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Johann Rist und seine Zeit. Aus den Quellen dargestellt von Theodor Hansen. Halle 1872. xvi u. 368 S. 8. Nachtrag in der Zeitschrift für deutsche Philologie, 5, 442.
Johann Rist wurde am 8. März 1607 zu Ottensen bei Hamburg, einem Dorfe der Grafschaft Pinneberg in Stormarn, geboren. Sein Vater, Kaspar Rist, stammte aus der Reichsstadt Nördlingen und war als Dolmetsch mit einem Griechen nach Hamburg gekommen. Wann er die Stelle als Prediger in Ottensen erhalten, ist ungewiß. Verheirathet war er mit Margaretha Ringemuth aus Steinbrügge im Herzogthum Braunschweig-Lüneburg. Die Ehe war mit neun Kindern, fünf Söhnen und vier Töchtern, gesegnet. Das älteste Kind war Johann Rist, wie es scheint auch des Vaters Liebling. Nach den gelegentlichen Andeutungen des Sohnes unterhielt der Vater in Ottensen eine Heilanstalt für Irre und brachte die meiste Zeit seines Predigtamtes mit »Angefochtenen und betrübten Leuten« zu, half auch vielen Personen hohen und niedern Standes gar fein wiederum zurecht, vermochte aber solche, die aus Geiz oder Sorge der Nahrung in den traurigen Zustand gerathen waren, am wenigsten zu heilen. So erinnerte sich der Sohn aus seiner zarten Jugend einer Frau aus Hamburg, die seinem Vater gebracht wurde und wohlhabend war, aber den Wahn hatte, daß sie Hungers sterben müsse, und Selbstmord für das beste Mittel hielt. Der Vater brachte sie wiederholt zur Vernunft, allein sie verfiel immer wieder in ihren Wahn, und als sie einmal, scheinbar geheilt, in ihr großes wohlgebautes Haus zu Hamburg heimgekehrt war, ging sie, als sie eine kleine Summe Geldes zahlen sollte, deren Betrag sie zehnfältig in ihrem Schrein baar liegen hatte, auf den obersten Boden des Hauses und erhängte sich. Andere Fälle der Art blieben dem Sohne aus frühester Jugend bis in sein Alter im Gedächtnis; sie machten tiefen Eindruck auf ihn und haben vielleicht dazu beigetragen, daß er selbst in solche Anfechtungen gerieth. Er erzählt aus seiner zarten Jugend, daß er, wegen der Lehre von der Gnadenwahl, ganze drei Jahre auf das äußerste angefochten sei, und daß sein lieber Vater ihn viel hundertmal wie einen Halbtodten in sein Studierstüblein getragen, da sie dann zusammen niederknieend mit unzähligen Thränen Gott angerufen, ihn doch einmal von solchen teuflischen Anfechtungen zu erlösen. Da habe ihn denn der 91. Psalm mehr als tausendmal aus der größten Herzensangst errettet, sodaß er freudig geworden und Gott mit Psalmen und Liedern, die er in solchem zarten Alter zum Theil selber gemacht, herzlich gelobt habe.
Im übrigen scheint Rist ein frisches Jugendleben im Freien, in Feld, Wald und Strom geführt zu haben. Im December 1665, als sein Vater schon über die vierzig Jahre in der Erde ruhte, weiß er demselben noch Dank, daß dieser niemals ins Freie gegangen, ohne ihn mitzunehmen. Da habe er dann lernen müssen, wie bald dieses, bald jenes Kraut, Blume und Gewächs, die sie entweder auf dem sandigen Acker, oder in den fetten Wiesen, im Walde, in wässerigen Gründen, auf den Hügeln, in der Saat oder sonst fanden, deutsch, lateinisch und griechisch genannt würde; er habe Herbarien anlegen und die Namen zu den sauber aufgeklebten Pflanzen schreiben müssen und sein Leben lang Freude an der Pflanzenwelt behalten. Auch zum Baden und Schwimmen hielt ihn der Vater an. In dieser Uebung sei er denn bald so fertig geworden, daß er mit seinen Kameraden von Altona nach der gegenüberliegenden kleinen Insel, Des Gräven Hof genannt, zu schwimmen gepflegt, wo sie dann von den gutthätigen Bewohnern mit frischer Milch und Butter wohl bewirthet seien und schwimmend die Heimkehr genommen. Das Zeichnen dagegen wollte der Vater nicht gestatten; er bestrafte sogar die Uebungen darin, bis der Knabe die Gestalt desselben heimlich auf einem Folioblatte treffend abkonterfeite und das Bild an die Thür der Studierkammer klebte. Als der Vater es dort fand, rief er die Hausgenossen herbei und sagte mit Lachen, nun sehe er wohl, daß der Bube sein Malwerk unmöglich nachlassen könne, er wolle ihm täglich eine Stunde erlauben; wer wisse, wozu es ihm künftig noch nützen könne. Seitdem sei er fleißig zum Zeichnen, sein Bruder Kaspar sogar zum Kupferstechen angehalten worden. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir denn auch, daß der alte Rist den Söhnen einen Präceptor hielt.
Die Nähe Hamburgs, dessen Glocken man im Pfarrhause zu Ottensen schlagen hörte, machte es wünschenswerth und erleichterte es, den Knaben dorthin zur weitern Ausbildung auf die Schule zu geben, die unter dem Rectorat des ältern Paul Sperling sehr in Aufnahme gekommen war und von mehr als tausend Schülern besucht wurde. Neben dem um die Jugend hochverdienten Professor Sperling rühmt Rist den christlichen und sanftmüthigen Magister Zacharias Schefter (den er Schäffer nennt) und den fleißigen und in der Lehrkunst besonders wohlerfahrenen Magister Johann Starke, der seit 1620 als Conrector in Hamburg wirkte, aber schon am 26. Januar 1623 starb. Während dieser Zeit muß Rist demnach die Johannisschule besucht haben. Er berichtet, daß er neben dem Unterricht dieser und mehr dergleichen großer Leute auch von andern Schulmeistern und Studenten zu Hause fleißige Unterweisung genossen habe, zur Ausübung christlicher und jungen Knaben wohlanstehender Tugenden geführt, in Künsten und Sprachen unterrichtet und schließlich so weit gebracht worden sei, daß man ihn aus dieser löblichen Werkstätte so guter Wissenschaften auf das damals berühmte Gymnasium zu Bremen habe verschicken können.
Das dortige Gymnasium illustre, im Jahr 1584 gegründet, stand unter der Leitung von reformierten Geistlichen. 1610 ward Martini aus Emden berufen; neben ihm wirkten Heinrich Isselburg, ein Niederländer, und Ludwig Crocius. Von ihrem Unterricht weiß Rist nichts zu sagen; desto mehr berichtet er von seltsamen Studien, die er sowol in Hamburg als in Bremen nebenher getrieben. In Bremen wohnte und aß er bei einem vornehmen Sachwalter, der über seine Kunst, aus den Linien der Handfläche wahrzusagen, spottete: wie lange er wol bei den Zigeunern herumgelaufen sei? sich aber doch auch die Hand besehen ließ. Rist verkündete ihm, daß er durch Zufall ein Auge oder beide verlieren werde. Der Anwalt lachte ungläubig. Nach acht Wochen wurde die Bürgerschaft auf Befehl des Barons Sanct Julian auf dem Markte gemustert, wobei der Advocat seine Compagnie führte und ein Bürger ihm mit gekautem Papier ein Auge ganz samt der halben Nase hinwegschoß. In ähnlicher Weise hatte er schon in Hamburg einer Frau den dann auch wirklich stattgefundenen Verlust ihrer Habe und ihres Hauses durch eine Feuersbrunst vorhergesagt. Und in Bremen sagt er der drögen Amme, wie dort die Kinderwärterinnen genannt wurden, vorher, daß der Henker sie hinrichten werde, was anderthalb Jahre später auch geschehen sei, wie man ihm nach Rinteln geschrieben habe.
