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Fünfzehntes Kapitel. Unverschämtheit des Herrn de la Rappinière

Der Rat von Rennes hatte eben seine Geschichte beendigt, als la Rappinière in der Schenke ankam; er ging ganz ungeniert auf das Zimmer zu, worin man ihm sagte, dass Herr la Garouffiere wäre, aber sein Gesicht veränderte sich plötzlich als er Destin in der einen Ecke erblickte und dessen Bedienten in der andern, der erschrocken war wie einer dem man das Todesurteil spricht. La Garouffiere verschloss sogleich die Türe von innen und fragte den tapfern la Rappinière, ob er nicht erriete, warum er ihn hätte holen lassen. »Gewiss wegen der Komödiantin, an der ich auch meinen Teil haben wollte«, antwortete der Lump lachend. »Wie? Euer Teil?« versetzte la Garouffiere mit höchst ernsthaftem Gesicht; »ist das die Rede eines Richters der Ihr seid, und habt Ihr jemals einen schlechtern Kerl hängen lassen als Ihr selbst seid?« La Rappinière wollte noch immer aus der ganzen Sache einen Scherz machen, aber der Ratsherr nahm dies so übel auf, dass er endlich seine schlechte Absicht eingestand und Destin recht ungeschickt um Verzeihung bat, der alle seine Geduld zusammen nehmen musste, um sich nicht an einem Menschen zu rächen, der ihn so grausam beleidigt hatte und der ihm doch das Leben danken musste, wie wir im Anfang dieser Geschichte gesehen haben. Er hatte aber mit diesem Kerl noch eine andere Sache auszumachen, die ihm sehr wichtig war und die er auch dem Herrn la Garouffiere mitgeteilt hatte, der ihm auch versprach, ihm Genugtuung dafür zu verschaffen. So sehr ich auch la Rappinières Charakter studiert habe, so habe ich doch nie herausbekommen können, ob er gegen Gott oder gegen die Menschen am schlimmern handelte und ob er mehr niederträchtig in seiner Person als ungerecht gegen seinen Nächsten war; nur dies weiss ich mit ziemlicher Gewissheit, dass nicht leicht jemand so viele und so grosse Laster und Fehler zugleich besitzen kann wie er besass. Er gestand, dass er Mademoiselle de l'Etoile hätte entführen wollen und tat dies so dreist als ob er sich damit einer guten Handlung zu rühmen gewusst hätte, denn er sagte frech zu dem Schauspieler, dass er nie an dem guten Ausgang dieser Sache gezweifelt hätte, »denn«, sagte er, »ich hatte Euren Bedienten gewonnen, Eure Schwester liess sich überreden und in der Meinung, dass Ihr verwundet wärt, war sie keine zwei Stunden mehr von dem Hause, wo ich sie erwartete, als ich weiss nicht welcher Teufel sie dem Eselskopf abnahm, der sie zu mir bringen sollte, und der mir obendrein ein gutes Pferd damit verloren und viele Prügel bekommen hat.« Destin wurde manchmal blass vor Zorn, manchmal errötete er aber auch vor Scham, als er sah mit welcher Unverschämtheit der Schurke ihm alles sagte, womit er ihn beleidigt hatte, gerade als wenn er ihm eine gleichgültige Sache erzählte. La Garouffiere ärgerte sich auch darüber und empfand den grössten Abscheu gegen einen so schlechten Menschen. »Ich weiss nicht«, sagte er ihm, »wie es möglich ist, uns die Umstände einer schlechten Handlung so dreist zu bekennen, für welche Euch Herr Destin hundert Stockprügel geben wollte, wenn ich ihn nicht verhindert hätte. Allein ich sage Euch, dass es noch geschehen kann, wenn Ihr ihm nicht eine Dose mit Diamanten wiedergebt, die Ihr ihm einstmals in Paris gestohlen habt. Doguin, Euer damaliger Helfershelfer und nachmaliger Diener hat ihm sterbend bekannt, dass Ihr sie noch hättet, und ich erkläre Euch hiermit, dass wofern Ihr die geringste Schwierigkeit macht sie herauszugeben, ich von nun an ebenso Euer unversöhnlicher Feind sein werde als ich bisher Euer Beschützer war.« La Rappinière wurde durch diese unerwartete Rede aus aller Fassung gebracht. Seine Dreistigkeit, eine begangene Schlechtigkeit zu leugnen, verliess ihn hier gänzlich. Er bekannte stotternd, dass er diese Dose zu Mans hätte, und versprach unter den fürchterlichsten Schwüren, die man gar nicht von ihm verlangte, dass er sie herausgeben wollte. Dies war vielleicht eine der aufrichtigsten Handlungen, die er in seinem Leben beging, und doch war sie es nicht ganz so, denn er gab zwar seinem Versprechen gemäss die Dose wieder, aber es war nicht wahr, dass sie in Mans war; denn er hatte sie bei sich in der Tasche, weil er der Mademoiselle de l'Etoile, im Fall sie sich ihm nicht umsonst überlassen würde, ein Geschenk damit machen wollte. Dies gestand er dem Herrn la Garouffiere insgeheim, dessen Gunst er dadurch wieder zu erlangen hoffte, wobei er ihm die Dose in die Hände gab, um damit zu machen, was er wollte. Sie war mit fünf Diamanten von grossem Wert besetzt. Der Vater der Etoile war in Email darauf gemalt, und das Gesicht dieses schönen Mädchens hatte eine überraschende Ähnlichkeit mit diesem Porträt. Destin wusste dem Herrn la Garouffiere nicht genug zu danken, als der ihm die Dose wieder gab. Er sah sich dadurch der Mühe überhoben, sie mit Gewalt von einem Profoss zurückzufordern, der das Wiedergeben gar nicht verstand, und der ausserdem seine Profossgewalt gegen einen armen Komödianten hätte anwenden können, die in den Händen eines schlechten Mannes immer eine gefährliche Sache ist. Als diese Dose dem Destin war entwendet worden, war er sehr traurig darüber gewesen und sein Missvergnügen wurde noch durch das der Mutter der Etoile vermehrt, welche diese Dose als ein Pfand der Liebe ihres Mannes ansah. Man kann sich also leicht vorstellen, dass er hocherfreut war, sie wieder zu erhalten. Er ging, um es der Etoile zu sagen, die er in Gesellschaft von Leander und Angelique im Haus der Schwester des Dorfpfarrers antraf. Sie besprachen ihre Rückkehr nach Mans und beschlossen den andern Tag dahin zu reisen. Herr la Garouffiere bot ihnen eine Kutsche an, die sie aber nicht annehmen wollten. Die Komödianten und Komödiantinnen speisten hierauf mit ihm zu Abend. Man legte sich in der Schenke bald nieder und mit Anbruch des Tags nahmen Destin und Leander, jeder seine Geliebte vor sich auf dem Pferd, den Weg nach Mans, wohin Ragotin, la Rancune und Olive schon vorausgegangen waren. Herr la Garouffiere erbot sich nochmals gegen Destin zu allen Diensten bereit; was aber Madame Bouvillon betrifft, so stellte sie sich kränker als sie war, damit sie von dem Komödianten, der ihre Wünsche so unbefriedigt gelassen hatte, keinen Abschied nehmen brauchte.

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