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Dicht beim Walde stand das Försterhaus und dicht beim Hause der Backofen. Darin brannte ein tüchtiges Feuer; denn Rixa, die Magd, hatte gebacken, und das Brot sollte bald hinein. Zwischen Haus und Backofen war der Weg mit Steinen gepflastert, und da spielte Wulf, des Försters Sohn, mit seinen Soldaten. O, das war ein toller Kerl, der kleine Wulf, und seine Soldaten hatten es nicht gut bei ihm. Er wollte alles allein zu sagen haben, und wenn einer von ihnen einmal umfiel, dann bekam er noch Schläge dazu. Die Soldaten waren alle Türken, und die können schon etwas vertragen, aber daß er sie manchmal ganze Nächte draußen liegenließ, das paßte ihnen doch nicht; denn sie hatten kein Zelt, und darum wurden ihre bunten Röcke von Wind und Regen immer schäbiger und schlechter.
Nun kam Rixa, die Magd aus dem Hause heraus und wollte nach dem Feuer sehen.
»Stillgestanden!« kommandierte der kleine Wulf, »steht nicht alle so windschief da, und klappert nicht mit den Zähnen! Wenn euch friert, kommt ihr in den Ofen hinein!«
Da standen die Soldaten aber! Sie hatten es wirklich mit der Angst gekriegt. Bloß der alte, bunte General, der sonst so stolz auf seinem Pferde saß, bekam das Wackeln. Sein Schimmel hatte ein lahmes Hinterbein, und deshalb stand er sowieso nicht mehr ganz fest, und als Rixa nun rasch vorbeilief, da machten ihre Röcke so viel Wind, daß er sich nicht mehr halten konnte: bauz! fiel er um, und da lag er.
»Bist du aber ein Kerl,« rief der kleine Wulf, »fällst um, wenn ein paar Röcke wehen! Du willst ein General sein? Weißt du was? Du wirst abgesetzt! Du taugst zu weiter nichts, als daß du umgeschmolzen wirst,« und damit nahm er ihn beim Kopf und warf ihn in den glühenden Backofen hinein.
Da wurde Rixa sehr böse und rief: »Was, einen alten, verdienten General wirfst du ins Feuer! Das sollte deine Mutter wissen! Leider ist sie tot; aber deinem Vater will ich's sagen.«
Der kam gerade aus dem Hause heraus, die Doppelflinte auf dem Rücken, und nun kriegte er es gleich zu hören; aber er lachte dazu.
»Vater,« sagte Wulf, »die Soldaten sind aber auch wirklich zu dumm. Ich wollte, sie wären so groß wie du; ich wollte, sie wären lebendig, das wäre ein anderes Spiel. Ja, Vater, du sollst sie mir lebendig machen!«
»Na, dann gib mal einen davon her,« sagte der Vater, und als er ihn hatte, blies er ihn dreimal an und sagte nur: »Witschi, wutschi, watsch! Hinten einen Patsch!« aber der Soldat wuchs nicht davon und wurde auch nicht lebendig.
»Nee, mein Junge,« sagte der Förster dann, »sie lebendig machen, das kann ich doch nicht. Frag mal Knacks, unsern alten Knecht; der wird's wohl können.« Und als er das gesagt hatte, pfiff er seinem großen Hunde und ging in den Wald, um den Wilddieben ein paar blaue Bohnen auf den Pelz zu brennen.
Gleich ging Wulf zum Knecht und sagte: »Alter Knacks, du sollst mir meine Soldaten lebendig machen!« Aber der guckte ihn verwundert an und antwortete: »Mein Jung', so was kann ich nicht. Da mußt du zu Arend Scheper gehen, das ist ein Hexenmeister.«
Gut, ging der Junge zu Arend Scheper; das war der alte Schäfer, der hütete seine hundert Schafe auf einer großen Weide dicht beim Walde.
