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Achtes Kapitel.
Meine Hochzeit wird festgesetzt

Am folgenden Vormittag stellte es sich heraus, weshalb Richard meine Handschuhe gewünscht hatte. Kurz vor zwölf Uhr ertönte die Hausklingel, und das Dienstmädchen brachte mir ein Paket. Es war eine kleine Schachtel; darin befand sich ein Brief von meinem Schatz und ein Brillantring.

Der Brief erfreute mich sehr. Alles, was ein treues Herz von Liebe zu Papier bringen kann, war darin gesagt. Ich durchlas ihn wohl zwanzigmal, ehe ich mich überwinden konnte, dieses Heiligtum wegzulegen.

In den ersten Tagen grämte ich mich sehr um Richard, wenn auch im geheimen. Dann tröstete ich mich über seine Abwesenheit und fing an, die Tage zu zählen, die bis zu seiner Rückkehr vergehen mußten. Das Leben hatte einen ganz neuen Reiz für mich gewonnen. Jetzt konnte ich aus dem Fenster schauen, ohne daß der Anblick immer derselben alten Straßen und Häuser mich langweilte, und obgleich ich ebensoviel allein war wie vorher und womöglich noch weniger Neigung verspürte, Freundinnen zu besuchen als je, so übte doch meine Einsamkeit jetzt nicht mehr den niederschlagenden Eindruck auf mich wie früher.

Genau erinnere ich mich nicht mehr dieser ersten Reise meines Bräutigams als Schiffsführer. Er hatte eine Ladung Kohlen nach Kronstadt, dann eine Fracht nach irgend einem andern Hafen Ordre. Als der erste Monat vorüber war, vergingen die Tage schnell genug. Ich hatte, während aus Frühling Sommer wurde, verschiedene Briefe von ihm erhalten; dann kam im August ein neuer Brief, der mich benachrichtigte, ihn gegen den achtundzwanzigsten zu erwarten. Er war nach Hull bestimmt und hoffte dort am zweiundzwanzigsten anzukommen. Er würde im Bestimmungshafen wohl einige Tage aufgehalten werden; jedenfalls könnte ich ihn in Newcastle an dem angegebenen Tage erwarten.

Kurz bevor dieser Brief ankam, hatten mein Vater und ich eine lange Unterredung wegen meiner Hochzeit gehabt.

»Ich halte nichts von langen Verlobungen,« meinte er. »Warten ist ganz schön, wenn man warten muß und es nicht ändern kann; aber wenn man es nicht nötig hat, dann ist das Warten entschieden nicht angebracht. Glaubst du, daß Dick heiraten will, wenn er von dieser Reise zurückkommt?«

»Er wäre ein komischer Liebhaber, wenn er nicht wollte,« war meine Antwort. »Darauf kommt es übrigens nicht an. Werde ich wollen?«

»Na, na, Jeß,« sagte er, »entweder vernünftig reden oder gar nicht. Ich nehme an, daß ihr beide die Absicht habt, sofort zu heiraten, und in diesem Falle ist es am besten, wenn wir das Aufgebot bestellen, ehe Dick an Land steigt. Dann machen wir inzwischen etwas ›Fahrt voraus‹ in der Angelegenheit.«

»Aber wer soll sich um dich bekümmern, Vater, wenn ich fortgehe?«

»Wer sagt, daß du fortgehst?« antwortete er lächelnd. »Ist in diesem Hause nicht Platz genug für dich und deinen Ehemann?«

»Ich dachte, du wolltest das alte Haus verkaufen und nach Shields ziehen, wenn ich heirate.«

»Ja, das war ursprünglich meine Absicht,« rief er aus und schaute langsam mit rührendem Gesichtsausdruck im Zimmer umher. »Ich habe mir aber die Sache überlegt und gefunden, daß ich es doch nicht über das Herz bringen würde, zu gehen, wenn es dazu käme. Es ist wahr, diese Raritäten würden in einer anderen Umgebung wohl besser aussehen. Ich würde das ausländische Thonzeug da ganz gerne auf einem anderen Kaminsims sehen. Die erhabene Arbeit, das Schönste an den Vasen, kann man so hoch oben gar nicht würdigen. Trotz alledem habe ich doch wohl nicht den Mut auszuziehen. Die Erinnerung an deine Mutter, mein Kind, ist mit diesem alten Hause verknüpft, und ich glaube, ich fände in der ganzen Welt keine zweite Wohnung, die mich so anheimelte wie gerade diese alten Zimmer.«

»Es würde sehr hübsch sein, wenn wir drei zusammen wohnen könnten,« bemerkte ich. »Ich wäre stets in deiner Nähe, und wenn Richard zu Hause ist, könnte er dir Gesellschaft leisten.«

»Dann würdest du also nicht mit ihm segeln wollen?« fragte er eifrig.

