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Fünfzehntes Kapitel. Geschichte der beiden eifersüchtigen Frauen

Die Uneinigkeiten, wodurch die Stadt Rom ihrem Untergang nahe kam, streute den Samen der Zwietracht eben zu einer Zeit in die Welt aus, wo die Menschen gleichsam nur eine Seele haben sollten, nämlich im Anfang der christlichen Kirche, deren Mitglieder sie waren. Demungeachtet entstand die Partei der Guelfen und Gibellinen, und einige Jahre nachher die der Capelets und Monteschi. Diese Zwistigkeiten, welche eigentlich in Italien ihren Ursprung hatten, erstreckten sich jedoch weiter und selbst Frankreich blieb nicht davon verschont, es scheint sogar der Apfel der Göttin Zwietracht in diesem Reich die grösste Wirkung gehabt zu haben. Dies geschieht auch noch jetzt, und es ist keine Stadt, kein Flecken, kein Dorf, worin nicht verschiedene Parteien herrschen, woraus täglich schlimme Geschichten entstehen. Mein Vater, der Parlamentsrat zu Rennes war, und mich zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, schickte mich ins Kollegium, um mich dazu tüchtig zu machen. Da ich aber in meinem Vaterstadt war, so merkte er wohl, dass ich nichts lernte, und entschloss sich also, mich nach la Fleche, als dem berühmtesten Jesuitenkollegium, zu schicken. In dieser kleinen Stadt nun ereignete sich das, was ich hier erzählen will, zu ebender Zeit, als ich daselbst studierte. Es waren da zwei der vornehmsten Edelleute, die schon ziemlich bei Jahren und noch unverheiratet waren, wie es bei vornehmen Leuten gewöhnlich zu geschehen pflegt, weil sie nicht dürfen, wenn sie wollen, und nicht wollen, wenn sie sollen. Doch endlich verheirateten sich beide. Der eine, der sich Herr von Fondsblanche nannte, heiratete ein Fräulein von Châteaudun von geringem Adel, aber vielem Vermögen. Der andere nannte sich Herr du Lac und heiratete ein Mädchen aus der Stadt Chartres, die zwar nicht reich, aber sehr schön und aus einem so vornehmen Hause war, dass sie Herzoge, Pairs und Marschälle von Frankreich unter ihre Verwandte zählte.

