Johann Gottfried Schnabel
Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier
Johann Gottfried Schnabel

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Ein Rausch, den man sich mit Vergnügen trinkt, schadet, vieler Leute Meinung nach, nicht halb soviel, als wenn man bei Zank, Streit, Ärgernis und Grillen der guten Sache zuviel tut. So ging es diesmal Elbenstein, denn die Sonne präsentierte sich kaum am Rande des Horizonts, als er sich ermunterte und nichts weniger als einen Rausch im Kopfe oder sonst einige Incommoditée bei sich spürte, hergegen befand er sich ganz aufgeräumt und munter. Deswegen stand er aus dem Bett auf, rief seinem Kerl, damit er ihn ankleiden möchte. Dieser kam und meldete erst, daß sein Pferd aufstützig worden wäre, weswegen er einen Schmied gelangt, der ihm die Adern geschlagen und Arznei eingegeben, anbei befohlen hätte, es bis gegen Mittag anzusehen, da er denn, wenn es sich binnen der Zeit nicht gebessert, dem Pferde noch etwas anderes brauchen wollte.

»Außerdem«, sagte der Kerl weiter, »gab mir ein Junge, eben als ich vom Schmiede kam, diesen Brief und sagte dabei: Ich sollte diesen Brief meinem Herrn, sobald er aufgewacht wäre, selbst in die Hände geben, so lieb mir mein Leben wäre; hiermit lief die Teufelskröte davon.«

Elbenstein lachte und sagte zum Diener: »Gehe also nur hin und besorge das Pferd, damit ich weiß, ob ich heute fortkommen kann oder nicht, denn mit meinem Ankleiden hat es solchergestalt noch ein paar Stunden Zeit.«

Der Diener hatte kaum die Tür zugemacht, als er den Brief recht begierig aufbrach und denselben also gesetzt befand:

Unbesonnener Kavalier! Was weigert ihr Euch, einer der vornehmsten und schönsten Damen aufzuwarten, gegen welche hunderttausend und noch mehr Seufzer von tausend anderen Kavalieren ausgestoßen werden, die sie aber im geringsten nicht, sondern nur Eure Person ästimiert? Sagt! Was bewegt Euch dazu, ein Glück mit Füßen von Euch zu stoßen, welches so viele fußfällig gesucht und dennoch niemals finden können. Euer Glück ists, daß Ihr eine gute Fürsprecherin gehabt habt, sonst wäret Ihr vielleicht schon nicht mehr in dem Register der Lebendigen befindlich. Allein, erkläret Euch, ob Ihr diesen Abend um die bestimmte Zeit erscheinen wollt oder nicht? Im Verweigerungsfall wird man nicht eher ruhen, bis Ihr zu Grabe getragen seid, erscheint Ihr aber am bestimmten Ort, so steht Euch der Himmel Eures Vergnügens offen, auch wird Eure Gefälligkeit aufs reichlichste belohnt werden. Bedenkt Euer Bestes und schickt durch Euren Diener einige Antwortszeilen an die Statue des Francisci Petrarcha, allwo in der Mittagsstunde ein Knabe, der einen gelben Rock trägt, dieselben von ihm abfordern wird. Faßt einen frischen Mut und traut

Eurer                                    

unbekannten Freundin.                        

P. S. Eine gute Stunde hernach, schickt Euren Diener wieder an denselben Ort, da werdet Ihr auf Euer Schreiben nochmalige Antwort bekommen.

Elbenstein brach unter währendem Lesen dieses Briefes der Angstschweiß aus, er wünschte sich, hundert Meilen von diesem Ort entfernt zu sein. Wollust, Liebe, Furcht und Todesangst stritten miteinander. Was war aber zu tun? Er hielt fürs ratsamste, in folgenden Termini zu antworten:

Allerwerteste unbekannte Freundin! Ich bekenne selbst, daß ich gestern einen gewaltigen Fehler begangen habe, indem ich der mir zugeschickten Ordre nicht nachgelebt. Den ganzen Tag habe ich mit Schmerzen auf die bestimmte glückselige Stunde gehofft, und endlich ließ ich mich von meinem Wirte persuadieren, zu Vertreibung der melancholischen Gedanken, nur auf ein paar Stündchen mit ihm spazierenzugehen. Ich hielt es selbst für ratsam, um etwas aufgeräumter zu werden; deswegen führte er mich vor das Obertor in den Garten S. Antonii. Nun weiß ich nicht, wie es zugegangen ist, daß ich mich in ein paar Bouteillen Wein dergestalt vollgetrunken habe, daß ich von meinen Sinnen nichts gewußt, dieserwegen auch noch bis diesen Augenblick noch so krank bin als ein Hund. Dennoch aber erfordert die Pflicht und Schuldigkeit gegen meinen gnädigsten Fürsten und Herrn, daß ich noch heute von hier abreisen und Tag und Nacht reiten muß, um denselben von meinen Verrichtungen eiligsten Rapport abzustatten. Die englische Dame darf ja nur befehlen, wann und an welchem Ort ich in Zukunft meine untertänigste Aufwartung bei ihr machen soll, so werde ich mich bei gesunderem Zustand aufs eifrigste bestreben, mit großem Vergnügen dero untertänigster Knecht zu sein.

Mit diesen Antwortzeilen schickte Elbenstein seinen Diener binnen der Zeit, als er mit dem Wirt eben in der Mittagsstunde zu Tische saß, nach der Statue des Petrarcha. Kaum ließ sich der Diener daselbst blicken, als der gelbröckige Junge auf ihn zukam und mit einer barbarischen Miene einen Brief von ihm abforderte, auch als ein Kommandeur dem Diener befahl, daß er ja gleich nach Verlauf einer Stunde wiederkommen und von ihm fernere Nachricht ablangen sollte, damit er, der Junge, nicht lange auf ihn warten dürfte.

