Johann Gottfried Schnabel
Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier
Johann Gottfried Schnabel

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Unter diesen Reden kam der Wirt in ihr Zimmer, brachte einen Brief, welchen ihm, seinem Sagen nach, ein Knabe eingehändigt, und fragte zugleich, ob die Herren beliebten, mit der Gesellschaft unten oder hier oben in ihrem Zimmer zu speisen? Elbenstein besah erst den Brief und fand den Titel also gesetzt:

An die beiden Wohlgeborenen
deutschen Kavaliere,
welche
in Gasthof Zum Weißen Pferd
logieren.

Er bekam sorgsame Gedanken wegen einer neuen Liebesintrige, verwandelte deswegen die Farbe nicht wenig, jedoch weil der Titel an sie alle beide lautete, faßte er sich ein Herz, bat den Wirt, einen Augenblick zu verziehen, Thalberg aber, in die Schlafkammer zu kommen. Hier erbrach er den Brief, ließ Thalberg mitlesen und fanden denselben also gesetzt:

Wohlgeborene Herren! Dero Generositée, da Sie mich gestern abend mit Gold beschenkt und meinem Herzen damit ein Merkmal Ihrer deutschen Redlichkeit eingedrückt, hat mich ungemein vergnügt. Allein ich bin nicht so geldbedürftig, als Sie dafürgehalten haben, indem mir der Himmel einen heimlichen, unerschöpflichen Schatz zugewendet hat. Um Sie dessen zu überzeugen und zugleich für Ihre gute Meinung mich erkenntlich und dankbar zu erweisen, übersende ich Ihnen hierbei eine einzige Pille; diese können Sie in vier Pfund zerschmolzenes Blei werfen und sodann probieren, ob Sie nicht das feinste Gold haben, welches an Güte dem ungarischen nichts nachgibt. Behalten Sie davon zu meinem Angedenken etwas auf und teilen Sie sich darein als redliche Landsleute. Ich bedaure, daß mich eine gewisse Begebenheit gezwungen hat, diesen Morgen von hier abzureisen, sonst würde ich mir das größte Vergnügen daraus gemacht haben, wenn ich noch etliche Tage die Ehre genießen können, mit Ihnen zu konversieren, nunmehr aber werden Sie mich so leicht nicht wiedersehen. Jedoch verharre

Dero                                  

aufrichtiger Freund.

Beide Kavaliere gerieten vor Verwirrung fast außer sich selbst, Elbenstein aber erholte sich am ersten und fragte den Wirt, ob der Überbringer des Briefes noch zugegen wäre, weil er ihm ein Trinkgeld geben wollte. Der Wirt sah zu, aber der Bursche war über alle Berge, weswegen Elbenstein sagte:

»Es hat nichts auf sich, er wird schon wiederkommen und die Antwort abfordern; der Herr Wirt aber tue so wohl und lasse für drei Personen Speisen und Wein herauf in unser Zimmer bringen, weil wir uns so kurz als möglich expedieren wollen, denn ich und mein Kompagnon sind zu einem gewissen Landsmann invitieret, mit dem wir ein und anderes zu traktieren haben.«

Der Wirt säumte nicht, eine köstliche Mahlzeit zu bereiten, sie aber machten nicht viel Federlesens, und da der Offizier, welcher mit ihnen gespeist hatte, bemerkte, daß beide Kavaliere ganz tiefsinnig waren und vielleicht wichtige Geschäfte zu besorgen hätten, beurlaubte er sich von ihnen. Beide Kavaliere bedankten sich für seine ihnen erzeigte Gefälligkeit und verehrte ihm jeder drei Dukaten, womit er höchst vergnügt von ihnen Abschied nahm, ihre Generositée ungemein herausstrich und die Dukaten auf ihre Gesundheit zu verzehren versprach.

Sobald sich diese beiden Freunde allein auf ihrem Zimmer befanden, sahen sie erst einander lange an. Endlich brach Elbenstein das Stillschweigen und sagte:

»Sollten wir wohl so glücklich sein, überzeugt zu werden, daß es wirklich möglich sei, Blei in Gold zu verwandeln, da bei uns in Deutschland viel tausend Menschen daran zweifeln, und sollten wir wohl dem alten, armselig scheinenden Mann eine so gute Reiterzehrung zu danken haben?«

»Ich weiß nicht, was ich bei dieser Geschichte denken soll«, sagte Thalberg, »jedoch, mein werter Freund, wir wollen alle beide selbst ausgehen und vier Pfund Blei kaufen, unsere Diener aber sollen einen oder zwei tüchtige Schmelztiegel einkaufen, denn ich kann doch ein klein wenig mit dem Laborieren umgehen, aber an das Goldmachen habe ich noch Zeit meines Lebens keinen Pfennig verwendet.«

Hiermit zogen sie sich vollends an, gaben dem einen Diener Befehl, daß er Kohlen in den Kamin heraufschaffen sollte, indem sie auf den Abend Kugeln gießen wollten, der andere aber wurde nach Schmelztiegeln geschickt, mit Befehl, dieselben wohlverdeckt in ihr Zimmer zu schaffen, damit niemand etwas im Hause davon gewahr würde.

Sie beide aber gingen miteinander fort, kauften im ersten Materialistenladen sechs Pfund Blei, wovon jeder drei Pfund zu sich steckte, hernach spazierten sie in ein Weinhaus, wo sie sich bis gegen Abend die Zeit mit Billardspielen passierten, nachher in ihr Logis zurückkehrten.