Diese beiden Herren, die in der Stadt alles galten, lebten immer in sehr gutem Vernehmen, was aber durch ihre Heirat sehr gestört wurde; denn ihre beiden Frauen beneideten einander unaufhörlich, indem die eine auf ihre Geburt, die andere aber auf ihren Reichtum stolz war. Die Frau von Fondsblanche war nicht sehr schön, allein sie hatte ein vornehmes Ansehen, putzte sich sehr, und war sehr freundlich und gefällig gegen jedermann. Frau du Lac war zwar sehr schön, jedoch ohne allen Reiz. Sie hatte viel Verstand, missbrauchte ihn aber so sehr, dass sie eine intrigante und gefährliche Person war. Diese beiden Damen hatten die gewöhnliche Schwäche ihres Geschlechtes, und glaubten nicht vornehm zu sein, wenn nicht jede wenigstens ein Dutzend Liebhaber hätte. Daher wendeten sie alles an, Eroberungen zu machen. Die du Lac war hierin glücklicher als die Fondsblanche und hatte die Jugend der ganzen Stadt und der Nachbarschaft in ihren Fesseln. Diese Eitelkeit verursachte anfänglich ein heimliches Murren, welches bald nachher in offene Médisance ausartete; allein sie änderte deswegen in ihrem Betragen nichts, vielmehr verdoppelte sie ihr Bestreben, neue und mehr Liebhaber noch an sich zu ziehen. Die Fondsblanche war hierin nicht so sehr eifrig, sondern hatte einige um sich, die sie sehr geschickt zu halten wusste; unter diesen war ein junger wohlgewachsener Edelmann, dessen Charakter ganz mit dem ihrigen übereinstimmte, und der einer der berühmtesten Schläger seiner Zeit war. Dieser war ihr Liebling, und seine öfteren Besuche erregten Verdacht, so dass das Gerede laut wurde. Dies aber war der Anlass des Zwistes unter den beiden Damen, denn vorher hatten sie einander, obwohl sie einander neidisch waren, doch noch Höflichkeit halber besucht. Die du Lac fing nun an, von der Fondsblanche ganz öffentlich schlecht zu reden, liess ihre Gänge und Schritte beobachten, und bediente sich tausenderlei Kniffe, um ihren guten Namen zu untergraben. Vorzüglich betraf dies jenen jungen Edelmann, der sich du Val-Rocher nannte. Die Fondsblanche, welche davon erfuhr, blieb dabei nicht stumm, sondern sagte, sie hätte zwar Anbeter, doch nicht dutzendweise, wie die intrigante du Lac. Die andere rächte sich dagegen wieder durch ähnliche Reden, und so lebten sie wie Hund und Katze. Einige gutgesinnte Leute wollten sie versöhnen, aber es war alles umsonst, und man konnte keine bereden, mit der andern zu sprechen. Die du Lac, welche bloss darauf sann, ihrer Gegnerin Missvergnügen zu machen, glaubte sie nicht stärker beleidigen zu können, als wenn sie ihr ihren Liebling, diesen Val-Rocher, abspenstig machte. Sie liess also dem Herrn von Fondsblanche durch bestochene Leute hinterbringen, dass sobald er aus dem Hause wäre, was wegen seiner Liebe zur Jagd und seinen häufigen Besuchen bei dem benachbarten Adel öfters geschah, dieser Val-Rocher seine Stelle im Ehebett ersetzte, und dass glaubwürdige Leute ihn aus seiner Frauen Schlafzimmer hätten kommen sehen. Der Herr von Fondsblanche, der nicht im geringsten misstrauisch war, wurde auf diese Reden doch etwas aufmerksam und sagte seiner Gemahlin, dass er es gerne sehen würde, wenn Val-Rocher seine Besuche einstellte. Sie verteidigte sich aber so gut und brachte ihm so viele Gründe vor, dass er nicht weiter darauf bestand, und ihr wie vorher die Freiheit liess, zu tun, was sie wollte. Als die du Lac sah, dass dies Mittel nicht die gewünschte Wirkung hervorbrachte, fand sie Gelegenheit, mit Val-Rocher selbst zu reden. Sie war schön und nachgebend, zwei Eigenschaften, welche auch das stärkste Herz bezwingen, und ob er gleich noch sehr an der Fondsblanche hing, so wusste sie dennoch diese Fesseln zu zerreissen und ihm stärkere anzulegen. Dies ärgerte die Fondsblanche aufs äusserste, besonders da sie hörte, dass du Val sehr geringschätzig von ihr spräche, und ihr Schmerz wurde einige Monate später durch den Tod ihres Mannes noch vermehrt. Sie betrauerte ihn sehr streng; allein die Eifersucht überwand bei ihr alles Gefühl der Trauer, so dass sie vierzehn Tage nach seinem Tode eine geheime Zusammenkunft mit du Val hatte. Was sie da besprachen habe ich nicht erfahren können, allein die Folge sagte es bald, denn zwölf Tage nachher wurde ihre Heirat bekannt gemacht, so dass sie also in der Zeit von einem Monat zwei Männer hatte, wovon der eine in dieser Zeit gestorben war, und der andere lebte. Dies war unstreitig eine Wirkung der Eifersucht, denn sie vergass darüber nicht nur die Gebote des Witwenstandes, sondern auch alle schlechten Reden, welche du Val auf Anstiften der du Lac gegen sie geführt hatte. Hier traf das Sprichwort ein, dass eine Frau alles vergisst, wenn es darauf ankommt, sich zu rächen, was aus dem Folgenden noch deutlicher werden wird.

Die du Lac war über diese Nachricht ganz ausser sich, suchte jedoch ihre Rachlust so gut als möglich zu verbergen; doch verriet sie diese deutlich genug, indem sie du Val auf einer Reise nach der Bretagne wollte ermorden lassen, wovon er aber noch beizeiten Kunde erhielt und sich besser vorsah. Sie sah nun auch ein, dass sie dadurch ihre Anbeter in die grösste Gefahr setzen würde, und verfiel daher auf ein anderes Mittel, nämlich durch allerhand schändliche Intrigen du Val mit ihrem eigenen Manne zu entzweien. Die beiden zankten sich verschiedenemal heftig und kamen endlich so weit, dass sie einander forderten. Die du Lac hetzte sogar ihren Mann dazu, obgleich er nicht der geschickteste Fechter war, denn sie dachte, dass er dem du Val als einem der besten Fechter nicht würde standhalten können, und nach seinem Tode hoffte, du Val noch der Fondsblanche zu entreissen. Aber es kam ganz anders als sie vermutet hatte, denn du Val, der sich auf seine Geschicklichkeit verliess, nahm du Lac nicht ernst, der sich anfänglich bloss verteidigte, weil er glaubte, der andere würde es nicht wagen, ihm einen Stoss zu geben. Dabei gab er sich eine solche Blösse, dass du Lac ihm den Degen mitten durch den Leib stiess und ihn tot auf den Platz hinstreckte. Er ging sogleich nach Hause und erzählte den Ausgang seiner Frau, die nicht wenig verblüfft und äusserst verstimmt darüber war. Er nahm die Flucht und verbarg sich in dem Haus eines Verwandten seiner Frau, die wie gesagt hohe und vornehme Personen waren, welche sich beim König für ihn verwandten.

