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Siebentes Buch

Beim feierlichen Empfang der holländischen Botschaft heute bei mir im Luxemburg, sah ich Graf Lauzun zum erstenmal in meinem Palast. Er durfte sich dieser Zeremonie freilich kaum entziehen. Doch wußte er es einzurichten, daß ich nach Schluß der Staatshandlung einen Augenblick mit ihm reden konnte. Wir sprachen über die Antwort des Königs, ich verhehlte ihm nicht meine Unzufriedenheit damit.

Natürlich fand er, daß mir der König gar nicht verbindlicher hätte schreiben können.

Ich wollte ihm darauf mein Arbeitskabinett zeigen, er weigerte sich. Dazu werde es wohl noch Gelegenheit geben, für jetzt wäre es nicht klug von mir, ihn länger zurückzuhalten.

* * *

Ich fragte Lauzun, ob der König ihm gar keine Bemerkung gemacht wegen meines Briefes. Er wollte erst nicht mit der Sprache heraus, doch dann erzählte er mir den Vorgang.

Es war am Abend bei der Gräfin von Montespan. Man spielte. Als Lauzun wiederholt verlor und die Gräfin stichelte, das komme vom Glück in der Liebe, sei der König plötzlich herausgeplatzt: »Ja, denkt Euch nur, Gräfin, er will sogar mein Vetter werden. Was sagt Ihr zu einer solchen Kühnheit?«

»Sie sieht ihm gleich,« habe die Montespan geantwortet.

»Und Ihr seid geneigt, ein gutes Wort für ihn einzulegen?«

»Für ihn nicht weniger als für unsere Prinzessin.«

Ich habe die Gräfin von Montespan immer für meine aufrichtigste Freundin gehalten und wunderte mich nicht, aus dem Munde Lauzuns solches von ihr zu hören.

Herr von Lauzun ist anderer Meinung. Er sei überzeugt, daß sie nur wegen seiner Gegenwart so gesprochen habe. Er lasse sich aber nichts vormachen, er kenne sie zu gut, sie fürchte ihn aus gewissen besondern Ursachen und sei im geheimen seine erbittertste Feindin.

Er irrt sich gewiß; sie hat sich mir gegenüber wiederholt so warm über ihn geäußert. Und sie ist die einzige Frau am Hofe, die ich immer ohne Falsch gefunden. Lauzun wird mich nie vermögen, seine Auffassung zu teilen.

* * *

Herr von Lauzun hat mir einen schönen Schrecken eingejagt.

Ich kam mit der Königin von den Karmeliterinnen in der Rue du Bouloy nach dem Louvre zurück, als mir mein Stallmeister meldete: der Graf erwarte mich auf meinem Zimmer, er habe mich in einer dringenden Sache zu sprechen.

Nie hatte er zuvor dieses Zimmer betreten.

»Es ist Gefahr im Verzug,« empfing er mich. »Herr Guilloire, Euer Kanzler, war gestern beim Minister Louvois und hat ihn gefragt, ob es mit Zustimmung des Königs geschieht, daß Königliche Hoheit den Herrn von Lauzun heiratet. Louvois war ahnungslos, und Ihr könnt Euch vorstellen, was der eifersüchtige Minister zu den Neuigkeiten Eueres Kanzlers für Augen machte. ES ist kaum ein Zweifel, Herr von Louvois wird mit allen Mitteln den König umzustimmen suchen. Einzig zu diesem Zweck ist ja Euer Herr Kanzler zu ihm gelaufen.«

Man denke sich meine Empörung. Die Treue dieses Menschen war mir übrigens längst verdächtig. Schon wiederholt dachte ich daran, ihn zu entlassen, ich wollte nur an dem Stand meines Hauses und meiner Geschäfte nichts ändern vor der großen Hauptänderung, die ich im Kopfe trug.

»Aber nun soll er unverzüglich aus dem Dienst gejagt werben,« rief ich aus.

Lauzun meinte, das sei unklug und überzeugte mich zuletzt. Aber ich müsse alles tun, um so schnell als möglich vom König ein bindendes Wort zu erlangen.

»Ihr wißt,« sagte er, »wie lang und wie hartnäckig ich mich gegen Euer Vorhaben gesträubt habe; Ihr habt mich überwunden, und da wir nun einmal so weit sind und man bereits da und dort zu tuscheln anfängt, dürfen wir nicht mehr säumig sein. Es geht jetzt um unser beider Ehre.«

Gott sei Dank. Wenigstens von dieser Seite ist der Widerstand gebrochen. Ich werde den König für morgen um eine Audienz bitten.

* * *

So lang war er mir zu ruhig, zu kalt; nun wird er auf einmal nervös. Fast hätten wir im Gemach der Königin Streit bekommen. Ganz aufgebracht trat er zu mir ans Fenster. Seine Schwester sei eine Schwatzbase, sie habe geklatscht. »Sie wird uns alles verderben,« rief er in hellem Zorn, »aber ich will ihr schon dafür tun. Ich werde sie auf ihr Schloß nach Nogent schicken, man wird mir gehorchen müssen, ich habe Autorität in der Familie.«

Was es mich nur gekostet hat, ihm seinen Einfall auszureden. Aber diesmal erzeigte ich mich hartnäckiger als er.

Ich möchte seine Schwester jetzt nicht entbehren.

Lauzun tut ihr auch Unrecht, sie hegt eine wahre Anbetung für ihn und sie macht gewiß keine Dummheiten, sie ist viel zu intelligent.

