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Neuntes Buch

Am 25. November, am Fest der heiligen Katharina, wurde Herr von Lauzun verhaftet.

Ich muß wohl Gott noch danken, daß mich dieser Schlag nicht plötzlich getötet hat. Denn nur seine Gnade hat dies verhindert. Und fast möchte ich wünschen und darum beten, daß es Gottes Weisheit gefallen möge, mir ein noch Furchtbareres zu schicken, worüber ich das Vergangene vergessen könnte.

* * *

Ganz aus heiterem Himmel, ganz und gar unerwartet kam das Entsetzliche. Ich war, fast gleichzeitig mit Herrn von Lauzun, von Saint-Germain nach Paris gegangen. Lauzun hatte beschlossen, an jenem Fünfundzwanzigsten, der ein Mittwoch war, nach Saint-Germain zurückzukehren, ich selber wollte ihm am Tag darauf folgen.

Als wir an diesem Mittwoch-Abend zu Tafel saßen, bemerkte ich, daß einer meiner Lakaien der Gräfin von Nogent etwas ins Ohr flüsterte, worauf sie sich erhob und hinauseilte. Das gab mir jedoch nicht den geringsten Verdacht, ich blieb sogar nach Aufhebung der Tafel noch eine geraume Zeit bei meiner Gesellschaft, ehe ich mich nach meinem Schlafzimmer verfügte. Hier fand ich Frau von Nogent. Sie rief mir schon von weitem zu: »Herr von Lauzun ...«

Ich unterbrach sie. »Was sind das für Manieren,« rief ich, »ich glaubte ihn bereits in Saint-Germain und nun ist er hier.«

Denn ich dachte in meinem Wahn nicht anders, als daß er da sei und daß man ihn durch die Garderobe in mein kleines Schlafzimmer habe eintreten lassen. Frau von Nogent sah mich entsetzt an.

»Was ich Eurer Königlichen Hoheit sagen wollte: mein Bruder ist verhaftet.«

Das Wort traf mich dergestalt, daß ich eine halbe Stunde ohne Besinnung blieb.

Was man mir später über die näheren Umstände mitzuteilen wußte, war wenig, aber schlimm genug. Sein Kamerad, der Herr von Rochefort, hatte ihn auf seinem eigenen Zimmer zu Saint-Germain erwartet, hatte ihm bei seinem Eintritt den Degen abgefordert und ihn darauf nach der Hauptwache abgeführt.

Ich mag keine Worte darüber machen und vermöchte es auch nicht auszusprechen, in welchen Zustand ich geriet, als mir über die schreckliche Tatsache kein Zweifel mehr blieb.

Gott allein weiß, was ich litt, wie seine Gnade allein mir Kraft gab, die Folgen zu ertragen.

Ich fühlte mich ganz außerstand, am andern Tag nach Saint-Germain zu gehen. Dennoch rieten meine Freunde mir dringend, die Reise nicht aufzugeben oder auch nur zu verschieben. Ich brach am Freitag auf.

Es war bereits Abend, als ich in Saint-Germain im alten Schlosse ankam. Den König sah ich erst, als er zum späten Nachtmahl erschien. Ich blickte ihn an mit Tränen in den Augen; er schien mir traurig und in großer Verlegenheit gegen mich. Darum schwieg ich. Bei Frau von Montespan sagte er nach dem Essen, daß ich klug gehandelt und ihn mit meinem Schweigen sehr verpflichtet habe.

Seine Majestät ging tags darauf nach Versailles und von da, am zweiten Tag, nach Villers-Cotterets, um seinen Bruder und die neue Herzogin zu begrüßen, die dort bereits eingetroffen waren.

Er kam ganz begeistert zurück. Die »Neue« sei über die Maßen gescheit und in jeder Beziehung ihrer Vorgängerin überlegen.

Sie traf am andern Tag mit ihrem Gemahl in Saint-Germain ein. Das schwere Brokatkleid stand ihr gut zu Gesicht und entsprach auch der Jahreszeit besser als der dünne hellblaue Tasset, mit dem sie in Metz paradiert hatte. In Deutschland tragen die Prinzessinnen im Winter ausschließlich Pelzwerk. Sie hatte sich der Mode ihrer neuen Heimat anbequemen wollen und war lächerlicherweise ins andere Extrem verfallen.