Der Diener schüttelte den Kopf und wußte nicht, was er bei dieser Historie gedenken sollte, klagte es aber seinem Herrn, welcher, indem er schon vom Tische aufgestanden war und im Stall selbst nach den Pferden sah, hierüber (jedoch mit beängstigtem Herzen) lachte und weiter nichts sagte:

»Kehre Dich doch nichts an die hiesige liederliche Kanaille, geh in einer Stunde wieder hin und sieh zu, ob er etwa einen Brief hat, oder ob er Dir etwas mündlich sagen will, hernach sattle die Pferde augenblicklich, denn ich will heute noch fort.«

Hierauf ging Elbenstein wieder nach seinem Zimmer und trank mit seinem guten Wirt noch eine starke Anzahl Gläser Wein zum Valete, so daß beide bald anfingen zu taumeln; ehe er sichs aber versah, kam sein Diener, rief ihn in die Schlafkammer und überlieferte ein Billett, welches der gelbröckige Junge zurückgebracht hatte; der Inhalt desselben aber war folgender:

Halsstarriger! Glaubet nur nicht, daß man einige Exquisen von Euch anzunehmen gesonnen ist, sondern Ihr müßt absolut in Person erscheinen, um Euren begangenen Fehler zu entschuldigen und denselben zu verbessern suchen, wofern Ihr nicht ein blutiges Rachopfer einer bereits ziemlich in Harnisch gebrachten Dame werden wollt, welche Mittel genug weiß, Euch bis an das Ende der Welt verfolgen zu lassen.

Man weiß ohne Euer Bekenntnis alle Eure Tritte und Schritte, die Ihr gestern nach der Mittagsmahlzeit getan habt, und es ist ein großes Glück für Euch, daß Ihr gestern nirgends anders, als im Garten St. Antonii Eure Zeit passiert; wäret Ihr aber in ein Haus geraten, worin schöneres Frauenzimmer anzutreffen gewesen, so hätte man Euch vielleicht das Lebenslicht schon ausgeblasen, denn dieser Dame, welche in ihrer Liebe sehr beständig, ist nichts empfindlicher als die Untreue und Verachtung ihrer Person. Man hofft ferner auf keine schriftliche Antwort von Euch, sondern versichert sich, daß Ihr diesen Abend um die bestimmte Stunde selbst kommen werdet.

Nunmehr wollte bei Elbenstein guter Rat teuer werden, und es war eines Teils gut, daß er schon wieder ein kleines Räuschchen hatte, denn solchergestalt schlug er die sorgsamen und ängstlichen Gedanken ziemlichermaßen aus dem Sinn, beschloß, auf den Abend der Dame seine Aufwartung zu machen, bei dem Wirt aber, damit dieser von seinen Aventuren nichts merken möchte, Abschied zu nehmen und sich zu stellen, als ob er heute noch etliche Meilen zurücklegen wollte. Demnach ging er aus der Kammer heraus und traf den Wirt noch in seiner Stube an; weil er aber dessen Forderung bereits vergnügt hatte, rief er seinem Diener, daß derselbe die Pferde vorziehen sollte, mittlerweile er mit dem Wirt heraus ins Haus ging und noch etliche Gläser Wein ausleerte und sich hierauf weit betrunkener anstellte, als er in der Tat war. Der Diener und der Wirt hatten Mühe genug, bis sie ihn aufs Pferd brachten; sobald er aber nur im Sattel saß, sagte er:

»Nun! Da ich nur sitze, hat es keine Not, denn binnen einer halben Stunde ist alles vorbei.«

Deswegen nahm er nochmals Abschied von dem Wirt und ritt ganz sachte und gemächlich nach dem Untertore zu. Vor diesem Tore hatte er ehegestern bei seinem Spazierengehen noch eine Hostaria oder Gastherberge bemerkt, die nicht weit von der Margaretha Behausung war. Indem er nun ganz nahe an diese Hostaria gekommen war, hielt er still und fragte seinen Diener mit schwerer Zunge:

»Wo bin ich?«

»Herr!« sagte dieser, »wir sind kaum zum Tor heraus.«

»Ich kann unmöglich weiterreiten«, sprach Elbenstein, »hilf mir vom Pferde und bringe mich in ein Haus, daß ich nur ein paar Stunden schlafen kann.«

Diese Worte hörte der Wirt, welcher in der Tür der Hostaria stand, kam deshalb herzugesprungen und half, den Betrunkenen ganz gemächlich vom Pferd heben, führte ihn auch in ein feinmöbliertes Zimmer, in welchem ein Bett stand; auf dieses fiel Elbenstein ganz taumelnd hin und stellte sich, als ob er augenblicklich einschliefe.

Der Wirt und der Diener ließen ihn ungestört liegen wie er lag und gingen auf die Seite, sattelten die Pferde ab und gaben ihnen Futter, weil doch allem Ansehen nach heute an kein weiteres Reiten zu denken war.

Elbenstein war wirklich in einen süßen Schlaf verfallen, doch schlief er dergestalt mit Sorgen, daß er sich gleich bei Untergang der Sonne wieder ermunterte, seinen Diener rief, daß er ihm Schuhe und Strümpfe bringen und die Stiefel anziehen sollte, weil er zwischen den Weinbergen und Gärten hinaus spazierengehen und seinen Rausch vollends austummeln wollte. Er begab sich also aus der Hostaria heraus, ging vor der Margarethen Wohnung vorbei und setzte sich zwischen zwei Gärten hinter ein belaubtes Gebüsch, wo er nicht leicht von jemandem gesehen werden, jedoch alles beobachten konnte, was zu der Margarethen Haustüre aus und ein passierte. Er hatte allhier den allerangenehmsten Prospekt vor sich, sowohl wegen der da herumgelegenen schönen Weinberge und Gärten, als auch der in selbigen erbauten kostbaren Paläste. Die Zeit wurde ihm also gar nicht lang, zumal da eben der Mond aufging, der mit seinem Glanz die an sich selbst schöne Gegend noch weit angenehmer machte. Überdies wurden seine Ohren gleichfalls durch die angenehmste Instrumental- und Vokalmusik vergnügt, welche in den meisten Palästen und Lusthäusern dasiger Gegend gemacht wurde, weswegen er sich in dieser seiner Einsamkeit recht vergnügt und von dem kleinen Rausch vollkommen verlassen befand, mithin unter vorwitzigen Betrachtungen abwartete, was ihm begegnen würde.

