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Lange genug waren die deutschen Maler, mit wenigen Ausnahmen, bei den Franzosen in die Schule gegangen. Nicht zu ihrem Schaden. Sie haben dabei viel gelernt, – was eben einer vom anderen, was besonders ein Deutscher von einem Franzosen lernen kann. Aber die aus Frankreich stammende impressionistisch-technische Evolution hatte sich endlich erschöpft. Man hatte in der Wiedergabe des zitternden Sonnenscheins, der flimmernden Dämmerung, der wogenden Nebel, der ins Unendliche gebrochene Farben das Menschen-Mögliche geleistet und hatte zuletzt erkannt, dass mit dieser ganzen Kunst, die so viel Schweiss der Redlichen gekostet, doch nur die Haut und nicht auch die Seele der Dinge zu packen sei.
Man fing aber an, sich wieder nach der Seele der Dinge zu sehnen. Und man sehnte sich zugleich nach der Linie, die fast verloren gegangen war, die, selber wie eine arme Seele, sich verflüchtigt hatte in all dem Lichtergeflirr und Farbentönegewirr.
Einer der Ersten unter den jungen Künstlern, die sich dem naturalistischen Impressionalismus entzogen, war Peter Behrens. Er folgte dabei nur seiner natürlichen Begabung. Sie drängte ihn zur Linie hin als zu dem geistigeren Ausdrucksmittel. Schon Klinger hatte in seiner kleinen Schrift von der Griffelkunst auf die Linie und speziell auf die Umrisslinien hingewiesen als auf ein Mittel von höchster geistiger Ausdrucksfähigkeit. In seiner ausgeübten Griffelkunst hat Klinger von dieser Entdeckung keinen Gebrauch gemacht, sondern im Gegenteil höchste farbige Wirkung angestrebt. Die Radirnadel erlaubt ihm das nicht nur: sie forderte sogar dazu heraus. Behrens griff zur Holzschnitt-Technik. Und natürlich pflegte er den rein linearen Holzschnitt. Die Linie ist alles auf seinen Blättern, wenn sie auch manchmal farbig ausgeführt sind. In seinen rein dekorativen Holzschnitten, wie Zierleisten, Titelrahmen, Initialen, ist er natürlich noch ausschliesslicher Linienkünstler.
Es ist interessant, hier Behrens mit Otto Eckmann zu vergleichen. Diesem ist es natürlich auch nur, wie jedem echt dekorativen Künstler, um wohlthuende lineare Rhythmen zu thun. Die Naturformen, pflanzliche und tierische, sind ihm dazu nur Mittel. Aber sie sind ihm meist ein willkommenes Mittel; er benutzt sie gern. Behrens verzichtet darauf fast gänzlich. Er gibt der reinen Linie den Vorzug. Mit ihren blossen Schwingungen eine schöne Augenmusik zu machen, hält er offenbar für die höhere Kunst. Dabei verschmäht er nicht, bei den alten Deutschen Holzschneidern zu lernen, was ich ganz besonders zu seinem Ruhm sagen möchte.
Peter Behrens wurde bald nach Christiansen vom Grossherzog nach Darmstadt berufen. Damit war ein höchst interessanter Gegensatz gegeben. Den naiv heiteren Naturlauten, dem zwanglosen Frühlingsjubel der Schmuckweise Christiansens stand der Stil von Behrens schroff gegenüber, der in der Farbe den hellen Dur-Tonarten weit ausweicht, im Linienornament aber, ob er es im Grossen oder Kleinen verwende, alle organischen Gebilde abweist und sich immer konsequenter auf die geometrischen Formen, die zugleich die tektonischen sind, in strenger Selbstbeschränkung zurückzieht. Blumenformen und menschliche Körperformen stehen nach seiner Logik in keiner Beziehung zur Architektur und dürfen bei ihr also auch nicht schmückend auftreten oder in funktionellen Teilen vorgestellt sein. Der Prototypus des Architektonischen ist für Behrens der Krystall und von ihm nimmt er deshalb auch alle ornamentalen Motive.
