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Moderne Keramik

Es gehört nicht wenig dazu, um auf einer Weltausstellung, wie der zu Paris an der letzten Jahrhundertwende, mit einfachen Handarbeiten ein allgemeines Aufsehen zu erregen. Eine noch ziemlich unbekannte Frau aus Kopenhagen, Frida Hansen, brachte das fertig. An keinem andern Punkt dieser kunterbunten und sinnenabstumpfenden Welt, die sich Ausstellung nennt, vernahm ich so viel naive Bewunderung, sah ich so viel freudiges Erstaunen, als vor den Teppichen der Frau (oder Fräulein) Frida Hansen. Das war, wie die Franzosen sagen, wieder einmal eine neue Note. Und merkwürdigerweise, auch auf der Ausstellung vor zehn Jahren hatte die französische Kritik eine Aufsehen erregende »neue Note« aus dem hohen Norden her zu konstatieren, und diese kam ebenfalls aus Kopenhagen.

Damals waren es nicht Gewebe, sondern Töpferwaren. Und die Bewunderung, die diese Töpfe und Krüge auf der Pariser Ausstellung erweckten, wurde nicht nur eine rettende Macht für sie selber, sondern sie wurde geradezu epochemachend für die keramische Kunst überhaupt, in die seit jenem Ausstellungsjahr ein Leben und eine Bewegung kam wie lange nicht zuvor. Ihr Sieg und Erfolg war der Sieg und Erfolg einer Revolution – einer der kühnsten und radikalsten, die man je gewagt hat, und über die man um so mehr erstaunen musste, als man sie von dorther, wo sie ausging, am wenigsten erwartet hätte.

Logisch lag es nahe, dass die moderne Kunstbewegung, dass besonders die neue schmückende Kunst, die von Japan her deutlich genug beeinflusst ist, auf keinem Gebiet so rasch eindringen würde als eben auf dem der Keramik, deren Vertreter schon seit Jahrhunderten lernbegierig nach dem äussersten Orient ausgeblickt hatten, lange bevor irgend eine andere Kunst sich eine Befruchtung von dorther hatte träumen lassen. Zu verwundern war es nur, dass der neue Stil der Drehscheibekunst vom hohen Norden, dass er gerade von Kopenhagen ausging.

Denn nirgendwo als in Dänemark war, vielleicht unter Thorwaldsens Einfluss, die klassizistische und antikisierende Richtung so tief eingewurzelt, und von allen staatlichen keramischen Manufakturen hatte die Kopenhagener, unter ihrem schwäbischen Direktor Hetsch, am längsten und ausschliesslichsten der pseudoantiken Form gehuldigt. Und sie hatte diese Form dann wenige Jahre vor der neuen Aera gegen die Form des letzten Jahrhunderts, die Rokokoform, also gegen denjenigen Stil vertauscht, den andere verwandte Anstalten als den Porzellanstil kat exochen zu betrachten schienen.

Da kam das Jahr 1888 mit seiner »Nordischen Ausstellung« zu Kopenhagen.

Die Wirkung war zunächst ein heller Schreck. Auf dieser Ausstellung trat, zum ersten mal im Norden, die neue Kunst in die Oeffentlichkeit, vertreten durch den »Dekorationsverein« unter der Aegide des Staatsrats Philipp Schou. Das neueste unter dem neuen aber bot die »Königliche Porzellanfabrik«. Ihre Erzeugnisse waren nicht mehr zu erkennen. Das war ganz und gar »Zukunftsmusik«. Unerhört. Und die Plötzlichkeit der neuen Offenbarung hatte zunächst eine verblüffende Wirkung.

Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich im Anfang der neunziger Jahre in München die Kopenhagener Porzellane zum erstenmale zu Gesicht bekam. Auch ich war verblüfft im höchsten Grade, aber nicht vor Schrecken, sondern vor Freude. Ein heller Jubel stieg in mir auf bei dem unerwarteten Anblick. Und es ist mir noch heut unbegreiflich, wie man eine grössere Anzahl dieser herrlichen Gefässe zum erstenmal sehen kann, ohne einen Sturm der Freude zu erleben.

Aber die Kopenhagener jubilierten nicht. Sie waren beleidigt durch die Neuheit. Sie schimpften. Das ist auch die alte Geschichte, die immer neu wird.