Um den König nicht gegen mich aufzubringen, mußte ich bei allen Bällen und Komödien erscheinen, die man der grobknochigen Pfälzerin zu Ehren gab. Ich fügte mich, weil ich wußte, daß es der König von mir erwartete. In Gedanken beschäftigte ich mich einzig mit Herrn von Lauzun und seinem entsetzlichen Schicksal.

Die Kälte war diesen Winter außergewöhnlich streng, und ich hatte keine Ahnung, wo man ihn hintransportiert habe. Der Schmerz zerriß mir die Seele und die andern verlangten von mir, daß ich ihre Lustbarkeiten teile.

Ich hoffe aber, der König wird das Opfer anerkennen, das er mich bringen sieht, und meine Gegenwart, denke ich, wird ihm einiges Mitleid gegen Herrn von Lauzun einflößen. Wenn ich nicht Herrn von Lauzun zu nützen glaubte durch mein Betragen, hätte ich mich, so leidenschaftlich ich auch den König liebe, sofort von allem zurückgezogen, um in der Einsamkeit das Los des Freundes zu beweinen und Gott zu bitten, ihm die Kraft und die Geduld zu verleihen, die er jetzt so nötig braucht.

* * *

Ich weiß nicht, ob ich in diesen Blättern schon einmal den Namen Pignerol geschrieben habe. Vielleicht bei der Gelegenheit, als ich von der Verhaftung des Finanzministers Fouquet sprach, der in dieser grausigen Felsenfeste hoch in den savoyischen Alpen sein Leben hinschmachtet bis auf den heutigen Tag.

Dahin haben sie nun auch Herrn von Lauzun gebracht. Herr von Artagnan, ein Hauptmann von den Musketieren, der mit seinem Neffen und einem jungen Fähnrich Herrn von Lauzun auf Befehl des Königs begleitet hatte, ist zurückgekehrt und hat mich über die ganze Reise unterrichtet.

Wenigstens ist Lauzun in guter Gesundheit zu Pignerol angelangt. Aber seine Haft ist eine ungewöhnlich harte. Tinte und Papier sind ihm versagt. Seinen Diener durfte er nur beibehalten, nachdem dieser auf Eid versichert hatte, die enge Haft seines Herrn unverbrüchlich teilen zu wollen. Beide sind von jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen.

* * *

Über die Gründe dieser Verhaftung wußte man erst gar nichts. Sie kam aller Welt so unerwartet wie mir selber.

Unterdessen erzählt man sich allerlei, und es liegt nah, daß viele seine Ungnade mit unsern beiderseitigen Eheabsichten in Verbindung bringen. Wofür der Mensch keine Erklärung weiß, dafür sucht er eine und begnügt sich leicht mit der oberflächlichsten.

Ich für meinen Teil finde die einzig vernünftige Erklärung darin, daß das Unglück mit Vorliebe die Unschuldigen trifft. Ich habe sein Betragen immer musterhaft gefunden und war darin stets in voller Übereinstimmung mit dem König.

Mit Folgendem aber mag er sich selber geschadet haben, obwohl ich auch in diesem Fall sein Verhalten nicht tadeln kann.

Kurz nach dem Widerruf der Königlichen Erlaubnis zu unserer Verehelichung wollte ihn der König zum Herzog erheben und zum Marschall von Frankreich ernennen, Lauzun schlug diese Gnaden aus mit der Begründung, daß nichts in der Welt imstande wäre, ihn zu trösten oder gar für den erlittenen Verlust zu entschädigen. Er dankte dem König untertänigst für seine gnädige Gesinnung und bat ihn, ihm für immer sein Wohlwollen zu bewahren, ihn aber nicht mit Gunstbezeugungen zu überhäufen, die er nicht verdiene.

Ein solches Auftreten wurde von vielen streng beurteilt. Sie fanden, daß dies, einem König gegenüber, allzu stolz gehandelt sei.

Ich weiß nicht, ob der König selber sich davon verletzt fühlte. Aber offenbar haben Lauzuns Feinde seine Haltung bei dieser Gelegenheit benutzt, um ihm beim König zu schaden. Der Staatskanzler Le Tellier hat ihn nie geliebt. Und dessen Sohn, der Minister Louvois lebte stets in offener Feindseligkeit mit ihm. Er konnte es nicht ertragen, daß Herr von Lauzun dem König näher stand als er selber, Lauzun wurde oft in so intimer Weise vom König ausgezeichnet, wie es Herrn von Louvois trotz seiner großen Verdienste nie widerfahren ist. Diesen brauchte der König, aber liebte ihn nicht. Er soll ihn sogar einmal, was ich aber nicht glaube, in Gegenwart des Herrn von Lauzun wegen aufbrausenden Betragens beohrfeigt haben.