Die Fondsblanche war äusserst bestürzt, als sie die Nachricht von dem Tode ihres Mannes hörte; man sagte ihr, dass sie die Zeit nicht mit vergeblichen Tränen verlieren, sondern ihn heimlich beerdigen lassen sollte, damit sich die Justiz nicht in die Sache mischte. Sie musste es also geschehen lassen; und so wurde sie wieder Witwe in weniger als sechs Wochen. Du Lac wurde unterdessen begnadigt und von dem Pariser Parlament für unschuldig erklärt, ungeachtet aller Vorstellungen der Witwe des Verstorbenen, welche die Sache als einen Mord behandelt wissen wollte. Da ihr nun auch dieses fehlschlug, so geriet sie auf einen verzweifelten Entschluss. Sie steckte einen Dolch zu sich, und als sie auf dem Spaziergang an du Lac vorbei ging, überfiel sie ihn unvermutet und mit solcher Wut, dass er sich nicht verteidigen konnte, und gab ihm zwei Stiche in den Leib, woran er drei Tage darauf starb. Seine Frau liess sie hierauf ergreifen und festsetzen. Man machte ihr den Prozess, und die meisten Stimmen waren für Bestrafung: man verurteilte sie zum Tode. Aber die Vollziehung des Urteils wurde durch ihre Erklärung, dass sie schwanger sei, aufgehalten, ob sie gleich nicht sagen konnte, von welchem ihrer beiden Männer. Sie blieb also im Gefängnis. Da sie aber von zarter Leibesbeschaffenheit war, so setzten ihr die schlechte Luft und alle anderen Unbequemlichkeiten des Gefängnisses so sehr zu, dass sie in eine Krankheit verfiel, wodurch sie vor der Zeit entbunden wurde und kurz darauf starb. Das Kind folgte ihr in einigen Stunden nach.

Das Gewissen der du Lac regte sich nun und sie begann über so viele traurige Vorfälle, deren sie Ursache gewesen war, nachzudenken. Sie brachte ihr Hauswesen in Ordnung und fasste den Entschluss in ein Benediktiner-Nonnenkloster zu Sées zu gehen. In diesem Kloster ist sie noch und lebt da in der strengsten Eingezogenheit.«

Die Komödianten und Komödiantinnen hörten noch immer zu, obgleich Herr la Garouffiere lange schon schwieg, als Roquebrune aufstand, um nach seiner Gewohnheit zu sagen, dass es einen schönen Stoff zu einem ernsthaften Gedicht abgäbe, und er entschlossen sei, ein Trauerspiel nach allen Regeln daraus zu verfertigen. Er erhielt aber auf seine Rede keine Antwort. Alle bewunderten den Eigensinn und die Launen der Frauen, welche, wenn sie von der Eifersucht beherrscht werden, leicht zu den äussersten und gefährlichsten Mitteln greifen. Man stritt darüber, ob die Eifersucht eine Leidenschaft sei, aber die Klügsten unter der Gesellschaft behaupteten, sie sei die grösste Störerin der schönsten unter allen Leidenschaften, nämlich der Liebe. Es blieb nun noch genug Zeit bis zum Abendessen übrig, und man fand es für gut, in dem Park spazieren zu gehen und sich dort auf den Rasen zu setzen. Destin sagte, man könne die Zeit nicht angenehmer hinbringen als durch Erzählen hübscher Geschichten, worauf Leander, der bisher noch nie mitgeredet, sondern immer die Rolle des Bedienten gespielt hatte, das Wort nahm und sagte, dass er von dem Eigensinn einer Frau erzählen wolle, die nicht weit von einem seiner Güter wohnte; wenn es nämlich der Gesellschaft angenehm wäre. Alle baten ihn darum, und nachdem er einigemal gehustet hatte, fing er folgendermassen an.

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