Endlich ward er gewahr, daß aus einem gewissen Palais zwei Personen herausgegangen kamen, an welchen er aber anfänglich nicht erkennen konnte, ob es Mannspersonen oder Frauensleute wären. Es nahmen dieselben erst einen langen Umschweif und kamen hernach an den Gärten herunterspaziert, zwischen welchen Elbenstein verdeckt saß. Da erkannte er nun, daß es zwei proper gekleidete Bäuerinnen waren, die sich hoch aufgeschürzt hatten und deren jede eine Cistella oder Handkörbchen am Arm trug. Indem sie nun vor dem versteckten Elbenstein ganz gemächlich vorbeigingen, sagte die eine mit einer angenehmen und zarten Mundart:

»Ich bilde mir bis auf diese Stunde noch nichts weniger ein, als daß er kommen werde.«

»Und ich«, versetzte die andere mit einer weit gröberen Sprache, »bilde mir bis auf diese Stunde nichts weniger ein, als daß er außenbleiben werde.«

»Geschiehts«, sagte die erste wieder, »so ists sein Glück, denn ich liebe ihn sehr heftig, wollte mich lieber mit demselben ergötzen, als ihn töten lassen.«

Was die andere hierauf antwortete, konnte Elbenstein nicht mehr vernehmen, weil sie schon zu weit von ihm waren; als er aber sah, daß die beiden Bäuerinnen geraden Wegs auf der Margaretha Haus los und endlich in dasselbe hineingingen, zweifelte er keineswegs mehr, daß wenigstens die eine verkleidete Bäuerin eine Standesperson und unfehlbar eben diejenige sei, welche seine Aufwartung verlangt hätte. Die Worte, welche die erste gesprochen: Ich liebe ihn sehr heftig, verschafften ihm einen großen Trost, denn es lagen ihm nicht allein die Worte noch in Gedanken, welche der Junge, so ihn ehegestern abends geführt, in seiner Einfalt ausgesprochen, sondern er hatte auch sonst schon gehört, daß unter den vornehmsten und schönsten italienischen Damen solche barbarischen ja teuflischen Gemüter anzutreffen wären, welche ihren Amanten, nachdem sie deren Karessen überdrüssig worden und ihre Geilheit auf diesmal genug gestillt befunden, endlich mit einer Giftsuppe oder Stillettade den Lohn zu geben pflegten.

Bei solchen Gedanken zitterte ihm allerdings das Herz im Leibe, wenn er sich aber im Gegenteil vorstellte, von einer der schönsten Damen embrassiert zu werden und was er sonst für Vergnügen bei derselben würde zu empfinden haben, begann die Furcht vor der Gefahr allgemach zu verschwinden, und er wartete nunmehr mit Schmerzen auf den bestimmten Glockenschlag. Dieser ließ sich endlich hören, es war aber nicht anders, als wenn ihm zu gleicher Zeit jemand ein Messer ins Herz gestochen hätte, er sprang auf, blieb eine Weile stehen und besann sich, ob er in die Hostaria zurückgehen, seine Pferde satteln lassen und bei dem hellen Mondenschein fortreiten, oder ob er in der Margaretha Behausung gehen wollte; Zuletzt prädominierte doch bei ihm die tollkühne und wollüstige Jugend, weswegen er mit bedachtsamen Schritten auf der Margaretha Wohnung zuging, unter dem Vorsatz, alles zu wagen, weil man doch dem gemeinen Sprichwort nach aus zwei Übeln dasjenige erwählen müsse, welches einem am erträglichsten vorkommt. Sobald er gegen die Tür kam, gab ihm eine darinsitzende Weibsperson durch Winken und Husten zu verstehen, daß er näherkommen möchte. Er gehorsamte und wurde gefragt, ob er derjenige Kavalier wäre, welcher heute durch einen gelbröckigen Jungen Briefe zugeschickt bekommen hätte?

»Ja!« sagte Elbenstein, »der bin ich, auch willig und bereit, den darin enthaltenen Befehlen, so viel mir mensch- und möglich ist, aufs allergenaueste nachzukommen, es mag mir auch dabei begegnen, was nur immer will.«

Hierauf gab die Weibsperson zur Antwort:

»Seid Muts und sorgt vor nichts, mein Herr! Denn es steht Euch ein besonderes Glück und nicht das geringste Unglück vor, wendet aber nur all Euren Fleiß und Kräfte an, Euch bei einer der qualifiziertesten und vollkommen schönen Dame recht beliebt und angenehm zu machen und dieselbe nach ihrem Wunsch zu vergnügen.«

Hiermit führte sie Elbenstein die Treppe hinauf, eröffnete ein wohlausgeputztes Zimmer, welches nur von einem einzigen Licht erleuchtet wurde. Der mit allerhand Konfitüren und Weingläsern besetzte Tisch stand der Türe gleich gegenüber, und an demselben saß eine von den verkleideten Bäuerinnen, welche er bei sich hatte vorbeigehen sehen.

Sobald er ins Zimmer eingetreten und die Tür hinter ihm zugeschlossen war, stand sie auf und ging ihm etliche Schritte entgegen. Elbenstein hingegen fiel vor ihr auf das Knie nieder und deprezierte seinen gestern begangenen Fehler mit herzbrechenden Worten. Sie hörte ihm eine kleine Weile zu, sagte aber kein Wort, weil sie eine grüne Samtmaske vor dem Gesicht hatte. Endlich legte sie ihre zarte Hand auf seinen Mund zum Zeichen, daß er nunmehr hiervon nur schweigen sollte, ihm aber auch ein Zeichen zu geben, daß sie nicht mehr zornig sei, klopfte sie ihm mit beiden Händen auf die Backen, führte seine Hand zu ihrem Munde, welche sie wegen der Maske zwar nicht küssen konnte, doch gab sie mit ihrem Mund einen klatschenden Laut, zum Zeichen, daß dieses so gut als geküßt wäre; nach diesem griff sie ihm unter die Arme und hob ihn also von dem Fußboden auf, präsentierte ihm einen Stuhl, sich neben sie zu setzen, schenkte zwei Gläser Wein ein und gab mit funkelnden Augen und einem charmanten Kompliment, jedoch ohne einziges Wort zu reden, zu verstehen, daß sie auf seine Gesundheit trinken wollte.