Dorthin war er gegangen, um Theologie zu studieren. Nach Rinteln war 1621 das Gymnasium academicum von Stadthagen verlegt und daraus die Universität geschaffen worden, der bald eine Menge Studenten zuströmten, hauptsächlich durch die Theologen Joh. Gisenius und Josua Stegmann angezogen. Zu beiden trat Rist in vertrautere Beziehungen. Jenem, der schon in Gießen und Straßburg gelehrt, widmete er später, als Rinteln von den Kriegsstürmen heimgesucht wurde, ein Trostgedicht, in dem er ihn als Säule der Kirche rühmt. Josua Stegmann, ein sanfter friedfertiger Mann, gewann durch seine Neigung zur deutschen erbaulichen Dichtung großen Einfluß auf den jungen Freund. Stegmann sammelte damals an seinen »Erneuerten Herzen-Seufzern«, d. h. er bearbeitete ältere Lieder, indem er abkürzte, leichte Aenderungen machte und Lücken durch Zudichtungen ergänzte, wie das recht ersichtlich wird an seiner zu fünf vierzeiligen Strophen zusammengedrängten Bearbeitung des zwölfstrophigen Liedes von Opitz: »Sei wohlgemuth, laß Trauren sein« (Deutsche Dichter des 17. Jahrh., I, 18). Mehrere dieser Bearbeitungen sind in die Gemeinde-Gesangbücher aufgenommen, und die ganze Sammlung der Erneuerten Herzen-Seufzer beabsichtigte Andreas Gryphius einer abermaligen Erneuerung zu unterziehen. Durch Stegmann wurde Rist auf die erbauliche Liederdichtung hingeführt, wie er denn, als er mit seiner eigenen ersten Sammlung geistlicher Lieder auftrat, in der Vorrede offen bekannte, daß er aus Arnd's »Paradiesgärtlein«, Joh. Gerhard's »Geistlichen Andachten« und Josua Stegmann's »Festandachten« geschöpft habe. Als der geliebte Lehrer am 6. August 1632 gestorben war, sang der Schüler ihm eine pindarische Ode nach, in der es heißt, er habe ein Lob erworben, das bis in die Wolken gehe, das so lange bleiben werde, wie Poeten Verse schreiben und die Sonn' am Himmel stehe!
Der Umgang mit den verehrten Lehrern war dem noch sehr jugendlichen Studenten heilsam und bewahrte ihn vor Abwegen. Doch war er keineswegs ein Kopfhänger geworden. Sein Leben im Freien konnte er hier in der schönen Gegend fortsetzen; er war auch hier ein fertiger Schwimmer und dabei so waghalsig, daß er, als er nach einem kalten Bade in der Weser von einem Grafen Gronsfeld aufgefordert wurde, mit ihm in die Wette über den Strom zu schwimmen, und er der Aufforderung Folge leistete, vom Krampfe erfaßt beinahe ertrunken wäre. Gronsfeld bemerkte rechtzeitig die Gefahr und rettete ihn auf einen Sand, da ihn dann die andern weiterführten. Auch von dem studentischen Leben, dem lustigen Treiben der »Burs«, schloß er sich nicht ganz aus. Er berichtet, wie Studenten geschminkten Weibsbildern beim Tanze übel mitgespielt, indem sie Safran in den Mund genommen und die Bemalten dann angehaucht oder wol auch geküßt, wovon die lieben Engelchen augenblicklich so häßlich geworden seien, daß sie sich vor sich selbst geschämt hätten. Das gute Mindener Bier, das er dem Broihan weit vorzieht, war das Leibgetränk der Studenten, die, wenn der gute Stoff ausgegangen, oft mit sehnlichem Verlangen die Weser hinunter sahen, ob nicht Schiffe von dem nur zwei Meilen abwärts gelegenen Minden neue Zufuhr brächten. »Denn sie hielten dafür, daß sie ohne dies Getränk nicht lange gesund bleiben, ja weder Latein noch Griechisch in ihre Köpfe bringen könnten.« Ein früherer Hofkoch trat, wenn dann neuer Vorrath eingetroffen, vor die Thür seines Hauses und rief den Studenten zu: » Venite, Burs, venite! bonus Mindensis et novem oculi! Kommt, Burs, kommt, ich habe gut Mindener Bier, dazu auch Neunaugen von Bremen bekommen!« Rist fügt hinzu, dieser anmuthige Gesang, dieses köstliche Latein habe manchem guten Kerl den Beutel ledig gemacht.
Auch die Drangsale des Krieges lernte Rist kennen. Als er einst mit dreien seiner Mitbrüder und Tischgesellen, mehr aus Lust, einige Städte und Oerter zu besehen, als aus Noth, in Westfalen reisete, wo die kaiserliche Heeresmacht kurz zuvor durchgezogen war und es allenthalben so kahl gemacht, daß sie auf einem gewissen Strich in zwei Tagen nicht einen Mund voll Brot bekommen konnten und demnach rechtschaffen Hunger leiden mußten, was sie sonst bis dahin nicht viel versucht hatten, da kamen sie am dritten Tage ganz kraftlos in ein schlechtes Dorf, worin sie nur eine alte Frau fanden, die, weil sie die Wanderer für Kriegsleute ansah, hinten zur Thür hinauslief. Sie holten die Erschreckte ein und gaben ihr ihre große Noth zu erkennen, worauf die Alte bekannte, sie habe noch eine Kuh im dichten Gebüsch versteckt, besitze auch noch drei Brote, aber nur aus Nesselsamen gebacken. Gegen Bezahlung wolle sie etwas davon abgeben. »Wir empfiengen«, sagt er, »von der guten Frauen die Milch und das Brot von Nesselsamen, womit wir eine solche Mahlzeit hielten, daß ich sagen kann, mir haben die allerherlichste Speisen an fürstlichen Tafeln nie so wohl geschmeckt als eben diese Milch und Nesselbrot, als welches wir mit unglaublich gutem Appetit verschlungen haben, worauf wir, nachdem wir der armen Frau herzlich gedankt und ihr diese Mahlzeit vierfach bezahlt haben, unsern Abschied genommen.« Dies eine Bild der Verheerungen auf dem platten Lande macht alle weitern Schilderungen entbehrlich. Simplicissimus und Moscherosch haben nichts Grauenvolleres zu bieten, als das Elend, das aus diesen wenigen schlichten Zügen hervortritt.
Als Rist seine Studien in Rinteln für beendet hielt, nahm er mit zweien Candidaten der Jurisprudenz den Rückweg in die Heimat über Hannover, wo sie im Rathskeller das Lob des dort heimischen Broihans in lateinischen und deutschen Versen an den Wänden fanden, des Inhalts, wenn Jupiter mit allen seinen Göttern ein Gasterei anstellen wolle, sie nichts trinken würden als Broihan:
Grandia si summo fierent convivia coelo,
Broijhanam superis Juppiter ipse daret,
was denn in der Folge bei den Freunden zum Sprichwort wurde. Ueber Hildesheim wanderte er dann auf den Harz, wo er sich »zu Zellerfeld und an andern feinen Oertern« eine geraume Zeit aufhielt, um die Beschaffenheit der von ihm hochgeliebten Bergwerke kennen zu lernen.