»Nein,« antwortete ich. »Ich könnte dich nicht allein lassen.«

Er rief mich zu sich und gab mir einen Kuß für diese Bemerkung.

»Immerhin,« meinte er, »können wir diese Dinge auch später besprechen. Wann sagtest du, will Richard hier sein?«

»Am achtundzwanzigsten.«

»Gut, sagen wir am achtundzwanzigsten. Dann schlage ich vor, ich gehe morgen zum Vikar und melde das Aufgebot für nächsten Sonntag an.«

»Nein, nein,« rief ich lachend. »Damit mußt du warten, bis Richard angekommen ist.«

»Unsinn,« rief er. »Du bist immer fürs Warten, Jeß. Wenn Dick dich haben will, wird es ihn nur freuen, zu hören, daß so weit alles klar ist. Will er dich nicht haben, so kannst du dich trotz des Aufgebots bis ans Ende deiner Tage Snowdon schreiben.«

Das war entschieden kein hübscher Scherz, und so machte ich denn auch ein ziemlich ernstes Gesicht und antwortete: »Es würde Richard gegenüber nicht allein unrecht sein, zu handeln, ohne ihn zu fragen, sondern es wäre geradezu taktlos von uns, Vater, und ich muß entschieden Einspruch dagegen erheben, daß du irgend welche Anstalten triffst, bevor wir alle drei über die Sache gesprochen haben.«

»Nun, paß auf, mein Kind,« entgegnete mein Vater, indem er seine Worte mit erhobenem Zeigefinger bekräftigte. »Als ich dir erklärte, daß ich deine Liebschaft in die Hand nehmen und Dick zur Erklärung bringen würde, da ranntest du auf dein Zimmer, und ich mußte erst eine Komödie aufführen, um dich wieder runter zu bekommen. Du weißt, was für Erfolg ich erzielt habe. Denselben Abend bot sich Dick dir als ersten Steuermann an, wie er der meinige gewesen war – ich war zuerst sein Schiffer, und jetzt sollst du es werden. Du hast gesehen, wie fein ich diese Angelegenheit ins reine gebracht habe, wirst also nur weise handeln, wenn du mir auch die Bestimmungen in Betreff der Hochzeit überläßt. Du hast ja doch sonst einen ganz gesunden Verstand; wenn aber Herz und Verstand in Widerstreit geraten, giebt es stets Havarie. Wenn du mir jetzt nicht Vollmacht erteilst, dich sicher in den Hafen der Ehe hinein zu lotsen, wird das letzte und interessanteste Kapitel dieses Romans wohl verpfuscht werden.«

»Das kann ich nicht ändern, Vater,« erwiderte ich. Ich war zu sehr erregt über seinen Vorschlag in Betreff des Aufgebots, um die komische Seite seiner Ausdrucksweise gebührend zu würdigen. »Ich gebe zu, daß du mich und Richard an jenem Abend zusammengebracht hast. Vom Aufgebot kann jedoch keine Rede sein, bis Richard wieder hier ist. Es ist viel besser, wenn du es ihm überläßt. Du hast bereits alles gethan, was du kannst, und was dir zukommt.«

»Nun ich will darüber nicht mit dir streiten,« versetzte er. »Wenn ich mich auch nicht gerade besonderer Menschenkenntnis rühmen will, so kann ich eine Seemannsnatur doch ziemlich genau beurteilen. Und soviel weiß ich: Wenn Dick kein Waschlappen ist, wird er sich freuen wie ein Schneekönig, wenn er bei seiner Ankunft hört, daß die halbe Distanz zum Altar schon zurückgelegt ist. Wenn ich ein junger Mann wäre und hätte einen Schatz an Land, würde es so recht nach meinem Sinn sein, sobald ich meine Reeder besucht und meine Geschäfte erledigt hätte, zu Hause mein Mädchen im Brautkleide fertig zum Kirchgange vorzufinden. Der Pastor ist bereit, die Orgel spielt, und im Eßzimmer steht eine gedeckte, wohlbeladene Tafel, so daß alle Mann gleich loslegen können, sobald die Ringe gewechselt sind. Das ist Janmaats Geschmack und wenn Dick nicht derselben Meinung ist, kannst du mich erst kochen und hinterher essen.«

Trotz all seiner Gründe blieb ich dabei, nichts in Betreff der Hochzeit festzusetzen, bis Richard zurückgekehrt sei, und da der Vater mich so entschlossen fand, beruhigte er sich dabei.