Gleich nach der Abendmahlzeit mußten die beiden Diener aus zwei Pfund Blei Kugeln gießen, nachher wurden dieselben zu Bett geschickt; beide Kavaliere aber machten das Kohlenfeuer von neuem an, setzten den einen Schmelztiegel mit dem Blei drein, warfen, da das Blei zerschmolzen, die Pille hinein, und da es etwa sechs Minuten hernach drei helle Blitze aus dem Schmelztiegel heraustat, hielten sie dieses für das Zeichen, daß die Umwandlung bereits erfolgt sei. Sie gossen demnach erst etliche kleine Klümpchen auf einen reinen Stein, hernach die wohlumgerührte Masse in eine starke eiserne Pfanne und blieben so lange auf, bis alles kalt war; endlich zwei Stunden nach Mitternacht, legten sie sich zur Ruhe, konnten aber vor Verlangen, was aus dem Blei geworden sein möchte, nicht länger schlafen, als bis der Tag kaum angebrochen war, da sie denn beim hellen Tageslicht mit erstaunlichem Vergnügen bemerkten, daß das Blei seine gewöhnliche Farbe verloren und an deren Statt die gelbe angenommen hatte.

Um aber der Sache gewiß zu werden, kleideten sie sich an und gingen, nachdem sie den Tee getrunken hatten, zu einem Goldschmied, bei welchem Elbenstein eine goldene Tabatiere, die ihm einstmals bei einem Sturz mit dem Pferd schadhaft worden war, vertauschte, sich dagegen eine neue einhandelte und noch etwas Gold herausgab. Wie nun Elbenstein sah, daß der Goldschmied ein feiner Mann war, sagte er zu ihm:

»A propos, mein Herr! Ich habe hier ein Stückchen Metall bei mir; wollen Sie mir nicht sagen, was es ist, damit ich weiß, ob ich damit betrogen bin oder nicht.«

Der Goldschmied nahm und probierte es. Dann sagte er:

»Mein Herr! Wenn Sie es gekauft haben, sind sie gar nicht damit betrogen, denn es ist ein feines Gold, und so Sie es nicht dazu bestimmt haben, etwas daraus machen zu lassen, will ich Ihnen so schwer gemünztes Gold dafür geben, als das Gewicht austrägt, und wenn Sie noch mehr dergleichen hätten, wollte ich Ihnen alles abhandeln, weil es in der Arbeit besser zu gebrauchen, als zusammengeschmolzene Zecchinen.«

Elbenstein sagte, er hätte nicht mehr als etwa zehn bis zwölf Lot davon, die stünden ihm zu Diensten, denn weil er eine Reise vor sich hätte, wäre ihm mit gemünztem Gold besser gedient als mit ungemünztem, versprach auch, selbiges nach Tisch entweder selbst zu überbringen oder durch seinen Diener zu überschicken. Der Goldschmied bat, ihm diese Gefälligkeit zu erweisen, weil es zwar eben nicht das allerfeinste, jedoch ein schönes geschmeidiges Gold zum Verarbeiten wäre, überdies wolle er ihm ein feines Ringelchen in den Kauf geben. Elbenstein versicherte nochmals, daß er es ihm vor anderen gönnen wollte, und hiermit nahmen beide Kavaliere von dem Goldschmied Abschied. Wer war froher als diese beiden, da sie mit ihrem wenigen Gold, das sie dem vermeinten bedürftigen Mann gegeben, eine so schöne Ritterzehrung erworben hatten.

»Oh«, sagte Thalberg, »hätte ich das gewußt, so sollte der Alte eine weit ansehnlichere Summe von mir empfangen haben, vielleicht hätte er uns dann auch noch mehr Pillen geschickt.«

»Wir wollen mit diesen zufrieden sein, mein Freund«, antwortete Elbenstein, »ist uns doch damit unsere Reise nach Venedig und alle Zehrungskosten freigemacht.«

Unter diesen Gesprächen kamen sie auf den St. Markus-Platz, machten daselbst eine Promenade bis gegen Tischzeit, da sie denn nach ihrem Logis gingen und die Mahlzeit einnahmen. Nach Tisch sammelten sie die zuerst ausgegossenen kleinen Klümpchen und befanden, daß dieselben vierzehneinhalb Lot wogen, wurden eins, diese kleinen Stückchen dem Goldschmied zu verkaufen, das große Stück aber in gleiche Teile zu teilen. Dieses letztere geschah sogleich, indem sie von dem Wirt ein Hackmesser borgen ließen, das große Stück vermittels eines Hammers voneinanderschlugen und in gleiche Teile teilten. Weil aber in der Teilung es noch einige kleine Stücke gesetzt, schlugen sie diese mit dem Hammer breit, legten sie zu erstgemeldeten kleinen Stückchen und befanden, daß sie achtzehneinhalb Lot zum jetzigen Verkauf hatten, ein jeder aber war schlüssig, sein großes Stück bis auf ferneren Bescheid zu verwahren.

Hierauf gingen sie nach dem Goldschmied, welcher sie mit Freuden empfing, alle Stücke probierte, ihnen das bare, gemünzte Gold sogleich erlegte und Elbenstein einen Ring in den Kauf gab, der ungefähr drei bis vier Zecchinen wert war, welchen dieser aber hernach Thalberg zum geneigten Andenken schenkte.

Ein paar Tage hernach, da Elbenstein seiner Verrichtungen wegen an seinen Fürsten Briefe zu schreiben und dieselben durch einen Expressen fortzuschicken sich gemüßigt sah, ging Thalberg, um ihn nicht zu verstören, im Schlafrock heraus auf eine kleine hölzerne Galerie, von welcher er verschiedene schöne Hintergebäude und Gärten übersehen konnte. Er war ein ziemlich korpulenter Kavalier; als er sich nun mit einiger Anstrengung auf das Geländer legte, die Zapfen der Balken aber sehr vermodert sein mochten, brachen diese aus, und Thalberg stürzte samt einem Teil des hölzernen Geländers über zwölf bis fünfzehn Ellen herab in den Garten. Kein Wunder wäre es gewesen, wenn er gleich auf der Stelle den Hals gestürzt hätte, allein der Himmel erhielt ihm noch das Leben, doch hatten ihm die Säulen ein Bein entzweigeschlagen, und überdies war er mit der Stirn dergestalt auf einen Stein gefallen, daß er eine fingerlange Wunde bekommen hatte.