Die nächsten Jahre nach der Heimkehr Rist's liegen im Dunkeln. Er soll, wofür aber kein Zeugniß aus seiner Feder vorliegt und was bei seiner Jugend überhaupt unwahrscheinlich ist, Hauslehrer in Hamburg gewesen sein. Wahrscheinlicher ist, daß er einstweilen in das elterliche Haus nach Ottensen zurückkehrte und dort beim Tode seines Vaters, der 1625 eintrat, gegenwärtig war. Daß er dann von Hamburg aus im Jahre 1626 nach Rostock auf die Universität gereist sei, erzählt er selbst (im »Alleredelsten Leben« 1663. S. 113 fg.) bei Gelegenheit eines Reiseabenteuers, wie sie von Reitern meinten angegriffen zu werden, die sich denn als die neugeworbene Mannschaft des Mitreisenden englischen jungen Rittmeisters auswiesen. In Rostock studierte Rist neben den orientalischen Sprachen, die er bei Joh. Tarnov hörte, Mathematik, Chemie und Medicin. Ob jener Tarnov der berühmte, auch in fremden Ländern geschätzte Orientalist war, von dem Rist erzählt, er sei als Prediger ganz abgeschmackt gewesen und so wenig beliebt, daß er seine Zuhörer, wenn sie zahlreich waren, auf dem Raum eines Leichensteins habe versammeln können, wage ich nicht zu behaupten. In der Ode, die Rist dem 1629 Verstorbenen nachsingt, rühmt er nur dessen Kenntnisse der orientalischen Sprachen; von dem übrigen schweigt er. Unter Peter Lauremberg, dem Bruder des Satirikers, lernte er Botanik. Lauremberg war Doctor der Medicin und Professor der Poesie. Bei Joachim Junge hörte er Mathematik, die er auch später noch trieb und mit der Mechanik verband. Sein Hauptstudium in Rostock war die Arzneiwissenschaft, die er neben der Theologie für einen Prediger auf dem Lande für fast unerläßlich, zum wenigsten für heilsamer hielt als theologischen Controvershader. Zu Lehrern hatte er den Professor der Medicin Jacob Fabritius, der später Leibarzt der Könige Christian IV. und Friedrich III. von Dänemark war, und den mecklenburgischen Hof- und Leibarzt Angelus Sala, der seines Glaubens wegen Italien hatte verlassen müssen. Beide waren vorzügliche Chemiker und in dieser Eigenschaft für Rist's Ausbildung von großem Werthe, da er es unter ihrer Anleitung dahin brachte, die Medicamente, die er anwandte, selbst zu bereiten.
Von dem Leben der Studenten in Rostock spricht er nicht günstig. Sie lassen die großen Humpen und Gläser lustig herumgehen und singen ihr Runda dinella darein. Manche vergessen, was sie auf den niedrigen Schulen mögen gelernt haben, auf der Universität, wo sie die liebe Zeit mit Fressen, Saufen, Spielen, Buhlen und dergleichen Eitelkeiten verzehren. Einer seiner Landsleute war, besonders im Winter, nie oder höchst selten auf seiner Studierstube, sondern saß Tag für Tag auf dem Schütting oder Wirthshause und zechte lustig herum, um das Holz zu sparen. Ein anderer, den er mit J. W. bezeichnet, war in viertehalb Jahren noch niemals im Colleg gewesen und lief, als er zu Wagen steigen wollte, um die Universität zu verlassen, geschwind noch einmal in das Collegienhaus, damit man nicht sagen könne, er sei so lange Zeit vergebens in Rostock gewesen. Als er wieder herausgelaufen kam, sagte er lachend zu den Reisegefährten, unter denen Rist war: »Ihr Herren, nun bin ich gestanden an dem Orte, da man mir gesagt, daß der Magnificus pflegt zu stehen. Habe ich mein Geld nicht wohl angelegt?«
Das geschah 1628, als Wallenstein, der sich damals Herzog von Mecklenburg nannte, die Stadt Rostock mit einer starken Besatzung belegte, sodaß die Studenten dort nicht länger bleiben konnten und täglich mit Haufen davonzogen. Da mußten auch die Holsteiner, für die Rostock gleichsam die Landesuniversität war, den lieben Musensitz verlassen. Damals wurde Rist von der Pest dermaßen befallen (wie er mehrfach erzählt), daß er wegen der überaus großen Hitze, die ihn Tag und Nacht marterte, einen Vorschmack des höllischen Feuers zu empfinden meinte. Er lag unter der Aufsicht einer alten Frau in einem unbewohnten Hause viele Wochen lang erbärmlich danieder. Die Aerzte hatten ihm das Leben gänzlich abgesprochen. Quälende Gedanken peinigten ihn, darunter der quälendste, daß er sterben solle und noch nichts Rühmliches gethan habe. Man hörte den ganzen langen Tag nichts als das immerwährende Läuten der Glocken, das unaufhörliche Heulen und Klagen derer, die durch dies grausame schnelle Gift die Ihrigen verloren hatten, den stetigen Gesang der Schulbedienten mit ihren wenigen noch vorhandenen Knaben und die stündlichen Leichenreden der Seelenhirten, welche täglich 20 bis 30 Menschen, meistens fremde Flüchtlinge aus den damals hartbekriegten holsteinischen Ländern, in der kleinen Gemeinde zur Erde bestatteten. Als er gegen aller Menschen Verhoffen durch Gottes sonderliche Güte und eines hocherfahrenen Arztes Fleiß und Treue seine Gesundheit endlich wiedererlangt hatte, da wollte er, dem Allerhöchsten sein schuldiges Dankopfer zu bringen, am Weihnachtstage nachmittags eine Studentenpredigt halten. Dazu brach er sich im Garten eine holländische oder Provinzrose, wie man sie nannte, die trotz des Winters so schön blühte, wie man sie im Juni nicht schöner sehen konnte, und so stark und edel duftete, als wäre es mitten im Sommer. Die nahm er mit sich auf die Kanzel.
Die nächsten Jahre seines Lebens liegen wiederum im Dunkeln. Die, welche sich mit ihm beschäftigt haben, geben an, er habe nach seinen Studien in Rinteln und Rostock auch noch die Universitäten zu Leyden und zu Leipzig besucht. Er selbst berichtet, auch da wo er die bequemste Gelegenheit dazu gehabt hätte, nichts davon. Bei der sonstigen Gewohnheit, seine persönliche Bekanntschaft mit diesem oder jenem Orte zu erkennen zu geben, hätte er, als später sein ältester Sohn nach Leyden ging, oder als er den dritten Theil seiner geistlichen Schriften einer Frau in Leipzig widmete, ohne allen Zweifel auf seine Studien an diesen Orten Bezug genommen, wenn er jemals dort gewesen wäre. Aus seinem Schweigen darf man schließen, daß er weder in den Niederlanden noch in Leipzig gewesen ist. Wie die Tradition entstanden ist, habe ich nicht ermitteln können.
In der Zuschrift seiner »Sabbathischen Seelenlust« an die Stadt Hamburg gedenkt er seiner wiederholten Anwesenheit in dieser Stadt, wenn er von Hohen Schulen wieder zu Hause gekommen sei, und wie man ihm seine damals in frischer Jugend geschriebenen Freuden- und Trauerspiele und andere dergleichen Schauspiele öffentlich auf der Spielbühne vorzustellen hochgünstig erlaubt und sonst alle mögliche Freundschaft erwiesen habe. Damit stimmt die Angabe, die er zu dem Gedicht auf Stapel (S. 168), der mit ihm in Rostock gewesen war, macht, daß die 1630 erschienene »Irenaromachia« vorher in Hamburg dargestellt sei. In der »Alleredelsten Belustigung« (1666. S. 118) nimmt er die Autorschaft dieses Spieles, vor das er gleichwol den Namen eines andern gesetzt habe, für sich in Anspruch, und an vielen Stellen seiner spätern Schriften bezieht er sich gern darauf, daß er sich in jungen Jahren als Schauspieldichter, ja als Schauspieler gezeigt habe. »Solche Spiele«, sagt er einmal, »geben der Jugend Wohlredenheit und anständige Sitten. Ich wollte um vieles nicht, daß ich mich in der Jugend nicht so fleißig in dergleichen Schauspielen geübt hätte.« In welcher Stellung er sich befand, als er sich mit diesen Dingen befaßte, ob er sich in Hamburg oder allenfalls bei den Seinigen in Ottensen aufhielt, ist unbekannt. Bemerkenswerth ist, daß es damals keinen Anstoß erregte, wenn ein angehender Theolog sich mit der Schaubühne dichtend oder darstellend einließ.