Am Abend des siebenundzwanzigsten saß ich mit meinem Vater am Theetisch, als plötzlich die Klingel gezogen wurde.

»Rede vom Teufel!« rief mein Vater, »ob das nicht Dick ist!« Im selben Augenblick nämlich hatten wir von ihm gesprochen und uns vorgenommen, am nächsten Abend mit dem Abendbrot auf ihn zu warten.

Mit klopfendem Herzen schlich ich zur Thür um zu lauschen. Das Dienstmädchen öffnete, ich hörte seine Stimme, riß die Thür auf und lag in seinen Armen.

Es war ein Wiedersehen, das mich für die lange Zeit des Wartens völlig entschädigte. Mein Vater kam auf den Flur, ergriff Richard und zog ihn mit sich in das Wohnzimmer. Meine Freude war um so größer, weil er vor der bestimmten Zeit eingetroffen war; das Unerwartete erhöhte – wenigstens auf meiner Seite – die Glückseligkeit. Wie gut er aussah! Etwas dunkler, wettergebräunter als beim Abschied; ein gewisses Etwas, das nur das Leben auf hoher See, der Hauch des Ozeans verleiht, lag in seinen Gesichtszügen, und seine dunklen Augen blitzten vor Freude.

»Du bist einen Tag früher hier, Dick,« sagte mein Vater, als sie sich gesetzt hatten, während ich damit beschäftigt war, den Thee für meinen Liebsten zurecht zu machen. »Kommt das daher, weil Jessie dich im Schlepptau hatte?«

»Ganz gewiß, Kapitän, aus keinem anderen Grunde,« erwiderte Richard lachend und folgte mir mit den Augen. »Wir hatten schwere Ladung und lagen bis zu den Rüsten im Wasser. Als wir aber erst in diese Breiten kamen, hab' ich den alten Kasten ordentlich angestrengt. Die Leute dachten, ich wäre toll; denn ich hatte das Groß-Royal beigesetzt und zwar bei einem Wetter, wo ich unter anderen Umständen doppelt gereffte Marssegel hätte haben müssen. Neun Stunden lang, ehe wir Land in Sicht bekamen, strömte das Wasser nur so über den Bug; in Lee stand es halb mannshoch, und vor dem Brausen im Takelwerk konnte man sein eigenes Wort kaum verstehen.«

»So ist's recht!« rief der Vater, der mit freudig glänzenden Augen und großer Teilnahme zugehört hatte. »Biegen oder Brechen! Da sieht man erst, was so ein Kahn leisten kann. Das war auch immer mein Hauptvergnügen.«

»Und was hast du für Neuigkeiten, Jessie?« fragte Richard und zog einen Stuhl zu sich heran, damit ich mich setzen sollte. »Was ist denn in Newcastle passiert, während ich fort war? Seid ihr noch alle ebenso radikal? Haben die Bagger in dem Tyne das arme alte Sunderland schon an den Bettelstab gebracht und die ganze Schifffahrt hierher gezogen?«

»Wenn Sunderland sich nicht in acht nimmt, wird das wohl bald geschehen,« meinte mein Vater.

»Nun, siehst du, daß ich glücklich wieder da bin,« flüsterte Richard mir zu. »Hast du viel geweint, Jessie? Ich hoffe nicht. Oder ist es mit deinem hübschen Gesicht ebenso wie mit den Federn der Seevögel; sie können eine ganze Menge Nässe vertragen, ohne ihre Zartheit und Schönheit zu verlieren?«

»Ich habe mich etwas gegrämt, aber nicht sehr,« antwortete ich. »Und nun, wo du wieder glücklich zurück bist, kommt es mir albern vor, daß ich mich überhaupt gegrämt habe.«

»Was sagst du da?« rief mein Vater. »Sprecht ihr von eurer Hochzeit?«

»Nein,« antwortete ich schnell und errötete.

»Dick,« rief, mein Vater, »weißt du auch, daß Jeß eines der störrigsten Mädchen ist, mit denen jemals ein Vater zu thun gehabt hat? Du wirst es kaum glauben – sie behauptet, sich auf den Seemannscharakter besser zu verstehen als ich. Neulich hatte ich die Absicht, das Aufgebot anzumelden. Ich sagte: ›Wenn Dick kein Duckmäuser ist, freut er sich wie ein Musikant auf dem Jahrmarkt, wenn er nach Hause kommt und hört, daß die Hälfte von seinem Kurs zum Altar bereits zurückgelegt ist.‹ Jessie wollte durchaus nichts davon wissen. Sie meinte, wenn ich nicht mit dir erst darüber redete, würdest du mich für taktlos halten. Wenn man deshalb so genannt wird, weil man jemand, der andere Sachen zu thun hat, Mühe ersparen will, dann kann das Wort keine so schlimme Bedeutung haben.«

»Ich wünschte, das Aufgebot wäre bereits erfolgt,« meinte Richard lächelnd.

