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Sechstes Buch

Saint-Germain, 19. Oktober.

Seit vierzehn Tagen sind wir zurück. Von der englischen Angelegenheit war zum Glück keine Rede mehr. Statt dessen scheint der Prinz Karl von Lothringen wieder aus der Versenkung aufzutauchen. Irgendein Schreckgespenst hat man immer bereit für mich.

Ich lasse mich nicht mehr beunruhigen. Zwar weiß ich, daß sich der Verwirklichung meiner geheimen Absichten große Schwierigkeiten entgegenstellen, aber sie sollen mich nicht schrecken. Zum König habe ich großes Vertrauen. Seine Freundschaft und Güte, die er mir bei jeder Gelegenheit erweist, wie auch die Zeichen von Hochschätzung und besonderer Gnade, die er Herrn von Lauzun immer von neuem widerfahren läßt, berechtigen mich zu meinen kühnen Hoffnungen.

Bedenklich nur macht mich immer wieder das zurückhaltende Betragen Lauzuns. Dennoch mag ich ihn nicht darum tadeln. Er folgt nur dem Gebot höherer Klugheit.

Verstanden hat er mich, daran ist kein Zweifel mehr. Aber er will, daß ich meine volle Freiheit so lang als möglich behalte, daß ich Herr meiner Entschließungen bleibe bis zum letzten Augenblick. Und so sucht er ängstlich zu verhüten, daß ich das entscheidende Wort ausspreche, durch das ich mich dann, und vielleicht zu meinem Bedauern, gebunden fühlen könnte.

Zwar tut er mir Unrecht, indem er an die Möglichkeit denkt, daß ich in meinen Entschlüssen wankelmütig werden könnte. Aber zuletzt ist doch sein Handeln von einem seltenen Zartgefühl bestimmt.

Je näher ich Herrn von Lauzun kennen lerne, desto mehr bewundere ich seinen außerordentlichen Charakter, desto mehr überzeuge ich mich, nicht nur, daß er der Würdigste ist, den ich wählen könnte, sondern daß ihn auch die Welt am freudigsten als solchen anerkennen wird.

* * *

Herr von Lauzun ist für einige Tage nach Paris gegangen, da weiß ich mir nun nichts Besseres, als mit seiner Schwester zu plaudern, und wenn ich aus Schicklichkeit auch nicht immer die Rede auf ihn bringen darf, so denke ich dabei doch einzig an ihn.

»Ihr werdet Euch erstaunen,« sagte ich ihr heut, »wenn man vielleicht schon in den nächsten Wochen von meiner Hochzeit reden wird. Ich will noch morgen die Erlaubnis des Königs einholen, in vierundzwanzig Stunden kann alles entschieden sein.«

Die Gräfin hörte mir ernst und aufmerksam zu, umsonst forschte ich in ihren Zügen, ob sich drin etwas verriete, aus dem ich schließen könnte, daß sie an ihren Bruder denke.

»Und seid Ihr gar nicht ein wenig neugierig,« begann ich von neuem, »mir scheint, Ihr müßtet leicht erraten, wer mein Erwählter sei.«

»Prinz Karl ohne Zweifel?« antwortete sie.

»Ach nein,« rief ich lebhaft, »es ist ein Mann ganz anderen Kalibers und ein Mann von ganz anderen Verdiensten. Auch ist es lange her, daß er mein Herz erobert hat. Er weiß, wie es um mich steht, obwohl er aus übertriebenem Respekt keine Ahnung haben will. Und nun ratet ... Ach nein,« wehrte ich, »Ihr würdet nicht an ihn denken, er ist augenblicklich in Paris, doch wird er diesen Abend zurückkommen.«

Ob sie harmlos genug ist, um nicht zu wissen, daß ich von ihrem Bruder sprach?

 

24. Oktober.

Herr von Lauzun hielt sich lange Zeit am Spieltisch der Königin, ich stand im Gespräch mit Vetter Orléans, der bestrebt war, mir die Vorzüge einer neuen Pomade auseinanderzusetzen. Als sich Seine Königliche Hoheit entfernt hatte, trat Lauzun zu mir.

»Ob ich mich in der Komödie amüsiert hätte, eigentlich sei das Stück doch recht langweilig.«

Man hatte den »Lügner« von Corneille gegeben.

Ich mußte gestehen, daß ich diese Komödie auch nicht besonders liebte, daß ich seine ernsten Stücke vorzöge. »Über alles liebe ich den herrlichen Cid«, rief ich aus, »und bedaure, daß Seine Majestät so geringen Gefallen daran findet und überhaupt von Corneille so wenig wissen will, der doch unser erhabenster Dichter ist.«

»Seltsamer Enthusiasmus,« entgegnete Herr von Lauzun. »Diese Dichter schreiben doch eigentlich nur fürs Volk. Was sollen sie dagegen einem König, einem Helden zu sagen haben? Nichts. Sie haben ja alles von ihm. Ihre ganze poetische Herrlichkeit, wo sollten sie sie hernehmen, wenn nicht von den Königen und Helden. An sich ist der Dichter ein armer Schlucker. All seine Reichtümer sind erborgt. Der aber, der von uns borgt, was sollte der uns zu geben haben?«

Alles sieht Herr von Lauzun anders, als jeder andere.

Wie er mich im höchsten Grade verblüfft sah über seine ungewöhnlichen Begriffe von Welt und Dichtung, wandte er mir plötzlich den Rücken und kehrte an den Spieltisch zurück.

 

Versailles, Abend vor Allerheiligen.

Wer hätte geglaubt, daß unsere Base Orléans, die arme Henriette von England, ihrer Mutter so schnell folgen würde. Ist sie überhaupt eines natürlichen Todes gestorben? Ist sie vergiftet worden? Hat gar ihr Gemahl ihren Tod auf dem Gewissen? Das sind Fragen, worüber die Historiographen vielleicht in alle Ewigkeit streiten werden. Im Umlauf sind die widersprechendsten Gerüchte.

So viel ist sicher, dieser Tod und seine Umstände waren ein tristes und demütigendes Schauspiel. Wer vermöchte es da noch, stolz zu sein und sich zu erheben über die übrige menschliche Kreatur.

Ich will die Vorgänge erzählen, wie ich sie erlebt habe.

Als ich am Dienstag aus der Messe kam, meldete mir der Graf von Ayen, Ihre Königliche Hoheit die Herzogin liege zu Saint-Cloud im Sterben. Der König habe vor einer Stunde seinen Leibarzt Vallot nach Saint-Cloud geschickt. Das Schlimmste aber sei, daß man von Vergiftung spreche.

Die Königin war zum Ausfahren bereit, ich bestieg mit den andern ihren Wagen. Jedermann bestätigte das Gerücht von der Vergiftung. Man sprach von nichts anderem. Die Königin schien bereits von allem unterrichtet. Folgendes war ihr hinterbracht worden. Die Herzogin hatte am Abend eine Tasse Zichorienwasser getrunken, und wenige Minuten darauf hatte sie ausgerufen, daß sie sterben müsse, daß es ihr sei, wie wenn sie Feuer in den Eingeweiden habe.

Wir waren im Park ausgestiegen und promenierten längs des großen Kanals, als man uns meldete, daß es mit der Herzogin zum schlimmsten stehe. Eilig kehrten wir zurück und fanden den König, der gerade in seinen Wagen stieg, um nach Saint-Cloud zu fahren. Er lud mich ein, mitzukommen.

