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Die hohen Kieferstämme ragen golden;
Das Schilf im See steht einzeln hingemalt.
Ein scharfes Licht, das schräg aus Wolken strahlt,
Hebt jeden Spitzenstich der Schierlingsdolden.
Kinder am Ufer, mohnrot angetan,
In frohem Spiel aus Wasserrosen bechernd.
Zwei grüne Entchen ziehen ihre Bahn,
Den schwarzen See quecksilberblank durchfächernd.
Kaltgrau die Dämm'rung. Nur ein Lichtchen lebt
Am Uferrand und zittert durch den Weiher.
Die Linden dunkeln. Erd' und Himmel webt
An einem einz'gen großen Heimwehschleier.
Ein dunkler Wolkenwall, mit gradem Strich
Abschneidend und den ganzen Westen deckend. –
Jetzt blitzt ein Stern und zittert heimatlich; –
Nein, nur noch ein viel tief'res Heimweh weckend!
April.
In weichem Dämmerblau zerfließt das Land.
Ein feiner Streif steht noch vom Abendfeuer.
Kirschbäume schlagen wie ein weißer Brand
Im letzten Licht aus dunkelndem Gemäuer.
Die großen alten Heimatbäume stehn
Ums niedre Dorf mit wolkenzarten Kronen.
Die Kirche läßt den schlanken Umriß sehn.
Es schimmern Kreuze, wo die Toten wohnen.
Im Graswuchs, der die Hänge überkleidet,
Weiden sich graue Schafe hügelan.
Der Himmel drüber ist ein blauer Plan,
Drauf eine Herde Silberwolken werdet.
Geschäftig kreist ein spitzer schwarzer Hund.
Der Schäfer geht, als weide er Gedanken.
In starken Linien heben Brombeerranken
Sich erdschön ab vom Himmelsweidegrund.
Ein Kornfeld, bleich und strotzend, leicht geneigt.
Die kleine Böschung trägt es hoch erhaben. –
Vorm Ährenmeer, das jede Ähre zeigt,
Dorfkinder mit den Ranzen, Mädel, Knaben.
Voran ein Schnitter, dessen Sense glänzt,
Kopfhoch die hohen Halme überragend.
Klatschmohn, wie Feuer aus dem Felde schlagend. –
Ein ferner Kirchturm, der das Bild ergänzt.
Oktober 1915.
Herbstabend. Residenzlich-leises Treiben.
Theaterzeit. Herbstgold in Busch und Park. –
Im breiten weißen Schloß erglühen Scheiben;
Die großen kühnen Kiefern duften stark.
In Liladuft verschwimmt der Gärten Tiefe.
Von Hus tu Hus spinnt Lichtschein, heimattraut.
Nur
sehr viel Blätter fallen, schwer wie Briefe.
Ein einziger Vogel gibt ganz leisen Laut.
Ein rummeliges Höfchen, Narren, Bretter.
Viel Flieder blüht am Zaun, Goldregen rinnt.
Ein kauziger, dürrer alter Mann. Ein fetter
Schneeweißer Kater, der Behagen spinnt.
Die blinden Fenster schimmern wundersam,
Als ob die Regenbogensee da wohne.
Tief, tief gerunzelt ragt der schwarze Stamm
Des alten Birnbaums. Schnee scheint seine Krone.
Schafgarben, Winden, Mohn im Ackerraine.
Die Ähren seidig-grün, schon schön geneigt,
Und jede Granne schön im Sonnenscheine.
Der Apfelbaum am Wege, breit verzweigt,
Mit letztem, müdem Blütenschnee geschmückt.
Hagrosen, tief im ersten Blütentraume.
Ein silberhaarig Weib, tief, tief gebückt,
Die Hände vorm Gesicht, sitzt unterm Baume.
Vorm Wetterhimmel überm Blütenschnee
Die scharfe kleine Amselsilhouette.
Schwarz, wie voll Angst, der eingeschloss'ne See
Nah, drohend nah, die blaue Bergeskette.
Fliegende Wolken, jagend, schlank gezerrt,
Nun Blitzeszucken, immer greller, heißer,
Der Schnee der Kirschen immer weißer, weißer –
Das Amselschnäblein singend aufgesperrt.
Ein steiles Städtchen, winklig, träumerisch; –
Man fühlt den Frieden hinter all den Türen,
Man ahnt die Gärtchen und ihr Duftgemisch,
Zu denen die umrankten Pförtchen führen.
Das Fuhrmannzeichen und das Bäckerschild
Sind wie der Inbegriff von guten Tagen.
In all den Mägdlein, die ihr Püppchen tragen,
Sieht man der Mutter künftiges Ebenbild.
Juni 1915.
Stadtmauerkranz; schneeweißer Hollerkranz;
Und zeitversteinte Eichen: – Immer Paare.
Die roten Tore fangen Abendglanz
Und ragen wie verklärt vom Stolz der Jahre.
Behäbig streckt Fritz Reuters Stadt sich aus.
Geranien, Fuchsien quellen vor Behagen.
In dieser Luft erwuchsen Haus bei Haus
Die Helden, die jetzt Deutschlands Feinde schlagen.
Juli 1915.
Der Zug nach Friedland fuhr durch roten Mohn,
Wie wenn er Blut aus sanftem Boden preßte.
Das Kirchdach wuchtet überm lieben Neste.
Das Tor raunt: »Friede dir!« wie ehmals schon.
Am Wall wie heimatstark die Eichenrecken!
Kornfluren fluten jenseits, endlos weit.
Die urzeitschlichten Häuserreih'n verstecken
Das echte Menschenglück, das hier gedeiht.
Juni 1915
Die kleine Stadt bespiegelt ihr Gesicht
Im weiten See – und mag es selber leiden.
Ein Weidenweg steigt auf zum Amtsgericht;
Noch niemals, meinst du, sahst du solche Weiden.
Geplätscher und Geruder allerwege.
Jasmin, reich und gedrängt wie ein Gedicht. – –
Die kleinsten Gören stehn schon auf dem Stege
Und angeln Muttern stolz ein Fischgericht.
Ein schweres Wetter kommt heraufgezogen,
Wachsende Berge, kuppig, sonderbar.
Ein Zorn fliegt über's Meer, die Wellen wogen
Lockig und dunkel, wie Poseidons Haar.
Die Möwen weiß, wie taumelschwere Flocken,
Die Kiefern wie in Flucht vom Meer gewandt.
Ein letzter Funken banger Abendbrand
Zieht rote Bänder durch Poseidons Locken.