Elbenstein war schon froh, denn nunmehr, glaubte er, würde sie ihr schönes Gesicht entblößen; allein weit gefehlt! Denn ehe er sichs versah, hatte sie vermittels eines goldenen Röhrchens in größter Geschwindigkeit das ganze Glas ausgeleert. Das war ihm nun zwar eben nicht gelegen, jedoch ließ er sich nichts merken, sondern trank den Pokal, welchen sie ihm eingeschänkt hatte, auf ihre Gesundheit rein aus; hierauf wurde er etwas dreister, küßte ihre mit kostbaren Perlen und Ringen gezierten Arme und Hände, die an Zärtlichkeit den Samt und an Weiße den Alabaster übertrafen, desgleichen die unvergleichliche, halbentblößte Brust vielmal und bewunderte nicht allein diese, sondern auch ihre schöne Kehle, den wohlproportionierten Leib und Schenkel, desgleichen die mit Perlen und edlen Steinen gestickten Schuhen gezierten, artigen kleinen Füße. Alles dieses war mehr als zuviel, Elbensteins geile Triebe vollkommen zu erregen und die sündlichen Wollustfunken in lichterlohe Flammen zu verwandeln, weswegen er zu seufzen anfing und sich mit feuervollen Augen nach dem auf der Seite stehenden Bette umsah; die Dame seufzte gleichfalls, drückte aber ihre Augen fest zu, weswegen er es wagte, aufzustehen und sie vom Tisch hinwegzuführen. Sie ließ mit sich umgehen als er nur selbst wollte . . .

Um aber den äußersten Zirkel der Ehrbarkeit nicht zu überschreiten, schlägt man bei dieser Passage etliche Blätter im Manuskript des Autors zurück und meldet nur soviel, daß beide Verliebte einen scharfen und öfters wiederholten Streit miteinander hatten, bis endlich die Dame mit gebrochenen Worten und ächzender Stimme sagte:

»Son stanca mio Bene! Un pocho di riposo. Ich bin müde, mein Leben! Laß mich ein wenig ruhen.«

Nunmehr wurde Elbenstein erst überzeugt, daß er mit keiner stummen Amour zu tun hätte, weswegen er ihr sonst noch allerhand Schmeicheleien erwies und sich endlich an den Tisch setzte, woselbst er erst etliche Zimmetmandeln speiste, hernach aber zur Stillung seines heftigen Dursts etliche Gläser Malvasier auf seiner unbekannten Schönen Gesundheit austrank. Er war in seinem Herzen und Gedanken vor Vergnügen dergestalt verwirrt, daß er nicht einmal daran gedachte, ob dieselbe vielleicht nicht Appetit zum Trinken haben möchte, bis sie selbst sagte: »Mein Engel, reich mir ein einzig Glas Wein und mein Röhrchen dazu, welches dort in der Schale liegt.«

Er säumte sich nicht, ihr aufzuwarten, mittlerweile richtete sie sich im Bett auf und zog den dargereichten Wein durch das Röhrchen in sich; da er aber sowohl eines als das andere wieder an Ort und Stelle gebracht, reckte sie ihren aufgestreiften Arm ihm entgegen, weswegen er sich neben sie an das Bett setzte und Arme, Hände und Brust aufs neue inbrünstig zu küssen anfing. Sie machte ihm mit Drückung der Hände und dergleichen verschiedene Gegenkaressen, weswegen er sich die Freiheit nahm, sie auf das allerzärtlichste zu bitten, daß sie doch die Maske von ihrem englischen Angesicht ablegen möchte. Sie schwieg erst eine gute Weile still; als aber Elbenstein nochmals darum anhielt, sagte sie mit einer ernsthaften Stimme, wobei sie sich zugleich in die Höhe richtete:

»Mein Kavalier! Ich liebe Euch von Herzen, und zwar dergestalt als ich noch keinen Menschen auf der Welt geliebt habe, allein ich bitte Euch, verlangt nicht noch mehrmals von mir, daß ich mich vor Euch demaskieren soll, so lieb Euch Euer Leben ist. Unterdessen will ich Euch, ohne mich selbst zu loben, auf das teuerste versichern, daß unter dieser Maske kein häßliches, sondern eines von den feinsten Gesichtern in ganz Italien verborgen ist. Ich mache mir aber aus meinem Gesicht eben keinen Staat, weil ich weiß, daß mich die gütige Natur mit anderen Annehmlichkeiten zur Genüge besorgt hat; aber das muß ich gestehen, daß ich sehr eigensinnig bin und niemanden liebe als denjenigen, an welchem ich etwas vollkommenes nach meinem Goût finde. Deswegen verscherzt dieser unnötigen Curiositée wegen, welche bei der Hauptsache wenig oder nichts zusetzen oder abnehmen kann, meine vollkommene Gunst und Liebe nicht, forciert mich auch nicht weiter, mich zu demaskieren, bei Verlust Eures Lebens.«

Elbenstein vermerkte gleich bei der Dame ernsthaften Sprache und Stellung, daß sie sich über sein Begehren etwas alteriert hatte, weswegen er vor ihrem Bette niederkniete und unter beständigem Küssen ihrer Hände und Füße dieselbe wegen seines abermals begangenen Fehlers um Verzeihung bat. Er fügte hinzu, daß ihm sein Schutzengel dero überirdisches Bildnis dergestalt im Geiste vorgezeigt, daß nichts fehlte, als daß er in der Malerkunst erfahren wäre, sonst wollte er es unfehlbar dergestalt abschildern, daß sie, die Dame, selbst bezeugen sollte, wie er es nach dem Original, welches er doch nie zu sehen das Glück gehabt, akurat getroffen habe. Deswegen müsse er bekennen, daß er eben hiernach nicht so begierig gewesen, als nur dero unvergleichliche Lippen zu küssen, deren Purpurfarbe er durch die Öffnung der Maske zwar nur in etwa erblicken könne, allein sie hätten gleichsam als ein Magnet seinen Mund und Herz dergestalt an sich gezogen, daß er gemeint, er müsse verzweifeln, wenn er sich nicht ausbäte, diese himmlischen Lippen zu küssen.