Er kann sich vor Schmerzen nicht selbst unter dem Holzwerk hervorhelfen, sein Schreien, Winseln und Wehklagen hilft nichts, bis endlich die Köchin in den Garten kommt, um grüne Kräuter zu holen, welche denn Lärm machte und den Wirt wie auch Elbenstein rief, welche diesen elenden Patienten hinauf ins Bett tragen, auch sogleich einen Medicus und Chirurgen holen ließen.

Elbenstein ging das unvermutliche Unglück seines werten Freundes ungemein zu Herzen; man ließ demselben eine Ader springen, gab ihm Medikamente ein, verband erst die sehr blutende Wunde an der Stirn und hernach das zerbrochene Bein. Er stellte sich sehr heroisch dabei an, deswegen versprachen die Ärzte, ihn, sofern er ihrer Vorschrift Folge leisten würde, längstens binnen sechs bis sieben Wochen vollkommen zu restituieren. Welches er denn für seine Person zu tun versprach.

Wie gern nun Elbenstein seines Freundes Genesung abgewartet hätte, indem er selten von dessen Bett wegkam, als wenn ihm seine aufgetragenen Kommissionen nötigten, dann und wann auszugehen, so fügte es sich doch, daß fünf Tage hernach er die seinem Fürsten zuständigen Geldsummen in Empfang nehmen, mithin seine Abreise damit beschleunigen mußte. Er nahm also beweglichen Abschied von dem Herrn von Thalberg, wünschte demselben baldige Restitution und bat, daß er ihm mit nächstens das Vergnügen gönnen möchte, an seines Fürsten Hof ihm eine Visite zu geben.

Dieser versprach, solches zu tun, sobald es seine Gesundheit zuließe, dankte tausendmal für alle erwiesene Freundschaft und empfahl sich zu Elbensteins beständig geneigtem Andenken. Also mußten sich beide gute Freunde sehr mißvergnügt voneinander trennen, da sie vermeint, wenigstens die Retour bis Padua zugleich anzutreten, allein, Elbenstein mußte für diesesmal ohne dessen Gesellschaft zurückreisen und hatte nicht wenig Kummer und Sorge wegen seiner eingekauften Sachen, vornehmlich aber wegen seines Herrn Geld, damit ihm nicht etwa ein Unglück widerführe; jedoch sobald er Padua erreicht, wurde ihm das Herz ziemlich leicht. Er ging zum Kommandeur und bat sich eine Eskorte von sechs Reitern bis auf seines Herrn Schloß aus, zahlte auch dem Kommandanten das Honorar von allem überhaupt gleich in bar auf den Tisch, womit dieser zufrieden war und Elbenstein bat, daß er nur noch einen Tag stilliegen möchte, weil er ihm binnen der Zeit die redlichsten und tapfersten Leute wollte aussuchen lassen.

Indem sich nun Elbenstein ohnedem etwas marode befand, ließ er sich solches gefallen, und da er sein Logis im Gasthof al Sole genommen, kam er nicht viel auf der Straße zum Vorschein, weil er meinte, daß ihm sonst die Spürhunde der unbekannten maskierten Schönen möchten zu sehen bekommen, welche sich seinen Gedanken und allen Umständen nach unfehlbar noch in Padua aufhalten würde; er aber, als einer, der seine Sündenbürde von sich geworfen, nicht weiter Lust hatte, sich mit ihr im anderweitigen Sündenschlamm herumzuwälzen. Frühmorgens, mit Aufgang der Sonne, war seine Eskorte, die in einem Unteroffizier und fünf Mann zu Pferde bestand, vor seinem Quartier, weswegen er sogleich Ordre gab, die Wagen anzuspannen und in Gesellschaft der Reiter fortzufahren; er selbst ließ sein Pferd vorziehen, trank nur noch etliche Schälchen Tee und ein Gläßchen Persico, setzte sich hernach auf und ritt ganz allein nach, weil er seinen Diener beim Wagen zu bleiben befohlen.

Etwa eine Meile Weges war Elbenstein geritten, als er sein Fuhrwerk nebst der Eskorte ungefähr ein paar hundert Schritt vor sich her passieren sah, weswegen er ganz sachte, und zwar in tiefen Gedanken wegen des seinen Freund Thalberg betroffenen Unglücks, hinterdreinritt. Als er aber einen starken Galopp hinter sich vernahm, kehrte er sich um und ward gewahr, daß ein einzelner Kerl auf eben dem Wege hinter ihm hergejagt kam. Wie nun Elbenstein nicht eben wußte, ob es ihn anginge, er auch schon so viel Courage besaß, sich nicht sonderlich vor zwei oder drei geschweige denn vor einem zu fürchten, bog er in etwa aus dem Weg auf den grünen Rasen und ritt Schritt für Schritt fort. Bald darauf kam der Kurier ihm zur Seite, machte ein höfliches und freundliches Kompliment und fragte, ob er der Herr von Elbenstein hieße und Kammer-Junker bei dem Fürsten von N. wäre?