* * *

Ich muß Lauzuns Diskretion bewundern. Er hat sich bis jetzt keinem einzigen Menschen entdeckt, nicht einmal dem Zeremonienmeister Guidry, seinem intimsten Freund.

Ich selber kann wenigstens mit seiner Schwester über meine Hoffnungen reden. Er ist ungehalten genug darüber. Doch sie ausgenommen, vermeide auch ich jede Vertraulichkeit. Um die Königin bin ich eifriger diese Zeit her als je, allen andern Menschen weiche ich aus, ich habe immer Angst, sie müßten mir mein Geheimnis vom Gesicht ablesen. Abends verabschiede ich so schnell als möglich meine Damen, ich fürchte ihre neugierigen Blicke oder Fragen, und wenn ich nicht zu Bette gehe, schließe ich mich an meinem Schreibtisch ein. Auf dem Papier alles zu wiederholen, Wort für Wort, was ich mit ihm rede, ist mir jetzt der liebste Beschluß meines Tagewerks.

Was mir wohl der morgige Tag bringen wird? Denn ich will morgen um jeden Preis mit dem König reden und wenn ich ihn in seinem Bett überfallen müßte.

* * *

Mir scheint, ich kann mit dem Resultat zufrieden sein. Teuer genug mußt' ich's erkaufen. Welche Ewigkeiten des Wartens, welch qualvolles Hangen und Bangen. Und das einem Menschen zugemutet, der so ungeduldig ist wie ich.

Doch da ich ja längst weiß, daß der König jetzt allabendlich bei der Gräfin Montespan soupiert, hätte ich auf mein Warten gefaßt sein müssen.

Als ob die Ungeduld rechnete. Als ob die Ungeduld Vernunft hätte.

Die Königin spielte bis gegen zwei Uhr und begab sich dann zu Bett.

»Ihr müßt ja den König etwas außerordentlich Wichtiges zu fragen haben,« sagte sie mit ihrem lauernden Spanierblick, da sie merkte, daß ich nicht wich noch wankte. Ich antwortete: »Der König hat morgen Ministerrat, wobei eine Angelegenheit zur Sprache kommt, die mir äußerst wichtig ist.«

Endlich erschien der König.

»Was,« rief er aus, »Ihr seid noch hier, Base? Wußtet Ihr nicht, daß es zwei Uhr vorüber ist?«

»Sire,« erwiderte ich mit zitternder Stimme, »ich habe ein Wort mit Eurer Majestät zu reden.«

Er winkte und öffnete die Türe eines Seitenkabinetts. Wir traten ein, der König lehnte sich plötzlich an die Wand. »Was habe ich nur,« sagte er, »mir wird schwindlig.« Ob ich ihm einen Stuhl besorgen sollte? »Nein,« versetzte er, »es ist schon vorüber. Aber was bringt Ihr mir Neues, Base?«

Meine Aufregung war ungeheuer, ich mußte mir ans Herz fassen, es klopfte so heftig, als ob es zerspringen wolle.

»Sire, Sire!« Ich wiederholte das Wort, es war mir fast nicht möglich, mehr hervorzubringen. Nur mit Mühe konnte ich Atem schöpfen.

»Ich bin gekommen, Sire,« sprach ich endlich, »Eurer Majestät zu sagen, daß ich noch immer zu dem entschlossen bin, wovon ich Eurer Majestät zu schreiben die Ehre hatte. Je mehr ich über die Sache denke, desto klarer erkenne ich, daß ich ohne sie unglücklich werden müßte ...«

»Sire,« wiederholte ich stockend noch einmal, »die hohe Achtung, die Eure Majestät dem Herrn von Lauzun bewiesen, als Sie ihm ein so wichtiges Amt in der Nähe Eurer Person übertragen hat, erweckte zuerst mein Interesse für den außerordentlichen Mann. Ihr wißt, man wollte mich wiederholt an fremde Fürsten verheiraten, Lauzuns Verbindung mit mir wird ihm in Frankreich einen höheren Rang geben, als er hier irgendeinem fremden Fürsten zukommt, und die Ehre, deren sich Herr von Lauzun erfreut, Eurer Majestät Untertan zu sein, ja in Dero persönlichem Dienst zu stehen erhebt ihn nur in meinen Augen. Auch wird er einzig Eurer Majestät sein Glück zu verdanken haben ...«

Erschrocken hielt ich inne. Ich sah, wie der König blaß geworden. Ein neuer Schwächezustand schien ihn zu befallen.

Sein stummer Blick forderte mich auf weiter zu sprechen.

»Nur aus Eurer Hand«, rief ich aus, »kann er mich empfangen. Ich bin abhängig von Eurer Majestät, wie jeder Eurer Untertanen. Ich kann mich ihm nicht geben, Ihr allein könnt mich ihm geben. Nur von Eurer Majestät Gnade kann er meine Hand erhalten, wie ich selber das Glück und die Ruhe meines Lebens. Es ist wahr, ich hatte früher nicht geglaubt, daß eine solche Sache möglich sei, aber wer ändert nicht im Leben seine Meinung?«