»Oh, Du kleiner Schmeichler!« sagte die Dame, indem sie sich wieder aufs Bett streckte, »komm her und lege Dich neben mich.« Elbenstein ließ sich nicht zweimal nötigen, sondern gehorsamte gleich, erschrak aber nicht wenig, da im selben Augenblick eine Maschine von der Decke heruntergefahren kam, welche das Licht dergestalt bedeckte, daß man im Zimmer keine Hand vor Augen sehen konnte. Er wußte nicht, was dieses bedeuten sollte; unter der Zeit aber hatte die Dame die Maske auf die Seite getan und legte ihren bloßen Mund auf seinen Mund, gab ihm auch in einem Atem mehr als hundert Küsse. Endlich im Abziehen sagte sie:

»Nun! Da hast Du meinen bloßen Mund, küsse Dich satt, allein, mein Leben! Der Schwur, den ich getan, vor Dir mein Angesicht verborgen zu halten, solange ich an diesem Ort bin, wird von mir nicht gebrochen.«

Elbenstein küßte demnach im Finstern nicht allein den zarten Mund, sondern auch die Augen und Wangen viel hundertmal, bis ihn endlich die Dame erinnerte, für diesmal von diesem Spiel abzustehen und das Hauptspiel wieder vorzunehmen. Er machte sich sogleich fertig dazu, und unter dieser kurzen Zeit sagte die Dame noch:

»Du hast doch recht, meine andere Seele! daß kein Liebesgenuß recht vollkommen zu nennen ist, wenn das Küssen des Mundes dabei verweigert wird.«

Elbenstein küßte sie demnach noch etliche Mal auf den Mund, worauf das sogenannte Hauptspiel wieder angefangen wurde, nachdem sie aber selbiges ungefähr fünf- oder sechsmal wiederholt, zeigte die Glocke die Mitternachtsstunde an, weswegen die Dame Elbenstein zu vernehmen gab, daß dieses die Zeit wäre, da sie voneinander scheiden müßten, doch bäte sie sich aus, daß er folgenden Abends, eben um diese Zeit, abermals in diesem Hause erscheinen möchte. Elbenstein versprach, ihren Befehlen aufs allergenaueste nachzuleben, küßte die geliebten Lippen noch etliche Mal und tappte hernach im Finstern nach dem Tisch hin, um nicht etwa die Gläser umzustoßen oder sonst ein Unglück anzurichten. Sobald aber die Dame nur ihre Maske wieder vorgetan, fuhr die Maschine, welche das Licht bedeckt hatte, plötzlich in die Höhe, und es war wiederum hell in der Stube, so daß Elbenstein alle seine Sachen geschwind finden konnte. Die Dame stieg auf und brachte eine silberne Schale voll Makronen, die sie aus einem Schranke nahm, hergetragen, steckte Elbenstein alle Taschen voll und schüttete die übrigen in seinen Hut mit dem Begehren, daß, ehe er eine davon verschenkte, sie erst voneinanderbrechen und kosten sollte, weil dieses Konfekt sehr stärke. Er versprach, keine davon zu verschenken, sondern auf ihre Gesundheit alle mit großem Appetit zu verzehren. Hierauf zog sie einen kostbaren Ring von ihrem Finger, steckte ihm denselben an seinen kleinen Finger, weil er an keinen anderen passen wollte, und sagte:

»Diesen behaltet zum Angedenken der heutigen Nacht, künftig ein mehreres.«

Wie sie nun unter diesen letzten Worten an einem Glöcklein zog, küßte Elbenstein nochmals ihre schönen Hände, dankte aufs allerverbindlichste für das kostbare Geschenk und nahm fast mit weinenden Augen Abschied, bat aber zum Beschluß nochmals, ihm seine begangenen Fehler völlig zu vergeben und alles das, was ihr an ihm nicht gefiele, gnädigst und liebreich zu korrigieren; worauf sie ihn zärtlich umarmte, an ihre Brust drückte und dabei sagte:

»Oh, bella anima in un angelico corpo! Oh, was für eine schöne Seele in einem englischem Leibe!«

Indem kam Margaretha zur Tür hinein, welcher sie befahl, dem Kavalier die Treppe hinunterzuleuchten, damit er nicht Schaden nähme. Diese gehorsamte, er machte nochmals ein stummes Kompliment, wogegen die Dame die Strahlen ihrer pechschwarzen Augen nochmals auf ihn schießen ließ und sich nach gemachtem Gegenkompliment zurückbegab. Als Margaretha die Treppe hinuntergeleuchtet, begegnete ihnen im Haus unten die andere verkleidete Bäuerin, an deren Gliedmaßen aber Elbenstein sogleich wahrnahm, daß sie von der gütigen Natur mehr zur Arbeit als zur Galanterie geschaffen worden, indem ihre Hände, Füße, ja der ganze Körper dergestalt vierschrötig beschaffen, daß ein ekler Buhler sich wenige Mühe darum zu geben Ursache hatte. Jedoch wegen ihrer Treue mochte sie bei der unbekannten Dame in besondern Gnaden stehen, und dieserwegen allein machte ihr Elbenstein ein freundliches Kompliment. Sie ging die Treppe hinauf, Margaretha aber begleitete ihren Gast bis an die Haustür, wo er ihr drei Zecchinen in die Hand drückte und bat, daß sie ihm erlauben möchte, in ihren Garten zu kommen, weil er nicht allein ein großer Liebhaber von frischem Obst wäre, sondern auch sonst ein und anderes mit ihr zu sprechen hätte. Margaretha dankte zuerst für das empfangene Geschenk und sagte hernach:

»Mein Herr! In meinen Garten können Sie wohl kommen, und zwar durch die Tür, so von der Straße hineingeht, denn im Garten können wir von allen Leuten gesehen werden, aber, um aller Heiligen willen, nicht in mein Haus, denn die Dame ist ganz entsetzlich jaloux, und wenn sie erführe, daß Sie, mein Herr, bei mir allein im Hause gewesen, würde sie gleich auf den Verdacht fallen, daß wir einander karessierten; denn ich bin auch noch in meinen besten Jahren, und also könnte es uns allen beiden das Leben kosten, darum ists am besten, daß wir im freien Garten, wo uns alle Leute sehen können, miteinander reden.«

Elbenstein versprach, sich danach zu richten, nahm gute Nacht von Margarethen und begab sich, nach einer seinem Fleisch und Blut sehr wohlgefälligen, dem Himmel aber sehr mißgefälligen Bemühung, nach seinem Logis und zur Ruhe.