»Siehst du!« rief der Vater. »Wer hat nun recht, Jessie?«

Ich war etwas verlegen, mußte aber, als ich dem Vater einen vorwurfsvollen Blick zuwerfen wollte, über sein triumphierendes Gesicht laut lachen.

»Es ist vielleicht ebensogut, daß Sie den Pastor noch nicht besucht haben, Kapitän,« sagte Richard lachend. »Ich glaube, irgend etwas muß noch geschehen, ehe das Aufgebot erfolgen kann. Man muß eine gewisse Zeit in dem Heimatsort der Braut wohnen oder so etwas. Ich weiß damit nicht so genau Bescheid, glaube aber, irgend eine solche Förmlichkeit gehört dazu.«

»Ich weiß nicht,« antwortete Vater. »Vielleicht kann Jeß dich darüber aufklären. Möglicherweise hast du recht. Wundern sollte es mich keineswegs, wenn mit einer so einfachen Sache wie mit einer Hochzeit auch noch irgend welche Flausen verknüpft wären. Die Gesetze lieben es, den Leuten Hindernisse in den Weg zu legen. Wenn die Sache wirklich so ist, dann ist es wohl am Besten, mein Junge, wenn du von Shields wegziehst und hierher kommst.«

»Das ist leicht gethan,« antwortete Richard; »aber ich möchte Ihr Haus nicht belästigen. Jessie wird mir schon sagen, wo ich hier eine passende Wohnung finde.«

»Sprich bloß nicht von belästigen,« sagte der Vater, indem er mir ein Zeichen gab, ihm seinen Tabakskasten zu reichen. »In welchem Hafen hast du denn das Wort aufgegabelt, Dick? Das ist ja noch schlimmer als ›taktlos‹. Diese alte Bude soll doch künftig deine und Jessies Behausung sein. Vielleicht hast du übrigens ganz recht, nicht zu uns zu ziehen, bis du verheiratet bist. Ich verstehe mich nicht auf die Etikette; was ich aber in diesem Punkte etwa noch zu lernen habe, möchte ich nicht erst durch das Geklatsch der Nachbarn erfahren. Doch Jeß und du werdet darüber schon einig werden. Und nun, Dick, wie lange bleibst du denn an Land?«

»Das kommt auf die Umstände an. Die Reeder, glaube ich, werden mir ein anderes Schiff geben, wenn ich mein bisheriges Kommando niederlege,« erwiderte Richard, aus dessen Blicken ich entnehmen konnte, daß er sich herzlich über meines Vaters Art und Weise zu reden freute.

»Darüber beunruhige dich nicht,« meinte der Vater. »Ich stehe dafür, daß du ein Schiff bekommst, sobald du segelfertig bist. Aber ehe du segelst, mußt du verheiratet sein, Dick, und ich bin dafür, daß wir mit dieser Angelegenheit so bald wie möglich zu Ende kommen.«

»Was sagst du, Jessie? Ich bin bereit,« erklärte Richard und beugte sich über mich, indem er seine Hand auf meine Schulter legte.

»Du wirst glauben, daß der Vater es sehr eilig hat, mich loszuwerden.«

»Er wird keinen solchen Unsinn glauben,« unterbrach mich mein Vater. »Weshalb hast du Angst von deiner Hochzeit zu reden, Jeß? Hast du je in deinem Leben einen bedeutungsvollen Schritt gethan? Wenn du glaubst, daß ich es bin, der es so eilig hat, bist du im Irrtum. Ihr seid miteinander verlobt und liebt euch. Weshalb also willst du mir und ihm einreden, du hättest keine Eile, ihn zu heiraten? Wenn ich nicht die Ueberzeugung hätte, daß Dick fürs Leben zu dir stehen wird wie einer von Nelsons Matrosen zu seiner Kanone, würde ich nicht so reden. Die Liebe macht die Menschen schüchtern; sie fürchten mißverstanden zu werden, sind ungewiß und was weiß ich sonst noch. Da ist es Sache der Anderen, die sich für die Angelegenheit erwärmen – wie z. B. meine Wenigkeit – einzugreifen und zu sagen: Kinder, was ihr beide wollt, weiß ich ganz genau und werde euch zeigen, was ihr zu thun habt.«