»Ich kann Euch nur wiederholen,« antwortete der König, »wie sehr mich Euer Brief überrascht hat, besonders in Anbetracht der harten Vorwürfe, die Ihr mir ehemals wegen der Verheiratung Eurer Schwester mit dem Herrn von Guise machtet. Aber Ihr habt recht, ich selber sehe keinen wesentlichen Unterschied zwischen einem Großen meines Königreichs und einem fremden Fürsten. Herr von Lauzun gehört schon durch seine Geburt einem der vornehmsten Häuser an und seine Verbindung mit Euch wird ihn noch mehr erheben. Die Großen Spaniens behaupten den Rang vor allen Souveränen des Auslands. Das gefällt mir, das ist einer stolzen Nation würdig. Aber ich wiederhole Euch, nicht übereilt zu handeln. Raten mag ich Euch weder so noch so. Es soll nicht heißen, daß ich die Sache gemacht habe. Ihr seid alt genug, um zu beurteilen, was sich für Euch schickt. Und ich verspreche Euch, Euren Willen zu respektieren. Wie Ihr Euch auch entscheidet, ich werde Euch deshalb nicht weniger achten und lieben ...«

Der König schien zu überlegen. Er betupfte sich mit seinem Spitzentuch die weiße Stirne.

»Nur eine Warnung noch,« setzte er dann hinzu. Ihr müßt auf nichts so ängstlich bedacht sein, als Eure Absichten streng geheim zu halten. Schon gibt es Leute, die Witterung davon haben. Man sagt mir, die Minister hätten bereits darüber gesprochen. Herr von Lauzun hat mächtige Feinde, richtet Euch danach.«

»Sire«, rief ich mit von Tränen erstickter Stimme und in Anspielung auf ein Wort der heiligen Schrift: »Wenn Eure Majestät für uns ist, wer will wider uns sein?«

Ich wollte ihm die Hand küssen, die ich mit meinen heißen Tränen benetzte, aber er entzog sie mir, umarmte mich herzlich und entließ mich mit ganz ungewöhnlicher Güte.

Natürlich blieb ich diese Nacht im Louvre, ich eilte auf mein Zimmer daselbst, das von dem der Königin nicht weit entfernt liegt, und das Herz war mir so voll von Glück, daß ich die ganze Nacht mehr weinte als schlief.

* * *

Lauzun hat also doch seine Schwester nach Nogent geschickt. »Das gute Frauenzimmer hat ja über mein märchenhaftes Glück, wie sie sich ausdrückt, ganz und gar den Kopf verloren. Sie würde uns alles verderben.«

Ich versicherte, daß ich sie zurückrufen werde.

»Versucht's nur,« erwiderte er trotzig, »sie wird sich hüten zu kommen.«

* * *

Lauzun ist wie umgewandelt. Gott sei Dank. Er betreibt jetzt seine Angelegenheit mit einem Eifer, der nur noch von seiner Umsicht und Weisheit übertroffen wird.

Er hat sich endlich seinen sichersten Freunden geoffenbart und sie haben zusammen einen Plan entworfen, den er mir heute mitteilte.

Folgendes haben sie beschlossen.

Die Herzöge von Créquy und von Montausier, der Marschall d´Albret und der Großmeister Guidry sollen im Ministerrat vor dem König einen Fußfall tun, und sie alle zusammen sollen, im Namen des ganzen hohen Adels von Frankreich, Seine Majestät für Herrn von Lauzun, als einen der Ihrigen, um meine Hand bitten, indem sie zugleich dem König danken für die hohe Ehre, die ihrer Körperschaft dadurch widerfahre.

Meine Meinung war, daß wir selber den Schritt tun sollten. Aber Lauzun überzeugte mich, daß die andere Art würdiger und respektvoller, auch sicherer sei. Diese Herren, meinte er, dürften versuchen, die Einwände des Königs zu widerlegen, was uns selber nicht anstände; sie dürften mit mehr Freiheit zu unserem Vorteil sprechen, als es uns erlaubt wäre. Und daß der ganze hohe Adel unsere Sache zu der seinigen mache, werde gewiß seinen Eindruck auf den König nicht verfehlen.

* * *

Da ist sie endlich, die glückliche Entscheidung. Aber nur allzusehr muß auch ich es erfahren, wie selten das Glück dem Menschen rein kredenzt wird. So viele bittere Tropfen mischen sich auch mir in den Kelch der Freude.

Zunächst wieder die lange Wartezeit. Der König war vergangene Woche plötzlich nach Versailles gegangen, die Deputation mußte infolgedessen auf volle acht Tage verschoben werden. Erst heute Donnerstag konnte sie stattfinden.

Schon in der Frühe hatte mir Herr von Lauzun seinen Pagen in den Luxemburg geschickt, mit der Mahnung, frühzeitig im Louvre zu sein, weil ich vielleicht in den Ministerrat gerufen werden könne.

Es geschah aber nichts dergleichen.

Die Königin erzählte mir harmlos, daß sich die obengenannten Herzöge und Grafen nach den Tuilerien verfügt hätten, wo Ministerrat gehalten werde. Sie hätten dem König in einer wichtigen Sache eine Vorstellung zu machen.

Ich dachte: Wenn Du wüßtest ...

Nun pflegt die Königin jeden Donnerstag den Karmeliterinnen in der Rue du Bouloy einen Besuch abzustatten, und die Sitte will, daß ich sie ohne Aufforderung dahin begleite. Während wir dort der Predigt beiwohnten, trat ein Page hinter meinen Stuhl und flüsterte mir zu, der Herzog von Montausier sei da und wünsche mich zu sprechen.

Nur mit Mühe erreichte ich das Sprechzimmer, die Füße wankten mir, ich glaubte jeden Augenblick zusammenbrechen zu müssen.