In Saint-Cloud fanden wir nicht die geringste Bestürzung. Vetter Orléans zeigte sich höchst erstaunt über unser Kommen.

Dennoch schien mir die Kranke auf den ersten Blick hoffnungslos. Sie saß mit ungeordneten Haaren und aufgeknüpftem Hemd, die Wangen blaß und eingefallen, die Nase schon ganz spitz, auf ihrem Bett, in schrecklichen aber erfolglosen Anstrengungen, sich zu erbrechen. Die Damen Montespan, La Vallière und andere umstanden weinend ihr Lager. Ich kann nicht sagen, wie mich der Anblick erschütterte.

Die Gräfin von Montespan erzählte mir, daß Ihre Königliche Hoheit zu beichten verlangt habe, daß man nach dem Pfarrer von Saint-Cloud geschickt, den sie in ihrem Leben nicht gesehen.

Vetter Orléans näherte sich mir.

»Seht Ihr nicht,« flüsterte ich ihm zu, »daß Eure Frau stirbt? Soll sie denn ohne geistlichen Beistand bleiben?«

Er zuckte die Achseln: »Ihr wißt selber,« antwortete er, »daß ihr Beichtvater, der schöne und stattliche Kapuziner, wohl dazu geeignet war, in ihrem Wagen neben ihr zu sitzen und vor dem Pöbel als Aushängeschild zu dienen, aber zu was Ernstlichem ist der doch nicht zu brauchen. Wenn ich nur wüßte, wen man rufen soll. Da sein Name in alle Gazetten kommt, muß es doch jemand sein, mit dem man auch Ehre einlegt.«

Ich meinte, an solche Eitelkeiten sollte man in so schwerer Stunde nicht denken.

»Nun hab' ich's,« meinte Vetter Orléans, »rufen wir den Abbé Bossuet, den man erst jüngst zum Bischof von Meaux gemacht hat und der Ihrer Königlichen Hoheit nicht unbekannt. Das ist ein Mann, mit dem man sich sehen lassen kann.«

Der König trat herzu. »Warum man nicht nach den Sakramenten schicke, allem Anschein nach sei es höchste Zeit.«

Vetter Orleans wurde etwas verlegen, er entschuldigte sich damit, daß man warten wollte, bis Seine Majestät sich entfernt habe, weil sonst der König verpflichtet wäre, das hl. Sakrament zur Kirche zurückzubegleiten, was man Seiner Majestät ersparen möchte.

Die Kranke suchte sich aufzurichten, und der König, dem die Tränen in den Augen standen, umarmte sie zum Abschied. Ich stand ihr weinend zu Füßen, ich fand nicht den Mut, ein Gleiches zu tun. Ich fürchtete, in lautes Schluchzen auszubrechen.

Wir fuhren nach Versailles zurück.

* * *

Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht und ich war keines andern Gedankens fähig, als daß nun die gute Herzogin sterben werde und daß mich Vetter Orléans dann wahrscheinlich heiraten wolle.

Die Zukunft zeigte sich mir wieder einmal dunkler und ungewisser als je.

Ich hatte gut mir wiederholen, daß ich ja meiner Sache sicher sei, daß mich keine Gewalt der Welt von meinen Vorsätzen abbringen werde. In dieser Nacht war mir das alles nur ein schlimmer Trost. Denn ich sah im Geist voraus, welch langwierige Widerwärtigkeiten mir bevorstünden, wie ich eine geraume Zeit verstreichen lassen müßte, bevor ich Vetter Orléans definitiv ablehnte, und dann wieder eine geraume Zeit, um mit meinen eigenen heimlich gehegten Absichten hervorzutreten. Die Vorstellung dieser langen Kämpfe und Unsicherheiten wollte mich zur Verzweiflung bringen.

In diesem Zustand meldete man mir den Tod der Herzogin, sie war drei Stunden nach Mitternacht verschieden, wenige Tage vor ihrem vierundzwanzigsten Geburtstag.

* * *

Herr von Lauzun machte mir vorhin anläßlich dieses Todes einen Schicklichkeitsbesuch. Ich gestand ihm freimütig, daß ich es der guten Herzogin noch nachträglich übelnehmen möchte, zu ihrem Sterben einen für mich so ungeschickten Augenblick gewählt zu haben.

»Ja,« meinte er mit Überzeugung, »das Ende dieser Unglücklichen verhindert wohl mit einem Schlag alle Eure Absichten.«

»Verzögert sie,« rief ich, »sie zu verhindern wird nichts in der Welt imstande sein, und niemand, der mich kennt, sollte so etwas von mir glauben.«

* * *

Wenn die Herzogin wirklich vergiftet worden ist, so konnte doch das Zichorienwasser das Gift nicht enthalten haben, denn einige ihrer Damen haben ebenfalls davon getrunken, auch kann man nicht glauben, daß ihr Apotheker sich zu einer so gefährlichen Sache hergegeben hätte. Einige meinen, gewiß sei die Tasse durch Einreiben vergiftet worden. Das war für andere ungefährlich, da aus der Tasse der Königlichen Hoheiten sonst niemand trinkt. Im Zusammenhang damit hört man wieder oft den Chevalier von Lothringen nennen. Er ist aus seiner Hast auf den Hyèrischen Inseln entlassen und soll sich in Rom herumtreiben. Jedermann ist geneigt, zu glauben, daß er das Gift besorgt hat.

* * *

Man sprach bei der Königin von der Verstorbenen. Nach Tisch kam der König dazu, das Gespräch wurde fortgesetzt, ich sah, wie ihm die Tränen in die Augen traten.

Ganz plötzlich wandte er sich an mich: »So ist nun also ein Platz frei, meine Base, wollt Ihr ihn einnehmen?«

Ich wurde blaß wie der Tod.

»Ihr seid der Herr, Sire,« antwortete ich mit kaum verhaltenem Zittern, »Ihr wißt, daß ich keinen andern Willen habe als den Euren.«

Er drang weiter in mich, aber ich erwiderte, daß ich ihm nichts zu sagen hätte als die eben abgegebene Erklärung. Darauf meinte er, ich scheine der Sache ja wenig geneigt.

Aber ich hüllte mich in Schweigen.

»Nun,« versetzte er zum Schluß, »ich werde mir den Fall überlegen, und wir reden später davon.«

Die Königin erhob sich für ihre Ausfahrt, ich folgte ihr. Man sprach auf der ganzen Fahrt von nichts als dem unheimlichen Tod der Herzogin. Auch die Königin nannte jetzt den Chevalier von Lothringen. Der könne wohl von Rom aus das Gift besorgt haben.

»Er weiß sehr wohl,« fügte Ihre Majestät hinzu, »daß er seine Einkerkerung und Verbannung unserer Verstorbenen zu danken hat.«

 

4. Nov.

Eben nahm ich von neuem Gelegenheit, Herrn von Lauzun abermals zu beteuern, daß der bedauernswerte Todesfall die Verwirklichung meiner geheimen Herzensangelegenheiten wohl in ärgerlicher Weise verzögern, daß aber keine Macht der Welt mich je dahin bringen könne, darauf zu verzichten.

»Ich will endlich meinen Neigungen folgen dürfen, und ich werde unerschütterlich bleiben in meinen Entschlüssen.«

»So habe ich Euch nichts mehr zu sagen,« erwiderte er mir, »wie ich auch nicht die Zeit habe, länger zu verweilen.«

Damit machte er mir eine steife Verbeugung und ging.