»Ja, das bin ich«, sagte Elbenstein. »So erfreue ich mich«, versetzte der Kurier, »Sie so glücklich angetroffen zu haben; hier ist ein kleines Briefchen an Sie, welches mir Ihnen en Courier nachzureiten übergeben worden.« Elbenstein öffnete den Brief, las denselben und fand ihn also gesetzt:

Mein Auserwählter! Ich wäre zornig auf Euch worden, daß Ihr mein Bitten bei Eurer Passage durch Padua nicht besser gelten lassen; allein, Ihr seid schon entschuldigt, weil ich selbst begreife, daß ein Kavalier zwar lieben, aber doch dieserwegen seine Ehre, seines Herrn Interesse und die ihm aufgetragenen Kommissionen nicht zurücksetzen kann. Ich liebe Euch dieserhalb noch weit mehr, erweist mir nur den einzigen Gefallen, daß ich heute auf einen oder etliche Augenblicke das Glück haben möge, Euer Angesicht zu sehen.

Ich setze mich jetzt den Augenblick in den Wagen, nehme aber den Weg nach einem Lustschlosse zu, durch den Wald, damit mich auf der Heerstraße niemand erkennen soll. Laßt Euch durch Überbringer dieses an die Straße führen, so durch den Wald geht; da will ich Euch auf wenige Worte sprechen und Abrede nehmen, wo binnen etlichen Tagen unsere erste Zusammenkunft sein soll; weiter verlange ich diesmal nichts von Euch, weil ich mir auch nicht einmal einen Kuß versprechen kann, da mein Mädchen bei mir sitzt. Ich bitte sehr, laßt Euch diesmal nicht verdrießen, eine kleine halbe Stunde auf mich zu warten, ich werde die Pferde scharf laufen lassen, um nur Euch auf ein oder zwei Minuten zu sehen.

Erfüllt mein sehnliches Verlangen, da Ihr zumalen wißt, daß ich Euch vollkommen liebe und Eure mir erwiesene Gefälligkeit nicht werde unvergolten bleiben lassen. Die ich mit äußerst verliebten Herzen bin

Eure vollkommene Getreue.

Elbensteins guter Engel raunte ihm zwar in die Ohren, daß er dieser Lockspeise nicht trauen sollte; allein, was ist doch der Mensch? Seine Affekte stritten dawider und sagten:

»Was? Weißt Du nicht, wie genereux sie sich gegen Dich erzeigt? Solltest Du nicht eine halbe Stunde ihretwegen zurückbleiben? Es ist ja heller Tag und keine Gefahr vorhanden. Vielleicht wird Deine Curiositée gestillt, daß Du ihr Angesicht zu sehen bekommst. Du kannst zwar Abrede mit ihr nehmen, den bestimmten Tag zu kommen versprechen und dennoch zurückbleiben.«

Solche Gedanken stiegen ihm in der Geschwindigkeit auf, deswegen fragte er den Kurier:

»Wo sollt Ihr mich hinführen, mein Freund?«

Dieser gab zur Antwort:

»An den Fahrweg im Walde, daselbst werden Sie keine halbe Stunde zu warten haben, hernach will ich Ihnen einen nahen Weg zeigen, vermittels dessen Sie Ihre Leute binnen zwei Stunden, ja noch eher einholen sollen.«

»So will ich nur«, sagte Elbenstein, »weil wir doch noch nicht am Walde sind, meinem Diener nachreiten, ihn zurückrufen und befehlen, ganz sacht zu fahren bis ich nachkomme.«

»Es ist«, widerredete der Kurier, »in Wahrheit nicht nötig, denn wegen des bevorstehenden üblen Weges müssen sie ohnedem langsam genug fahren, also können Eure Herrlichkeit sie heute noch zweimal einholen.«

Elbenstein ließ sich bereden, zumal da er bemerkt, wie sein Diener ihn schon in den Augen gehabt und sich mit dem Pferd etliche Mal umgedreht hatte. Sobald sie demnach den Wald rechter Hand vor sich sahen, folgte er seinem Wegweiser und ritt getrost hinter ihm in den Wald hinein, der Wald wurde immer dicker und dicker, doch endlich kamen sie auf einen kleinen grünen Platz, da denn der Kurier schrie:

»He! Nun werden wir auch bald den Fahrweg zu sehen bekommen.«

Indem sprengten sechs Kerls zu Pferde, die ihre Gesichter geschwärzt hatten, aus dem Gebüsche heraus! Ihrer zwei hielten Elbenstein die Pistolen nach der Brust und fragten, ob er sich gutwillig gefangengeben oder sterben wollte? Er erwählte bei so gestalten Sachen das erstere, da ihm denn der Degen und Pistolen hinweggenommen, weiter aber nichts zu Leide getan wurde, als daß man ihn in eine alte verfallene Köhler- oder Holzhauerhütte führte, wo er von zwei Kerls mit bloßen Degen und Pistolen in der Hand bewacht wurde.

Es redete keiner ein Wort zu ihm, und er saß ebenfalls vor Schrecken und Verwunderung eine lange Zeit ganz still. Endlich kam er ein klein wenig zu sich selbst, und sprach zu seinen Wächtern:

»Meine Herren! Was habt Ihr für Vergnügen daran, mich von den höchst wichtigen und eiligen Verrichtungen abzuhalten, die ich meinem Herrn, dem Fürsten von N., zu leisten verpflichtet bin. Erlaubt mir, meine Straße zu reisen, ich will Euch gern eine gute Reiterzehrung geben.«

»Signor!« gab der eine zur Antwort, »wir sind keine Straßenräuber, werden auch keinen Soldi von Euch begehren, sondern wir tun nur, was uns von unserer Herrschaft befohlen ist.«

»Was ist es denn für eine Herrschaft«, fragte Elbenstein, »die mich anzuhalten befohlen?«

»Wir haben keine Ordre«, bekam er zur Antwort, »uns mit Euch in ein Gespräch einzulassen.«

Dennoch tat Elbenstein noch verschiedene Fragen, bald an diesen, bald an jenen; allein, es schien nicht anders, als wenn alle sechs auf einmal verstummt wären, und der siebente, sein Führer, war ganz und gar verschwunden.