Nun, für diesmal wenigstens wurde meine Angst und Bangigkeit in lautere Freude verwandelt. Der Herzog dankte mir für die Ehre, die ich ihm erwiesen, meinen Sachwalter machen zu dürfen, dann erzählte er mir wörtlich den Hergang der Sache.

Der König habe die Deputation ruhig zu Ende gehört und darauf erwidert, daß ich ihm bereits von der Angelegenheit gesprochen, daß er mir geraten, wie nur ein Vater seiner Tochter raten kann, und da ich trotz allem bei meinem Entschluß verharre, wolle er mir seine Einwilligung nicht versagen, denn da er einst meiner Schwester erlaubt, sich dem Herrn von Guise zu vermählen, so wisse er nicht, mit welchen Gründen er meiner Verheiratung mit Herrn von Lauzun entgegentreten solle.

Da sei ein gewaltiger Unterschied, habe Vetter Orléans eingeworfen. Und der König: er könne das nicht finden. Das Ansehen der Großen seines Reiches zu mehren, sei seine Pflicht. Er vergrößere damit das Ansehen seines Reiches selber.

Darauf habe sich Seine Majestät über mich und Herrn von Lauzun sehr gnädig ausgelassen und über die Körperschaft des hohen Adels viel Schmeichelhaftes gesagt. Die Minister selber hatten die ganze Zeit geschwiegen, doch zuletzt mit wenigen Worten ihre Zustimmung erteilt.

»Das wäre also getan,« schloß Herr von Montausier, »und ich kann Eurer Königlichen Hoheit nur noch den Rat erteilen, die Sache nicht zu verschleppen. Ihr habt mächtige Widersacher und wenn Ihr mir folgt, heiratet Ihr noch diese Nacht.«

Ich bat ihn, dies vor allem Herrn von Lauzun zu sagen, der von nun an mein Herr und Meister sei.

Der Herzog verabschiedete sich und Herr von Guidry trat ein, der mir den Bericht des Herzogs Wort für Wort bestätigte.

Ich kehrte in die Kapelle zurück und kam noch gerade recht zum Englischen Gruß. Tränenübergossen stürzte ich mich auf die Knie, das Herz voll Dank und Jubel für Gottes Güte und Barmherzigkeit. Die Königin sah mich von der Seite an, sie wußte offenbar nicht, was sie denken sollte.

Aber nicht allzu lang sollte mein Glücksüberschwang ohne Dämpfer bleiben.

Man erhob sich, die Königin begab sich nach dem Zimmer, das ihr in dem Kloster reserviert ist. Ich folgte ihr und indem ich mich ihr zu Füßen warf: »Eure Majestät«, rief ich, »wird sich vielleicht wundern, zu erfahren, daß ich mich verheiraten werde.«

»Allerdings,« erwiderte sie giftig und mit einem hämischen Blick.

Dreimal wiederholte sie das Wort in immer gereizterem Ton.

»Was fällt Euch denn ein,« fügte sie dann hinzu. »Ich dachte, Ihr wäret glücklich, so wie Ihr seid.«

»Hohe Frau,« antwortete ich, »man hat Beispiele, daß auch andere sich verheiratet haben, und gerade bei Euch war es von jeher eine wahre Manie, alle Welt unter die Haube bringen zu wollen. Warum soll denn ich allein eine Ausnahme machen?«

»Und darf man fragen mit wem?« entgegnete sie spitzig.

»Mit Herrn von Lauzun,« antwortete ich. »Er ist kein Fürst, aber außer unsern Fürsten von Geblüt kann er es mit den ersten Großen des Reiches aufnehmen und braucht hinter keinem fremden Fürsten zurückzustehen, die bei uns nur so viel Rang haben, als ihnen der König zugestehen will.«

Die gute Frau hatte darauf nur ein höhnisches Lachen: »Der König wird ja niemals seine Zustimmung geben.«

»Verzeiht, Base,« antwortete ich, »er hat sie schon gegeben.«

»Ihr würdet gescheiter tun,« erwiderte sie, »Euch nicht zu verheiraten und Eure reichen Besitzungen meinem Sohn, dem Herzog von Anjou zuzuwenden.«

»Was,« rief ich empört, »das wagt Eure Majestät mir zu sagen? So kann ich nur entgegnen, daß ich mich im Herzen schäme für Eure Majestät. Mehr mag ich nicht sagen, ich weiß, was ich der Königin schuldig bin.«

Sie erhob sich, ich ebenfalls, und wir kehrten nach dem Louvre zurück.

In ihren Gemächern trafen wir Herrn von Lauzun. Sie tat, als ob er nicht vorhanden wäre. Ich näherte mich ihm, um ihm zu erzählen, was ich von dem Betragen des Herzogs von Orleans im Ministerrat vernommen, und was mir vor wenigen Minuten die Königin geantwortet.

Und wieder hatte ich Gelegenheit, seine Mäßigung und Weisheit zu bewundern.

»Wir dürfen nicht dergleichen tun,« antwortete er, »wir müssen im Gegenteil den Respekt verdoppeln, den wir ihr schulden, aus Dankbarkeit gegen die Güte des Königs, die mich mit einem Schlag zum glücklichsten Menschen seines Königreichs macht.«

Ich wiederholte ihm, was mir der Herzog von Montausier wegen unserer Hochzeit gesagt.