Zu meinem Glück weiß ich, daß er nur aus hofmännischer Klugheit so spricht und handelt.

 

5. Nov.

Der König hatte befohlen, daß seine sämtlichen Ärzte und Chirurgen, mit Hinzuziehung derjenigen der englischen Botschaft, die Leiche der verstorbenen Herzogin öffneten und untersuchten. Sie haben ein Protokoll aufgesetzt, wonach die Herzogin an einer Krankheit gestorben ist, die sie Cholera morbus nennen. Der englische Arzt hat sich aber geweigert, dieses Protokoll zu unterzeichnen, und der König von England soll des festen Glaubens sein, daß seine Schwester mit Zustimmung ihres Gemahls vergiftet worden. Er habe durch seinen Botschafter Beschwerde führen lassen beim König, doch darüber weiß ich nichts Näheres.

* * *

In anderer Art beschäftigt der Herr von Montespan die Chronique scandaleuse des Hofes. Der Mensch macht sich lächerlich. Obwohl er ein wenig mein Verwandter ist, muß ich doch sagen, das geht gegen alle guten Sitten und feine Erziehung.

Man kann ihm nicht übelnehmen, daß ihm die intime Freundschaft seiner Frau mit dem König nicht ansteht. Er sollte aber wissen, was ein Edelmann sich schuldig ist. Den Namen des Königs fortwährend mit Bibelsprüchen zu vermengen, ist zu geschmacklos.

Ich habe ihm heut gehörig den Kopf gewaschen. Da er, wie gesagt, mein Verwandter ist, durfte ich mir das erlauben.

Es half aber alles nichts. »Wenn mir der König jetzt nicht Rede stehen will,« rief er aus, »einst, vor dem jüngsten Gericht, wird er mir nicht ausweichen. An den Haaren werde ich Seine Majestät vor den Stuhl des ewigen Richters zerren und meine Frau von ihm verlangen.«

Wie lächerlich! Wie abgeschmackt.

Dabei will er nicht, daß seine Frau schuldig sei. Sein ganzer Groll kehrt sich gegen die Gräfin von Montausier, von der er, und wahrscheinlich nicht mit Unrecht, annimmt, daß sie den ganzen Handel eingefädelt hat.

* * *

Ich besuchte Vetter Orléans im Palais Royal. Er schien sehr wenig betrübt über den erlittenen Verlust.

Er hatte den Prinzessinnen lange Trauermäntel machen lassen, auch der jüngsten, die noch an der Brust ihrer Amme trinkt, und er wollte, daß die guten Kinder in diesem Aufzug die Kondolenzbesuche Ihrer Majestäten empfingen.

Bei der Rückkunft in den Louvre erzählte ich dem König von meinem Besuch. »Ich rate Euch,« meinte Seine Majestät, »nicht über eine Toilettenfrage zu spotten, wenn mein Bruder die Hand im Spiele hat; er würde es Euch in seinem Leben nicht verzeihen.«

Als der König hierauf wegging, um sich in den Ministerrat zu begeben, trat Herr von Lauzun in das Kabinett. Die Gelegenheit einer Aussprache konnte sich nicht günstiger geben. Herr von Lauzun begann mit der Versicherung, wie aufrichtig er sich freue, daß ich nun bald Seine Königliche Hoheit heiraten werde.

»Ich habe anderes im Sinn,« lautete meine Erwiderung.

»Das schlagt Euch aus dem Kopf,« entgegnete er ernst, »ich kenne den Willen des Königs. Ihm zu widerstreben ist unmöglich. Ich selber«, fuhr er fort, »wünsche diese Heirat allerdings aus reinem Egoismus. Ich war der aufrichtige Freund Eurer Vorgängerin, und ich schmeichle mir, auf die Fortsetzung dieses Verhältnisses im Hause Orléans rechnen zu dürfen. Vielleicht verliere ich auch dabei, vielleicht entzieht Ihr mir Euer Vertrauen; aber Eure Größe, Eure Stellung in der Welt liegt mir mehr am Herzen, als mein eigener Vorteil.«

»Ich aber«, fuhr ich empört heraus, »will nun einmal nichts mehr wissen von dieser Stellung in der Welt.« Und ich fühlte, wie mich die Ungeduld packte.

Ich wäre vergangen vor Schmerz und Verzweiflung, wenn ich gedacht hätte, daß er im Ernst so spräche.

 

Paris, am Abend von St. Sylvester.

Schon wieder stehen wir vor einem neuen Jahr. Ich habe bisher wenig auf diesen regelmäßigen Periodenwechsel geachtet und nie war mir ein Tag wichtiger als der andere. Aber wie sollte ich diesmal gleichgültig bleiben! Muß doch dieses »Neue« in endgültiger Weise über mich entscheiden! Aber wie? Noch ist alles unsicher.

Und was wird sein am nächsten St. Sylvester?

 

Luxemburgpalast, 5. Januar.

Nein, wahrlich, ein Schmeichler ist Herr von Lauzun nicht.

Ich habe ihm vor kurzem meinen kleinen Roman »Die Prinzessin von Paphlagonien« zu lesen gegeben. Er hat ihn mir, ohne ein Wort, durch seinen Kammerdiener zurückgeschickt.

Aber das Schlimmste folgte heut, im Louvre, als wir uns nach der Tafel bei der Königin einen Augenblick allein fanden.

»Eure Königliche Hoheit«, begann er, »wird vielleicht eine harte Wahrheit mir nicht übelnehmen. Sie betrifft Dero literarischen Geschmack. Schon lange sehe ich mit tiefem Schmerz, wie Eure Königliche Hoheit sich lächerlich machen – durch die Protektion eines Mannes, wie dieses Abbé Cotin, den der Hanswurst Poquelin, genannt von Molière, in seinen ›Gelehrten Frauen‹ erst unter dem Namen Tricotin, dann unter der noch boshafteren Bezeichnung ›Trisotin‹, der Verachtung des Pöbels preisgegeben hat. In der Seele tut es mir leid zu sehen, wie Eure Königliche Hoheit sich den geringschätzigsten Bemerkungen aussetzen, allein diesem Cotin zuliebe, der mit seinem albernen Liebesgeversel die ernste Predigerkanzel, die er nebenbei einnimmt, zum Spott des Volkes macht. Er hat ja auch mehr als ein anderer dazu beigetragen, daß das Hotel von Rambouillet und seine Gesellschaft, wozu Eure Königliche Hoheit ebenfalls einmal gehörte, ganzallgemein in Mißkredit gekommen ist, dergestalt, daß der Name der »Preziösen«, worauf Eurer Königlichen Hoheit literarische Freundinnen sich ehemals so viel zugute taten, heute bereits als Schimpfname umläuft ...«

Was mir dieser Mann alles sagen darf!

Er ahnt vielleicht nicht einmal, wie tief er mich verletzt hat; denn wahrhaftig, ich beugte mich demütig vor seinem harten Urteil.

Wie ein gescholtenes Waisenkind stand ich vor ihm.

 

27. Februar.

Die Gräfin von Montespan beklagte sich heute bei mir über das skandalöse Betragen ihres Mannes. Ich wußte nicht, was ich ihr sagen sollte. Es ist ihre Sache, sie muß selber sehen, wie sie zurechtkommt.