Erst das Publikum der Pariser Weltausstellung des folgenden Jahres wurde der Krog'schen Kunst gerecht. Denn Arnold Krog hiess der kühne Mann, der Direktor der Anstalt. Er war aber nicht bloss Direktor, er schuf selber. Die schönsten Entwürfe stammten von ihm, von ihm, von G.B. Rohde, von Karl Mortensen, von Gerhard Heilmann, von Th. Fischer und noch einigen anderen Künstlern.

Die französischen Liebhaber und Kenner waren vor allem entzückt von der Schönheit des Materials an sich, dieser Glasur, die sich so weich und wohlig anfühlte, nicht wie Glas, sondern wie Elfenbein oder Bernstein; dann von den Farben unter Glasur, diesem wunderbaren tiefen, freudigen Blau, mit dem das blasse Grün und das grauliche Rosa in angenehmer Harmonie zusammenklangen; endlich von der kühnen Naturwahrheit und Korrektheit der Zeichnung.

Mit dieser Art Zeichnung waren sozusagen neue Augen gegeben für die einfachen Erscheinungen der Natur, der heimischen Natur, die sich hier wieder einmal, wessen man ganz entwöhnt war, mit schöpferischer Phantasie und zugleich mit treuer Liebe gesehen darstellten, nicht in sterilisierter Stilisiertheit, aber auch nicht in naturalistischer Zufälligkeit, sondern, bei aller Treue in den Formen, überall bedeutungsvoll gesteigert und bereichert durch das höhere Leben des schöpferischen Geistes.

Das vor allem war's, was die nordischen Künstler bei den Japanern gelernt hatten und wodurch selbst ihre gelegentliche Phantastik noch als Naturtreue wirkte. Dadurch wurden sie aber auch zugleich davor bewahrt, dass ihre Erzeugnisse als Abklatsch japanischer Vasen erschienen.

Nur in der Verwendung der Natur als Vorlage stimmten sie mit ihnen überein. Aber abgesehen von den starken technischen Unterschieden, trennten sie sich deutlich von den Japanern, nicht nur durch eine andere, eine typisch-nordische Natur, sondern vor allem durch eine andere Palette, durch Farben, die an sich schon den Charakter einer europäisch-nordischen Welt symbolisch zum Ausdruck brachten.

Der Pariser Erfolg der Kopenhagener Erzeugnisse brachte zunächst im Norden einen grossen Umschwung hervor. Das kühne Wagnis, das nun eigentlich keines mehr war, fand von jetzt ab Nachahmung. In Kopenhagen selbst machte eine andere Fabrik dem bahnbrechenden Arnold Krog Konkurrenz innerhalb seiner eigensten Domäne. Rörstrand in Stockholm folgte ebenfalls bald. Die kaufmännische Spekulation bemächtigte sich zu ihrem Gewinn der grossen künstlerischen That Krog's und seiner Genossen.

Und die Bewegung ging ihren Gang. Sie ging soweit, dass selbst die Meissener Manufaktur hineingezogen wurde, für die es ausser Rokoko kein Heil zu geben schien und die mit der charakteristisch-chinesischen Industrie sich auch echt chinesische Beharrlichkeit angelegt hatte: die aber nun auf der letzten Pariser Ausstellung dem überraschten internationalen Publikum Porzellane vorführte, besonders grosse Vasen, welche im Kreis der hergebrachten Meissener Sachen und Sächelchen einen fast komischen Kontrast bildeten, allerdings auch den dänischen und schwedischen Erzeugnissen ihrer Art etwas mehr ähnlich sahen, als es sich mit der Ehre eines so berühmten Instituts vertragen sollte.

Ich will nicht sagen, dass sich die Meissener modernen Fabrikate von den Kopenhagener nicht unterscheiden. Aber sie wollen es noch mehr, als sie es wirklich thun. Man merkt zu deutlich die Absicht, das wirkt auch hier verstimmend. Als sich auf Krog's Erfolge hin in Kopenhagen selbst die Herren Bing und Gröndahl zu Konkurrenten aufwarfen, hatten sie den guten Geschmack, der malerischen Bildlichkeit und Naturnachahmung der Krog'schen Dekoration vollständig auszuweichen und bloss das moderne geschwungene Linienornament zu kultivieren. Damit gaben sie wirklich eine andere »Note«.

Und Röhrstrand in Stockholm verband von vornherein, im Unterschied zu Krog und seinen Mitkünstlern, die Plastik mit der Farbe. Damit wirkte er noch naturalistischer. Jedenfalls brachte auch er damit ein neues Prinzip hinzu. Die Meissener aber nahmen von all dem etwas. Nur verfügen sie über eine reichere Palette.