Diese Beschäftigung setzte Rist auch fort, als er Hamburg oder Ottensen verlassen und eine vorläufige Lebensstellung gefunden hatte. Zu Heide, dem Hauptflecken in Norderdithmarschen, lebte Heinrich Sager als Landschreiber, dem Rist durch den Rath und Amtmann Franz Stapel, einen Bruder seines Freundes Ernst, empfohlen sein mochte. Bei Sager trat nun um Michaelis 1633 der junge Dichter als Lehrer der beiden Söhne in Dienst, wol auch der Tochter Margarete, die sich zehn Jahre später mit dem Münzmeister Simon Timpfe in Glückstadt verheirathete. Der eine seiner Zöglinge, die er »in der wahren Gottesfurcht, im Beten, Lesen und dergleichen rühmlichen Uebungen«, also in den ersten Anfangsgründen zu unterweisen hatte, war Friedrich Heinrich Sager, der später in dänische Kriegsdienste trat; der ältere Bruder wird nicht weiter genannt, nur daß er vor dem jüngern gestorben sei, wird gelegentlich erwähnt. Mit dem Unterricht der Kinder und mit Rist's Benehmen überhaupt muß der Landschreiber sehr zufrieden gewesen sein, da er ihm, als derselbe eine feste Anstellung fand, die beiden Söhne mitgab.
Durch das Haus Sager's wurde Rist mit den übrigen Beamten des Ortes und der Gegend bekannt, die er für sich zu gewinnen verstand, sodaß seine Stellung eine angenehme und auch geachtete wurde. Es gelang ihm im Jahre 1634, eine seiner Tragödien oder Komödien, seinen »Perseus«, in Heide öffentlich aufzuführen, ein Stück, das mit lustigen Zwischenspielen in holsteinischem Dialekt durchflochten, noch im Sommer desselben Jahres zu Hamburg gedruckt erschien. In der Widmung erwähnt er, daß er in müßigen Stunden bereits eine Dekade solcher Spiele verfertigt habe, und nennt darunter seine »Polymachia«, »Irenochorus«, »Herodes«, »Guiscardus«, deren er neben andern Stücken in der Folge öfter gedenkt. Der »Perseus« ist das opus comicum, das er in seiner vom 1. April 1634 datierten Sammlung vermischter Gedichte » Musa teutonica,« verheißt. Dieses Werkchen ist Gönnern, Freunden und Verwandten gewidmet, unter denen der Rath und Drost der Grafschaft Pinneberg, Ernst von Wietersheim, der später im Hafen von Glückstadt verunglückte, und der Amtmann Franz Stapel besonders wirksam für sein Fortkommen sorgten, um so mehr da er sich mit der Schwester des letztern, mit Elisabeth Stapel, verlobt hatte. Bevor er dieselbe heimführen konnte, mußte er noch Zeuge des schweren Unglücks sein, das über etliche am Meere gelegene Ortschaften in Holstein, Ditmarschen, Eiderstät, Strand und solche Marschländer hereinbrach. Am Sonnabend, 8. Oct. 1634, unterredete er sich auf dem Markte zu Heide noch mit mehrern angesehenen Einwohnern und Geistlichen jener Ortschaften, die 16 oder 20 Stunden darauf schon in der Tiefe des Meeres begraben lagen. In der Nacht erhob sich eine Sturmflut, die in wenig Stunden 18,000 Menschen verschlang, massive Häuser wegriß, daß auch keine Spur davon zurückblieb, gewaltige Lastschiffe über Deiche und Dämme, Wälle und Mauern schleuderte und in Städten auf die Märkte oder großen Plätze niederwarf. Es war ein grauenvoller Anblick, wenn man von der höhern Geest herab in die fruchtbaren Marschen sah, die von dem wüthenden Element fast ganz bedeckt standen und wo ertrunkene Menschen, ertrunkenes Vieh und die Reste zertrümmerter Wohnstätten und Hausgeräth mit entwurzelten Bäumen durcheinander lagen.
Mit dem Beginn des nächsten Frühlings verließ Rist Heide. Er berichtet, Gott habe es geschickt, daß er gegen vieler Menschen, ja auch gegen sein Denken und Begehren, als er in weit ablegene Länder zu reisen bedacht gewesen, zum heiligen Predigtamte berufen, von der Gemeine ordentlich gewählt und von der hohen Landesobrigkeit bestätigt worden. Die Andeutung von einer beabsichtigten Reise in ferne Länder erläutert sich vielleicht dadurch, daß sein jüngerer Bruder Kaspar, der gleichfalls Theologe war, sich nach Lappland begeben und dort eine Anstellung als Prediger erhalten hat.
Der Ort, an dem Rist fortan als Prediger leben und wirken sollte, war der Marktflecken Wedel, ein sehr gesunder und lustiger Ort in Stormarn, unter dem Gebiete des Grafen von Holstein und Schauenburg, eine halbe Stunde Weges von der Elbe gelegen, auf der Höhe, zwei Meilen von Hamburg, das bei gutem Winde auf dem Wasserwege in zwei Stunden zu erreichen war. Die Nähe dieser Stadt, versicherte er, habe ihm den nicht sonderlich berühmten Ort lieb gemacht. Die Vortheile des nähern und leichtern Verkehrs mit Gelehrten, die Leichtigkeit und Raschheit des Briefwechsels mit Entfernten, die Möglichkeit, neue Bücher bald kennen zu lernen und nöthige Lebensbedürfnisse bequem zu beziehen, ließen ihn die Nähe der großen volkreichen Stadt für einen gar großen Theil seiner irdischen Glückseligkeit schätzen und bewogen ihn, dem Orte treu zu bleiben, der durch ihn berühmt wurde. Doch auch der Ort selbst hatte sein Annehmliches. Jährlich wurde daselbst ein großer Handel mit Ochsen und Pferden getrieben. Kein Kauf, der bei dem Roland auf dem Markte geschlossen war, konnte widerrufen werden. Als die Zeiten noch friedlich waren, wurden jährlich 40,000 Ochsen über die Elbe verkauft, und noch in den unruhigern Jahren halb so viel, wie auch eine unglaubliche Menge Pferde, aus Dänemark nach Deutschland und den Niederlanden verhandelt, bei Wedel oder dem Landungsplatze Schulau über die Elbe geführt wurden. Das konnte für den Wohlstand nur vortheilhaft sein. Auch wohnten dort nicht blos Bauern und Händler; es zogen auch vornehme Leute dahin, welche die ländliche Stille suchten und die Nähe der großen Stadt nicht entbehren mochten. Rist nennt gelegentlich die Witwe des dänischen Oberstlieutenants Brandan von Bardeleben, geb. Elisabeth von Wietersheim, seine hochgeehrte Frau Gevatterin und werthe Freundin, die ihn zu ihrem Beichtvater angenommen und ihm ihren Sohn Ernst zur Erziehung gegeben, als sie sich in Wedel niedergelassen.
Sein Haus war geräumig und bequem; er spricht von fünf nebeneinanderliegenden Zimmern. Die große Stube, in der er seine Besuche empfing, war mit Bildern und Porträts geschmückt; daran stieß seine wohlversehene Apotheke; aus dieser trat man in die Kammer, in der seine Destillieröfen standen; daneben seine große Studierstube mit der Bücherei, Urnen aus Riesengräbern, Instrumenten u. dgl. Im letzten Zimmer, seinem kleinen Studierstüblein, verwahrte er Medaillen, alte Münzen, Prismen, optische Instrumente; sie konnte zur Camera-obscura gemacht werden. Hier trieb er seine Studien, betete, las, meditierte er und schrieb er seine Bücher. Alles mußte sauber und nett gehalten sein, einfach, ohne Prunk. Wie er auf eine klare deutliche Handschrift viel gab, so war er, was seinen Tisch betraf, mit einer geringen Hausmannsmahlzeit zufrieden, wenn sie in sauberm Geschirr aufgetragen wurde. Doch mochte er die Tafel gern mit Gartenfrüchten geschmückt sehen. Diese lieferten ihm seine beiden Gärten beim Hause, der Norder- und der kleinere, mehr für Blumenzucht bestimmte Südergarten. In beiden waren die Spaziergänge von groben hölzernen Pfählen und Bügeln aufgerichtet und mit Johannisbeerstauden, Syringen, Kirschbäumen u. dgl. bedeckt. Die Rosenbüsche waren an schlechte unangestrichene Latten gebunden, wie auch die Weinreben. Die Blumengärten hatten zwar ihre mit Buchsbaum ausgesetzten Muster, wie denn auch die großen Beete für Küchengewächse mit feinem geschornen Buchs befestigt waren. Die Lusthäuslein bedeckten duftige Syringen. An Schmuck und Zierath, was die Kunst geben mußte, war nichts zu finden.