Ich wollte sie gerade verabschieden, als die Gräfin von Montausier wie außer sich hereinstürzte. Der Herr von Montespan war auf ihr Zimmer gedrungen und hatte ihr einen Auftritt gemacht, hatte ihr solchen Schimpf ins Gesicht geschleudert, daß man es nicht wiederholen kann.

»Ein Glück noch,« rief sie, »daß ich mit meinen Frauen allein war; wenn ein Kavalier oder auch nur ein Lakai zugegen gewesen wäre, ich hätte den unverschämten Menschen Hals über Kopf zum Fenster hinausschmeißen lassen.«

* * *

Will man mich ganz zur Verzweiflung bringen? Herr von Lauzun weicht immer hartnäckiger all meinen Anspielungen aus. Fast mit einer Art Hohn wiederholt er mir bei jeder Gelegenheit, daß mir diesmal nichts übrigbleibe, als mich dem Willen des Königs zu fügen.

»Ich habe in der letzten Zeit mein Leben damit hingebracht,« sagte er mir heut, »über die phantastischen Luftschlösser nachzudenken, von denen mir Euere Königliche Hoheit ehemals zu erzählen geruht. Wenn Ihr tatsächlich dabei an eine bestimmte Person gedacht habt, so muß ich diese Person aufrichtig bedauern. Doch was ist uns ein Unbekannter? Ihr selber steht mir näher, und ich mag an nichts denken als die Größe und Herrlichkeit, die Eurer wartet. Ihr wißt aber, daß mir Seine Königliche Hoheit der Herzog von Orléans ohnedies nicht grün ist, weil ich der Freund der Verstorbenen war. Wenn man uns immer beisammen sieht, wird er glauben, daß ich Euch gegen ihn aufhetze. Ich bitte darum Eure Königliche Hoheit alleruntertänigst um die Gnade, mich von heute an nicht mehr anzureden.«

Und ohne mich auch nur eine Minute lang hören zu wollen, verließ er mich. Ich eilte auf mein Zimmer, ein heftiger Weinkrampf erschütterte meinen Körper; ich mußte mich auf mein Bett werfen und mein Gesicht in den Kissen vergraben, um nicht laut aufzuschreien.

Ich mag niemand mehr unter die Augen treten, ich fühle mich so elend, und die Angst, daß man mir's ansehen könnte, bringt mich vollends außer aller Fassung.

Zum Glück naht sich die Zeit meiner Brunnenkur, das ist ein willkommener Vorwand zur Flucht. Könnte man doch ans Ende der Welt entfliehen. Und wenn ich nur erst den Abschied vom König hinter mir hätte.

* * *

Nicht umsonst habe ich mich so vor diesem Abschied gefürchtet.

»Ihr wißt vielleicht bereits,« empfing mich Seine Majestät, »wie sehnlich mein Bruder die Ehe mit Euch wünscht. Er hat mir erst heut wieder davon gesprochen, und wenn auch die Heirat an sich so kurz nach dem Tode seiner Gemahlin unschicklich wäre, wünschte er doch, daß der Vertrag vor Eurer Abreise nach Forges in Ordnung gebracht und unterzeichnet würde.«

Diesmal wurde ich meiner Tränen Herr, ich fand sogar einen Ton in meiner Antwort, worüber ich mich selber verwunderte.

»Sire,« entgegnete ich, »mein Vetter von Orléans verheiratet sich sicher nicht ohne die Zustimmung des Chevalier von Lothringen, und er wird von der Sache zurücktreten, sobald dieser sein Veto einlegt. Dann wäre Eure Majestät, wenn Sie sich einmal mit Ihrem Wort verpflichtet hätte, in der üblen Lage, die Heirat zu erzwingen. Eure Majestät wird zugeben, daß das ein schlimmer Anfang wäre.«

Dieser Ton imponierte dem König. Er mußte unwillkürlich lächeln, lobte meine vernünftige Rede und entließ mich in Gnaden.

 

Auf meinem Schloß Eu, 23. Mai.

Ich habe meine Brunnenkur zu Forges wieder auf vierzehn Tage beschränkt. Meine innere Unruhe und Aufregung war zu groß. Welches Wasser der Welt hätte dagegen Gewalt?

Dennoch habe ich mir abermals einen Vorrat davon mitgenommen, um die Kur hier fortzusetzen, obwohl mir als einem gesunden Menschen die Wassertrinkerei jetzt mehr als je zuwider ist. Ach, von allen Quälereien, die uns die Welt unter dem Titel von Pflichten auferlegt, sind doch die der Ärzte die lächerlichsten.

Wie lang ich's in der Einsamkeit aushalten werde? Wenn ich denke, welche ruhige und glückliche Tage ich einst hier verlebt habe! Wie ein erquickender Balsam hat sonst das Leben hier auf mich gewirkt. Auch dieser Balsam, wie das Wasser von Forges, scheint jetzt seine Kraft verloren zu haben.

Es ist nicht wahr, daß die Einsamkeit dem Unglücklichen ein Trost sei. Der Glückliche genießt sich und sein Glück doppelt in der Einsamkeit; den Traurigen macht sie noch trauriger, den Unglücklichen macht sie dreifach unglücklich.

* * *

Die Gräfin Epernon hat mich wie immer hierher begleitet. Sie hat sich von jeher, wie übrigens der Reihe nach alle meine Hofdamen, ein wenig auf meine mütterliche Freundin hinauszuspielen gesucht. Ob sie's ehrlich mit mir meint? Sie tut manchmal, als ob sie mir in der Seele lesen könne. Wahrscheinlich aber möchte sie sich nur um jeden Preis in meine Geheimnisse einschleichen. Ihre Rede heut hat mich dennoch frappiert.

»Dürfte ich die Kühnheit haben,« begann sie, »Königliche Hoheit zu fragen, ob es wahr ist, was alle Welt sagt, daß Königliche Hoheit in kurzem Dero Vetter von Orléans heiraten werde?«

Und als ich schwieg: »Nun denn, ich glaube es nicht,« fuhr sie in ihrer brüsken Art fort, womit sie mich zu bemuttern sich stets den Anschein gab. »Man sagt, daß der Chevalier von Lothringen gegen die Heirat sei und sich jede erdenkliche Mühe gebe, sie zu verhindern. Er kann sich beruhigen. Eure Königliche Hoheit will diese Heirat noch viel weniger. Ich weiß auch, daß der König Euren Widerwillen kennt und geneigt ist, demselben Rechnung zu tragen.«

»So wißt Ihr mehr wie ich,« versetzte ich kühl abweisend.

 

Saint-Germain, 19. Juni.

Seit einigen Tagen bin ich zurück und äußerlich bewegt sich mein Leben hier in dem herkömmlichen Geleise. Vetter Orléans benimmt sich sichtlich verlegen gegen mich, weil ich ihn nie anrede, als wenn es ganz unvermeidlich ist.

* * *

Nach der Art meiner heutigen Unterredung mit Seiner Majestät scheint der König selber nicht mehr sehr ernstlich auf diese Heirat zu zählen.

»Mein Bruder«, sagte er, »ist mir eben wieder mit seinem Heiratsprojekt angelegen, und das muß man ihm lassen, er scheint alle Eventualitäten zu bedenken. Für den Fall, daß die Ehe kinderlos bliebe, wünscht er, daß Ihr Euer Vermögen seiner jüngsten Tochter, der Herzogin von Valois, vermachtet, die dadurch in die Lage käme, – so meinte er – sich mit meinem Sohn zu verheiraten. Mir scheint, daß er sich, diesem Projekt zuliebe, am liebsten keine Kinder von Euch wünschte.«

Das sagte Seine Majestät mit dem heitersten Lachen von der Welt.