In ganz freier Weise vertreten die Manufaktur in Nymphenburg und Karl Rossbach in München einen neuen Stil im farbigen Porzellanschmuck. Die Nymphenburger verwenden ihr angenehmes Ziegelrot glücklich zu einem Mohnmuster, das, obwohl stark stilisiert, doch lebendig wirkt wie die Natur selber. Die Arbeiten von Karl Rossbach sind ausgezeichnet durch gutangepasste Verwertung lebendiger Naturformen und eine stark sprechende Farbigkeit. Nichts erinnert hier an die überkommenen Stilarten, aber das graziöseste, was die Natur bietet, ist mit feinstem Geschmack ausgewählt und in seinen Einzelheiten so geordnet, dass es auf den zu schmückenden Flächen am besten zur Geltung kommt. Auch an Japan denkt niemand mehr bei den Malereien von Rossbach.

Mit überraschenden Neuheiten erschien das Haus Rozenburg aus dem Haag auf der letzten Pariser Ausstellung. Die Fayencen dieser Fabrik hatten längst ihren eigenen Stil und fielen überall auf durch ihre gesättigt tiefbraunen und tiefroten Farben und ihre streng stilisierte teppichartige Musterung, wo Muster und Grund sich zwar scharf in der Linie, aber wenig im Ton von einander abhoben. Auf der Ausstellung erregten sie nun Aufsehen mit einem neuen Porzellan, dessen Bau an Feinheit und Dünne und dessen Bemalung, in zart grauen und rosa Farben, an origineller Phantasie und märchenhaft schöner Seltsamkeit alles hinter sich zurückliess, was man derartiges bis jetzt bei uns sehen konnte, und für das dann allerdings auch unerhörte Preise gefordert wurden.

Auch in England steht das blaue »Wedgwood« mit seinem streng antiken Ornament schon lange nicht mehr im Vordergrund. Hier war es ja, wo der neue Stil, von der Fabrik Morris & Co. begünstigt, in Möbelstoffen und Tapeten seine ersten Triumphe feierte. Er hat sich dann schnell auch der Keramik bemächtigt. Die Porzellane der Herren Minton und die von Worcester machten berechtigtes Aufsehen. Die Worcester-Vasen lieben ein reiches Blumenornament, das seinen besonderen Reiz darin sucht, dass es nicht aufgemalt, sondern wie von innen heraus durchzuleuchten scheint, eine Wirkung, die, wenn ich nicht irre, durch ausserordentlich leisen Farbenauftrag erreicht wird.

* * *

Der neue Stil beschränkte sich indessen nicht aufs Porzellan. Besonders in Deutschland beeinflusste er bald alle Zweige der Keramik, die untersten und bescheidensten nicht ausgenommen. Entsprechend dem demokratischen oder demokratisierenden Zuge im deutschen Kunstbetrieb – oft der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb – wandte sich bald eine Reihe hervorragender Künstler mit ihren reformatorischen Ideen der ganz gemeinen Töpferei zu und bewiesen, dass sich Schönes auch im billigen Material schaffen lasse.

Gewisse Leipziger Kunsthändler, zugleich Künstler, gewannen Einfluss auf die Thüringer Dorftöpfer, bei denen immer eine gute Tradition bestanden, und bewirkten in höchst dankbarer Weise eine bedeutende Steigerung der ästhetischen Werte in den Thüringer Töpferwaren.

Es ist hier ein Fortschritt zu verzeichnen, der nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Die gemeine Gebrauchstöpferei auf ein höheres ästhetisches Niveau zu erheben ist für unsere ganze Kultur wichtiger und ausschlaggebender als die Schaffung einzelner Zierstücke, die von jedem Nutzbrauch ausgeschlossen sind.