Er blieb demnach in tiefen Gedanken ganz unbeweglich sitzen und machte allerhand Kalender, bald fing er an zu zweifeln, daß ihm dieser Possen von der maskierten Dame, sondern vielleicht von jemand anderem gespielt würde, weswegen er hin und her dachte, jedoch, wenn es um und um kam, sagte ihm sein Herz, daß es niemand anderes sein könne als die Maskierte, um sich wegen seines Ungehorsams und bezeigter Negligence an ihm zu rächen.

Unterdessen war es Mittag worden, weswegen einer von den Räubern eine weiße Serviette auf die Bank breitete, weil kein Tisch in der Hütte, und weißes Brot, kalten Braten, eine Salvelatwurst, einen gebackenen Fisch und etliche Stücke Gebackenes darauflegte. Er brachte auch zwei Bouteillen Marciminer-Wein getragen und nötigte Elbenstein ganz höflich, daß er belieben möchte zu speisen, weil es bereits über Mittag wäre.

Elbenstein verging nun zwar Essen und Trinken vor Herzensbangigkeit, jedoch stellte er sich dreister an als er war, griff zu, kostete nachgerade von einem jeglichen etwas, fragte auch, ob denn die Herren nicht gleichfalls mitspeisen wollten?

»Nein! Signor!« gab der eine ganz höflich zur Antwort, »diese kalte Küche ist für Euch allein bestimmt; wir haben unsere Mittagsmahlzeit schon verzehrt.«

Hierauf brachte der Kerl einen silbernen, inwendig vergoldeten Becher, schenkte denselben voll, bat anbei, ihm zu vergeben, daß er ihm solchen auf keinem Teller präsentierte, weil sie dergleichen Geschirr nicht bei sich führten. Elbenstein wußte nicht, ob man ihn schraubte oder ob es des Kerls ernstliche Höflichkeit war, jedoch er trank, und zwar allerseits Gesundheit, weswegen sie tiefe Reverenz machten. Er schenkte den Becher selbst wieder voll und präsentierte ihn dem nächsten, so bei ihm stand, allein, er dankte mit einer höflichen Verbeugung und sagte, wie diese Portion Wein bloß für ihn allein bestimmt sei. Er reservierte sich aber in der Geschwindigkeit anders und sagte:

»Jedoch, damit Eure Herrlichkeit nicht etwa auf arge Gedanken geraten, als ob die Speisen und der Wein vergiftet wären, so will ich aus jeder Bouteille einen Becher voll Wein trinken, auch von jeder Art Speisen eine Portion zu mir nehmen, daß Sie es sehen und desto mehr Appetit bekommen, denn wir haben noch mehr Vorrat bei uns.«

Elbenstein gefiel dieses wohl, und er aß und trank auch in der Wahrheit mehr, als er anfänglich willens gewesen war, daß er glaubte, ganze vierundzwanzig Stunden ausdauern zu können. Nachdem er also wohl gespeist, fing er wieder an zu diskutieren und tat verschiedene Fragen an die Kerls, allein, sie waren aufs neue stumm worden, und es antwortete ihm kein einziger ein Wort. Er trank deswegen beide Bouteillen Wein fast rein aus; und da der eine sagte:

»Wenn Eure Herrlichkeit mehr Wein belieben, dürfen Sie nur kühnlich befehlen«, gab Elbenstein zur Antwort:

»Nein, für diesesmal danke ich, denn ich habe nur der Kälte wegen soviel getrunken, allein, auf den Abend will ich mir noch eine Bouteille ausbitten und dafür erkenntlich sein.«

Etwa eine gute Stunde vor Untergang der Sonne ließ sich derjenige wieder sehen, welcher Elbenstein den Brief gebracht und ihn hierhergeführt hatte.

»Ei, ei! Mein Herr!« sagte Elbenstein zu ihm, »was hat Er mir für einen losen Possen gespielt, da Er unfehlbar weiß, daß ich wichtige Verrichtungen habe.«

Der verfluchte Kerl zuckte die Achseln und sagte:

»Ich kann nichts dafür, mein Herr! Bediente müssen aufs klüglichste ausrichten, was ihnen von ihrer Herrschaft befohlen wird, wenn sie sich anders bei denselben in besondere Gnade setzen wollen.«

»Allein«, fragte Elbenstein, »soll ich denn heute Nacht in dieser elenden Hütte erfrieren?«

»Es soll nicht Not haben«, gab er zur Antwort und ging damit zur Hütte hinaus.

Kaum eine Viertelstunde hernach kam einer und bat, Elbenstein möchte sich belieben lassen, aus der Hütte herauszuspazieren und sich zu Pferde zu setzen. Er folgte, bekam aber seinen Degen und Pistolen nicht wieder, und überdies wurden ihm die Augen fest, die Hände mit zwei seidenen Schnupftüchern an die Pistolenhalftern gebunden, sein Pferd aber von einem Kerl geführt. Nunmehr wurde ihm erst recht bange, denn er gedachte: »Ja, ja, es sind Räuber, nun werden sie dich in ihre Räuberhöhle führen, dein bißchen Armut zu sich nehmen, dich selbst aber schlachten und im Wald verscharren. Ach, allerliebste Maske!« sprach er ferner bei sich selbst, »ach, mein Engel! Du bist wohl unschuldig, verzeih mir, daß ich dich in dem Verdacht gehalten, als ob du Stifterin meines jetzigen Elends wärest. Nein! Der Brief ist nicht von deiner Hand, es hat ihn ein Spitzbube geschrieben, er hat zwar einige Konnexion mit unserer Liebesbegebenheit, aber wenn ichs recht bedenke, sehr wenig oder gar nichts; denn es ist nur auf den Strauch geschlagen. Ach hätte ich mich doch nicht übereilt und die Sache erst besser untersucht und überlegt. Ach ja, mein Engel, du bist unschuldig, und ich glaube, du spendiertest etliche tausend Dukaten daran, wenn du mein jetziges Unglück wüßtest und mich daraus erretten könntest.