»Ich weiß als Mädchen nicht,« erwiderte ich ebenfalls lachend, »ob das alles sehr schmeichelhaft ist für mich oder gar das Gegenteil. Wollen Eure Majestät mich vielleicht darüber aufklären? Bis jetzt habe ich noch nicht gehört, daß jemand heiratet, mit der ausdrücklichen Absicht, keine Kinder zu bekommen.«

»Ach Gott,« sprach der König, der sich nun gar nicht mehr halten konnte vor Lachen, »er hat über dieses Kapitel noch viel albernere Dinge vorgebracht; ich habe ihn gebeten, so was um seiner Ehre willen zu niemand anderem zu sagen. Wenn Ihr mir gütigst erlaubt, werde ich mich hüten, alle seine Abgeschmacktheiten hier zu wiederholen.«

»Vetter Orléans ist eine rechte Bestie,« rief die Königin, die uns von ihrem Spieltisch aus zugehört hatte.

Ich vermag gar nicht auszudrücken, wie glücklich ich bin, daß der König von selber anfängt, diese Heirat ins Lächerliche zu ziehen, ohne daß ich nötig habe, ihn meinen ganzen Abscheu davor merken zu lassen.

* * *

Vetter Orléans wäre, hätte ihm das Glück nicht einen König zum Bruder gegeben, das verachtetste Subjekt der ganzen Hofgesellschaft. Er ist recht ein müßiggängerischer Taugenichts. Nichts ist ihm wichtig als seine Toilette und das ganz läppische Hofzeremoniell. Sogar für die Jagd, diese Erbleidenschaft der Bourbonen, fehlt ihm der Sinn. Militärische Übungen sind ihm verhaßt. Er ist in all seinem Wesen weibisch bis zur Verächtlichkeit sogar in seinen Lastern, durch die er immer mehr zu einem Gegenstand öffentlichen Skandals wird. Selbst seine Günstlinge, die ihn ausbeuten, verachten ihn.

* * *

Während heute abend Seine Majestät dem Spiel der Königin zusah, richtete Sie plötzlich das Wort an mich.

»Ich habe ja ganz vergessen,« sagte der König, »was man mir am Tag nach dem Tod unserer Base Orléans mitgeteilt hat, nämlich, daß Ihr mich um meine Zustimmung zu einer Heirat bitten wolltet, die Ihr im geheimen plantet; ist das richtig?«

Ich erschrak ordentlich über diese Frage. »Wenn das Eurer Majestät jemand berichtet hat,« antwortete ich ausweichend, »muß wohl etwas Wahres daran sein.«

»Wo will nun das wieder hinaus,« fragte die Königin, von ihrem Spiel aufsehend.

»Ich habe keine Ahnung,« antwortete der König.

Die Königin: Ob es sich um Karl von Lothringen handle? Und als ich verneinte: »Etwas Geringeres als einen Prinzen von Geblüt könnt Ihr doch nicht heiraten!«

Der König tat, als ob er nicht gehört habe.

»Ich dächte,« sagte ich zur Königin, »daß mein königlicher Reichtum mich in den Stand setzt, einen jeden Mann, welcher es auch sei, mindestens so mächtig und bedeutend zu machen, als es ein jüngerer Sohn von Lothringen oder der Herzog von Guise ist, mit dem doch der König meine Schwester verheiratet hat. Darum hoffe ich, daß Seine Majestät mich nicht zu einer Heirat zwinge, die mir zuwider wäre.«

»Gewiß,« bestätigte der König, »über diesen Punkt dürft Ihr vollkommen beruhigt sein.«

 

Saint-Germain, Abend vor Fronleichnam.

Seit meiner Abreise nach Forges hatte ich kein Wort mehr mit Herrn von Lauzun gesprochen. Heut konnte ich, so sehr ich allen derartigen Zeitvertreib hasse, nicht vermeiden, an einem Spiel um eine goldene Uhr teilzunehmen. Die Damen von La Vallière und von Montespan waren mit von der Partie, auch Graf Lauzun, der die ganze Zeit über nicht einen Blick nach mir wendete. An meinem Ärmel war eine Schleife aufgegangen, ich bat ihn, sie mir zu knüpfen. Er sei viel zu ungeschickt zu so etwas, war seine Antwort. Man sah ihn erstaunt an.

Ich wundere mich nur, daß seine demonstrative Art, mir auszuweichen, nicht mehr auffällt.

* * *

»Was soll ich also meinem Bruder endgültig zum Bescheid geben,« fragte mich heute der König. »Das Beste ist,« meinte er, »ihm zu sagen, daß Ihr entschlossen seid, überhaupt nicht zu heiraten.«

»Nein, Sire,« entgegnete ich lebhaft, »es genügt, daß ich entschlossen bin, ihn nicht zu heiraten.«

Der König sah mich an mit eigentümlichem Lächeln.

»Nun denn,« versetzte er, »Ihr sollt mit dieser Angelegenheit nicht mehr belästigt werden.«

Seine Worte wälzten mir einen Stein vom Herzen.

 

2. Oktober.

Man fängt an, in Beziehung auf Vetter Orléans von einer Deutschen zu sprechen, einer rheinischen Pfalzgräfin, mit der der König, wie es heißt, politisch auf seine Rechnung zu kommen gedenkt. Zunächst freilich wird er in den Beutel greifen und seinem Bruder die Schulden bezahlen müssen. Viel mitbringen wird die Pfälzerin nicht.

 

Saint-Germain, 7. November.

Wir waren zwei Tage in Versailles, wo der König im Augenblick, bei den Arbeiten zum Ausbau des Schlosses, so viel Handwerker und Künstler beschäftigt, als man vielleicht noch niemals zusammen gesehen hat. Der König ließ uns von allem Einsicht nehmen, er kümmert sich um die Ausführung jeder Einzelheit. Wenn das Schloß fertiggestellt sein wird, wird es an Größe und Pracht jedes andere Haus des Königs, den Louvre selbst nicht ausgenommen, weit übertreffen.

Bei unserer Rückkunft am Abend stieß ich unter dem Tor des Schlosses auf Herrn von Lauzun. Er hatte keinen Ausweg und mußte sich meine Anrede schon gefallen lassen.

»Ihr werdet es auch bereits wissen,« fragte ich, »daß der König seine Absicht wegen Vetter Orléans endgültig aufgegeben.«

Herr von Lauzun nickte. Ich bat ihn um eine Unterredung. Er lehnte nicht ab. »Also nach Tafel,« sagte ich, »beim Spiel der Königin.«

Lauzun erschien pünktlich. Er habe allen Respekt. Und wahrlich, er habe mir nicht zugetraut, daß ich diesmal meinen Willen durchsetzen werde. Er gratuliere mir aufrichtig dazu, wenn er auch noch immer der Meinung sei, daß meine Heirat mit Orléans in Ansehung von Macht und Größe vor der Welt viel Verlockendes gehabt hätte.