Von der Thüringer Töpferei wurde auch ein Unternehmen angeregt, das im höchsten Grade die allgemeine Beachtung verdient. Ich meine die Fabrik der Brüder Meinhold auf Schloss Schweinsburg bei Krimitschau. Die beiden ehemaligen Offiziere wollen ebenfalls nur wirkliche Gebrauchsdinge herstellen. Aber diese sollen originell und schön sein. Sigfried Meinhold gehörte in München als Künstler zu dem Obrist'schen Kreis, aus dem das erstaunliche Unternehmen der »Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk« hervorgegangen ist. An den Erzeugnissen von Schweinsburg spielt das Ornament kaum eine Rolle. Originell-schöne Formen und schönfarbige Glasuren sind einstweilen das Bestreben von Sigfried Meinhold. Er verfügt neben andern über ein tiefes warmes Blau, in dem, wohl mehr zufällig als berechnet, plattenweise grüne Schimmer hervortreten. Noch vornehmer wirkt ein grünliches Grau, in das blaue Reflexe spielen, und ein mit grau gekühltes Rosa, das besonders in kleinen Vasen und Schalen schön zur Geltung kommt. Und von seinen Formen sind besonders zu loben seine gedrückten Schalen, sein Leuchter mit dem Nenupharmotiv, seine Wandbrunnen und Schwammhalter mit leiser Andeutung eines figürlichen Schmucks. Auch durch ihre Billigkeit und Undurchlässigkeit empfehlen sich die Meinhold'schen Erzeugnisse. In letzter Zeit höre ich die Meinhold'schen Kacheln und Wandplatten sehr rühmen. Gesehen habe ich sie nicht.

* * *

Ich habe die Münchener vereinigten Werkstätten genannt. Sie haben sich unterdessen, nicht zum Ruhme Münchens, nach Stuttgart verpflanzt. Dass auch hier die keramische Kunst eine Pflegstätte hat und neue Aufgaben zu lösen bestrebt ist, versteht sich von selber. Zu nennen wäre in erster Linie die berühmteste deutsche Familie von Töpferkünstlern, die Familie von Heider; aber darüber müsste man ein Kapitel für sich schreiben. Daneben arbeitet unermüdlich Schmitz-Baudiss, der in jüngster Zeit nach Berlin übergesiedelt ist, in modernen Vasen und Krügen. Seine Produkte haben das Besondere, dass ihre einfache Pflanzen- und Tierornamentik durch Auskratzen der Umrisslinien vor der Glasur einen eigenartigen strengen Charakter erhält und das Leichtverschwommene der Glasurmalerei vermeidet, indem sie sozusagen negativ und auf viel primitivere Weise das erreicht, was in der Emailkunst durch die Intarsien bewirkt wird.

Dieser Methode des Auskratzens bedient sich auch die Frau Schmidt-Pecht in Konstanz. Durch ein altfränkisches Ornament in zwei einfachen Komplementärfarben, als etwa dunkelgetöntem Grün und Rot, wie auch durch ihre Rauhäutigkeit machen ihre Gefässe einen gut bäuerlichen Eindruck, was beabsichtigt ist, ohne dass sie übrigens, wie gewisse neuere Erzeugnisse aus, belgisch Flandern, diesen Charakter auch durch Plumpheit der Form und gänzliche Stillosigkeit zu erreichen streben.

Von Frau Schmidt-Pecht stammen auch, wenn ich recht unterrichtet bin, die neuesten Ornamentsentwürfe für die bekannte Schwarzwälder Majolika aus Zell am Harmersbach. Dieses Ornament ist der Hauptsache nach ein »Zwiebelmuster«, das entweder in einem blassen Rot und Grün oder in sehr dunklem Blau mit Gelb zur Ausführung kommt. Ich gebe dem letzteren den Vorzug. Es wirkt kräftiger. Die blassrot-grüne Musterung wirkt weichlich daneben. Sehr lobwürdig sind einzelne Formen dieser Fabrik, wie etwa die kleinen niedlichen Näpfe oder die verpfropfbaren bauchigen Flaschen, ebenfalls in zierlich kleinem Format, oder die grossen Henkelkrüge mit Ausgussrohr, und besonders das allerliebste alt-markgräfler Weinkrüglein, ebenso selbstverständlich einfach wie entzückend schön.

Die Zeller Fabrik steht unverkennbar unter dem Einfluss der Karlsruher Kunstgewerbeschule. Aus dieser Schule aber ist direkt Professor Läuger hervorgegangen, der wohl, und mit Recht, von allen deutschen Keramikern das meiste Aufsehen erregt hat.

Auch Läuger knüpfte an alte bäuerliche Traditionen und Techniken an. Aber er macht in dieser Technik nicht nur teure, sondern auch, wenn nicht gerade kostbare, so doch glänzende und mit Pracht geschmückte Sachen, die sich neben jeder Art von Herrlichkeit sehen lassen können.