Ach, Himmel, hilf! Werden nicht die Spitzbuben und Straßenräuber ausgekundschaftet haben, daß Geld und andere Kostbarkeiten auf dem Wagen befindlich? Werden sie nicht Anschläge gemacht haben, dieses entweder durch eine stärkere Anzahl Wagehälse oder durch ein ihnen leicht ausgesonnenes Stratagema an sich zu bringen? Ach, was wird der Fürst sagen? Wird er nicht denken, ich bin zum Schelm worden? Ehre verloren, alles verloren, alles verloren! Ich werde ermordet, das ist gewiß; wer weiß, ob diese Mordtat und dieser Straßenraub jemals entdeckt wird; Ach, Himmel, erbarme dich meiner und übe die Rache wegen meiner begangenen Sünden und der verübten Fleischeslust nicht auf einmal allzu streng aus.«

Unter dergleichen häufigen und verwirrten Jammerklagen, Seufzern und bitteren Tränen, ritt er also fort bis um Mitternacht. Seine Begleiter hatten ihm zwar zu verschiedenen Malen einen Becher Wein angeboten, allein er hatte sich stets entschuldigt, daß er keinen Appetit zum Trinken empfände. Endlich bemerkte er am Rauschen des Wassers, daß sie über eine Brücke ritten, und bald hernach stand sein Pferd still, da ihm denn die Hände losgebunden wurden, auch ihrer zwei vom Pferde halfen. Die Binde von Augen aber wurde ihm nicht abgenommen, sondern man führte ihn erst wohl vierzig bis fünfzig Schritte lang auf einem Steinpflaster fort, und endlich, da man ihm die Augen öffnete, befand er sich in einem hochgewölbten, jedoch sehr propren Zimmer, dessen Fenster, wodurch das Tageslicht hineinbrechen konnte, über acht Ellen von dem Boden in der Höhe waren.

Er sah keinen einzigen von seinen bisherigen Begleitern mehr um sich, sondern nur zwei grau und rot gekleidete Lakaien, welche ihm erst ein silbernes Waschbecken mit Wasser vorsetzten, hernach weiße Wäsche, einen Schlafrock, ein Paar neue Pantoffel und, kurz zu sagen, den ganzen Nachthabit, welcher sehr sauber und propre war, darlegten. Der eine Lakai bedeutete mit den Händen, ob er sich nicht wolle die Stiefel und Sporen abziehen lassen, indem selbige sehr schmutzig waren; allein Elbenstein sagte:

»Meine Freunde, es hat noch ein wenig Zeit, seid aber so gütig und meldet mir, wer hier Herr im Hause ist und unter wessen Gewalt ich mich befinde?«

Hierauf tippten beide Lakaien mit den Fingern auf ihre Mäuler, gaben einen wunderlichen Laut von sich und damit zu verstehen, daß sie stumm wären. Elbenstein hätte vor Verzweiflung über sein ängstliches Schicksal mögen rasend werden. Er ging in dem Zimmer auf und ab und fand hinter einer spanischen Wand ein kostbares Bett, gegenüber auf dem Tisch erblickte er allerhand Speisen, Erfrischungen wie auch etliche Bouteillen der allerdelikatesten Weine, wie die darangeklebten Zettel anzeigten. Es brannten zwei Wachslichter auf silbernen Leuchtern dabei, mitten im Gewölbe aber hing eine silberne Leuchterkrone, worauf zwölf Wachslichter brannten. Nachdem er noch etlichemal auf und ab spaziert, ging er nach dem Tisch hin, nahm ein einziges Stückchen Konfekt und steckte es in den Mund. Alsobald kam der eine Diener, spülte im Schwenkkessel ein Glas aus und fragte durch Zeichen, aus welcher Bouteille er ihm einschenken sollte. Elbenstein nahm sich nicht die Mühe, lange zu wählen, ungeachtet er sehr durstig war, sondern sagte, daß ihm alles gleichviel wäre, weswegen der Kerl die beste Bouteille eröffnete und ihm das vollgeschenkte Glas auf einem silbernen Kredenzteller präsentierte.

Er trank zwei Gläser und fand den Wein ungemein köstlich, setzte sich hernach auf einen Sessel, ließ erst die Stiefel abziehen, hernach die Kleider, legte sodann den Schlafrock und die Pantoffel an, offerierte auch einem jeden Bedienten für diese ihre erste Bemühung einen Dukaten. Allein, die Kerls stellten sich nicht anders an, als ob er ihnen mit einem glühenden Eisen unter die Nase hätte rennen wollen, und waren durchaus nicht dahin zu persuadieren, das Geschenk anzunehmen. Deswegen steckte Elbenstein seine Dukaten wieder in die Tasche und setzte sich vor das Kaminfeuer, da denn leichtlich zu erachten, daß er wunderliche Spekulationen müsse gehabt haben. Endlich, da er über eine Stunde dagesessen, kam der eine Lakai, zeigte ihm das Bett und gab mit wunderlichen Gebärden zu vernehmen, daß, wenn er müde wäre, er sich hineinlegen könne.