Die ganze Art des Herrn von Lauzun mußte solchen Geschäftspedanten wie Louvois und Colbert zum Ärgernis gereichen. Herr von Lauzun behandelte stets alles rein Geschäftliche dem Scheine nach fast geringschätzig und war im dienstlichen Verkehr von einer zurückhaltenden Knappheit, die ihm viele als verletzenden Hochmut auslegten.

Auch die Gräfin von Montespan wurde in Verbindung mit seiner Verhaftung genannt. Ich halte alles, was man sich darüber erzählt, für boshafte Erfindungen.

Es mag richtig sein, daß sie seine Geliebte war, ehe der König sie kannte, aber warum hätte sie ihn deswegen später hassen sollen? Mir war die Gräfin immer eine aufrichtige Freundin.

* * *

Der König findet die »Neue« tüchtiger. Nun, tüchtig mag sie sein, diese Pfälzerin, häßlich aber ist sie auch.

Sie hat die ausdruckslosesten kleinen Schlitzaugen, die man sich denken kann.

Ihre kurze klumpige Nase, ihre breiten ungeformten Lippen und hängenden Backen übertreffen jede Vorstellung.

Ihr Gesicht überhaupt ist wie mit Gewalt in die Länge gezerrt. Mit einem Wort, sie ist ein rechtes Scheusal von Häßlichkeit.

Kein weiblicher Reiz ist ihr eigen. Alles an ihr wirkt männlich hart, landsknechtmäßig. Deutsch ist sie bis zur Unausstehlichkeit. Niemand wird sie hier je lieben können.

Und ihrer Erscheinung entsprechen ihre Liebhabereien. An unsern Hof paßt sie wie ein Hurone in die Akademie. Sie hat nur Sinn für Hunde und Pferde.

Dies letztere gefällt dem König.

Von ihrem intimen Leben erzählt man sich entsetzliche Dinge. Sie soll weder Kaffee noch Schokolade anrühren, und eine dicke Biersuppe – welch ein Greuel – mit grobem pechschwarzem Brot sei ihr tägliches Frühstück.

* * *

Heute ist nach langwieriger Krankheit meine Stiefmutter gestorben.

Ich habe sie nicht wiedergesehen; ich habe nicht Abschied von ihr genommen.

Als man mir sagte, daß ihre Krankheit sich verschlimmere, schickte ich täglich zu ihr, um mich nach ihrem Befinden erkundigen zu lassen. Sie ließ mir nie ein freundliches Wort zukommen.

Denn sie hat es mir bis an ihr Ende nicht verziehen, daß ich sie nach dem Tode Seiner Königlichen Hoheit, meines in Gott seligen Vaters, aus dem Teil des Luxemburg verdrängt habe, den sie mit ihrem Gemahl bis dahin bewohnt hatte. Ich durfte aber als Eigentümer des Palastes und namentlich in meiner Eigenschaft als Tochter meines Vaters mich nicht mit der geringeren Wohnung begnügen. Das hätte auch der König nicht gestattet.

Drei Tage vor ihrem Tode ließ sie sich in den Garten hinuntertragen. Ich stellte mich ans Fenster, ob sie mir vielleicht ein Zeichen geben würde, zu ihr zu kommen. Sie hatte mich auch erblickt, aber tat nicht dergleichen.

Nun ist sie tot.

Sie hat mich immer mißhandelt. Was sie mir zum Trotz und zum Arger tun konnte, hat sie getan.

Es war also nicht an mir, sie um Verzeihung zu bitten. Wenn ich zu ihr gegangen wäre, ohne daß sie mich rufen ließ, hätte sie vielleicht meinen Schritt für reine Schadenfreude ausgelegt; diese Überlegung hinderte mich, sie zu besuchen, obwohl ich sie nah am Tode wußte.

Als Christin hätte ich ihr gerne verziehen und alles vergessen, was sie mir angetan hat.

* * *

Hohe Fürstin!