Als Läuger vor einigen Jahren seine ersten Versuche machte, waren seine Glasuren noch fast durchaus dieselben, wie man sie auch bei den meisten schwäbischen Dorftöpfern findet. Ein hellrötliches Braun und ein blasses Gelb, beide ohne besonderen Glanz, dazu ein tiefes Schwarzbraun, sie kehren in seinen früheren Krügen immer wieder. Er hat unterdessen grosse Fortschritte gemacht.

Er verwendet jetzt herrlich rote und blaue und grüne Glasuren, von fast sammtartiger Wirkung, von unübertrefflicher Schönheit. Auch im Ornament fing er sehr schüchtern an: braune Weidenzweige auf gelbem Grund und gelbe Tulpen auf Rotbraun. Aber sein Formenschatz vermehrte sich rasch. In letzter Zeit liebt er ein Ornament, das ihm eigen ist. In fast reliefartigem Auftrag legt er über den Grund ein vielverschlungenes Geflecht, stilisiertes Zweig- oder Wurzelgegitter, womit er sehr wohlthuende Wirkungen erzielt.

Läugers Ornament ist nicht gemalt, wie schon jeder Laie beim oberflächlichsten Betrachten erkennt; es ist mit der Giessbüchse aufgegossen.

Ein Berliner Berichterstatter über eine gelegentliche Ausstellung nennt dieses Verfahren neu. Es ist im Gegenteil sehr alt. Ich sass als Kind oft bei einem Töpfer, einem kleinen buckligen Männlein, das ich noch heute sehe, wie es um den Rand der Teller und Schüsseln herum seine Sprüchlein ausgiesst. Glick und unglick is alle morge mei Friehstick, war eines davon, das er immer wieder anbrachte. Er wurde später, ein ächter Märtyrer seines Handwerks, in der Thongrube von einem Erdrutsch erdrückt; aber seine Kunst, wie man sieht, wurde nicht mit ihm verschüttet ...

In der Form sind Läugers Gefässe sehr ungleichwertig. Am besten gelingen ihm die niedrig bauchigen Krüge, und ganz entzückend sind einzelne Schalen. Von seinen hohen schlanken Gefässen lässt sich das nicht immer sagen. Sie haben wegen ihrer zu geringen Basis, oft einen unsichern Stand. Zu tadeln sind fast immer die Henkel oder Handgriffe. Sie entsprechen fast nie der menschlichen Hand und scheinen mehr zum Ansehen als zum Angreifen gemacht – ein Fehler, der auch bei andern modernen Thongefässen auffällt im Gegensatz zu guten alten Sachen, bei denen man sich bewusst war, dass an einem nutzbaren Ding nur das schön ist, was zugleich praktisch ist, was am vollkommensten seinem Zweck entspricht.

Ausser Läuger ist in Karlsruhe noch Wilhelm Süss in Keramik thätig; er wird von Hans Thoma durch Entwürfe und Vorlagen ausgiebig unterstützt. Ein Monumentalbrunnen, in farbiger Majolika, an dem er eben arbeitet, wird eine Hauptzierde der nächsten Karlsruher Jubiläums-Ausstellung bilden.

* * *

Von französischen Porzellankünstlern ist hinsichtlich der Modernität an erster Stelle Chaplet von Choisy-le-Roi zu nennen. Er hat heut schon einen altberühmten Namen. Und verdient ihn. Er ist ein Keramiker, der seine Kunst liebt über alles, ein Pfadfinder und Neuerer, der keine Opfer scheut, den nichts entmutigt.

Am berühmtesten sind seine Porzellane mit geflammter Glasur. Sie haben alle eine grosse Stärke und Reinheit der Farben und geben dem Auge die Vorstellung zugleich von Zartheit und Festigkeit. Sie wirken wie Edelsteine, denen sie an Härte in der That nahe kommen, in so hohen Hitzegraden sind sie gebrannt. Chaplet ist es gelungen, das »Geflammte« seiner Zufälligkeit zu entkleiden und es mit einer gewissen Regelmässigkeit und Sicherheit herauszubringen.

Neben Chaplet und anderen ist die staatliche Manufaktur zu Sèvres auffallend konservativ.

In Frankreich bedient man sich für die keramischen Künste auch des Ausdrucks arts du feu. Das Feuer wird hier betont, nicht das Material. Das Feuer, als welches dem Material, abgesehen von der Form, erst Bestand und Schönheit verleiht. Und je mehr das Feuer dabei zu thun hat, le grand feu, um so aristokratischer gelten die Erzeugnisse.