»Du, Arend Scheper,« sagte Wulf, »bist du ein Hexenmeister?«
»Jawohl,« antwortete Arend Scheper, »wenn der erste Mai kommt, flieg' ich immer mit nach dem Blocksberg.«
»O, das ist gut,« meinte Wulf, »da kannst du mir auch meine Bleisoldaten lebendig machen!«
»Das ist nichts,« sagte der Schäfer, »das kannst du auch. Du stellst sie alle in Reih' und Glied, pustest sie dreimal an –«
»Das hat mein Vater auch schon getan, aber es hat nichts geholfen.«
»Ja, man muß dazu sagen: ›Blee un Tinn, Leben rin!‹ und dann wirst du ja sehen.«
»Das will ich gleich mal machen!«
»Halt!« rief der Schäfer, »und wenn sie dir nicht gehorchen wollen, dann sagst du bloß: ›Tinn un Schrot, all' wedder dot!‹ und bums! sind sie wieder klein und zahm.«
Das hörte der Junge nur noch halb. Flink wie die Schwalbe huschte er heim, und nun stellte er sein ganzes Heer auf. Da waren drei Kompanien Fußsoldaten, und in jeder Kompanie standen zwölf Mann, und vor die Fußsoldaten stellte er ein Schwadron Reiter, das waren auch zwölf Mann, und überher ein dicker Wachtmeister, der kam ganz vornhin, und zu beiden Seiten standen die Kanonensoldaten, eine Kanone an jeder Seite und fünf Mann dabei. Als nun alles fertig stand, kniete er nieder und blies sie dreimal an und sagte laut: »Blee un Tinn, Leben rin!« Und rups, schwups, Wunder, o Wunder! da ward das ganze Heer lebendig, und die Soldaten wuchsen viel schneller, als große Bohnen wachsen, und rups, schwups! waren sie dem kleinen Jungen über den Kopf gewachsen, vor allem die Reiter, die sahen ganz von oben auf den kleinen Kerl herab, der zu ihren Füßen lag.
Als der nun sah, was für eine gewaltige Armee er hatte, sprang er auf, reckte sich und rief laut: »Achtung! Alle Türken stillgestanden!« Meint ihr aber, die hätten gehorcht? O nein, sie fingen laut an zu lachen, so laut, daß Rixa aus dem Hause herausgelaufen kam, und als sie das große Getümmel sah, schrie sie: »Wulf, Wulf, was ist das?«
»Alle meine Soldaten!« rief Wulf, »und nun wollen wir mal sehen, wer hier Herr ist! Nochmal stillgestanden! Und wer nicht gehorchen will, der fliegt in den Backofen hinein, geradeso wie euer General!«
Da ging aber ein Gebrüll los: »Der General, wo ist der General?« Und das Gebrüll wäre noch viel schlimmer geworden, wenn sich der dicke Wachtmeister nicht im Sattel umgedreht hätte; der rief mit Donnerstimme: »Stillgestanden!« Und da war alles still, und keiner rührte sich, als waren sie wieder aus Blei.
»Kameraden,« sagte der dicke Wachtmeister. »Seht ihr den Knirps da? Ich denke, wir kennen den Bösewicht. Sonst war er größer als wir, und wir haben uns schinden müssen den ganzen Tag, immer stramm stehen, immer auf dem Posten, und nicht einmal satt essen dafür und nachts kein trocken Stroh. Und heute, was hat er heute getan? Heute hat er unsern alten General, als er mit seinem kranken Schimmel umgefallen ist, unsern General hat er genommen und ihn in den glühenden Ofen geworfen.«
»Dafür muß er bestraft werden,« schrie die ganze Armee.
»Jawohl, dafür soll er bestraft werden,« sagte der dicke Wachtmeister. »Achtung, erste Kompanie! Ihr nehmt den Bösewicht gefangen und stellt ihn dort gegen die Mauer! – So, so ist's gut. Achtung, ladet das Gewehr! Nun will ich zählen: Eins, zwei, drei! und auf drei drückt ihr ab, und dann ist er mausetot.«
»O Gott, o Gott!« rief Rixa, die Magd, »ihr Soldaten, so was dürft ihr nicht! Das sag ich seinem Vater!«
»Hoho!« rief die erste Kompanie, »sollen wir die auch gegen die Wand stellen?«
»Nein,« sagte der Wachtmeister, »die hat gescholten, als er unsern General ins Feuer warf. Die soll leben bleiben. Lauf weg, alte Hex'!«
Da lief Rixa in den Wald hinein und suchte den Vater; aber der Junge stand ruhig an der Wand und fing laut an zu lachen, als die Soldaten ihre Flinten hoben.