Gleich hinter dem Nordergarten lag ein Gehölz, der Wyde genannt, und hinter diesem der mit prächtigen Eichen bestandene Riesenhügel, den zu Rist's Leidwesen ein unverständiger Beamter abholzen und ebnen ließ. Als ihm die Freude daran verdorben war, suchte er südlich zwischen Wedel und Schulau bei dem kleinen Dorfe Lyht (Lieth) einen lustigen, der Elbe nahe gelegenen Hügel auf, den er scherzweise den Parnaß nannte, ein Name, den die Bewohner der Gegend annahmen. Der Hügel schien mit Fleiß aufgeworfen zu sein. In frühern Jahren sollte dort ein Lusthaus des Stiftes Uetersen gestanden haben. Auch hier wuchsen ringsherum schöne Eichen, dazwischen wilde Apfelbäume, Haseln, Erlen u. dgl. Bei heißer Sommerzeit gaben sie anmuthigen Schatten. Oben auf dem Parnaß hatte Rist einen runden Grastisch ausgraben und unter den Eichen Grasbänke machen lassen. Die Aussicht von dort war herrlich. Nach Osten hatte man den ganzen, mit Büschen und Bäumen lustig bewachsenen Elbestrich bis nach Hamburg vor sich; nördlich fruchtbares Ackerland, hinter dem Wedel mit seinen kleinen Lustwäldern lag. Gegen Westen streifte der Blick über Dorf und Hafen Schulau, nach Süden ging er über schöne fruchtbare Wiesen, auf die Elbe und darüber hinaus in das obstreiche Alte Land mit den Festungen Stade und Buxtehude. Die Elbe war selten von Schiffen leer. Oft fuhren große Flotten, die bei den Weißen Bergen stillgelegen, unter Abfeuerung der Stücke, mit Winken und Rufen der Bemannung, Schwingen der Hüte und Abschiedsgrüßen den Strom hinunter nach fernen Ländern. Hier war der Dichter ungestört und unbeobachtet; hier dichtete er, wenn gute Freunde ihn darum ersucht hatten, Lob- und Ehrengedichte, Trostlieder und Glückwünschungen. Hierher flüchtete er, wenn er zu Zeiten, wie leider oft, betrübten Herzens und bekümmerten Gemüthes war, und hier hat er viel tausend Verse, weltliche und geistliche, geschrieben, »worauf dann manchmal ein Stücke geräuchertes Speck und ein Trünklein Bier geschmecket«.
Hierher nach Wedel führte er seine Frau, Elisabeth Stapel, mit der er 27 Jahre in glücklicher Ehe lebte. Ihr überließ er die Sorge des Haushalts, sich behielt er das Studium und die Gärten vor. »Ich bin zwar«, sagt er, »ein Liebhaber des Landlebens und des Ackerbaues, um das Pflügen, Säen, Ernten, Düngen, Graben, um Viehzucht und dergleichen Händel aber bekümmere ich mich ganz und gar nicht; denn ich verstehe solche Arbeit und die Haushaltung durchaus nicht, weiß auch die edle und kostbare Zeit besser anzuwenden.« Und früher einmal: »Ich bin sowol in dem, was die Erhaltung, als was die Vermehrung oder Verbesserung der Landgüter betrifft, ganz unerfahren, da es meines Amtes nicht ist, die mir von Gott verliehene Zeit auf das Haushalten, sondern auf das Studieren, Bücherlesen und Bücherschreiben zu verwenden.« Seine Gärten hatte er sich allein vorbehalten. Auf die Pflege der Blumen verwandte er seine freie Zeit. Mit Freuden berichtet er, wenn ihm ein befreundeter Blumenliebhaber zu Hamburg eine schöne neue Pflanze schenkt. Als einen Gönner dieser Art rühmt er besonders den Domherrn Eberhard Möller. Mit fast noch größerer Befriedigung erwähnt er es, wenn ein vornehmer Besuch aus der Ferne sich seines Gartens freute. Leider hatte er in den Kriegsstürmen wiederholt die Verwüstung seiner Gärten zu beklagen. Doch erst nach öftern Erfahrungen und mit zunehmendem Alter sank ihm der Muth, von neuem anzufangen.
Neben dieser Gartenliebhaberei trieb er mechanische Studien und war er als Arzt thätig. Er berichtet, daß er Hunderten, ja Tausenden geholfen habe mit Mitteln, die er selbst erfunden und die nur ihm bekannt waren; so hat er mehr als funfzig Personen, die von tollen Hunden gebissen waren, vollständig geheilt. Das Mittel selbst verschweigt er jedoch, und es ist bisher noch keins bekannt geworden. Betrachtete er diese Sorge für die leibliche Gesundheit seiner Gemeinde und der Nachbarschaft als einen Theil seines Berufs, so widmete er der Sorge für die Seelen seiner Pflegebefohlenen seine Hauptaufmerksamkeit und seinen ganzen Fleiß. Er war in seinem Gewissen versichert, daß er seinem Amte mit solcher Treue und solchem Fleiße 32 Jahre vorgestanden (wiewol er seine Fehler und Schwachheiten genugsam erkenne), daß ihm deswegen sowol Freunde als Feinde ein rühmliches Zeugniß geben müßten. Als ein besonderes Verdienst erscheint es ihm, die Fastnachtlustbarkeiten in seiner Gemeinde abgeschafft zu haben, während die benachbarten daran festhielten. »Meine Predigten«, sagt er, »habe ich jederzeit dahin gerichtet, daß ich dem rohen und sichern Weltwesen und Leben meiner Zuhörer steuern und wehren, einen wahren, seligmachenden, fruchtbringenden Glauben in ihnen erwecken, sie sämmtlich und einen jeden insonderheit zu der rechten Nachfolge Jesu anführen und eine unzertrennliche Brüder- und Schwesterliebe in ihren Herzen mehr und mehr anzünden möchte.« Denn was helfe es, meint er, zur Erlangung der Seelen ewigen Heils und Seligkeit, wenn die Leute noch so fleißig und häufig zur Kirche laufen, eine Predigt nach der andern hören, alle Evangelien und Episteln auswendig lernen, von dem Glauben und Christenthum fein zierlich zu reden wissen, ihrer Prediger und Seelenhirten herrliche Gaben und Beredsamkeit rühmen, einmüthiglich aus vollem Halse rufen: Wir glauben all an Einen Gott! sich auch bisweilen zur Beichte und beim Gebrauch des Abendmahls finden lassen, durchaus rechtschaffene und wahre evangelische Christen heißen wollen und doch pur lautre Schälke, rechte Buben in der Haut, ja solche Leute verbleiben, die mit ihrem Leben den Glauben verleugnen und sich gegen Gott und Menschen dergestalt bezeigen, daß ein rechtschaffener Seelenhirt mit bittern Thränen über solche falsche Schein- und Maulchristen schreien muß! Von Controverspredigten war er kein Freund. In seiner Gemeinde finde er keinen, der mit irrigen Meinungen in der evangelischen Religion behaftet sei, wohl aber manche mit sündhaftem Leben und bösem Wandel. Er wisse nicht, weshalb er denn seinen Zuhörern von dieser und jener Ketzerei vorschwatzen oder auf Papisten, Calvinisten, Widertäufer, Neue Propheten, Enthusiasten und dergleichen Leute schelten solle, da seine Pfarrkinder nichts von den irrigen Meinungen dieser Gattung wüßten. Mit offenbarer Bezugnahme auf die Vorgänge in Brandenburg, besonders in Berlin, in denen Paulus Gerhardt eine hervorragende Rolle spielte, sagt Rist wenige Monate vor seinem Ende, daß er den Revers, den ein hoher Potentat, um den Kirchenfrieden in seinen Ländern zu erhalten, den Kirchendienern abverlange, zu unterschreiben nicht anstehen würde, wenn er unter jenem Potentaten seßhaft wäre und derselbe es von ihm verlangte. Solche Aeußerungen und Gesinnungen seien aber bei vielen seiner Herren Amtsbrüder ein Greuel und Abscheu. Es heiße gleich: »Sehet, da haben wir abermal einen Synkretisten! Hinweg mit den Synkretisten, den bösen Christen, die weder kalt noch warm sind, den stummen Hunden!« Aber die Eifrer, die tapfer auf ihre Nebenchristen schelten und schmähen könnten, das seien die rechtschaffenen Verfechter der evangelischen Wahrheit, denen die himmlische Siegeskrone solches ihres unaufhörlichen Haderns und Katzenbalgens wegen nicht entgehen könne.
