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Herbst in Tegernsee

(1913.)

I.

Erschreckend früh begann die Herbsttragödie.
Die Gärten reifversehrt und sturmzerschellt.
Zwischen zwei schwarzen Schauern sah die Welt
Eben ein Stückchen Zwischenaktskomödie.
Die schöne Königin stand goldumloht,
Lachend, als sei das Spiel noch unverloren.
Der große Kirschbaum brannte lampenrot
Über den Beeten, die heut nacht erfroren.

II.

Als sich die Salbei aus dem Garten schlich,
Die heiße rote Salbei, die so brannte,
Als dann das Sonnenrosenrad verblich,
Als sich die letzte Rose selbst verbannte,
Die Kressen schleppten, keine mehr zu kennen,
Die Dahlien frostbraun standen, erdgewandt,
Da fing mein Heimweh früh schon an zu brennen,
wie es im Sommer abends nur gebrannt.

III.

Nach Wetterwochen, dunkelschwarz umbändert,
Ein Sonnensieg heut', heilig und verklärt.
Ich sehe erst, wie lang das Leid gewährt, –
Am Waldesantlitz, das sich so verändert, –

Ich stehe wie gebannt sekundenlang.
Dies Freundesleiden hatt' ich nicht vermutet! –
Ich habe nicht geahnt, du schöner Hang,
Daß es schon so an dir herunterblutet.

Ein greller Fackelbrand mein Baum am See. –
Und dieses Lächeln heut, das tiefer schneidet
Und lauter redet, als ein heutiges Weh.
Das Lächeln dessen, der nun kaum mehr leidet.

IV.

Verklärter Tag! Mir ist, als ob ich schwämme
In Luft und Luft und erdentrücktem Weh.
Leuchtgoldnes Laub und kohlenschwarze Stämme.
Und durch den schlanken Waldsaum blaut der See.

Am Bergstock noch ein letzter Enzianbuschen.
Gold tanzt um mich, Gold ohne Goldgewicht.
Vor mir im Hang ein solches Lichterhuschen
Als ging ein Kind vor mir mit einem Licht.

V.

Reifstarr liegt jede Flur.
Ich aber geh' im goldnen Blättertanze.
Wie rührend ist Natur,
Daß sie ein Spiel weiß von so hellem Glanze!
Wie eine Mutter, die aus ihren Schreinen
In Hungersnot
Goldenes Spielzeug vorholt und statt Brot
Den Kindern reicht, daß sie nur nicht so weinen.

VI.

Die grauen Spinnerei'n der Wanderspinnen
Haken sich los und segeln weit im Wind.
Ein frischer Morgen treibt sie rasch von hinnen.
Natur, ich bin dein lernbegierig Kind.

Mein Spinnennetz, daran ich lang gewoben,
Mein graues Netz von feinem Gram und Leid
Hab' ich beherzt heut früh für Lebenszeit
Vom Lebensdornenstrauche abgehoben.
Da segelt's hin; mir ist's, als flög' ich mit,
So seligleicht ist nun mein Wanderschritt!


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