»Hier ist ein Goldschmiedsladen,« fuhr mein Vater fort, »wo ihr eure Trauringe bekommen könnt. Dort ist die Kirche und darin ein sehr achtbarer, netter alter Herr, der auf euch wartet. Also vorwärts! Das heißt,« fügte er plötzlich hinzu, indem er seine sinnbildliche Redeweise unterbrach und Richard sehr scharf fixierte, »wenn ihr beide es ernst meint.«

»Wenn wir es ernst meinen?« rief Richard, indem er meine Hand ergriff und sie küßte. »Ich kenne mein eigenes Herz und auch Jessies. Dafür stehe ich, Kapitän, daß wir es ernst meinen.«

»Dann,« erklärte der Vater, und zwar mit solchem Nachdruck, daß die Thonpfeife, die er in der Hand hielt, in zwei Stücke zerbrach, »dann macht mir weiter keine Wippchen! Laßt uns vernünftig reden, wie es erwachsenen Leuten zukommt und jetzt sofort das Wann und Wie bestimmen. Und wenn das nach Jessies Ansicht taktlos ist, bleibt uns nichts weiter übrig, als daß wir, wenn wir damit klar sind, uns gegenseitig um Verzeihung bitten, daß wir überhaupt darüber gesprochen haben.«

Schließlich setzte, wie vorauszusehen war, mein Vater seinen Willen durch, und noch ehe ich das Zimmer verließ, um dem Mädchen beim Zubereiten des Abendbrots zu helfen, war mein Hochzeitstag festgesetzt.

So wie an jenem Abend, wo Richard sich mir erklärte, fühlte ich auch jetzt, daß der Vater, obgleich mich zuerst sein kurzangebundenes Wesen etwas geärgert hatte, völlig im Recht sei, daß er mich und meinen Schatz besser kannte als wir uns selber, und daß unser Wiedersehen eben durch die sofortige Festsetzung des Hochzeitstages noch verschönt wurde.

Ich weiß wenigstens, sobald ich das Zimmer verließ, kam es mir vor, als schwebte ich im Walzertakt die Treppe hinunter; so froh und glücklich fühlte ich mich. Der Spiegel neben der Thür zeigte mir ein so strahlendes Gesicht, daß es mir gar nicht mein eigenes zu sein schien, sondern das des leibhaftigen Frohsinns. Ein einziger Gedanke trübte meine Freude, nämlich der Tod meiner Mutter. Meine Heirat konnte mich allerdings nicht zwingen, die Trauerkleider abzulegen, und doch fühlte ich, daß es mit dem Kummer, den ich jedesmal empfand, wenn ich an meine teure Mutter dachte, besser übereingestimmt hätte, die Hochzeit noch bis zum Ende des Jahres zu verschieben. Ich sollte ja aber einen Seemann heiraten.

Wenn er einmal erst England verließ, konnte man ja gar nicht wissen, wann er zurückkehren würde. Dadurch, daß jetzt unsere Herzen vor dem Altar vereinigt wurden und ich dann als Gattin den Himmel in meinen Gebeten anflehen durfte, meinen Gatten in seinen gnädigen Schutz zu nehmen, dadurch wurde doch dem Gedächtnisse meiner Mutter kein Unrecht zugefügt und meine aufrichtige Trauer um sie nicht vermindert.

Unsere Hochzeit sollte in der dritten Woche des September stattfinden, und – augenblicklich wenigstens – hatte ich keine Langeweile mehr. Richard war täglich bei mir, und wir unternahmen während dieser drei Wochen viele Ausflüge – selbst bis nach Morpeth, Rothbury und Durham. Der Vater begleitete uns niemals. Er ließ uns allein, womit wir natürlich sehr einverstanden waren. An der See war unser Lieblingsaufenthalt, am Strande und auf den braunen Felsen von Cullerroats und Whitley oder noch weiter bis nach der Insel St. Mary.

Unsere Trauung sollte in aller Stille in der Kirche stattfinden. Es sollten keine Brautjungfern dabei sein, noch sonst irgend welche öffentliche Schaustellungen. Von den eingeladenen Freunden sollten nur drei, Salmon, Tarbit und dessen Frau als Trauzeugen gegenwärtig sein. Das Frühstück sollte um halb ein Uhr mittags in den ›Drei indischen Königen‹, einem Gasthause unten am Kai, stattfinden. Das alte Haus war ein Stammlokal der meisten Seeschiffer und Reeder; der Wirt hieß Tommy Dodds.


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