Einen Blick in die Handhabung seiner kirchlichen Thätigkeit gewährt er mitunter, wenn er schildert, wie er einmal zur kalten Weihnachtszeit den Altar in seiner Kirche mit den schönsten Blumentöpfen, Pomeranzen, Citronen, Myrten und Rosmarin ausgeschmückt habe. Eine seiner Neujahrsfeiern in Wedel beschreibt er also: Der Anfang des Gottesdienstes ward gemacht mit dem Te deum laudamus nach Luther's Verdeutschung, worauf man ferner, des Orts Gelegenheit nach, etliche gar feine geistliche Lieder in der Orgel andächtig und freudig ließ erschallen, welche theils mit lebendigen Stimmen gesungen, theils mit musikalischen Instrumenten gespielt wurden. Nach diesem Lobopfer bestieg Rist im Namen der heiligen Dreifaltigkeit seine Kanzel, wünschte allen seinen lieben Zuhörern von dem Vater des Lichts, von dem alle guten und vollkommenen Gaben entsprießen, ein glückseliges, fröhliches, friedliches, gesundes und segensreiches Neujahr, worauf er ihnen in einer kurzen Erklärung die unaussprechliche Fürtrefflichkeit und Süßigkeit des allerheiligsten Namens Jesu vorstellte. Zum Beschluß seiner Neujahrsrede aber beschenkte er seine herzlieben Zuhörer, einen jeglichen nach seinem Stande, mit einem besondern schönen Blümlein, sie dabei treulichst erinnernd, wie sie ihr Leben und ihren Wandel mit rühmlichen Tugenden zieren sollten, gleich wie die Blumen mit ihrer schönen Gestalt, ihrem edlen Geruche und ihren trefflichen Wirkungen herrlich prangen und dadurch bei jedermann sich beliebt und angenehm machen. Mit einer lieblichen Musik wurde der Gottesdienst beschlossen. Von langen Predigten war er kein Freund. »Die beste Art ist«, sagt er, »alsdann mit Predigen aufhören, wenn die Leute am eifrigsten und fleißigsten zuhören.« So viele geistliche Gesänge er auch gedichtet hat, in der Kirche zu Wedel ließ er keins derselben singen. Auch nennt er bei der Aufzählung der evangelischen Kernlieder (im zweiten Theile der »Seelengespräche«) keins der seinigen.
Seine Gemeinde hing treu und liebevoll an ihm, obwol er nichts davon berichtet; nur aus gelegentlichen Erwähnungen, wie der oder die ihn in ihren Nöthen ansprechen und von ihm Hülfe erwarten und erhalten, ist auf das Verhältniß zwischen beiden zu schließen. Doch war er auch vor übeln Erfahrungen nicht bewahrt. Er gedenkt eines verzweifelten Diebes, der sein nächster Nachbar gewesen, dessen Sohn er in seinem Brote hatte und dessen Angehörigen er viel Gutes erwiesen, und der ihn dafür zum Lohne alle Jahr mit seiner Dieberei heimgesucht, einmal alle seine Kleider mitsamt dem großen Priesterrock, ein andermal sein Bett- und Leinengeräth, dann all sein Proviant und Küchenvorrath, zuletzt einige hundert Thaler baar Geld gestohlen, sodaß ihm nicht funfzig Thaler im Vermögen geblieben. Mit seinem Willen würde er aber niemals gestraft worden sein. An anderer Stelle spricht er von einem gottlosen Einwohner seiner Gemeinde, doch nicht in Wedel selbst, der für sein epileptisches Kind von Rist Arznei fordert und erhält, die Vermahnungen zur Buße und Besserung seines Wandels aber trotzig und fluchend abweist. Kaum heimgekehrt, muß er sich legen und wird am andern Morgen todt im Bette gefunden. Nicht auf dem Gottesacker wird er begraben, sondern bei seinem Hause hinter einem Zaune verscharrt. Ohne eine Spur von Ungläubigkeit erzählt Rist, wie der Todte als Gespenst, in derselben Gestalt wie im Leben, ja mit seinen gewöhnlichen Kleidern, sich in dem Hause, in dem er gewohnt, zu den andern an den Herd gesetzt und sie grimmig angesehen habe. Die Nachbarn kommen zu Rist nach Wedel, der ihnen räth, das Gespenst durch Beten des 91. Psalms und Absingen lutherischer Lieder zu verscheuchen. Sie befolgen den Rath, und die Erscheinung weicht diesen Mitteln und ist urplötzlich verschwunden.
Von den Stürmen des großen Krieges war Holstein bisher wenig berührt worden. Rist verlebte die ersten Jahre seines Amtes und seiner Ehe in überaus glücklicher Stille, mit seinen Blumen beschäftigt, seinen Studien hingegeben, mitunter ein Heftchen Gedichte veröffentlichend oder mechanischen Erfindungen nachsinnend. In letzter Hinsicht kam ihm der Besuch eines Böhmen, des Johan Brzetislaw Mislick, Freiherrn von Hirschhoff, den er als ein Wunder des Wissens und Könnens schildert, sehr erwünscht. Dieser sehr vielseitig gebildete, welterfahrene und überaus geschickte Mann, noch in jungen Jahren, setzte Rist durch seine Kenntnisse in Sprachen, Geschichte, Musik, allen mathematischen Wissenschaften und durch seine Fertigkeit in der Herstellung mechanischer Kunstwerke sowie durch seine chemischen Kenntnisse und Fertigkeiten in die höchste Verwunderung. Beide arbeiteten zusammen und brachten mehrfach Kunstwerke hervor, die nicht bloße Spielereien waren, sondern auch praktischen Nutzen brachten. So erwähnt Rist einer an die Wand zu schraubenden Handmühle, deren Bewegung nur geringe Kraft erfordert habe und die in ihren Leistungen staunenerregend gewesen, dann aber im Kriege von den elenden Troßbuben muthwillig zerstört worden sei. Wo er später des böhmischen Edelmanns, der ihn besucht und mit ihm gearbeitet habe, ohne den Namen zu nennen gedenkt, ist der Freiherr von Hirschhoff gemeint, von dem in der ersten Ausgabe der »Himmlischen Lieder« zwei deutsche Gedichte an Rist abgedruckt sind, die den Verfasser auch als geschickten deutschen Dichter zeigen.
Mit seinen Freunden in Hamburg und in Holstein blieb Rist in lebhaftem Verkehr; sein gastliches Haus hatte oft Besuch von Städtern und Landbewohnern, die mit einfacher Bewirthung und belehrenden Gesprächen vorlieb nahmen. Großen Gastereien, er nennt sie Quasereien, war er abhold. Aber auch in weitere Kreise drang sein Name allmählich ein, und die höhern Stände wurden auf den Landprediger, der so schöne geistliche Lieder dichtete, aufmerksam. Infolge der Bekanntschaft mit Rist's »Himmlischen Liedern« sandte ihm Christian Rantzau auf Breitenburg, der ihn persönlich noch nicht kannte, einmal im Jahre 1642 seine Equipage, um ihn nach Schloß Breitenburg abholen zu lassen, behielt ihn vier Tage als Gast, zeigte ihm alle Herrlichkeiten Breitenburgs, beschenkte ihn »mit einem silbernen Trinkbecher und selbigem einliegender fürstlicher Verehrung« und ließ ihn wieder nach Wedel fahren.