»Was,« brauste er auf, »ich soll meine Frau nehmen wie der Dieb in der Nacht? Alles, was wir tun können, ist, daß wir zum König gehen und ihm danken, indem wir ihn zugleich um die Gnade bitten, den Zeitpunkt unserer Trauung zu bestimmen.«

»Ich darf jetzt nicht den Kopf verlieren,« sagte er noch; »jetzt, wo alle Welt auf mich blickt, ist es erst recht an mir. Würde und Mäßigung an den Tag zu legen.«

Die Königin richtete den ganzen Abend nicht ein einziges Mal das Wort an mich. Als sie sich gegen Mitternacht von ihrem Spiel erhob, sagte sie mir kühl: »Gute Nacht.« Ich antwortete: »Gute Nacht, Base,« und begab mich trotzig auf mein Zimmer.

* * *

Das war ein harter Tag. Ich bin zum Umfallen müde. Dennoch macht es mir nun Vergnügen, mir die Vorgänge noch einmal zu vergegenwärtigen.

Ich könnte wahrhaftig an Empfänge gewöhnt sein, aber der heutige Tag übertraf alles. Kaum vermochte der Luxemburgpalast die Menge zu fassen, die kam, um mich zu beglückwünschen.

Der erste, der sich mir in der Frühe vorstellte, war mein Kanzler Guilloire. Er warf sich mir zu Füßen und bat wimmernd um Gnade. Mir schien es, als ob der Mensch den Verstand verloren habe.

Der Erzbischof von Reims, aus dem Hause der Le Tellier erschien ebenfalls in aller Frühe. Er hoffe, daß ich ihm nicht die Schmach antun werde, meine Trauung durch jemand anders vollziehen zu lassen. Ich antwortete ihm, den Vorrang habe der Erzbischof von Paris, wenn dieser sich aber nicht besonders bemühe, wolle ich an ihn denken.

Eine Menge Damen, mit denen ich kaum einmal im Jahr ein Wort wechsle, brachten mir ihre Glückwünsche. Wieviel Aufrichtigkeit und wieviel Berechnung dabei sein mag, wer kann das wissen.

Mit großer Herzlichkeit beglückwünschte mich die Marquise von Sévigné. Sie gab mir denselben Rat, wie der Herzog von Montausier. »Heiratet, heiratet,« rief sie in ihrer lebhaften Art aus, »lieber heut als morgen.« Ich antwortete ihr lachend, daß ich meinen Meister gefunden und leider nicht mehr Herr im Hause sei.

Der Herzog von Richelieu ließ sich vor mir auf ein Knie nieder und dankte mir in der graziösesten Weise für die Ehre, die ich dem hohen französischen Adel zu erzeigen im Begriff stehe; er machte mir tausend Komplimente über meine Wahl, die auf einen Mann gefallen sei, den er am höchsten schätze unter allen seinesgleichen.

Ich wurde allmählich ungeduldig, daß Lauzun sich nicht zeigte. Er erschien endlich mit seinem Freund Guidry und dem Grafen Apen. Beide machten mir die ausgesuchtesten Komplimente.

»Glauben es mir Euere Königliche Hoheit,« sagte Graf Ayen, »daß ich wahrhaftig seit gestern meine Charge als Hauptmann der Leibgarde um eine Million höher einschätze. Der Kamerad eines Mannes zu werden, der Euerer Königlichen Hoheit Gemahl ist, das hätte ich mir in meinem Leben nicht träumen lassen.«

Lauzun war auch heute, wie gewöhnlich, sehr nachlässig gekleidet. Ich meinte, für einen solchen Tag hätte er sich schon ein wenig putzen können.

»Er habe ernstere Dinge im Kopf, als an Kindereien zu denken.«

Er zeigte sich wortkarg, fast düster. »Ist es nicht komisch,« sagte ich, »dieses Erstaunen der Menschen?«

»Ich wundere mich nicht darüber,« antwortete er, »sie können nicht erstaunter sein als ich selber. Wenn ich dran denke, daß ich vielleicht schon morgen Herr und Meister im Luxemburg sein soll, muß ich alle Sinne zusammennehmen, damit mir der Kopf nicht schwindelt. Und seht, was ich da rede, hat wirklich schon keinen Verstand mehr. Ihr bleibt ja selbstverständlich die Herrin. Ich werde Euer Verwalter sein und mich schon glücklich dünken, wenn Ihr mir hie und da eine Audienz gewährt für die Regelung Eurer Geschäfte. Ihr werdet künftig noch ein größeres Haus machen. Ihr werdet der Königin zu Ehren noch öfter Bälle und Komödien geben, da darf ich nicht fürchten, daß ich Euch zur Langeweile werbe.«

»Oh,« rief ich, »ich werde mit aller Welt brechen, um mit Euch allein sein zu können. Verlaßt Euch drauf.«

»Das müßt Ihr mir zweimal sagen, wenn ich es glauben soll,« antwortete er lächelnd. »Also bitte sagt, Ihr glaubt wirklich, daß Ihr Euch nicht mit mir langweilen werdet?«

»Du bist verdammt unbescheiden,« rief ihm Guidry zu. »Du bekommst von deiner Frau ein kleines Königreich und willst noch galante Redensarten obendrein.«

Ich forderte Lauzun auf, sich mit mir in mein Kabinett zu verfügen, wo der Parlamentsrat Boucherat mit zweien von meinen Advokaten damit beschäftigt war, den Ehekontrakt und eine Schenkungsurkunde zugunsten des Herrn von Lauzun aufzustellen.