Ausser den Nachahmungen der alten Steinzeuge, des alten »Rouen«, des alten »Nevers«, des alten »Moustiers«, worin man durchaus nicht immer glücklich ist, sind heute vor allem jene Fabrikate beliebt, deren Glasur einen eigentümlichen Schmelz mit metallischem Lüstre darstellt, schillernd in allen Farben des Regenbogens – die »Faiences à reflets métalliques«. Clément Massier vom Golfe Juan und das Haus Haviland in Limoges leisten darin ausgezeichnetes.

Ob der Geschmack für dieses »genre« lange anhalten wird? Ich glaube, es wäre kaum zu wünschen. Denn es ist durchaus kein vornehmer Geschmack. Es ist unvornehm nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Dingen, etwas anderes vorstellen zu wollen, als man ist. Und das wollen diese Fayencen à reflets métalliques. Sie mögen durch die Tiffanygläser so stark in Mode gekommen sein; aber jene stellen sich dem Auge als Glas dar und als nichts anderes.

Kann man nun diese Art von Fabrikprodukten in ästhetischem Betracht fast der Unsolidität bezichtigen, so weist daneben die französische Keramik Produkte auf, die, in jedem Betracht, das Solideste sind, was man sich denken kann, und die das französische Künstlertum wie den französischen Laiengeschmack aufs vorteilhafteste charakterisieren.

Das sind die harten Steinzeuge, die grès au grand feu. Sie haben das Porzellan vom Thron gestossen. Sie konnten einst einen Jean Carriès begeistern, der hier le mâle de la porcelaine entdeckte. Und in ihnen, nicht im Porzellan arbeiten heut die grössten Künstler. Sie sind denn auch ein allererster künstlerischer Ruhmestitel Frankreichs.

Wie mit seinen Medaillen und Plaquetten, wie mit seiner Bronze- und Zinngussplastik nimmt Frankreich auch in der Kunst der »Grès« den ersten Rang ein.

Es muss die Unzerstörbarkeit des Materials sein, das hierin sogar die Bronze übertrifft, was auf Laien und Künstler einen so grossen Reiz ausübt. Allerdings auch die Schönheit des Materials. Denn was bei der Bronze erst die Jahrhunderte vermögen oder doch von der menschlichen Kunst nur sehr unvollkommen bewirkt wird, das lässt sich bei diesen Steinbränden von vornherein in hoher Vollkommenheit erreichen. Sie gehen nicht wie die Bronze in sozusagen hautloser störender Nacktheit aus dem Feuer hervor; sie haben gleich ihre schöne Haut, die schönste schillernde Schlangenhaut, die noch dazu fast unzerstörbar ist.

Ich lernte auf der Pariser Ausstellung einen einfachen Mann kennen, der mir seine »Grès« zeigte, die manchmal vollkommen wie antike Bronze aussahen. Man weiss, was Bronzekünstler dafür gäben, diese Patina ihren Werken auf eine haltbare Art beizubringen. Sie ihnen aufzumalen, das will freilich nichts heissen, dasselbe kann der Gipser mit seinem Gips erreichen. Aber die Patina jener Steingefässe war nicht aufgemalt und war auch keine darüber gegossene Glasur, sondern war durch die blosse Wirkung des Feuers dem Material angewachsen wie die Kruste dem Brot, wie die Schuppenhaut dem Reptil im Feuer der Sonne. Und ich begriff, dass der Mann stolz war auf seine Erfindung.

* * *

Das Hartsteinzeug hat einen der grössten modernen Künstler zum Töpferhandwerk bekehrt: Jean Carriès. Dieser nervöse Plastiker liebte den Marmor nicht. Man meint, er habe sich mit Absicht das sprödeste Material gesucht, um es zu bemeistern. Um so verblüffender wirkt er.

Was uns im Marmor schon wie selbstverständlich erscheint, wirkt in diesen Grès unbegreiflich, unglaublich. Man ist überwältigt zu sehen, wie in diese feuergehärtete Lavamasse die zartesten und feinsten Regungen des Lebens gebannt sind, die in solchem Grade nur einige Renaissanceplastiker zum Ausdruck gebracht haben. Man steht wie vor einem Wunder vor dieser Steinzeugplastik mit der zartfarbigen Glasur, die atmendes Leben darstellt, und wo also äusserste Starrheit und innigstes wärmstes Leben, was beides sich auszuschliessen scheint, eine unerhörte Einheit eingegangen sind, die Einheit von Materie und Form.