Indem der nicht Unterzeichnete Eurer Königlichen Hoheit diese Zeilen zugehen läßt, von denen er nicht weiß, wie Eure Königliche Hoheit sie aufnehmen werden, tut er es einzig aus dem Grund, weil er sich dazu in seinem Gewissen für verpflichtet hält, nicht aber, wie es scheinen könnte, um andern Personen, welche diese auch seien, in den Augen Eurer Königlichen Hoheit zu schaden.

Dem Schreiber ist nicht unbewußt, daß Eure Königliche Hoheit die Gräfin von Montespan für Dero aufrichtigste Freundin hält. Er will nicht behaupten, daß Eure Königliche Hoheit sich darin irrt. Der Schreiber hat nicht die Absicht, sich hierüber auszulassen. Er weiß aber, daß Eure Königliche Hoheit sehr in Unruhe ist über den wahren Grund der plötzlichen Verhaftung des Herrn Grafen von Lauzun, der sich noch bis vor kurzem in einem Grad der Gunst des Königs erfreute wie kein zweiter seiner Untertanen.

Diese Verhaftung ist das Werk der Gräfin von Montespan.

Der Schreiber dieser Zeilen will keineswegs in Abrede stellen, daß die Gräfin nicht aus reiner Freundschaft für Eure Königliche Hoheit gehandelt hat. Die Gräfin war vielleicht in ihrem Herzen überzeugt, Eurer Königlichen Hoheit damit einen wahren Freundschaftsdienst zu erweisen, sowenig auch ihre Handlungsweise, wenigstens in den Augen Eurer Königlichen Hoheit, nach einem solchen aussehen mag.

Eurer Königlichen Hoheit ist vielleicht nicht unbekannt geblieben, daß die Gräfin von Montespan sich in der Lage befindet, einen gewissen Günstling des Königs, der jetzt in Ungnade gefallen ist, besser zu kennen als Eure Königliche Hoheit, die vielleicht nicht einmal weiß, ja ich muß sagen, nicht wissen kann, daß es zwischen Mann und Frau Beziehungen gibt, ich will sagen Augenblicke gibt, wo jede Maske und jede Verhüllung zu fallen pflegt und der Mensch sich in seinem wahren Gesichte zeigt.

In solchen Beziehungen, in solchen Verhältnissen, in solchen Augenblicken hat die Gräfin von Montespan jenen Günstling gekannt, der jetzt in Ungnade gefallen ist. Eure Königliche Hoheit kann unmöglich in völliger Unwissenheit hierüber geblieben sein.

Der gedachte Günstling ist Eurer Königlichen Hoheit immer erschienen als ein Ausbund von Zurückhaltung und Uneigennützigkeit. Daß sich derselbe gegen Dero Absichten immer bis zur Unmanierlichkeit gesperrt hat, war Eurer Königlichen Hoheit Beweis genug für die Uneigennützigkeit eines Menschen, der dennoch das gerade Gegenteil davon ist.

Eure Königliche Hoheit konnte nicht ahnen, daß der gedachte Günstling ein Meister der Verstellung ist, der nicht seinesgleichen hat. Er hat sich auch in seiner Berechnung nicht geirrt. Der Überfeine, der Überschlaue spielte Eurer Königlichen Hoheit gegenüber den Stolzen, den Barschen, den Zugeknöpften.

Er kannte Eurer Königlichen Hoheit Charakter und hat seine Maske danach eingerichtet. Indem er in seinem Betragen oft bis zur Unhöflichkeit ging und dann wieder, unter dem Schein höchster Ehrerbietung, zu fliehen, ja zu fürchten schien, was er doch so heiß wünschte, hat er Eurer Königlichen Hoheit geraden und stolzen Sinn betört. Mit Mitteln, auf die allerdings nicht so leicht ein anderer verfallen wäre, hat er es verstanden, sich im stolzesten und unabhängigsten Herzen der Welt einen Thron zu errichten. Je mehr er Eure Königliche Hoheit über seine geheuchelte Zurückhaltung in Angst und Bangen sah, desto größer war sein geheimer Jubel.

Ich rede wieder von der Gräfin von Montespan. Sie hat vielleicht diesen Charakter schon erkannt, ehe noch der Name des Mannes zu Eurer Königlichen Hoheit Ohren gekommen. Wenn aber damals die Gräfin sich vielleicht noch täuschen konnte, so hat der gedachte Günstling doch in der letzten Zeit dafür gesorgt, ihr auch nicht mehr die kleinste Illusion zu lassen.

