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Theodor hörte das rote Blut, es schrie, es brüllte, wie aus tausend Kehlen, es flammte, wie tausend Feuersbrünste, purpurne Räder kreisten in der Luft, purpurne Kugeln rollten auf und nieder. Aus seinem Innern kam das rauschende Rot, es erfüllte ihn und machte ihn leicht, ein roter Jubel kam über ihn, ein Triumph hob ihn empor.
Aber wehmütig war er in den Abendstunden, wenn die Fledermäuse zu flattern begannen und die Frösche quakten, das Wispern der Grillen unablässiger und eindringlicher wurde und eine Magd bei der letzten Arbeit des Tages sang. Gerührt, mit einer schluchzenden Seele, betrachtete er den abendlich geröteten Himmel, und er pfiff wehmütige Lieder. Ihm war wie in der Kaiser-Wilhelm-Diele, wenn die Musik das Lied vom schwarzbraunen Mägdlein spielte.
Er gewann seinen Glauben an die Sache wieder, der er diente, wenn der alte Freiherr traurig wurde und von deutschen Landen zu reden begann, die den Polacken anheimgefallen. Irgendwo hörte Theodor Hörner blasen, einer Kriegstrompete aufschreckenden und sterbebangen Ruf. Er war mitten im Krieg, er kämpfte und stritt, er verteidigte heilige Erde, und er war bereit, sein Blut zu verspritzen, wenn der alte Freiherr das Wort »Scholle« sagte. Er sprach ein langes, sehnsüchtig klingendes O und ein hartes ostpreußisches L, er holte Atem, ehe er die erste Silbe aussprach, und stieß ihn bei der zweiten Silbe aus mit einem Seufzer. Theodor sah manchmal in dem alten Freiherrn das Bild eines der letzten deutschen Adeligen, denen in der neuen Zeit der Untergang drohte.
So war es nicht immer. Wenn es regnete und Theodor in der Bibliothek des Freiherrn saß, las er Romane in der »Woche«, betrachtete in Zeitschriften Photographien großer Männer, wurde nüchtern, wie er immer gewesen, und den Freiherrn sah er nicht mehr begeistert, sondern als einen alten, mit kleinen Lächerlichkeiten behafteten Mann, wie ihn alle sahen; mit verzeihendem Verständnis allerdings und einer Dankbarkeit, die er dem Hause für eine über die üblichen Maße und ausnahmsweise genossene Gastfreundschaft schuldig war.
Denn Theodor wurde besser gehalten als jemals einer von den alljährlich gebrauchten Helfern. Theodor war Zeuge in dem Prozeß gegen die Landarbeiter. Er unterhielt sich mit dem Untersuchungsrichter. Er begleitete den Freiherrn nach Berlin. Schon war vollkommene Gefahrlosigkeit sicher. Dennoch genoß Theodor liebevolle Behandlung. Ein schwerverletzter Arbeiter, den man für den Aufrührer hielt, wurde rasch im Spital gesund gepflegt. Er bekam sogar Wein, nachdem sein Wundfieber verschwunden war. Die Anklage legte ihm Haus- und Landfriedensbruch zur Last und Mordversuch.
Der Prozeß dauerte eine halbe Stunde. Der Arbeiter bekam acht Monate Zuchthaus. Der Staatsanwalt saß am Abend mit Theodor Lohse und dem Freiherrn im »Kaiserhof« bei einer Flasche Wein.
Eine Woche später nahm Theodor Abschied vom Gutshof. Er konnte seine Rührung nicht unterdrücken, er dachte daran, daß der alte Freiherr bald sterben werde, er dachte an die Abendstunden, den Gesang der Frösche und der Grillen, die gemeinsamen Gefahren, die ihn mit dem Hause verbunden hatten, und an die Heiligkeit der »Scholle«.
Dann marschierte er an der Spitze der fünfzig ab, zum Bahnhof. Sie sangen auf der breiten Landstraße. Theodor beschloß, ihnen erst in Berlin die Löhnung auszuzahlen. Der Freiherr hatte in der Stunde des Abschieds die drei Tageslöhne nicht abgezogen.
Theodor gedachte es zu tun.