Peter Behrens ist gegen sich selber strenger als etwa Christiansen, und grüblerischer; sein Schaffen ist überlegter, bedachter. Darum hat auch kein Haus der »Kolonie« einen so stark persönlichen Charakter wie seines. Das Haus Christiansen wird auf Viele einen phantastischen, vielleicht sogar einen unsoliden Eindruck machen. Und dabei ist dieses Haus im Aufbau wie in der Bemalung nicht ohne Anklänge an mancherlei nordische und bäuerische Traditionen. Das von Behrens ist davon frei. Seine Originalität weckt dennoch kein Unbehagen. Jeder, glaube ich, wird von der Solidität dieser doch recht fremdartigen und neuartigen Pracht gleich gewonnen und in ein Gefühl der Sicherheit versetzt, wenn ihn auch im ersten Augenblick die egyptische Steifheit der Linien verblüfft haben sollte.
In der That hat dieses Haus den Sieg davon getragen über alle andern. Wo ich hinhorche, in den verschiedensten Kreisen, wird mir das bestätigt. Vergleiche: »Das Haus Peter Behrens« von Kurt Breysig in »Ein Dokument Deutscher Kunst«, Alexander Koch, Darmstadt.
Und was vom Ganzen gilt, gilt in noch höherem Masse von den Einzelheiten. Wie viele habe ich nicht in Entzücken ausbrechen sehen z. B. vor den Leuchtern, die da und dort so herumstanden; oder vor den Vasen, die in grösserer Anzahl in seinem Atelier zu sehen waren. Behrens kennt keine Arabesken. Er schmückt die Dinge nicht, er lässt sie selber Schmuck sein. Er lässt sie schön wirken und künstlerisch wirken einzig durch charakteristische Betonung und Steigerung ihrer einfachsten, den Zweck entsprechenden Formen. Da gibt es keine Blumen, die sich um die Dinge ranken, keine Männlein und Weiblein, die daran ihre Turnübungen machen; aber die durch den Zweck bedingten Linien haben individuelle Lebendigkeit, haben in höherem und stärkerem Grad Bewegung, Rhythmus, Musik und sprechen eine deutlich vernehmbare Sprache.
Wer Peter Behrens persönlich kennt, weiss, welche Fülle warmer Herzlichkeit er gelegentlich zu offenbaren vermag, und noch besser werden es seine Freunde wissen; aber was ihn für den Fernstehenden charakterisiert, ist eine gewisse steife Feierlichkeit.
Und ein bischen von dieser steifen Feierlichkeit klebt auch seiner Kunst an.
Behrens ist auch Schriftsteller. Er hat als solcher einen nicht weniger persönlichen Stil, wie als Künstler. Feierlichkeit charakterisiert ihn auch hier. Man denkt ihn sich unwillkürlich im priesterlichen Talar. Aber dieser Stil ist zugleich unendlich schlicht. Behrens bringt es fertig, beide Eigenschaften zu vereinigen. Seine Feierlichkeit, die stellenweise an hohe Staatsschriften erinnert, verhindert freilich eine gewisse Intimität des Ausdrucks, und jenes nervöse Suchen nach immer noch intimerem Ausdruck, was z. B. den Hauptreiz der gesprochenen Bismarckreden ausmachte und dem Stil eines Nietzsche seinen berückenden Zauber verleiht. Steifheit ist auch hier eine naheliegende Klippe. Aber in einem Lande, wo saloppe Schlodderigkeit fast die Regel bildet, soll man einen Stilisten wie Behrens nur loben und sollte alle zu ihm, dem Schriftsteller, in die Schule schicken, die über Kunst schreiben und dabei ihre eigene Kunst, die der Sprache, handhaben wie elende Handwerker.
Behrens wird sicher auf unsere künftige Kultur keinen geringen Einfluss ausüben.