Denn zu gleicher Zeit, als der gedachte Günstling sich so uneigennützig gegen Eurer Königlichen Hoheit Absichten sperrte, hat er alles getan, die Gräfin zu bestimmen, den König für die Verwirklichung dieser Absichten zu gewinnen. Er hat aber mit Recht an dem guten Willen der Gräfin gezweifelt, die Grund genug haben mochte, sich gegen ihn zu verstellen. Denn der gloriose Günstling hat diese Dame einst in geradezu unwürdiger Weise beleidigt.

Um sich zu vergewissern, ob er nicht, wie er befürchten mußte, von der Gräfin zum Narren gehalten werde, griff derselbe zu einem Mittel, dessen Würdigkeit ich der Beurteilung Eurer Königlichen Hoheit überlasse. Er versteckte sich im Schlafzimmer der Gräfin unter deren Bett, um auf diese Weise die Unterredung zwischen dem König und der Gräfin zu belauschen. Bei dieser Gelegenheit hörte er, was er mit so guten Gründen befürchtet hatte, und nachdem der König kaum das Zimmer verlassen, trat er hervor und behandelte die Dame mit Ausdrücken, die vor Eurer Königlichen Hoheit zu wiederholen wohl niemand den Mut finden dürfte.

Die spätere Verhaftung des gedachten Günstlings war die Antwort der Gräfin auf seine Insulten. Vielleicht aber ist Frau von Montespan überzeugt, und das oben Gesagte legt dies sehr nahe, durch ihre Handlung nicht nur ihre Rache befriedigt, sondern auch Eurer Königlichen Hoheit einen wahren Freundschaftsdienst erwiesen zu haben ...

Acht Tage ist es her, seit mir dieser Brief durch die Lyoner Post zugegangen ist. Ich geriet darüber in eine unbeschreibliche Verwirrung. Denn man muß zugeben, das infame Schreiben ist in so geschickten Wendungen gehalten, daß ein stärkerer Geist als der meinige, der aus so vielen Erschütterungen nicht ungetrübt hervorgegangen ist, davon irre gemacht werden könnte. Aber mein Glaube an Lauzun siegte zuletzt über die Fallstricke des Bösen. Und heut habe ich mich entschlossen, den Brief der Gräfin Montespan zu zeigen.

»Warum weist Ihr mir das?« sagte sie mit schmerzhaftem Lächeln. »Ihr wißt doch selber, was für erbitterte Feinde Herr von Lauzun hat. In der Gunst des Königs haben sie ihn vernichtet, es bleibt ihnen nur noch übrig, ihn ebenso aus Eurem Herzen zu verbannen. Der Brief ist mit wahrhaft teuflischer Berechnung geschrieben. Ihr seht aber, daß sein Schreiber mich noch mehr haßt als Herrn von Lauzun. Er scheint meine Partei zu nehmen und jedes Wort zielt doch nur darauf, mich in Euren Augen zu vernichten.«

Sie schien wirklich zu befürchten, daß ich in die Falle gehen könne, doch mußte sie sich zuletzt meinen lebhaften Versicherungen ergeben und wir umarmten uns mit großer Herzlichkeit.

Sie gestand mir, wegen des Schreibens einen gewissen Verdacht zu haben, bat mich aber, sie nicht danach zu fragen.

* * *

Der König, der seit dem Tod des Kardinals selbständig regiert, gönnt es gern allen seinen Untertanen, sich wenigstens einmal in der belebenden Sonne der Majestät zu wärmen. Mit Vorliebe erweist er diese Gunst den neu erworbenen Provinzen. Jetzt hat er beschlossen, den Elsaß zu besuchen.

Ich hatte gehofft, diese Zeit auf meinem Schloß Eu zu verbringen, um in ländlicher Zurückgezogenheit meinem Schmerz und meiner Trauer zu leben; aber der König hat mir ausdrücklich befohlen, die Königin auf dieser Reise zu begleiten.

Und ich darf ihm nicht einmal grollen, sein Befehl entspringt wohl der besten Absicht. Gewiß ist der König überzeugt, mir eine Wohltat zu erweisen, indem er mich mit Gewalt den düstern Gedanken entreißt, die ich mir in der Einsamkeit zur Gesellschaft lade.


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