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Die Prinzessin im Ei

Das war der kleine Heinz Immermehr, der konnte König werden, wollte aber nicht; lieber nahm er ein Pfund Schokolade.

Sein Geburtstag war, und das ist ein schöner Tag: da schenkt der Vater etwas, die Mutter schenkt, und Onkel und Tante schenken auch, wenn einer Onkel und Tante hat. Heinz Immermehr hatte auf dem größten Tisch in der Stube einen schönen, runden Kuchen stehen, darin staken acht brennende Kerzen; denn er war heute acht Jahre alt geworden, und bei dem großen Kuchen lagen feine, gelbe Schuhe und ein Paar neue Hosen, ein blankes Messer und an Spielzeug dies und das. Aber Heinz Immermehr war damit noch nicht zufrieden, er wollte immer mehr haben, am liebsten Schokolade, und die hatte er nicht gekriegt.

Da ging er im Hause umher, und wer ihm zuerst entgegenkam, das war die Katze; zu der sagte er: »Liebe Katze Pussimau, heute ist mein Geburtstag; was willst du mir schenken?«

»O,« sagte die Katze, »drei junge Mäuse will ich dir fangen.«

»Brr, Mäuse, die mag ich nicht!« rief Heinz Immermehr, »gib mir lieber ein Stück Schokolade!«

»Das tut mir leid,« sprach die Katze, »Schokolade, die hab' ich nicht.«

Ging Heinz Immermehr also weiter, und im Stalle, da traf er die Kuh.

»Kuh Bukuba,« sagte der Junge, »heute ist mein Geburtstag. Was willst du mir schenken?«

»Wenn du ein bißchen warten willst, will ich dir frische Milch schenken.«

»Frische Milch? Danke schön! Das ist nichts Besonderes, die bekomme ich alle Tage.«

Dann ging er hinaus auf den Hof, da waren Gänse und Enten.

»Ente Schnattertante,« sagte Heinz Immermehr, »heute ist mein Geburtstag; was willst du mir schenken?«

»Das hätte ich eher wissen sollen,« antwortete die Ente, »ich hab' vor wenig Augenblicken ein ganz großes Ei gelegt. Das hattest du kriegen können; aber nun hat es die Magd gerade aus dem Nest genommen. Doch wenn du wirklich ein Ei haben willst, meine Base, die weiße Witschelwatschelgans, muß gleich eins legen; das wirst du wohl bekommen können.«

Das war Heinz Immermehr zufrieden. Ein großes Gänseei, das bekam er nicht alle Tage, und auch die weiße Witschelwatschelgans war es zufrieden. Als sie hörte, daß des kleinen Knaben Geburtstag wäre, versprach sie, ein ganz besonderes Ei zu legen, wie es in der Welt noch nicht dagewesen sei. Er solle nur nach einer Viertelstunde im Garten nachsehen, hinter den Stachelbeerbüschen, da würde er es finden.

Als die Gans das gesagt hatte, watschelte sie weg, und nach einer Viertelstunde ging Heinz Immermehr hinter die Stachelbeerbüsche. Die Gans war nicht mehr da, aber das Ei leuchtete wirklich aus dem Grase hervor; das war ein ganz besonderes Ei, so groß, wie man es noch nicht auf der Welt gesehen hatte, viel, viel größer als ein Straußenei.

Als der kleine Junge das große Ei sah, schlug er die Hände über dem Kopfe zusammen, so verwundert war er, und dann rief er aus: »O, was für ein großes Ei! Das ist ja gar kein Ei, das ist ein Kürbis, und so gelb sieht es auch aus. Das ist wirklich das Beste, was ich heute zum Geburtstag bekommen habe!«

Nun trat er näher hinzu, und weil das Ei so groß war, konnte er es nicht in die Tasche stecken; er konnte es nicht einmal aufheben. Da nahm er einen Griffel, den er in der Tasche hatte; den faßte er bei der Spitze, und dreimal schlug er damit vorsichtig gegen das Ei. Das klang wunderbar hell, so daß der kleine Junge ganz erschrocken war; aber horch! da tönte es von innen wie mit feiner, süßer Stimme:

»Stärker, schlag stärker zu!
Das Licht will ich sehn,
Will auf silber- und golddurchwirktem Schuh
Mit dir zum Springetanze gehn.
Stärker, schlag stärker zu!«

O, kriegte der kleine Junge einen Schrecken! Da war wer im Ei, und das schien kein Küken zu sein; denn solch ein kleines Küken, das sagt bloß piep. Stärker sollte er schlagen? Da nahm er das Taschenmesser, das er zum Geburtstage bekommen hatte, und damit schlug er fest gegen das Ei; aber es ging noch nicht entzwei. O, war das aber ein festes Ei!

Horch, da tönte wieder die Stimme; ganz deutlich glockenhell klang sie jetzt:

»Stärker, schlag stärker zu!
Wenn du so schwach bist, muß ich lachen.
Kannst du das nicht tüchtiger machen?
Krachen muß es, ordentlich krachen.«

»Na,« dachte der Junge, »wenn es krachen soll, mir schon recht!« und nahm einen alten Besenstiel, der da herumlag und gar nicht wußte, wozu er eigentlich noch auf der Welt war. Den nahm er und schlug mit aller Macht gegen das Ei, daß es nur so krachte, und er traf es so gut, daß es in zwei gleichen Schalen auseinander sprang. O Wunder, da gab es aber etwas zu sehen! In der einen Schale lag ein Pfund Schokolade, und in der andern saß ein wunderniedliches Mädchen, so fein und klein, das hatte Kleider aus Samt und Seide, und in seinem hellen Haar, da trug es eine kleine Krone, darin war ein Stein, der funkelte wie ein schöner Stern bei der Nacht.

»Ei, was hat das denn zu bedeuten?« fragte Heinz Immermehr.

»Ja,« sagte das kleine Mädchen, »weil heute dein Geburtstag ist, kannst du dir das aussuchen, was du am liebsten haben willst. Da liegt ein Pfund Schokolade, die kannst du gleich kriegen, kannst sie auch aufessen, heute und morgen oder übermorgen. Ich aber, ich bin die Prinzessin Astrella. Ich will deine Braut sein und wie eine Schwester bei dir wohnen, und wenn wir beide groß geworden sind, dann werde ich deine Frau, und du sollst König werden. Nun mußt du wählen, willst du mich haben oder die Schokolade?«

O je, das war aber eine Frage! Der kleine Heinz Immermehr meinte: »Kann ich nicht gleich die Schokolade haben und später auch König werden?«

»Nein,« sagte die Prinzessin, »nur eins von beiden.«

Da dachte der Junge eine Weile nach; er sah erst das kleine Mädchen an und dann die Schokolade, und dann sprach er: »Ja, weißt du, du bist ein ganz feines Mädchen, und König sein, das ist auch sehr schön; aber das dauert mir doch zu lange, bis du groß bist; ich will lieber die Schokolade nehmen.« Und hast du nicht gesehen! grapste er sie aus der Eierschale heraus.

Als die Prinzessin das sah und hörte, fing sie hell an zu lachen. Sie klatschte in die Hände, und dann rief sie: »O du dummer Heinz Immermehr, wenn du mich genommen hattest, wärst du König geworden, und dann hättest du dir jeden Tag ein Pfund Schokolade kaufen können! Nun ist es zu spät. Leb wohl!«

Als sie das gesagt hatte, schau! da hob sich die Eierschale, worin sie saß, ganz leicht empor, als wenn es ein Luftschiff wäre, und flog der blitzenden Sonne entgegen. Noch immer beugte sich die feine, kleine Prinzessin über den Rand und rief ihm mit ihrer glockenhellen Stimme zu: »O du dummer Heinz Immermehr, dummer Heinz Immermehr!« Und das dauerte nicht lange, dann war sie mit ihrem Schiff in dem zarten Blau des Himmels verschwunden.

Unten auf der Erde stand noch immer Heinz Immermehr und guckte nach oben. Er sagte nichts; er fing langsam an, von seiner Schokolade zu knabbern. O du dummer Heinz Immermehr!

*

 


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