Denn ich wollte noch vor der Eheschließung meinen Gemahl zum Herzog von Montpensier und zum Herrn meiner souveränen Herrschaft von Dombes ernennen; mit diesen Titeln, nicht mit seinen früheren, sollte er im Aufgebot stehen. Herr von Lauzun weigerte sich, mir zu folgen.

»Damit wolle er nichts zu tun haben,« sagte er kurz.

Schon vorher hatte er dagegen protestiert, daß der Minister Colbert, der sich selber angeboten, zu diesen Formalitäten beigezogen werde. »Wir müßten«, meinte er, »jeden Schein vermeiden, als ob im Geringsten der König dabei beteiligt sei. Wir müssen den König und die Minister aus dem Spiel lassen.«

Wie begründet seine Vorsicht war, sollte sich leider nur zu bald zeigen.

Gegen ein Uhr kamen die Minister zur Gratulation. Sie erschienen in großer Staatsmacht und gratulierten sehr offiziell.

Darüber vermehrte sich die Zahl der Besucher noch. Was nur zum Hof gehörte, außer der Partei der Königin und der Prinzen von Geblüt, machte mir seine Aufwartung. Ich stellte Herrn von Lauzun in Gegenwart der Minister allen Versammelten als Herzog von Montpensier vor mit der Bitte, ihn in jedem Sinn als solchen zu behandeln.

Unterdessen rückte die Stunde heran, die mich in den Louvre zur Königin rief. Ihre Majestät schenkte mir weder Wort noch Blick.

Der Herzog von Montausier nahm mich beiseite: Der König habe am Abend zuvor die Königin hart ausgescholten wegen ihres Betragens gegen mich; sie habe die ganze Nacht geweint. Um so fester stehe der Orléans zu ihr. Und nicht weniger die Fürsten von Bourbon. Condé habe an Orléans geschrieben, er werde sich die Ehre nicht entgehen lassen, zur Hochzeit des Gaskogners zu kommen – aber nur, um die andere zu haben, ihm beim Austritt aus der Kirche eine Kugel vor den Kopf zu schießen.

So gebärdete sich jetzt derselbe Condé, der einst die Fürstin von Rohan mit dem Herrn Chabot verheiratet hat.

Montausier drängte mich von neuem zur Beschleunigung der Trauung. Sobald sein Dienst bei der Königin ihn freilasse, wolle er mit Lauzun zum Erzbischof gehen wegen der nötigen Dispense, die Einschränkung des Aufgebots betreffend.

* * *

Wieder habe ich einen bedeutenden Tag hinter mir, auf den ich noch in ganz anderem Sinne stolz sein darf, als auf den gestrigen. Ich habe in einer schweren und bedrohlichen Sache einen glänzenden Sieg errungen.

Gegen Mittag fuhr ich nach dem Louvre, um der Königin aufzuwarten. Im Vorzimmer stieß ich auf Herrn von Montausier. Gleich an seiner Miene erkannte ich, daß etwas Unangenehmes vorgefallen sein müsse.

»Königliche Hoheit,« sprach er besorgt, »es droht Unheil, man hat dem König Unwahrheiten hinterbracht, und er weiß nicht, was er glauben soll. Eure Feinde scheuen vor keiner Machenschaft zurück. Sie haben dem König berichtet: Ihr würdet überall aussagen, daß Ihr nur ihm, dem König zuliebe diese Heirat eingeht, der sie ausdrücklich von Euch verlangt habe, um seinen Günstling zu erheben.«

Welche schlimme Post. Wahrlich, ich weiß nicht, was größer in mir war, mein Erschrecken darüber oder meine Entrüstung.

»Könnt Ihr mich zum König führen?«

»Seine Majestät hätte eben Ministerrat.«

»Um so besser,« rief ich, »so will ich vor allen Ministern mit ihm reden.«

Schon nach wenigen Minuten kam Herr von Montausier zurück: »Seine Majestät erwartet Eure Königliche Hoheit.«

Diesmal zitterte ich nicht. Mit zorniger Entschlossenheit trat ich vor den König und seine Minister.

»Sire,« rief ich, »Euer Bruder, mein Vetter Orléans, der hier gegenwärtig ist, hat Eure Majestät falsch berichtet. Ich soll ausgesagt haben, daß allein Eure Majestät mich zu der Heirat mit Herrn von Lauzun veranlaßt habe. Sire, ich bin gekommen, um Eurer Majestät zu erklären, daß diejenigen, die Seiner Königlichen Hoheit, Eurem Bruder, solches hinterbracht haben, elende Lügner sind. Wenn Eure Majestät die Güte haben wird, mich anzuhören, werde ich diesen dunklen Zwischenträgern hier im Angesicht dieser Herren unwiderleglich beweisen, daß sie gelogen haben. Herr von Lauzun hat das Unglück, Eurem Herrn Bruder zu mißfallen. Man hat Seine Königliche Hoheit gegen ihn aufgehetzt. Da allein liegt der Ursprung des ganzen falschen Geredes. Man nenne mir doch die Person, gegen die ich mich in jenem Sinn geäußert haben soll. Aber das dürfte seine Schwierigkeit haben. Denn mit keiner Seele auf der Welt habe ich über die Motive meiner Verheiratung auch nur ein Wort gesprochen. Diese Motive aber bestehen in nichts anderem, als in meiner Hochschätzung des Herrn von Lauzun, dessen hohe Eigenschaften und Verdienste mir Glück und Zufriedenheit garantieren. Ich habe meinen Fall lange und gründlich überlegt, und ich glaube weder gegen mein Gewissen noch gegen die Pflichten meiner Würde zu handeln. Herr von Lauzun ist ein Mann von Ehre bis in die Zehenspitzen hinein. Er hat mir selber aufs hartnäckigste von meinem Vorhaben abgeraten. Aber man haßt ihn, und darum hinterbringt man Eurer Majestät Lügen, womit man uns zu verderben gedenkt. Eure Majestät selber riet mir entgegen meinen Absichten. Aber als ich durch die Herzöge von Montausier und von Créquy, den Marschall d'Albret und andere Herren meine Bitte Eurer Majestät nochmals untertänigst vortragen ließ, hat Eure Majestät geglaubt, mir nicht länger widerstreben zu sollen. Eure Majestät ist so gerecht wie tiefblickend, Sie wird urteilen zwischen mir und meinen Feinden; Sie wird sich erinnern, daß niemand sich dagegen erhob, als man meine Schwester mit dem Herrn von Guise verheiratete, dessen Geist und Verdienst allerdings nicht danach sind, um ihm Neider zuzuziehen ...«