Was für verliebte Träume er von dieser unbekannten Schönen gehabt, und wie Morpheus ihm dieselbe im Schlafe ohne Maske als ein recht überirdisches Wunderbild vorgestellt, auch was die eigene Phantasie ihm bei zugemachten Augen für geile Blendwerke vorgegaukelt, ist nicht ratsam anzuführen; als er aber des anderen Vormittags aufgewacht und sich ankleiden lassen, brach er eine von den Makronen auf und fand einen Zecchin darin (diese Münze läßt der Doge zu Venedig schlagen, und es galt zu damaligen Zeiten ein Zecchin ungefähr vier kaiserliche Groschen mehr als ein ungarischer Dukaten). Elbenstein brach noch mehrere voneinander und fand in einer jeden dergleichen Goldstück, nahm sich auch keine Bedenken, etliche davon zum Frühstück zu speisen, weil er gedachte, wenn diese Dinger vergiftet wären, ihn damit ums Leben zu bringen, so würde man doch zum wenigsten das Gold gespart haben, denn er zählte akkurat hundert Stück Makronen und also auch hundert Zecchinen. Je mehr er nun hierdurch in der Meinung gestärkt wurde, daß seine unbekannte Amasia eine sehr vornehme und reiche Dame sein müsse, desto stärker vermehrte sich seine ambitiöse Liebe, und er brachte die müßigen Stunden bloß mit eifrigem Nachsinnen zu, wie er künftigen Abend seine Venus recht à la mode bedienen wollte.

Bald nach Tisch ging er ungescheut in der Margarethe Garten und divertierte sich in selbigem an allerhand Blumen und Früchten, bis endlich die Margaretha ihn gewahr wurde und zu ihm herauskam, da er ihr denn aufrichtig erzählte, wie er in dem Konfekt hundert Stück Zecchinen gefunden, ihr auch den zehnten Teil davon gab und dieselbe bat, hinfort noch weiter seine gute Freundin zu bleiben, vor allen Dingen aber ihm zu melden, was seine hohe Gebieterin etwa an seiner Aufführung und ganzen Wesen auszusetzen hätte: damit er sich in Zeiten danach richten könne, um derselben nicht mißfällig zu werden.

Margaretha versicherte ihm mit den teuersten Eidschwüren, daß die Dame mit seiner Konduite vollkommen wohl zufrieden gewesen und alles dahin eingerichtet hätte, daß er noch drei Nachtvisiten bei ihr abstatten sollte, binnen der Zeit sie schon Abrede mit ihm nehmen würde, wo sie einander weiter sprechen könnten. Unterdessen könne er vergewissert sein, daß seine Mühe sehr wohl belohnt werden würde, nur aber sollte er sich das Stillschweigen rekommandiert sein lassen, damit kein Mensch von diesen Liebeshändeln einige Nachricht empfinge, weil die Dame ungemein capricieux wäre und in diesem Fall seines Lebens nicht schonen würde, ungeachtet sie ihn auf das allerzärtlichste liebte.

Elbenstein replizierte: daß, wenn er alle Qualitäten und Tugenden sowohl als das Stillschweigen besäße, so verhoffe er für den allervollkommensten Kavalier zu passieren, wobei er mit Bleistift auf ein im Gartenhaus auf dem Tisch liegendes Papier folgende Worte schrieb:

»Sil tacere potesse rendermi immortale, non morirei giamias. Wenn Verschwiegenheit mich unsterblich machen könnte, so glaube ich, daß ich wohl nimmermehr sterben würde.«

Hierauf begab er sich wieder in sein Quartier, stellte sich ganz malade und schlief etliche Stunden, um die bestimmte Zeit aber gab er dem Wirt zu vernehmen, wie er gestern abend mit einigen Kavalieren ins Spiel geraten, einige Zecchinen gewonnen und versprochen hätte, ihnen diesen Abend Revanche zu geben. Der Wirt, als ein complaisanter Mann, wünschte ihm Glück zu fernerem Gewinne, warnte ihn aber dabei, daß er sich ja behutsam aufführen und vor starkem Trinken hüten möchte, denn er müsse es selbst seiner Nation zur Schande nachsagen, daß die meisten italienischen Kavaliere nicht halb so genereus und herzhaft als die Deutschen, im Gegenteil desto heimtückischer und hinterlistiger wären, und wenn sie im Spiel etwas Merkliches verloren, sich gemeiniglich aufs Zanken legten und eine malhonette Rache auszuüben suchten. Elbenstein hingegen versicherte dem Wirt, daß diejenigen Kavaliere, welche ihn gestern zufälligerweise in ihr Kompanie genötigt, recht raisonable Leute und keine Sklaven vom Geld wären, über alles dieses ihm die größte Complaisance erzeigt hätten, weswegen er denn, da er ohnedem gesonnen, noch etliche Tage hierzubleiben, sich vorgenommen hätte, dieselben ehesten Tages zu sich in sein Logis zu bitten und sie nach Vermögen zu divertieren.

Der Wirt, welcher seinen Profit hierbei zu ziehen gedachte, ließ sich solches gefallen, sorgte weiter für Elbenstein nicht, dieser aber ging, sobald es dämmrig zu werden begann, durch die Gärten spazieren und um die bestimmte Zeit in der Margarethen Haus. Diese kam ihm sogleich entgegen und berichtete, daß die Dame bereits vor einer guten halben Stunde angekommen wäre und seiner in eben dem Zimmer, wo sie gestern beisammengewesen wären, mit verliebter Ungeduld erwartete.