Eine Reihe seiner entzückendsten Werke, darunter die berühmten Kleinkinderdarstellungen, le Bébé pensif, le petit voyou, le Bébé endormi, hat Carriès in Hartbrand ausgeführt, und er hat sich dabei so in das Material verliebt, dass er thatsächlich Töpfer wurde. Und er war ebenso stolz darauf, schöne Gefässe zu formen und zu brennen und in schönen Farbenschimmer zu kleiden, wie er sonst sein Alles darein setzte, in seinen plastischen Menschendarstellungen eine immer höher gesteigerte Geistigkeit, eine immer intimere Lebendigkeit und Wahrheit des Ausdrucks zu erreichen. Aber auch seinen Töpferarbeiten fehlt keineswegs die Geistigkeit. Denn zum Geistigen gehört auch die Phantasie, und phantasievollere Gebilde lassen sich nicht leicht denken, als die Hartbrandstücke von Carriès.

Carriès blieb nicht der einzige Künstler grossen Stils in dieser Gattung, in der heute mehr als je Leute von Weltruhm thätig sind, Künstler wie Dalpayrat und Frau Lesbros, die in ihren geflammten Grès sehr einfache, aber originelle Formen in dunkel-prächtiger Glasurbehandlung bieten; dann Albert Damouse von Sèvre mit starkfarbigen Blumenornamenten in Tönen, die ihm allein gehören; dann Delaherche, Bigot u. a., die bei ihren Grès auf alle Dekorierung verzichten und vor allem mit der Güte und Feinheit ihres Materials und durch einfache, echt französisch elegante Form wirken.

Zu den Keramikern gehörte früher auch Emil Gallé in Nancy, der in vielen Sätteln gerecht ist und auch die Feder gewandt zu führen versteht, einer der grössten Schönheitsapostel unserer Zeit. Zwar in »Feuerkunst« arbeitet er noch, aber er hat unterdessen die Erde mit dem Glasflusse vertauscht, mit dem er, wie bekannt, geradezu märchenhafte Wirkungen hervorbringt zum Erstaunen und Entzücken der Welt.

Noch ist E. Lachenal aus Paris zu nennen. Seine Steinzeuggebilde sind oft von dekadent-übergraziöser Form und erinnern in ihrem koketten Biegen und Schmiegen der Linien allzusehr an die moderne Zinnplastik, was keine keramische Tugend ist; aber sie wirken sehr einschmeichelnd durch ihre unglaublich weiche Glasur in mattgrünlichen Tönen.

Lachenal hat sich neuerdings mit dem Architekten Paul Bec verbunden, dessen moderne Möbel er mit keramischen Einlagen schmückt. Von dieser Lignokeramik, wie Lachenal seine Neuerung nennt, waren auf der Pariser Ausstellung recht wirkungsvolle Stücke zu sehen.

Weniger neu ist die Verbindung der Keramik mit der Architektur. Sie ist uralt. Die buntgemusterten Glasurziegeldächer in den altdeutschen Städten sind bekannt. La Germania risplende per i tegoli invetriati, rühmte im sechzehnten Jahrhundert ein italienischer Architekt von Deutschland. Dieses risplendre war auf lange Zeit verschwunden. Aber schon beginnt es hie und da zu blitzen. Ja es tritt stellenweise in einem Umfang auf, den mau im sechzehnten Jahrhundert am wenigsten geahnt hätte, es tritt auf in Begleitung (und als Bekleidung) der modernsten architektonischen Errungenschaft, der Eisenkonstruktion.

Bei den Pariser Ausstellungspalästen war diese Verschwisterung sehr auffallend. Schon vor zehn Jahren machten sie von sich reden. Die französischen Häuser Lobnitz und Emil Müller und in Deutschland die Fabriken von Saargemünd und Ehrang bei Trier, die beide ebenfalls in enger Fühlung mit Frankreich arbeiten, haben in dem letzten Jahrzehnt sowohl technisch wie ästhetisch Fortschritte gemacht. So ist heut schon vorauszusehen, dass gebrannte Erde und Glasurfarben im Bauwesen der Zukunft noch eine ganz andere Rolle spielen werden als in den vergangenen Jahrhunderten. Dann wird des Glanzes viel sein auf dieser Welt ...

Jeder, der den Louvre kennt, erinnert sich der gewaltigen Friese von Bogenschützen aus dem Palast des Darius und Artaxerxes.