»Fangen wir davon nicht noch einmal an,« entgegnete ich fast heftig. »Sprechen wir von meinen Absichten, die Ihr kennt, und die ich endlich ohne Verschub ins Werk setzen will, weil ich mich täglich immer mehr überzeuge, daß es außer ihnen kein Heil für mich gibt auf der Welt. Kurz, ich habe alle Lust, Euch noch zu dieser Stunde den Namen desjenigen zu nennen, um den es sich dabei handelt, ich zweifle auch keinen Augenblick, daß Ihr meine Wahl gutheißen werdet.«

»Ihr glaubt es, weil Ihr's hofft,« entgegnete er etwas trocken, »aber wenn ich trotzdem Euren Geschmack nicht teilen könnte? Ihr würdet mich hassen, das ist ganz unvermeidlich. Nun möchte ich jedoch Euer Freund bleiben und bitte Euch daher demütig, mir diese gefährliche Probe zu erlassen.«

Ich bin von Haus aus ungeduldig, seine Art, wie er immer wieder neue Schwierigkeiten machte, brachte mich ganz außer mich. Je mehr er sich dagegen wehrte, desto mehr juckte es mich, ihm frei herauszusagen, daß er es sei.

»Ihr könnt einwenden, was Ihr wollt,« versetzte ich, »ich bin fest entschlossen. Euch den Mann zu nennen und die Entscheidung meines Schicksals in Eure Hände zu legen ... Seht,« fuhr ich fort, »ich hätte die beste Lust, über diesen Spiegel hinzuhauchen und in meinen Hauch in großen Lettern seinen Namen zu schreiben. Wahrhaftig, ich bin kindisch genug, um ihn nicht über die Lippen zu bringen, so heftig mein Verlangen ist.«

Bis über Mitternacht hinaus dauerte unsere Unterhaltung, aber je ernster und dringlicher ich wurde, desto mehr war er bemüht, durch scherzhafte Wendungen dem Gespräch einen Anstrich zu geben, als ob wir eben nur plauderten um zu plaudern.

* * *

Nach einem längeren Gespräch mit Frau von Nogent, schrieb ich die Namen: Herzog von Orléans, Prinz Karl von Lothringen und Herr von Lauzun wie im Spiel auf einen Zettel. »Hier« sagte ich, »und nun ratet, welchen von den dreien ich heiraten möchte.«

Die Tränen traten ihr in die Augen, sie stürzte vor mir nieder, umarmte meine Knie. Ein Wort hervorzubringen war sie nicht imstande.

Es waren auch keine Worte nötig, ich verstand sie, wie sie mich verstanden hatte.

* * *

Der Würfel ist gefallen.

D. h. kann ich in Wahrheit so sagen, da von seiner Seite die Entscheidung noch aussteht?

Bin ich denn sicher, was er antworten wird? Bin ich auch nur einen Schritt weiter.

»Du selber bist es,« so hatte ich auf einen Zettel geschrieben und ihn sorgfältig gefaltet.

Ich traf ihn bei der Königin und indem ich ihn in die Fensternische winkte, tat ich so, als ob ich mit dem Papier spielte.

»Da drin steht der gefürchtete Name,« erklärte ich. »Ich wollte Euch das Blatt geben und Ihr solltet mir Eure Antwort darunter schreiben. Aber nun fällt mir ein, daß heute Freitag ist, ein Tag, der mir noch immer Unglück gebracht hat. Ich will darum die Entscheidung meines Schicksals lieber auf morgen verschieben.«

»Gebt immerhin,« antwortete er, »ich verspreche Euch, das Papier unter mein Kopfkissen zu legen und seinen Inhalt nicht vor Schlag Mitternacht zu lesen.«

»Nein,« versetzte ich, indem ich aus seinen scherzenden Ton einging, »Ihr könntet Euch im Glockenschlag verzählen und das Unglück wäre geschehen.«

Und ich steckte das Blatt wieder in die Tasche. Aber nun wurde er ernst und bat mich dringender.

»Ihr wollt meine Antwort darauf,« sagte er, »nun seht, ich habe auf einmal das Vorgefühl eines großen Unglücks. Ich bin ja fast wie in der Lage eines Richters, der ein Todesurteil zu sprechen hat. Ein Todesurteil etwa gar über meinen besten Freund, indem mein Gewissen mich vielleicht verpflichtet. Euch den Mann Eurer Wahl zu widerraten. Ihr habt mir da eine entsetzliche Pflicht zugeschoben, ich hätte sie ablehnen sollen, aber nun mag ich im letzten Augenblick nicht mehr zurückweichen; verlangt dafür auch nicht, daß die Angst meines Herzens sich unnötig verlängere.«

»Also unter der Bedingung, daß Ihr Euch verpflichtet, nach bestem Wissen und Gewissen eine Antwort darunter zu setzen.«

Mit diesen Worten überreichte ich ihm das Blatt und entfernte mich rasch.

* * *

Gott sei mir gnädig, es ist immer noch nichts entschieden.

Heute früh begleitete ich die Königin zur Messe. Als wir zurückkehrten, traf ich Lauzun in ihren Gemächern. Ich zitterte bei seinem Anblick. Die Königin begab sich in ihr Oratorium, ich kniete am Kamin vors Feuer, um mich zu erwärmen, da es sehr kalt war. Meine Fräulein blieben in ziemlicher Entfernung. Lauzun näherte sich mir, ich wagte weder ihn anzureden noch anzublicken und suchte meine Aufregung damit zu verbergen, daß ich eifrig beschäftigt tat, mir die Hände zu wärmen. »Ihr seht, wie ich durchgefroren bin,« sagte ich endlich, um über die Verlegenheit wegzukommen.

Er sah mich mit einem furchtbaren Blick an.

Ein langes entsetzliches Schweigen herrschte.

Endlich löste sich auch ihm die Zunge. »Ihr müßt mich für sehr albern halten,« sprach er in eisigem Ton, »wenn Ihr mir zutraut, daß ich in eine so plumpe Falle gehen werde. Ich habe ja immer vermutet, daß Ihr gern Euren Scherz mit mir treibt. Ich hätte Euch aber niemals zugetraut, daß Ihr so weit gehen werdet. An Eurer Rechtschaffenheit zu zweifeln ist mir nie in den Sinn gekommen.«

Er schwieg abermals und blickte dumpf und bös vor sich hin.

Ich hatte gut ihm unter Tränen zu versichern, daß es nur die heiligste Wahrheit sei, was ich geschrieben. Er würdigte mich keiner Antwort mehr, zuckte nur mit der Achsel, und gab mir zuletzt mein Blatt zurück.

Ich eilte auf mein Zimmer, voll Begierde, was seine Antwort sei. Er hatte geschrieben: »Es ist Eurer Königlichen Hoheit unwürdig, Euren treusten Freund dergestalt zum besten zu haben. Euer Wort ernst zu nehmen, wäre eine Lächerlichkeit, die ich mir niemals nachsagen lassen möchte. Und so habe ich Euch nichts zu antworten als Euch zu versichern, daß auch in Zukunft meine Ergebenheit für Euch und meine Unterwerfung unter Eurer Königlichen Hoheit Willen meine angenehmste Pflicht sein wird.«

Was soll ich von dieser Antwort halten? Allgemach scheint er mir die Vorsicht etwas allzuweit zu treiben. Nach so vielen Schritten von meiner Seite dürfte auch er endlich ein klein wenig aus seiner Zurückhaltung herausgehen, ohne den Vorwurf der Unbescheidenheit zu fürchten.

Unmöglich ist es, daß er im Ernst glaubt, ich könne Scherz mit ihm treiben.