Bei so gestalter Sache hielt es Elbenstein nicht für ratsam, eine Minute zu versäumen, sondern begab sich eiligst die Treppe hinauf, ging unangemeldet in das Zimmer und traf seine Geliebte in einem langen, goldenen brokatenem Schlafrock auf dem Faulbette liegend an. Sie lag auf dem Rücken, und er bemerkte dennoch durch die Maske, daß sie die Augen zugetan hatte, indem das Zimmer nicht wie gestern nur mit einem sondern mit zwölf Wachslichtern erleuchtet war, daß es darin so hell als am Tage. Er wollte sich nicht erkühnen, sie in ihrer Ruhe zu stören, küßte demnach ihre Hände vielmal ganz subtil und blieb vor dem Bett auf den Knien sitzen. Endlich wurde sie durch das viele Händeküssen ermuntert, fuhr in die Höhe und sagte:

»Ach, mein Vergnügen, seid Ihr schon da? Habt doch die Güte und verriegelt die Tür.«

Er war mehr als geschwind, ihrem Befehl zu gehorsamen; als er aber zurückkam, traf er seine Venus in einer solchen Positur an, daß er vor Vergnügen fast ganz entzückt zu sein schien, denn sie hatte den kostbaren Schlafrock voneinander getan und präsentierte ihren zarten Körper, wie er geschaffen war, auch sogar ohne Hemd, jedoch das Gesicht en masque. Hier verbietet die Ehrbarkeit abermals, die Entrevue dieser beiden Verliebten und die Lektionen, so sie einander aufgegeben, zu beschreiben. Demnach schlägt man im Manuskript viel lieber etliche Blätter zurück und meldet nur soviel, daß Elbenstein nicht nur diese, sondern auch folgende Nächte niemals morgens vor vier Uhr deutschen Zeigers von ihr kam, jedoch für seine Mühe ungemein reichlich belohnt wurde, wie sie ihm demnach in der letzten Nacht ein von ihren eigenen Haaren und untersponnenen Goldfäden durchwirktes Armband schenkte, dessen Schloß mit Diamanten und anderen kostbaren Edelsteinen reichlich besetzt war. Hierbei meldete sie ihm, daß sie zwar folgenden Morgen von hier abzureisen sich genötigt sähe, allein, er sollte nicht verabsäumen, die Woche vor Martini nach Padua zu kommen und sein Quartier bei der Oreda Todesca zu nehmen, daselbst würde sich ein ihr getreuer Mensch einfinden, der ihn insgeheim und sicher zu ihr bringen würde. Er versprach unter tausend Küssen und anderen Liebkosungen, den Befehlen seiner schönen Gebieterin aufs genaueste nachzukommen, dankte aufs verbindlichste für die kostbaren Präsente, nahm endlich mit einer wahrhaft verliebten Betrübnis Abschied von derselben und begab sich nach seinem Logis, wo er, weil er sich diese Nacht im Liebeskrieg ziemlich abgemattet, bis zehn Uhr vormittags schlief, nach dem Ankleiden aber Anstalten zu seiner ferneren Reise machte. Dennoch trieb ihn eine verliebte Sehnsucht an, diesen Ort nicht eher zu verlassen, bis er noch einmal mit Margaretha gesprochen, um von derselben zu vernehmen, was seine unbekannte Mätresse nach seinem Abschied etwa von ihm noch erwähnt, deshalb begab er sich in ihren Garten, wo sie seiner Person bald gewahr wurde, zu ihm herunterkam und vermeldete, daß ihre Gebieterin vor wenigen Stunden abgereist wäre.

Margaretha nötigte ihn hinauf in das Zimmer, worin er sich mit der Dame divertiert hatte, und meldete ferner, wie dieselbe ihr beim Abschied nochmals anbefohlen, ihm entweder schriftlich oder mündlich die Verschwiegenheit nochmals einzubinden und dabei anzumahnen, daß er der mit ihr genommenen Abrede nach auf die bestimmte Zeit sich zu Padua einfinden und versichert sein sollte, daß, wofern er diesen beiden Punkten nachkommen würde, er keinen Schaden sondern vielmehr einen starken Vorteil davon haben sollte.

Dieser versprach, beides unverbrüchlich zu beobachten, als er aber seine Blicke auf das Bett oder, besser zu sagen, auf die Walstatt seiner ausgeübten sündlichen Lüste warf und sich erinnerte, was für verliebte Rencontres darauf vorgegangen, konnte er sich nicht enthalten, dasselbe mit vielen Küssen und sehnsuchtsvollen Seufzern zu beehren und gleichsam hiermit der Göttin der Liebe zur Dankbarkeit noch ein Opfer zu bringen. Margaretha, welche eine ganz wohlgebildete Frau nicht viel über dreißig Jahre und den Liebesübungen sonst eben nicht abgeneigt war, wurde durch Elbensteins Beginnen innig gerührt, sagte deswegen, sie wollte im Namen des Bettes die schuldige Gegendankbarkeit für die verliebte Beehrung und Abschiednehmung erstatten, unter welchen Worten sie dem von Elbenstein mit entbrannten Augen dergestalt begierig um den Hals fiel und ihm so viele heiße Küsse versetzte, daß, als sie vollends mit gebrochenen Augen auf das Bett zurücksank, und ihn nach sich zog, er sich von derselben solchermaßen bezaubert fand, ihr eben denjenigen Liebeszoll abzustatten, den er vorher der maskierten Schönen, welche er in seinem Herzen um Verzeihung bat, abgezahlt hatte. Unterdessen aber mußte er hierbei dennoch bekennen, daß die gütige Natur auch zuweilen Personen von geringem Stande etwas besonders Reizendes vor vielen vornehmen Damen angedeihen lasse, ja es wurde durch diese unvermutete Begebenheit und durch eine und andere besondere Aufführung dieser seiner der Geburt nach zwar bäurischen, in der Tat aber sehr zivilisierten Mätresse, in seinem Herzen eine wirkliche Liebe gegen dieselbe erweckt. Denn ob sie gleich nicht so weiß, zart und an der Struktur der Glieder nicht so vollkommen angenehm gebildet war als die maskierte Dame, so konnte er doch aus ihren schwarzen, feurigen Augen und bräunlichen Angesicht fast mehr Vergnügen lesen, als aus einem Gesicht, welches mit einer Maske bedeckt war und er nicht wissen konnte, ob es etwa durch die Pocken oder andere Flecken und Male verdorben wäre, demnach zwischen Hoffnung und Zweifel bleiben müßte, ob es so vollkommen schön, als er sich selbiges eingebildet, oder ob es häßlich wäre. Zudem verstanden sich dieser wohlgebildeten Brünetten dennoch weißen und fleischigen Arme und Schenkel ebenso wohl auf die verliebte Ringekunst, als jener ihre fast allzuzarten Gliedmaßen. In summa, gleich wie der menschliche Appetit und lüsterne Mund oftmals ein Gericht Kraut oder anderes Zugemüse den delikatesten Braten und dergleichen niedlichen Speisen vorzieht, so verachtete Elbenstein für diesesmal die bräunliche, gesunde und muntere Gärtnerin auch nicht und befand diese Veränderung seinem venerischen Gemüt ganz angenehm, wie denn auch die verliebte Gärtnerin, nachdem ihre Sehnsucht gestillt, ihn mit den allerfreundlichsten Karessen ersuchte, auf eine schlechte Mittagsmahlzeit bei ihr zu verbleiben. Sie wußte ihr Kompliment dergestalt artig vorzubringen, daß Elbenstein sich recht gezwungen sah, in ihr Begehren zu willigen. Demnach holte sie erst einen lebendigen Kapaun, einen vortrefflichen Fisch, desgleichen ein paar frischgeschossene Rebhühner, befahl einer alten Frau und ihrer Magd, daß sie alles aufs eiligste und beste zurechtmachen sollten, sie aber begab sich, nachdem sie sowohl den Kapaun als den Fisch selbst abgestochen hatte, mit dem von Elbenstein wieder hinauf in das Zimmer, wo der verliebte Zeitvertreib auf der pläsanten Ruhestätte der maskierten Dame wiederholt wurde; denn obschon die angenehme Gärtnerin sowohl an Armen als an den Kleidern von den abgeschlachteten Stücken ziemlich mit Blut besudelt war, so ekelte Elbenstein dennoch um soviel weniger vor ihr, weil sich die Röte in ihrem Gesichte teils durch die verliebte Erhitzung, teils durch das angezündete Feuer sehr stark hervorgetan, mithin wegen der Vermischung auf der bräunlichen Farbe ein nicht unangenehmes Ansehen verursachte und die lüsternen Regungen und Liebesbegierden desto mehr anreizte.