Wie nun Elbenstein für ratsam hielt, seinem ermüdeten Körper einige Ruhe zu gönnen, folgte er dem Rat und legte sich samt dem Schlafrock nieder, ob aber sein Kopf noch so voll Grillen war, so entschloß er sich doch, dieselben beiseite zu setzen und ein andächtiges Gebet zu verrichten, in Hoffnung, daß sich der Himmel vielleicht noch einmal seiner erbarmen und aus diesem Labyrinth und von bevorstehenden Unglücksfällen erretten werde. Er betete demnach sehr andächtig und bußfertig, bis ihm die Augen darüber zufielen und er in einen süßen Schlaf geriet, auch nicht eher erwachte, bis die Sonne durch die hohen Fenster in das Gewölbe hereinleuchtete. Er verrichtete sein Morgengebet ebenso andächtig und bußfertig als das Abendgebet, stand hernach auf und fand das Waschwasser sowohl als den Tee sogleich parat. Unter währendem Teetrinken bemerkte er, daß dieses Zimmer zwei mit starken eisernen Türen verwahrte Ausgänge hatte, und als er abermals in tiefe Gedanken verfallen war, öffnete sich plötzlich die eine Tür, wodurch ein etliche sechzigjähriger Mann, der von ziemlichen Ansehen war, jedoch etwas Barbarisches im Gesicht hatte, hereintrat und ihm mit einem höflichen Kompliment einen guten Morgen bot. Elbenstein dankte und nötigte ihn, eine Tasse Tee mit ihm zu trinken. Dieser deprezierte solches, setzte sich aber an den Tisch, Elbenstein gegenüber, und gab den beiden Stummen einen Wink, welche sofort zur anderen Tür hinausgingen. Als diese hinweg, fing der Alte also zu reden an:

»Mein Herr! Sie werden sich allerdings verwundert haben, daß man Sie sozusagen als einen Gefangenen an diesen Ort gebracht; Sie haben sich aber alles guten Traktaments zu versichern und nicht die allergeringste Gefahr zu besorgen, sondern sollen gleich morgen früh Ihre Freiheit bekommen, hinzureisen, wo Sie hin wollen, wofern Sie nur auf ein und andere Fragen, die ich Ihnen vorlesen werde, die aufrichtige Wahrheit bekennen; ich schwöre Ihnen, mein Herr, sogleich einen leiblichen Eid, daß, wo Sie dieses tun, Ihnen nicht das geringste Leid hier geschehen, sondern sie gleich morgen ihre Freiheit wiederhaben sollen. Sind Sie aber halsstarrig und verstockt, so schreiben Sie es sich selbst zu, wenn man Sie übel traktiert. Mein wohlmeinender Rat ist also dieser: daß Sie sich gar kein Bedenken nehmen, die klare Wahrheit zu bekennen (denn man weiß die Sache ohnedem so schon gewiß und will nur Ihr eigenes Geständnis haben), es wird Ihnen sodann hier nicht die geringste Gefahr bringen, mir aber sollte von Herzen leid sein, wenn Sie sich verstockterweise durch Leugnen mutwillig ins Unglück stürzten.«

Hierauf gab Elbenstein die Antwort: »Mein Herr! Ich höre, daß Sie etwas von mir verlangen, ich weiß aber noch nicht eigentlich, was es ist, darum kurz von der Sache zu kommen, so formieren Sie nur ihre Quaestiones, ich will mit Bestand der Wahrheit darauf antworten, denn ich bin ein Kavalier, der sich keines Verbrechens schuldig weiß.«

Demnach fing der Alte an, folgende Fragen zu tun, welche wir in ordentlicher Form hierhersetzen wollen:

Des Alten Fragen: Elbensteins Antworten:
1. Ob er der deutsche Kavalier, Herr von Elbenstein genannt, wäre und bei dem Fürsten von N. im Dienst stünde? 1. Ja!
2. Ob er zur Zeit der letzten Weinlese in Ariqua gewesen? 2. Ja!
3. Wie lange er sich daselbst aufgehalten? 3. Ungefähr fünf bis sechs Tage.
4. Was er daselbst zu verrichten gehabt? 4. Er wäre in Affären seines Fürsten dahin beordert worden.
5. Ob er eine Gärtnersfrau daselbst kennte, Margaretha genannt? 5. Er wäre in verschiedene Gärten gegangen, wenn ihm eben die Lust angekommen, Weinbeeren oder Obst zu essen; habe sich aber nicht darum bekümmert, wie die Eigentumsherrn derselben oder deren Weiber mit Namen heißen.
6. Ob er nicht in der Margarethen Behausung einige Nachtvisiten abgelegt? 6. Er wisse von keiner Margaretha, viel weniger von deren Behausung.
7. Wer das Frauenzimmer, die ihn dahin berufen lassen, und wie sie gestaltet gewesen? 7. Er wisse von keiner Berufung, hätte auch mit keinem Frauenzimmer etwas zu tun gehabt, auch keines begehrt, ungeachtet ihm die Zeit, solange er sich an diesem schlechten Ort aufhalten müssen, sehr lang worden.
8. Wie oft er dieses Frauenzimmer ungefähr bedient? 8. Das wäre eine törichte Frage, da er sich in ganz Ariqua um kein Frauenzimmer bekümmert, sondern die meiste Zeit mit seinem Wirt passiert hätte.
9. Ob ihm das Frauenzimmer nichts zum Andenken geschenkt? 9. Er wisse von keinem Frauenzimmer, noch weniger vom Andenken.
10. Ob ihn das Frauenzimmer nicht nach Padua bestellt, um der Liebe ferner mit ihm zu pflegen? 10. Man hörte ja wohl, daß er weder von einem Frauenzimmer, noch von Pflegung der Liebe mit derselben wisse.
11. Ob er auf seiner Hinreise nach Venedig nicht durch Padua gereist? 11. Ja.
12. Ob ihm nicht daselbst ein Mann Nachricht von seiner Amour gegeben und von fernerer Zusammenkunft mit derselben gesprochen? 12. Es wäre ein Kerl in Gestalt eines Hausknechts zu ihm gekommen und hätte viel von Liebesaffären mit einer Dame gesprochen, allein, er, Elbenstein, hätte denselben für verrückt im Gehirn gehalten, oder es müsse denn sein, daß er ihn für einen andern angesehen hätte.
13. Wo er dazumal in Padua logiert? 13. In der Oreda Todesca.
14. Was er in Venedig zu verrichten gehabt? 14. Einige Wechsel Gelder für seinen Herrn einzukassieren, welche auch gestern mit Wagen vorausgegangen, wo anders dieselben nicht von Räubern geplündert worden.
15. Warum er länger in Venedig geblieben, als er dem Hausknecht in der Oreda Todesca versprochen? 15. Er hätte den Kerl für einen Narren angesehen, wisse auch selbst nicht einmal mehr, was er mit ihm geredet oder was er ihm versprochen hätte. Das aber müsse er gestehen, daß er viele Tage eher wieder zurückgekommen wäre, wenn ihn nicht das Malheur eines Kavaliers, der sein Landsmann, aufgehalten hätte, indem derselbe ein Bein zerbrochen und eine große Wunde am Kopf, da er von einer Galerie heruntergestürzt, bekommen hätte.
16. Warum er jetzt bei seiner Retour von Venedig nicht in der Oreda Todesca, sondern im Gasthofe al Sole eingekehrt? 16. Es stünde ihm frei, einzukehren wo er wolle, doch jetzt hätte er einmal aus gewissen Ursachen seinen Leuten nachgeben und zugleich selbst gute Acht und Wacht auf seines Herrn Geld und Sachen halten müssen.
17. Ob er gar nicht nach dem Frauenzimmer in Padua gefragt, mit welchem er zu Ariqua in der Margaretha Haus etliche Nacht courtoisiert hätte? 17. Er wisse weder von der Margaretha Haus noch von der Courtoisie mit einem Frauenzimmer, indem er sich vor gefährlichen Liebeshändeln jederzeit sehr gehütet, auch gar nicht disponiert wäre, verbotene Liebesintrigen zu spielen, dann wenn er ja sogar verliebt wäre, könne er nur nach Hause reisen und sich eine Frau nehmen, weil er, Gott Lob, bemittelt genug, selbe zu ernähren.