Das geschah noch in der friedlichen Zeit, der bald schlimme Tage und Jahre folgen sollten. Auf die politische Geschichte, in die nun auch Holstein verwickelt wurde, kann ich hier nicht genauer eingehen. Ich erzähle nur, was Rist davon betroffen. Schon im Frühjahr 1643 drohte der Krieg sich nach Holstein auszudehnen; dann schien alles wieder beigelegt, die Aussicht auf allgemeinen Frieden schien an Gewißheit zu gewinnen, da brach Torstenson am 12. Dec. 1643 völlig unvermuthet und in unglaublicher Schnelligkeit mit einem schwedischen Heere in Holstein ein. Wedel wurde hart mitgenommen, Rist's Wohnung grausam geplündert und seine Sammlungen geraubt oder zertrümmert.
Herzog Friedrich von Holstein schloß zwar schon am 5. Jan. 1644 Frieden, aber die wenigen Wochen des Kriegs schlugen dem Elbherzogthum tiefe Wunden. Rist beklagte, außer dem Verlust vieler chymischer Sachen, kostbarer mathematischer Instrumente, Zeichnungen und anderer Dinge, auf die er viel Zeit und Kosten gewandt, den Verlust seiner Schauspiele »Berosiana«, »Begamina«, »Augustus Euricus«, »Irenochorus« und anderer, »in welchen fast unzählige Begebenheiten, insonderheit aber die deutsche Kriegsgeschichte, nebst vieler großer Helden tapfere Thaten und theils glückliche, theils unglückliche Verrichtungen ausführlich beschrieben waren«. (»Seelenparadis«, II. 1662. Vorrede.) Auch die Handschrift seines Buches »Von den Mängeln der deutschen Poesie«, » Pericula Principum« und andere Schriften wurden, während er abwesend war, geraubt. »Ein Buch voll allerhand jüngst aufgesetzter Gedichte wurde von dem gemeinen Kriegspöbel zu Ladung der Musketen verbraucht.« (»Schauplatz«, Vorbericht.) Die Kriegsdrangsale, die seine Heimat erlitt, schilderte er 1644 unter dem Namen Friedlieb von Sanftleben in einem Gedicht von 100 Strophen: »Holsteins Klag- und Jammerlied«; spätere schwere Zeiten, meint er, seien mit 1000 Strophen nicht zu beschreiben (»Kreuzschule«, S. 67 fg.).
Wie sehnlich die Welt den Frieden herbeiwünschte, spricht er in einem Gedicht an Kaiser Ferdinand III. aus, als derselbe 1644 Abgesandte nach Münster zu den beginnenden Verhandlungen schickte. Vielleicht infolge dieses Gedichts erhob ihn der Kaiser zum gekrönten Poeten, gab ihm den Adel und verlieh ihm ein Wappen. Gelegentlich erwähnt Rist dieser Auszeichnung wol, er hat auch ein Dankgedicht an den Kaiser in 1000 Alexandrinern gerichtet, bedient aber hat er sich des Titels eines kaiserlichen gekrönten Poeten nur vor einem Gelegenheitsgedichte vom Jahre 1649. Die Ehre theilten viele mit ihm! Stolzer machen konnte ihn die im Jahre 1647 geschehene Aufnahme in die Fruchtbringende Gesellschaft, unter dem Namen Der Rüstige, und die spätere kaiserliche Auszeichnung, seine Erhebung zum Comes Palatinus. Er nennt sich seitdem und läßt sich Palatin nennen. Auch solcher Hofpfalzgrafen gab es genug, aber sie hatten doch neben der kahlen Ehre auch einige Rechte und Vortheile, da sie selbst Poeten krönen, Doctoren, Licentiaten, Magister, Baccalaureen creiren durften. Der erste, dem Rist den poetischen Lorber ertheilte, war Georg Greflinger aus Regensburg, der damals in Hamburg lebte und schon längere Zeit mit Rist befreundet war. In einem früher verfaßten Gedichte, das vor der Dichtung: »Holstein, vergiß es nicht!« abgedruckt steht, nennt Greflinger ihn: der Elbe Nachtigall.
Jene Dichtung verfaßte Rist auf Wunsch Friedrich's III., Königs von Dänemark, der die Verwüstungen des Sturmes vom 15. Febr. 1648 poetisch beschrieben sehen wollte. Dieser Sturm hatte in Holstein arg gehaust und in Wedel die Spitze des Kirchthurms mit Balken, Pfeilern, Dach und allem Holzwerk von dem Gemäuer abgelöst, emporgehoben und 44 Fuß über das Kirchendach in freier Luft fortgeführt, ehe sie niederfiel und das übrige Dach der Kirche zerschmetterte. Es war ein trauriger Anblick, als man bei anbrechendem Tage so viele Häuser verwüstet, Bäume entwurzelt, das Kirchendach, das erst 1612 gebaut war, gänzlich zertrümmert, die Orgel vernichtet, den Thurm über einen Haufen geworfen und alles in kläglichem Zustande und jammervoller Unordnung sah. Aehnlich war es in allen benachbarten Orten, in Uetersen, Krempe, Kalmar, Glückstadt gegangen; in Hamburg wurde in der Unglücksnacht der schöne Thurm der Katharinenkirche niedergeworfen. Rist sieht in seinem Gedichte und in den Anmerkungen diesen Sturm und dessen Verheerungen als eine Strafe Gottes für die Sünden der Menschen an und fürchtet, es möge, wenn keine Besserung stattfinde, noch schlimmer kommen. Darin täuschte er sich nicht. Der Friede von Osnabrück und Münster hatte scheinbar die kriegsmüde Welt beruhigt, aber nur scheinbar. Das Feuer glomm unter der Asche fort und brach nur allzu bald wieder in helle Flammen aus. Doch vorher traf Rist selbst noch ein harter Schlag. »Der liebe Gott«, sagt er, »schickte mir im Jahre 1652 ein nicht schlechtes Unglück und Hauskreuz zu, indem ich mit einem hohen Wagen von einem jähen Hügel herunterstürzend mein Schulterblatt dergestalt zerschmettert, daß ich unglaubliche Schmerzen habe ausstehen müssen.« In demselben Jahre wurde ihm alle seine Barschaft diebischerweise entwendet und er dadurch aller Lebensmittel gänzlich beraubt. Aber er hatte Freunde, die zu helfen im Stande waren. Als er den Sturz gethan, kam der schwedische Hofrath und Resident Vincent Möller, mit dessen einflußreicher begüterter Familie er seit Jahren in der freundlichsten Verbindung gestanden, von Hamburg ungesäumt nach Wedel, ihn zu berathen und zu trösten, und war dann »zu Erkaufung eines andern und bequemern Wagens mit milder Hand gar behülflich«. Derselbe Möller war nach dem Diebstahl »der allererste, der ihn mildiglich wiederum beschenkte«. Im Herbste des Jahres machte er, zur Wiedererlangung seiner Gesundheit und zu völliger Genesung seines zerbrochenen Arms, eine kleine Reise, auf der er Freunde in Mölln, Ratzeburg und Lübeck besuchte, wo er überall gastlich aufgenommen und auf das Freundlichste behandelt wurde.