Nachdem sie nun in vollem Vergnügen noch von diesem und jenem einen freundlichen Diskurs geführt, ging Margaretha wieder hinunter und brachte die Speisen herauf, worüber sich Elbenstein nicht wenig verwunderte, indem er sich fast nicht einbilden konnte, wie es möglich wäre, in solcher Geschwindigkeit eine vollkommene Mahlzeit zuzubereiten. Allein, er fand alles ungemein appetitlich und wohl zugerichtet, wie denn noch verschiedene Nebengerichte nach italienischer Art, welche zur Wollust reizen, desgleichen verschiedene Sorten von Konfitüren aufgesetzt wurden; auch fehlt es der Margaretha nicht an etlichen Bouteillen Malvasier und Vino di Monte Alcino, welches alles vielleicht ein Überbleibsel von der Generosität der unbekannten Dame herrühren mochte.

Dieses alles schmeckte Elbenstein recht vortrefflich wohl und noch besser als im Gasthof, weswegen er fast zwei Stunden mit seiner angenehmen Gärtnerin bei Tisch zubrachte, nachher aber derselben nebst einem Gratial von etlichen Zecchinen zu vernehmen gab, wie es nunmehr Zeit sei, daß er sich zu Pferd setzen und fortreisen müßte, weil er ohnedem nicht wüßte, womit er sich bei seinem Fürsten entschuldigen wollte, daß er so viele Tage über die gesetzte Zeit ausgeblieben wäre.

Margaretha hätte die Zecchinen gern entbehrt, wenn dieser feine Herr nur noch ein paar Tage bei ihr geblieben wäre, denn sie gab solches fast mit weinenden Augen zu verstehen, allein, da derselbe die allerhöchste Notwendigkeit und daß sein ganzes Renommee darauf beruhte, vorschützte, anbei sie beredete, wie ihm ihre Karessen dergestalt wohlgefallen, daß er in wenigen Wochen allhier wieder durchpassieren und in aller Stille etliche Tage und Nächte bei ihr verbleiben wollte, gab sie sich endlich zufrieden, jedoch mit der Kondition, daß er ihr nur noch einen einzigen vollkommenen Liebesdienst erweisen möchte. Er, der sich durch die kräftigen Speisen und köstlichen Wein ganz besonders gestärkt befand, hätte es für eine grausame Unbarmherzigkeit gehalten, ihr solches abzuschlagen, und da sie sich über seine besondere Complaisance ungemein vergnügt bezeigt, nahm er endlich auf eine recht zärtliche Art, nicht anders, als ob er eine der vornehmsten Damen vor sich hätte, Abschied von der Margaretha; jedoch ehe er noch aus dem Zimmer schritt, vermahnte ihn dieselbe, von dieser neuen Historie ja gegen niemanden ein einziges Wort zu melden, widrigenfalls sie beiderseits ein jämmerliches Racheopfer der maskierten Dame werden würden.

Elbenstein schwur der Margaretha hoch und teuer zu, solange als er in Welschland lebte, nichts von alldem zu reden, was ihm binnen dieser wenigen Tage begegnet wäre, hierbei aber fiel ihm jählings noch ein, ob er, nachdem er die Margaretha ihm so verbindlich gemacht, von derselben in dieser letzten Stunde nicht erfahren könne, wer denn eigentlich die maskierte Dame wäre. Er umarmte sie demnach nochmals aufs liebreichste und gab ihr seine Neugier zu erkennen. Allein Margaretha erblaßte recht, als sie dieses hörte, und sagte:

»Mein allerangenehmstes Wesen auf der Welt! Ich bitte Euch um alles dessen Willen, was über und unter uns ist, verschont mich mit diesem einzigen Punkt, denn ich habe einen gar zu grausamen Eidschwur tun müssen, Euch ihren Namen nicht zu entdecken, soviel will ich Euch aber doch aus Liebe sagen, daß Ihr mit einer Dame zu tun gehabt habt, die am Stand in ganz Welschland sehr wenig über sich hat. Nun reist glücklich, mein Leben! Was hülfe es Euch, wenn Ihr mir ein allzuschwer Gewissen machtet und vielleicht Euch und mich dadurch ums Leben brächtet.«

Solchergestalt sah und merkte Elbenstein wohl, daß seine Neugier in diesem Stück nicht könnte gestillt werden, deswegen nahm er völligen Abschied von der Margaretha, ging zurück ins Logis, bezahlte den Wirt recht raisonable, und da seine Pferde schon parat und gesattelt standen, setzte er sich auf, erreichte auch, weil er den ausgeruhten Pferden die Sporen ziemlich fühlen ließ, noch selbigen Abend die Stadt Padua.


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