Das sind erstaunliche Kunstwerke. Alles ist daran von einer Stärke des Ausdrucks, von einer Grösse und Ruhe der Geste, dass sich uns das kleinste Detail unauslöschlich eingeprägt. Und doch ist das wunderbare Werk aus einfachen Ziegeln aufgebaut.

So sollte die moderne Kunst den glasurfarbigen Ziegel wieder benutzen lernen. Das wäre eine würdige Aufgabe. Mit dem Glanz allein wär's da freilich nicht gethan.

Das Feinste, in Form und Farbe, wird die keramische Kunst immer im Gefäss leisten können; aber die grösseren Aufgaben, die eigentlich monumentalen Werke auf diesem Gebiet liegen über die Töpferei hinaus. Ihr Medium wird auch in Zukunft Ziegelstein heissen – wenn man ihm auch gelegentlich andere Namen gibt; er ist für die Keramik, was das Fresko für die Malerei und scheint recht ausdrücklich berufen, in unsern nordischen Klimaten das hier unmögliche Fresko zu ersetzen.

* * *

Es gibt genug Leute, die heute noch vom Niedergang der Kunst reden. Es sind oft dieselben, die gelegentlich verraten, dass die Deutschen eigentlich nur eine einzige Kunst treiben dürfen, nämlich Musik – die ja auch in Sparta allein erlaubt war. Und es sind, scheint mir, dieselben, die zur Zeit des grossen Cornelius, wo die deutsche Kultur so unkünstlerisch war wie noch nie, der Welt eine allerhöchste nationale Kunstblüte verkündet hätten.

Es ist aber kein schlechtes, sondern ein sehr gutes Zeichen, dass heute bereits ein grosses Publikum anfängt, Kunstwerke in Läden zu suchen, wo es auch seine einfachen Kochtöpfe kauft. Diese Anfänge sind bereits so stark, dass die Besitzer solcher Läden, in ihren Schaufenstern wie im Innern, mit individuellen Künstlernamen aufwarten zu müssen das Bedürfnis fühlen, was noch vor zehn Jahren eine Unerhörtheit gewesen wäre.

Es ist das allerbeste Zeichen, dass die künstlerische Konkurrenz einen solchen Aufschwung nimmt auf einem Gebiet wie dem keramischen, wo die neuzeitlichen Fortschritte der Technik verhältnismässig am wenigsten zu sagen haben.

Man kokettiert nur zu viel mit dem Worte »Kunst«. Besonders wo es in Zusammensetzungen auftritt. Derartige Wortzusammensetzungen, wie Kunstmöbel, Kunstschreiner, Kunstschlosser – Kunstvereine (und gar Kunstmaler) kannte man allerdings in früheren guten Zeiten nicht. Was wirklich ein Kunstwerk ist, sei es in der Töpferei oder im Zinnguss, sei es eine Schlosserarbeit oder ein Holzmöbel, sollte nicht nötig haben, sich erst als solches ausdrücklich zu bezeichnen. In dieser Beziehung fehlt es unserer Zeit an Vornehmheit, an feinerem Schamgefühl.

Das Werk muss den Meister loben, sagten die Alten; in unseren heutigen Familienblättern muss umgekehrt der darunter genannte Künstler das Werk loben – mit seinem Professorentitel. So will es ein gewisses Publikum. Und ein anderes Publikum will, dass die teuren Dinge, die es kauft, sich selber als »Kunst«dinge anpreisen. Es ist das schlechter Stil.

Die unglücklichste aller dieser Wortzusammensetzungen ist das zusammenfassende, in allen deutschen Staaten offiziell gestempelte »Kunstgewerbe«. Dumme Wörter und dumme Menschen werden gar zu gern offiziell gestempelt. In dem Worte Kunstgewerbe liegt aber schon heute ein Stück vergangenen Zeitgeistes versteinert. Man glaubte dem Handwerk eine Ehre anzuthun, indem man es »Gewerbe« nannte. Aber ein Gewerbe hat jeder Käskrämer, und Handwerker heisst auf französisch artisan. Das sollten die »Kunstgewerbler« heute endlich bedenken.

Denn die Verachtung des Handwerks ist ja von ihnen heut überwunden. Und wir sind stolz auf diese Errungenschaft. Ja, dass unsere Kunst nicht im Niedergang sondern im Aufschwung begriffen ist, das hat sie eben damit bewiesen, logisch und mathematisch, dass sie sich endlich bequemt hat, unten anzufangen, statt auf den höchsten Gipfeln wie zur Zeit des grossen Cornelius.


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