»Was, ihr Kümmeltürken,« rief er laut, »ihr meint, weil ihr groß seid, könnt ihr mit mir machen, was ihr wollt! Wart, ich will euch schon klein kriegen. All' wedder dot! Nein: Tinn un – Tinn un – all' wedder dot!« – O Gott, o Gott, da fehlte ihm ein Wort, und das wollte ihm nicht wieder einfallen! Tinn un – o Gott! und nun beberte dem kleinen Jungen die Büx.
In diesem Augenblick guckte Knacks, der Knecht, um die Ecke; als er aber sah, was dort geschehen sollte, beberte ihm auch die Büx, und er verschwand wieder um die Ecke und lief auf die Heide.
»Achtung!« kommandierte der Wachtmeister, »eins –«
»Halt!« rief da eine Donnerstimme, und der Förster kam, der trat ganz fest dazwischen. »Takelzeug, was macht ihr hier auf meinem Hofe?«
»Wir üben Gerechtigkeit,« gab der Wachtmeister zur Antwort. »Der Knirps dort hat unsern General ins Feuer geworfen; dafür wollen wir ihn gleich totschießen.«
»Das verbiete ich euch!« sagte der Förster streng. »Das wär' was Schönes, wenn ich so was leiden wollte! Für einen halben Taler hab' ich euch gekauft, in einer Schachtel habt ihr alle gelegen, und nun soll den Wachtmeister der Kuckuck holen!« Er hob seine Doppelflinte, legte auf ihn an, zielte, und bum, bum! gingen alle beiden Schüsse vorbei. Nein, so etwas war dem Förster bei den Wilddieben noch nie geschehen.
»Achtung!« kommandierte der Wachtmeister ganz ruhig, »die zweite Kompanie nimmt den Kerl da gefangen und stellt ihn auch gegen die Wand! Auf den zielt ihr! Ich kommandiere noch einmal: Eins, zwei –«
»Na, was ist hier denn los?« fragte da ganz gemütlich irgendwer. Und wer kam da? Der alte Arend Scheper kam, und bei ihm war sein Hund, und hinter ihm kamen seine hundert Schafe, und ganz hinten stand auch noch Knacks, der Knecht, dem beberte noch immer die Büx, und noch weiter hinten Rixa, die Magd.
»Was hier los ist?« sagte der Wachtmeister grob.
»Der Junge da hat unsern alten General ins Feuer geworfen, und nun wird er samt seinem Vater totgeschossen.«
»Das will ich aber nicht haben,« sagte Arend Scheper.
»Dann wirst du auch totgeschossen,« rief der Wachtmeister wild. »Wir sind alle Türken; wir machen uns nichts draus. Achtung! Dritte Kompanie, nehmt den alten Hexenmeister gefangen und stellt ihn ebenfalls gegen die Wand! Achtung die Reiterei! Ihr nehmt all' die Schafe gefangen! Achtung die Kanonensoldaten! Ihr schießt das Haus in Brand, darin wollen wir gleich die Schafe braten; ich habe Hunger. Alles fertig?«
Alles war fertig. An der Wand stand Wulf und sein Vater und mitten zwischen ihnen der alte Arend Scheper, der rauchte ruhig seine Pfeife, und ihm beberte nicht die Büx.
»Achtung!« kommandierte der Wachtmeister, »wenn ich nun bis drei gezahlt habe, dann schießt ihr aber wirklich los! Eins, zwei und –«
»Hahaha!« lachte da der alte Schäfer, » Tinn un Schrot, all' wedder dot!« und rumps, bums! o wie schnell wurden da die Soldaten wieder klein, kleiner als Zwerge, und sie rührten weder Arm noch Bein!
»Sieh so, mein Jung,« sagte Arend Scheper zum kleinen Wulf, »nun pack sie man alle rasch wieder in deine Schachtel! – Das war aber ein feines Spiel, was? Ich muß aber sagen: einen alten General, den darf man wirklich nicht so mir nichts, dir nichts ins Feuer werfen.«
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