Ich will hier abbrechen, obwohl es nicht der zehnte Teil ist von allem, was ich dem König sagte. Über eine Stunde habe ich gesprochen.

Der König antwortete mir freundlich. Er versicherte mich seines vollen Vertrauens und schloß damit, daß er mir von Herzen Glück wünsche zu meiner Verheiratung.

Die Minister aber sprachen mir beim Weggehen förmlich ihre Bewunderung aus. »Ein Parlamentspräsident«, flüsterte mir Herr Colbert zu, »hätte Eure Sache nicht besser führen können.«

Als ich in den Luxemburg zurückkehrte, fand ich wieder den ganzen Palast voller Menschen. Ich blieb nur kurz und ließ unter einem Vorwand von neuem meinen Wagen vorfahren.

Am Parktor aber kehrte ich zu Fuß wieder um. Ich erwartete Lauzun. Er erschien zusammen mit dem Herzog von Montausier und dem Großmeister Guidry.

Die beiden Freunde waren darüber einig, daß wir die Vollziehung unserer Trauung nicht einen Tag länger aufschieben dürften. Auch sollten wir nicht dran denken, sagte Herr von Montausier, uns in der königlichen Kapelle trauen zu lassen. Die Königin würde Feuer und Flammen dagegen speien. Am geeignetsten sei eines meiner Schlösser.

Aber Lauzun wollte weder von Eu noch von Saint-Fargeau etwas wissen. Beide Orte seien auf drei Tagereisen vom König entfernt und er habe sich nun einmal vorgenommen, nicht länger als einen Tag Urlaub zu nehmen. Der Herzog von Richelieu habe ihm aber sein Schloß zu Conflans zur Verfügung gestellt.

Obwohl ich es würdiger gefunden hätte, im eigenen Hause Hochzeit zu halten, fügte ich mich; doch gefiel es mir, mich wenigstens zum Schein ein wenig hartnäckig zu zeigen, worüber Lauzun fast aufgebracht wurde.

»Ihr streitet Euch?« fragte der Herzog von Montausier befremdet.

»Nun ja,« meinte Lauzun, »Königliche Hoheit hat es von jeher geliebt, ihren Kopf aufzusetzen, und ich habe nie gelernt, mich des meinigen zu begeben; so werden wir wahrscheinlich noch oft Händel miteinander bekommen. Es ist aber besser, daß wir zum voraus wissen, wie wir miteinander dran sind.«

Nachdem Montausier und Guidry sich entfernt hatten, reute ihn seine Heftigkeit vor fremden Zeugen. Er wollte sich gar nicht darüber beruhigen. Ich wurde ungeduldig. Wir hätten jetzt Wichtigeres zu tun, als uns leere Komplimente zu sagen.

Doch zu meinem nicht geringen Arger kam er plötzlich auf seine früheren Grillen zurück.

Er vermöchte noch immer die Furcht nicht loszuwerden, daß ich die Sache letzten Endes bereuen könnte, daß ich sie vielleicht jetzt schon heimlich bereute, und nur eben dabei bliebe, gemäß des Sprichwortes, daß man die Suppe ausessen muß, die man sich eingebrockt hat. Er beschwöre mich aber bei allem was mir heilig, weder ihm zuliebe noch mir zuliebe etwas zu tun, was ich nicht aus vollem Herzen und aus vollkommen freiem Willen täte, ja lieber noch am Altar und vor dem Priester mit Nein zu antworten, ohne Rücksicht, was die Welt dazu sagen könnte, als den letzten entscheidenden Schritt mit halber Reue zu tun.

»Und ich, mein Herr,« antwortete ich, »ich beschwöre Euch, mir nicht noch einmal mit der alten Litanei zu kommen, sondern ernstlich mit mir darauf zu denken, was zu tun ist. Ich muß sonst glauben, daß Ihr mich auch gar nicht ein bißchen liebt ... Ihr habt es mir nie gestanden,« fügte ich zögernd hinzu, »sagt doch, könnt Ihr mich ein wenig lieben?«

»Darauf werde ich Euch antworten,« entgegnete er, »wenn wir von der Kirche zurückkommen.«

»Ach ja,« seufzte ich, »Ihr benehmt Euch in allem so außerordentlich und tut immer anders als die andern tun; es sollte mich nicht wundern, wenn es Euch morgen einfallen würde, vom Traualtar weg in Eure Karosse zu steigen und schnurstracks zu Eurem König zu fahren.«

Er antwortete: »Ich kann Euch nicht versprechen, daß ich es nicht tue.«

Während wir so redeten, meldete sich der Hauptmann Baraille von Lauzuns Regiment, der ihm stets vor allen andern ergeben war. Ich kannte ihn von der flandrischen Reise her und fand ihn sehr sympathisch. Er brachte uns die erzbischöflichen Dispense und wir verabredeten, daß Baraille im Luxemburg wohnen solle, um immer zu meinem Dienst in nächster Nähe zu sein. Darauf regelten und bestimmten wir genau, in welcher Ordnung alles vorzugehen habe.