* * *

Das war nun wenigstens einmal eine offene Aussprache. Ich hatte ihn darum gebeten, und er war pünktlich im Salon der Königin erschienen. Wir befanden uns allein, meine Fräulein waren im Vorzimmer zurückgeblieben. Eine unendliche Zeit gingen wir schweigend auf und ab.

»Muß ich zuerst reden?« fragte ich endlich.

»Es ist an Euch,« antwortete er.

Ich brachte in großer Erregtheit alles vor, was ich nur an Worten und Beweisen finden konnte, um ihn von der Aufrichtigkeit und dem Ernst meiner Absichten zu überzeugen.

»Wie wollt Ihr,« unterbrach er mich, »daß ich mir mit einer Sache schmeicheln soll, die ganz und gar unmöglich ist. Aber da Ihr nun einmal Euren Spaß mit mir haben wollt, so will ich denn, um Euch zu gefallen, zum Schein darauf eingehen, und Euch so antworten, als ob ich im Ernst an Eure Absichten glaubte. Und so sagt mir, große Fürstin, wie Ihr auf den ungeheuerlichen Gedanken kommen könnt. Euch einem Manne verbinden zu wollen, der als Kapitän der Leibwache bei Eurem leiblichen Vetter in persönlichem Dienst und Lohn steht. Denn Ihr könnt seit langem wissen, ich habe es Euch oft genug wiederholt, daß mich nichts in der Welt dazu bringen kann, meine Charge aufzugeben. Ich liebe den König zu sehr, um mich des Glückes zu berauben, täglich um ihn zu sein.«

Ich unterbrach ihn.

»Ihr vergeßt,« rief ich, »daß der König mein Herr und Meister ist wie der Eurige, mag er auch zehnmal mein leiblicher Vetter sein.«

Im Grunde hatte mich seine Rede sehr gefreut, weil sie mich von neuem von seiner beispiellosen Liebe und Anhänglichkeit für den König überzeugte, woraus zuallererst meine Neigung für ihn entsprungen ist.

»Ich komme auf den zweiten Punkt,« entgegnete er. »Aber Ihr wollt vielleicht nicht, daß ich davon rede, schon weil er Dinge betrifft, die Euch jedes Kind vorhalten wird und die ich Euch bereits hundertmal wiederholt habe, nämlich daß ich, wenn auch einem der ältesten Häuser von Frankreich angehörend, eben doch nur ein einfacher Edelmann bin ...«

»Nein, ich will es nicht,« unterbrach ich ihn abermals, »da ich mich in der Lage weiß, Euch so mit Gütern und Würden zu überhäufen, um Euch zu einem der Ersten des Königreichs zu machen.«

»Vor allem«, fuhr er fort, »muß ich befürchten, daß Ihr mich persönlich zu wenig kennt. Wir passen schon rein menschlich nicht zusammen. Ihr liebt die Unterhaltung, mir ist alles Reden wie Gift. Ihr entbehrt nur schwer die Gesellschaft, ich hasse sie. Jede Stunde des Tages, die mich nicht für den Dienst des Königs in Anspruch nimmt, schließe ich mich in meinem Zimmer ein, und niemand, wer es auch sei, darf mich stören. Nicht einmal meine Bedienung will ich um mich haben. Manch einer kann von Prügeln erzählen, der meine Befehle nicht wörtlich genug zu nehmen wußte. Nur in einem würdet Ihr vielleicht mit mir zufrieden sein. Zur Eifersucht würde ich Euch keinen Grund geben. Was man Euch auch von meinem Verhältnis zu den Frauen erzählt hat, davon bin ich gänzlich zurückgekommen. Je mehr ich sie einst geliebt habe, desto mehr sind sie mir zuwider geworden. Ich muß mich nur wundern, was für ein Narr ich einst war, und ich meine, ich müßte elend werden, wenn ich noch einmal so leben sollte, wie ich ehedem gelebt habe ...«

»Für einen Mann, dem Reden wie Gift ist,« erwiderte ich lachend, »habt Ihr jetzt eine ziemlich lange Rede gehalten. Ich kann Euch nur versichern, daß ich Euch besser zu kennen glaube als Ihr selber Euch kennt, und daß ich entschlossen bin, Euch zu nehmen wie Ihr seid. Das heißt, wenn Ihr mich wollt. Aber vielleicht bin ich es, die mißfällt. Reden wir doch auch einmal von meinen Fehlern. In meiner Körperlichkeit glaube ich keine zu haben als meine mangelhaften Zähne, die nun einmal unserer ganzen Rasse eigentümlich sind ...«

»Ihr könntet zehn Jahre in mich dringen,« versetzte er abweisend, »ich würde Euch nicht antworten. Ich habe Euch von meiner Position und meiner Person gesprochen, um in Euren Scherz einzugehen, um Euch einen Gefallen zu tun. Aber ich bin nicht Narr genug, um all unsere Reden für etwas anderes zu halten als eben für müßige Reden.«

Also kam er immer wieder auf denselben Schluß. Ich mochte machen, was ich wollte, ich konnte ihn nicht davon abbringen.

Nicht um das kleinste Schrittchen komme ich meinen Absichten näher.

Immer wieder: Er sei kein Visionär, er sei kein Phantast. Und wenn er der großen Bestimmung würdig sei, von der ich zu sprechen beliebe, sei er es eben dadurch, daß er mich mit allen Mitteln zur Vernunft zu bringen suche, daß er niemals und um keinen Preis einen Augenblick der Schwachheit bei mir zu seinem Vorteil ausnutze, sondern mich mit allem, was an ihm liegt, von einem Schritt zurückhalte, den ich notwendig bereuen müßte.

Wahrhaftig, er wird mich noch zur Raserei bringen.

* * *

Ein ganz kleines Zugeständnis hab' ich heut erlangt. Er habe manchmal kurze Momente, wo er sich einrede, daß das fabelhafte Glück doch möglich sei. Aber schon im nächsten Augenblick wieder falle er aus seinen hohen Träumen zurück aus die Erde und fühle sich dann nur um so elender.

So möge er es doch auf die Probe ankommen lassen, drang ich ihn ein. So möge er sich wenigstens mit meinem Vorhaben, mich an den König zu wenden, einverstanden erklären.

Er bat sich eine Bedenkzeit von acht Tagen aus.

Welche Geduldsproben!

* * *

Vor kurzem geriet der Hof in keine kleine Aufregung. Der Grund war: Die Gräfin von Montespan hatte sich plötzlich zurückgezogen. Der König ließ sich mehrere Tage nicht blicken. Und wenn er zur Königin kam, hatte er rote Augen, wie ein Mann, der viel geweint hat. Man sprach allerlei.

Und man sah nun, wie sie beliebt war. Jedermann schien sie zu vermissen. Am Tage nach dem Ereignis traf ich bei der Herzogin d'Albret die junge Witwe des Literaten Scarron, mit der die Montespan sehr intim stehen soll. Ich suchte aber umsonst etwas über die Gräfin aus ihr herauszubringen. Sie lächelte diskret. Sie wußte gar nichts.

Das scheint mir eine kluge und vorsichtige Frau. Man sagt sogar, sie sei zur Erzieherin der Kinder ausersehen, die Frau von Montespan dem König geboren hat.

