propos! Wir haben vorhin mit Verwunderung gehört, was Derselbe für eine ungemein glückliche Heirat getroffen, wie aber reimt sich das mit dem, da Er anfänglich sagte: Es würde Ihm angst und bange, wenn er nur an das Heiraten gedächte, da doch, meines Erachtens, wohl kein Mensch auf der Welt mehr Ursache hat, vergnügter davon zu gedenken und zu reden, als eben Er.‹
›Meine Herren!‹ gab Oegneck hierauf zur Antwort. ›Vielleicht finden sich einige in dieser Gesellschaft, welchen die Gespräche vom Ehestand und dergleichen ekelhaft und verdrießlich vorkommen möchten; jedoch mit Erlaubnis, ich will das Meinige kurz machen und Ihnen allerseits nur zu erwägen geben, ob diejenigen Beschwerlichkeiten, womit der Ehestand verknüpft ist, nicht vermögend sind, einem Angst und Bangigkeit zu verursachen, ich meinesteils empfinde zwar das wenigste davon, weil ich mit meiner Frau ein vergnügtes Leben führe, auch werde ich von dem Kindergeschrei und anderen dabei vorfallenden Ungelegenheiten nicht geplagt. Warum? Ich breche meiner Wollust ab und menagiere meine Frau, um selbige desto länger schön, glatt und zart zu behalten, denn es ist nach aller vernünftiger Medicorum, Physicorum, Philosophorum, Naturaeque Expiscatorum Meinung klar, richtig und wahrhaftig wahr, daß die Weiber vom öfteren Kinderzeugen runzlig, unscheinbar und häßlich werden.
Am allerschrecklichsten aber kommt mir die große Gesellschaft der Hahnreie vor. Par Dieu! Wenn ich daran denke, möchte ich bersten wie eine Maikröte. Und obzwar ich, in Erwägung meiner Frau treuer und ruhmwürdiger Conduite, vornehmlich aber meiner selbst eigener gemachten Praecaution, die Tage meines Lebens über nimmermehr in diesen Orden zu kommen befürchten darf, so können mir doch die Exempel anderer unglückseliger Hörnerträger täglich dergestalt viel teils Mitleid, teils Grimm verursachen, daß ich mich öfters fast nicht zu lassen weiß.
Alle diese Grillen aber, welche ich aus christlicher Liebe gegen andere verehelichte Mitbrüder zu erdulden mich fast gezwungen sehe, wären wohl unterwegsgeblieben, wenn ich nicht selbst verehelicht wäre; denn was gingen mich sonst die Ehestandsaffären an.‹
Nunmehr war es einigen von der Gesellschaft unmöglich, das Lachen länger aufzuhalten, deswegen fingen sie mit vollem Hals an; Oegneck aber sah so ernsthaft aus als ein anderer Cato. Jedoch, da sie geendigt, sprach er mit Seufzen:
›Ja, ja, Ihr lieben Herren habt alle gut Lachen, allein, fangt nur erst an, ein recht christliches Ehestandsleben zu führen, so werdet Ihr Kreuz, Trübsal und Bekümmernis genug, ja mancher vielleicht mehr als ich darin finden.‹
Hierauf sagte ein Major namens Morster: ›Der Herr von Oegneck hat recht, doch aber getraue ich mich ihn zu überzeugen, daß er einen recht unchristlichen und Gott höchst mißfälligen Ehestand führt. Denn ist denn das wohl der rechte Zweck des Ehestandes, wenn man dasjenige Werk der Liebe, welches Gott zur Fortpflanzung des menschlichen Geschlechts verordnet und in die Natur gelegt, nur Wollust halber treibt und den Leibesacker seiner Frau nur deswegen nicht gehörig pflügt und düngt, daß er fein derb und glatt bleiben soll? Ists verantwortlich, daß man um eines kurzen Kindergeschreies und einiger anderen Inkommoditäten wegen verhindert, daß dem Himmel viel tausend Bet-, Lob- und Dankopfer, ja etliche Seelen mehr zugeschickt werden? Ja, soll man sich selbst um das Vergnügen bringen an denjenigen Kindern, welche uns in der Jugend die Ohren vollgeschrien haben, mit der Zeit Ehre, Freude und Ruhm, ja Beistand im hohen Alter zu erleben? Ich sage nein dazu, und halte es für eine himmelschreiende Sünde.
Dieses war ein Punkt, mein Herr! Bei dem anderen aber fragt sichs: Worin denn, außer seiner Frau ehelicher Treue, die eingebildete vortreffliche Praecaution bestehe, welche er sich gegen die Immatrikulierung des Hahnreiordens gemacht? Ich merke zwar schon, was Er, ohne die Wahrheit zu beleidigen, sonderlich nach hiesiger Landesart, darauf vorstellen kann; allein, es fragt sich auch noch: Ob es recht und billig sei, daß man, von einer törichten Eifersucht angereizt, den Ehestand zu einem ängstlichen Kerker des Frauenzimmers macht und seiner Ehefrau nicht die Freiheit gönnt, welche andere Weiber an den allermeisten Orten der Welt genießen, sondern dieselbe in der Einsamkeit die Strengigkeit ihres Mannes zu beweinen, die Blüte ihrer Jugend aber zu verwelken zwingt; Heißt das geliebt, wenn man eine Person unschuldigerweise aus bloßem Mißtrauen zu ewiger Gefangenschaft verdammt? Oh! Hole doch der Henker solche Liebe. Wie meint der Herr? Wenn der Vice-Roy ihn zu sich kommen ließe und spräche: Herr von Oegneck, ich habe vernommen, da Er ein geschickter, frommer Mann ist, der keinen Menschen bestohlen, noch betrogen, noch sich sonst jemals unartig aufgeführt hat, damit Er nun bis an sein Ende so feinfromm bleiben und nicht etwa durch böse Gesellschaft oder seine eigenen Lüste zu diesem oder jenem Laster verführt werden möge, will ich Ihn bis an das Ende seines Lebens auf ein Schloß in genaue Verwahrung bringen, jedoch aufs allerbeste traktieren lassen.
Was gilts, mein Herr! Die Freiheit würde Ihm angenehmer sein als die herrlichsten Traktamente, denn es ist dem Menschen nichts Angenehmeres, auch nichts Edleres auf der Welt, als die Freiheit.
Gott hat im Paradies gesagt: Ich will dem Menschen eine Gehilfin (keine Sklavin) schaffen, die um ihn (nicht aber seine Gefangene) sei. Wie da: Mein Herr! Ist es also nun christlich gehandelt, wenn man so gröblich und vorsetzlicherweise wider Gottes Ordnung lebt?
Man könnte Demselben noch viel scharfsinnige Fragen vorlegen, allein, diese Sachen gehören mehr vor die Herren Geistlichen als vor Soldaten. Doch will ich Ihm noch dieses zur dienstlichen Nachricht sagen, daß Er sich vollkommen glücklich schätzen kann, wenn Ihm seine Frau vollkommen getreu und nicht selbst zu Ausschweifungen inkliniert, widrigenfalls werden alle superklugen und vorsichtigen Anstalten so trefflichen Stich halten, wie Butter an der Sonne.‹
Hierauf erzählte der Major einige Exempel, auf was für listige Art Ehemänner von ihren Weibern in diesem Stück betrogen worden.