Die letzte Antwort brachte Elbenstein mit einer heroischen Ungeduld vor; der Alte sah ihm. starr in die Augen, es sei nun, daß ihn Elbensteins Eifer abschreckte, oder daß er nichts weiteres, als auf einmal dieses zu befragen hatte, so saß er erst eine gute Weile still, endlich aber sagte er:

»Mein Herr! Ihre Reden stimmen mit der Wahrheit nicht alle überein, wir wissen ein vieles schon weit besser. Bedenken Sie sich wohl, ich will Ihnen Zeit geben bis auf den Abend, reden Sie sodann die Wahrheit auf alle diese Fragen besser aus, so ists gut für Sie; bleiben Sie aber bei der jetzigen Aussage, so muß man es billig für eine starke Verstockung halten, und ich werde unfehlbar Ordre kriegen, Sie schärfer anzugreifen.«

»Was ich ausgesagt habe«, replizierte Elbenstein, »das ist die klare Wahrheit; ich werde niemals anders reden, es mag mein Leben kosten oder nicht.«

»Wenn Sie die Wahrheit reden«, sagte der Alte, »können Sie Ihr Leben erretten und mit größter Honneur in Ihre Freiheit kommen, so aber sieht es mißlich aus. Besinnen Sie sich eines Besseren, unterdessen soll es Ihnen bis auf fernere Ordre an guter Verpflegung nicht ermangeln, befehlen Sie nur den Stummen, was sie Ihnen bringen sollen, denn es mangelt hier an nichts, und diese Kerls, ob sie gleich nicht reden können, so verstehen sie doch alles und sind sehr geschickt. Ich aber will mich Ihnen empfehlen und meinen Bericht erstatten.«

Hiermit nahm der Alte sein kleines Tintenfaß, Feder und Papier, worauf er Elbensteins Aussage geschrieben hatte, pfiff auf einem kleinen Pfeifchen, da denn die beiden stummen Lakaien wieder ins Gewölbe traten, er der Alte aber marschierte nach einem nochmals gemachten Kompliment zu ebenderselben Tür hinaus, wo er hereingekommen war.

Elbenstein begab sich hinter die spanische Wand, warf sich in größter Ungeduld aufs Bett, die Tränen stiegen ihm in die Augen, und er sagte heimlich zu sich selbst:

»Ach! Du bist in die Hände deines Schwagers, des Mannes der maskierten Schönen gefallen! Nichts ist gewisser als dieses! Es ist Verräterei passiert, wer weiß, wie es dem allerliebsten Bild geht; vielleicht ist ihre Ermordung nur so lange aufgeschoben, bis ich alles haarklein auf sie bekannt habe. Aber nein! Ich will den Himmel noch fernerweit um Vergebung meiner Sünden bitten und bei meiner Aussage bleiben bis in den Tod. Denn bekenne ich die reine Wahrheit, so läßt mich der Tyrann, ob er mir gleich dem Schein nach die Freiheit gibt, dennoch unterwegs durch bestellte Banditen ermorden, ehe ich meines Fürsten Residenz erreiche. Bekenne ich nicht, so werde ich allhier insgeheim ums Leben gebracht, damit er aller Sorgen befreit sei, wegen meiner gewaltsamen Arretierung etwa Rechenschaft und Satisfaktion zu geben.«

Kurz zu sagen, Elbenstein hielt nichts für ratsamer und wichtiger, als sich zu einem baldigen seligen Ende zu präparieren, und ob es gleich dem Fleisch und Blut schon im voraus wehtat, so richtete ihn doch der Geist Gottes wegen seiner ernstlichen Buße und Bekehrung immer vom neuen dergestalt auf, daß ihm immer leichter ums Herz ward, wie er denn noch vor der Mittagsmahlzeit in einen süßen Schlummer verfiel.


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