Fast acht Tage blieb die Gräfin unsichtbar, dann war sie auf einmal wieder da. Über die Personen, die auf sie eingewirkt, weiß man nichts Sicheres. Nur so viel ist gewiß, daß Herr Bossuet, der ehemalige Erzieher des Dauphin, jetzt Bischof von Maux, die Gräfin in ihrer Verborgenheit fast täglich aufgesucht hat. Er tat diese Gänge am Abend, wenn es schon dunkelte und war dabei immer bis über die Nase in einen grauen Mantel gewickelt. Man hat ihn dennoch erkannt. Kurz, da ist sie wieder und der ganze Hof freut sich darüber.

 

Paris, Luxemburgpalast, 2. Dezember.

Ich habe bewegte Zeiten hinter mir. Mein Schwager, der Großherzog von Toskana – er hat meine jüngste Stiefschwester geheiratet – war drei Wochen hier. Er kam von einer Vergnügungsreise aus England zurück, wo er sich dummerweise mit unserem Botschafter gezankt hat, infolgedessen er hier vom König etwas kühl aufgenommen wurde.

Um so mehr habe ich mich für ihn ins Zeug gelegt. Ich gab ihm zu Ehren jeden Tag ein anderes Fest. Eine so glänzende Gesellschaft hat der Luxemburg noch nie gesehen, wie diese Zeit über.

Den größten Erfolg aber hatte ich mit der Aufführung des »Tartuffe«, der letzten Komödie von Meister Poquelin. Sie wurde bis jetzt nur einmal vor dem König aufgeführt, der dann alle weiteren öffentlichen Aufführungen, auf die Beschwerde einiger Frömmler hin, verboten hat. Die Begierde, diese Komödie bei mir zu sehen, war darum ungeheuer. Sie wurde mit unglaublichem Enthusiasmus aufgenommen, und wenn man mich recht berichtet, ließ der König, von meinem Erfolg bestochen, bereits am letzten Montag das Verbot zurückziehen.

Eine andere hätte vielleicht an meinem Platz diesem Schalk von Poquelin, oder Molière wie man ihn auch nennt, die Ehre nicht angetan, nachdem er in seinen »Gelehrten Frauen« meinen Freund, den Abbé Cotin, in der Person des Pedanten Tricotin oder Trisotin so grausam verspottet hat. Aber was hat das mit der Vortrefflichkeit des Werkes zu tun? Und wenn mir Cotins zierliche Verse gefallen – ich liebe einmal alles, was in Versen ist – warum sollte ich mir deswegen eine Komödie von Molière versagen und mich dadurch um ein großes Vergnügen bringen?

Molière hat gewiß unrecht, die Dichter so schlecht zu machen, die bei mir und der Frau von Longueville in besonderer Gunst stehen. Aber ich weiß nur zu gut, daß auch sie ihn nie geliebt haben. Der Abbé Cotin hat Molière sogar direkt angegriffen. Das war auch nicht schön. So ein wenig Neid ist wohl unvermeidlich unter den Leuten vom Handwerk.

Auch mein widerborstiger Graf Lauzun trifft diesmal ausnahmsweise mit seiner Auffassung nicht das Richtige. Eine Fürstin von meinem Rang kann davon nicht berührt werden, wenn sich die Literaten untereinander in die Haare geraten. Auch von einem Dichter, dessen Verse wir lieben und der sich in unserer Gunst sonnen darf, wissen wir uns in so ungeheurem Abstand, daß niemand uns seine Lächerlichkeiten aufbürden kann.

* * *

Diese Tage habe ich verschiedene Schreiben an den König aufgesetzt, zu dem folgenden hat Lauzun endlich seine Zustimmung gegeben:

Sire,

Eure Majestät wird vielleicht überrascht sein von der Natur meiner Bitte, die ich hiermit Eurer Majestät demütigst zu Füßen lege. Es handelt sich um meine Verheiratung, zu deren Erfüllung mir nichts fehlt als Eurer Majestät huldvolle Genehmigung. Da ich durch Geburt die unschätzbare Ehre habe, Eure leibliche Base zu sein, bin ich es überhoben, in der Welt nach einem noch höheren Rang zu trachten. Wenn ich mich mit einem fremden Fürsten verbinden wollte, wüßte ich so viel wie nichts von dem Wert und Charakter einer Person, die ich damit zum Herrn meines Schicksals machte, und es scheint mir, daß darin eine geringe Möglichkeit liegt, sein Glück zu finden. Das meinige besteht vor allem in der hohen Ehre, in Eurer Majestät unmittelbarer Nähe zu leben. Dieses Vorteils möchte ich mich um keinen Preis entäußern und bin darum entschlossen, nur eine solche Verbindung einzugehen, die den Verzicht auf dieses Glück nicht von mir heischt. Erlaube mir also Eurer Majestät auszusprechen, daß es Herr von Lauzun ist, auf den meine Absicht geht. Seine Verdienste um Euch, seine von Euch selber so oft gerühmte Anhänglichkeit an Eurer Majestät Person, waren der erste Grund meiner Neigung für ihn und haben noch zuletzt meine Wahl entschieden. Nun wird sich Eure Majestät wahrscheinlich erinnern, wie sehr ich seinerzeit aus ehrgeizigen Vorurteilen die Heirat meiner Schwester mit Herrn von Guise verurteilt und mir sogar die Kühnheit herausgenommen habe, Eure Majestät deswegen hart zu tadeln. Ich bitte Eure Majestät alleruntertänigst, dies mein unverständiges Betragen heut gütigst vergessen zu wollen und zu bedenken, um wie viel besser die Gründe sind, womit ich heute das von Eurer Majestät erflehe, was mein kindischer Sinn damals so verwerflich fand. Lange Zeit habe ich diese Gründe bei mir reiflich überlegt, und erst nachdem ich unfehlbar erkannt habe, daß mich Gott auf keinem andern als auf diesem Wege glücklich machen will, habe ich mich entschlossen, Eurer Majestät meine untertänigste Bitte vorzutragen, von deren Erfüllung, wie ich fest überzeugt bin, nichts Geringeres abhängt als die Ruhe und das Glück meines Lebens. Die Ehre, deren sich Herr von Lauzun rühmen darf, der Hauptmann Eurer Leibwache zu sein, macht ihn meiner nicht unwürdig. Mehrere Prinzen von Geblüt, darunter der Fürst Condé, waren zuzeiten in ähnlicher persönlicher Abhängigkeit von Eurer Majestät. Ich möchte sagen, je höher ein Edelmann im Rang steht, desto würdiger ist er Eures persönlichen Dienstes.

Mit der Versicherung rückhaltslosesten Gehorsams und unverbrüchlicher Treue verharre ich usw.

Diesen Brief habe ich gestern durch den Grafen von Montausier dem König übergeben lassen, und Seine Majestät war so gütig, mir schon heute zu antworten. Leider aber gibt auch die Königliche Antwort nicht die endgültige Entscheidung. Sie ist genau so hinhaltend wie jedes Wort aus dem Munde Lauzuns. Hier ist sie:

Meine liebe Base.

Eure gütige Zuschrift hat mich in der Tat überrascht. Wahrlich, Eure Bitte steht in allzu schroffem Gegensatz zu Eurer früheren Auffassung dieser Dinge. Dennoch mögt Ihr versichert sein, daß ich Euch gern jeden Gefallen tue. Ihr wißt, daß ich Euch liebe. Ich bitte Euch nur, nicht in Übereilung zu handeln und noch einmal ernstlich über den Fall nachzudenken.

Ich soll so lange nachdenken, bis ich darüber von Sinnen komme.


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