Ich solle am Vormittag in Val-de-Grace bei den Karmeliterinnen beichten und um vier Uhr im Luxemburg abfahren, um gegen sechs in Conflans einzutreffen.

Lauzun selber wird bei den Vätern der christlichen Lehre zu Sainte-Geneviève zur Beichte gehen und etwas vor mir an Ort und Stelle sein. Noch am Vormittag soll Herr Colbert die fertigen Verträge dem König, der Königin und dem Dauphin zur Unterschrift vorlegen, Vetter Orléans aber und meine übrigen Verwandten sollen wegen ihrer feindseligen Haltung übergangen werden.

Wir hatten gehört, daß der Erzbischof von Reims dumme Reden geführt habe. Darum beschlossen wir, von ihm abzusehen und die Trauung von dem Pfarrer von Conflans vollziehen zu lassen.

Ich lud darauf Lauzun ein, mit mir zu speisen, er schlug es aber aus mit der Bemerkung, er wisse, was er mir schuldig sei.

Wiederholt habe ich ihn, während der langen Verhandlungen, zum Sitzen aufgefordert. »Ob ich ihn denn absolut zu einem unhöflichen Menschen machen wolle?« war seine Antwort.

Morgen – – Aber das Wort ist ja falsch, Mitternacht ist längst vorüber; wie ich sehe, geht es auf die zweite Morgenstunde. Das Ende der langwierigen Kämpfe naht sich.

* * *

Unter den zahlreichen Damen, die mir heute gratulierten, befanden sich auch einige von denen, deren intime Verhältnisse zu Lauzun ein offenbares Geheimnis sind. Ich weiß sogar nicht einmal, ob diese Beziehungen abgebrochen worden, oder ob sie noch fortdauern. Die Fürstin von Monaco war darunter. Sie sagte mir, wie ich sie ganz besonders glücklich mache durch die außerordentliche Erhebung eines Mannes, zu dem sie von Kindheit an wie zu einem höheren Wesen aufgeblickt.

»Ich weiß wohl,« antwortete ich freundlich, »daß Ihr ihn liebt und ich werde Euch dankbar sein, wenn Ihr ihm Eure Liebe auch in Zukunft nicht entzieht.«

So brachte ich sie und außer ihr noch die und jene dahin, gerade das auszusprechen, was sie zu verschweigen ängstlich bemüht gewesen waren.

Lauzun, der dieses scherzhafte Geplänkel mit anhörte, geriet darüber in die peinlichste Verlegenheit, und ich war boshaft genug, sie ihm zu gönnen.

»Ihr wollt also um keinen Preis eifersüchtig werden,« sagte er, als die Damen gegangen waren, »das ist wenig schmeichelhaft für mich und ich mache Euch darauf aufmerksam, daß Euer Betragen leicht zum Spott herausfordern kann.«

»Zum Neid,« rief ich stolz, »zum Neid wird es herausfordern.«

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Ich habe noch vergessen zu sagen, daß Lauzun mir erlaubte, seine Schwester zurückzurufen; sie ist heute angekommen. Und wie sie geweint hat an meiner Brust und ich an der ihrigen!

So habe ich mit dem Freund zugleich eine Freundin gewonnen. Keine von den andern Damen um mich ist es in dem Grade wie Frau von Nogent.

* * *

Werde ich noch schlafen können, diese Nacht? Es ist doch seltsam, daß einem im höchsten Glück das Herz oft plötzlich so schwer wird. Als Lauzun sich verabschiedet, blieb ich in Tränen zurück. Auch er ging traurig von mir. Ich sprach das Wort Vorbedeutung aus, Frau von Nogent blickte mich erschrocken an, die andern Damen lachten über uns.

Doch die Gräfin Epernon wurde zuletzt ebenfalls ernst.

»Er hat allerdings erbitterte Feinde,« sagte sie. »Ihr solltet ihm verbieten, bei Nacht allein auszugehen.«

Ich dachte an die Drohung des hochmütigen Condé und zitterte.

Aber gehen wir endlich schlafen. Eine Braut muß gut aussehen an ihrem Hochzeitsmorgen.

 

Am andern Abend.

Der Kampf ist doch noch nicht zu Ende ... Als ich heute in der Frühe schon einen Fuß in die Karosse setzen wollte, meldete mir der Hauptmann Baraille im Auftrage Lauzuns, daß die Trauung verschoben werden müsse.

Und das war der Grund: Der Herzog von Richelieu hatte im letzten Augenblick sein Anerbieten zurückgezogen, da seine Frau Rücksicht auf die Königin zu nehmen habe.

Dafür hatte nun der Marschall Créquy sein Schloß zu Charrenton zur Verfügung gestellt, das sich nur leider im Augenblick nicht ganz in dem wünschenswerten Zustand befinde.

Doch bis morgen soll alles in schönster Ordnung sein.

Aber morgen ist ein Freitag!

Wir können also erst übermorgen getraut werden.


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