Im Jahre 1653 knüpfte sich für ihn eine neue Verbindung mit einem fürstlichen Hause an. Der Prinzessin Anna Eleonore von Celle, Gemahlin des Prinzen Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorp, hatte er eine Sammlung seiner Gedichte, »Poetischer Schauplatz«, im Febr. 1646 gewidmet, die wohl aufgenommen worden war. Als der Bruder der Fürstin, Herzog Christian Ludwig von Celle, zwei Jahre später, von Flensburg heimreisend, sich in Pinneberg aufhielt, ließ er Rist auffordern, ihn dort zu besuchen. Da dieser aber in Wedel gerade nicht anwesend war, wurde aus der Bekanntschaft damals noch nichts. Der Dichter widmete, auf diese Dinge Bezug nehmend, seinen »Christus Jesus«, einige Lieder über die Passion, der Mutter des Herzogs, der Herzogin von Celle, Anna Eleonore, geborenen Landgräfin von Hessen. Er hatte sich der herzoglichen Familie dadurch genugsam empfohlen und war durch seine dramatischen Leistungen auch sonst in Celle bekannt geworden. Als er sein »Friedejauchzendes Deutschland« im Aug. 1653 herausgab, bemerkte er im Vorbericht, er sei befehligt, etliche sonderbare Erfindungen auf ein hochfürstliches Fest aufzusetzen. Es war die am 12. Oct. 1653 gefeierte Vermählung des Herzogs Christian Ludwig (geb. 1625, gest. 1665) mit der Prinzessin Dorothea, Herzogin von Schleswig, wobei eine außerordentliche Pracht entfaltet wurde. Rist hatte dazu ein Ballet gedichtet, das ohne seinen Namen gedruckt ist: »Die Triumphirende Liebe, umgeben Mit den sieghaften Tugenden« (Lüneburg, bei denen Sternen. Folio Ein Exemplar, ohne die Musik, in Göttingen Dram. 5929; ein vollständiges Exemplar ohne Titelblatt in der Kupferstichsammlung des Professors Lohmeyer in Göttingen.. Den Inhalt bildet die Parabel von Hercules am Scheidewege. Nachdem die Laster vertrieben, erscheinen die Tugenden, und Cupido macht aus zwei flammenden Herzen ein blühend und treibendes, damit aus Eins-Zwei bald Drei werde. Rist war persönlich in Celle anwesend und wurde ehrenvoll behandelt, vermuthlich auch reich beschenkt, da der freigebige Fürst, der die Künste liebte, z. B. den Matthäus Merian, den er eingeladen, beim Abschiede »mildiglich mit schönen Pferden, Geld und andern schönen Sachen beschenkte«. Rist machte bei dieser Gelegenheit die Bekanntschaft vieler ausgezeichneter Männer, Künstler, Geistlicher und Fürsten. Unter den Fürsten stellt er besonders hoch Christian, Herzog von Mecklenburg, der sich der unruhigen Zeiten wegen häufig in dem sichern Hamburg aufhielt und von dort aus den Dichter wiederholt in Wedel besuchte, wobei dann im eifrigen Gespräch wol Essen und Trinken vergessen wurde. Auch in Hamburg mußte Rist diesen Gönner besuchen, von dem er zum Kirchen- und Consistorialrath ernannt wurde, ein Titel, dessen er sich vor seinen Schriften niemals bedient hat. Auch mit andern Höfen stand er in ehrenden Beziehungen, so mit dem von Anhalt-Köthen. Die Prinzessin Ernesta Augusta verfaßte ein Sonett, dessen Anfangsbuchstaben den Namen Johannes Rist bildeten und das seine Schriften rühmend aufzählte. Auch der dänische Hof zeichnete ihn aus; doch kamen ihm von dort mittelbar schwere Drangsale, als die übereilte Kriegslust des Königs Holstein in den zweiten Krieg der nordischen Kronen verwickelte.
Friedrich III., König von Dänemark und Herzog des königlichen Antheils von Schleswig-Holstein, hatte früher die Bisthümer Bremen und Verden besessen, die im Westfälischen Frieden den Schweden zugefallen waren. Als Karl X. Gustav in Polen Krieg führte, meinte Friedrich, die Zeit sei günstig, die verlorenen Bisthümer und die seinem Vater 1645 im Frieden von Brömsebro abgenommenen Provinzen wiederzugewinnen. Er schloß mit Holland, Brandenburg und Polen ein Bündniß (dem auch Karl's Schwiegervater, Friedrich von Holstein-Gottorp beitreten sollte, was dieser natürlich verweigerte) und erklärte am 1. Juni 1657 dem Schwedenkönige den Krieg, fiel in Bremen ein und war im Besitz der Bisthümer. Allein mit überraschender Schnelligkeit war Karl aus Polen am Platze, trieb die Dänen zurück und eroberte, mit Ausnahme einiger Festungen, in den Monaten August bis October die ganze Halbinsel. Dieses und das folgende Jahr waren die drangvollsten, die Rist erlebte. Noch am 25. Juli 1657 hatte er seinem Schwager Gerhard Schepler, Bürgermeister in Osnabrück, der ihn im vorigen Jahre mit Frau und Kindern durch seinen Besuch in Wedel erfreut, den ersten Theil seiner mit Tob. Petermann's lateinischer Uebersetzung versehenen »Geistlichen Schriften« gewidmet, ohne in der Zuschrift mit einem Worte drohender Gefahr zu gedenken. Aber schon am 10. August beklagt er in der aus Hamburg datierten Widmung des ersten Theils seiner ohne die lateinische Uebersetzung erscheinenden »Geistlichen Schriften« an die Prinzessin Ernesta Augusta von Anhalt den feindlichen Einfall der Schweden, durch den er mit viel tausend Landsleuten aller zeitlichen Wohlfahrt ganz und gar beraubt worden sei. Stündlich höre man in Hamburg von Brand und Verwüstung. Mitten in den heftigsten Kriegsflammen that er einen schweren Fall, der einen alten Schaden dergestalt erneuerte, daß er unsägliche Schmerzen erdulden und viele Wochen das Bett hüten mußte. Ueberdies wurde er mit allen seinen Hausgenossen von einer Epidemie heimgesucht, an der allein in seiner Gemeinde binnen zwei Monaten über anderthalbhundert Menschen starben. Dazu die Drangsale. Die Landbewohner, die so jämmerlich gepreßt, geschlagen, geplagt wurden, ließen Haus und Hof, ja alles was sie in der Welt besaßen, stehen und liegen und giengen mit Weib und Kind erbärmlich davon. Von den städtischen Freunden wagte sich keiner zu ihm heraus. Ohne Hülfe, ohne Trost, krank und in Noth -- er bekennt, da sei ihm der Muth entfallen. Aber das Maß der Leiden war noch nicht voll. Den Frieden von Roeskilde vom 26. Febr. 1658 hatte Dänemark mit schweren Opfern erkauft. Die schwedischen Truppen blieben in den Herzogthümern. Schon im August landete Karl wieder in Seeland, diesmal mit der Absicht, das Dänenreich zu vernichten. Doch Friedrich hielt sich tapfer, die Bundesgenossen brachten Hülfe und vertrieben im Winter 1658-59 die Schweden von der Halbinsel.
War das vorige Jahr ein Jahr der Schrecken gewesen, so überstieg das Elend dieses Winters alles Erlebte. Freund und Feind, und die Freunde schlimmer als die Schweden, wütheten mit schonungsloser Grausamkeit in Holstein. Im October mußte Rist mit großer Angst und Gefahr seine Wohnung verlassen und sein Leben durch die Flucht retten, da ihm dann so viele herrliche und theuerbare Sachen hinweggeraubt wurden, daß er und die Seinigen die ganze Zeit ihres Lebens solchen gar zu großen Schaden nicht überwinden, noch das Verlorene wiederschaffen konnten. Auf ein einziges mal wurden ihm weit über 2000 Thlr. Werth genommen, darunter Sachen, die nicht wieder hergestellt werden konnten. Noch im November wurden ihm abermals weit über 1000 Thlr. Güter geraubt. Bisher sei er immer wieder zu Hause und Hofe gekommen; wie es diesmal gehen möge, wisse er nicht, da es scheine, als ob alles durchaus zu Grunde und zu Trümmern gehen wolle. »O du vermaledeieter Krieg!« ruft er aus. »Ein christlicher Herr scheuet sich nicht, nur aus blinder Begier zu herrschen oder auch wol sein Müthlein zu kühlen, durch ein mächtiges Kriegsheer seinen Nebenchristen feindlich anzugreifen, ihm das Seinige mit Gewalt zu nehmen, zu rauben, zu morden, zu schänden, zu sengen und zu brennen!« In Wedel lag eine Compagnie, in der Soldaten aus elf verschiedenen Ländern waren: Deutsche, Polen, Spanier, Schweden, Engländer, Dänen, Franzosen, Schotten, Portugiesen, Finländer und Iren. Dieser wilden Soldateska mußten die Einwohner das Nöthige nicht nur reichlich, sondern überflüssig herbeischaffen. Das Land war aufs jämmerlichste verderbt, Vieh und Güter geraubt, Lehrer und Prediger samt ihren Zuhörern geängstet, geprügelt, geplündert und alle bis aufs äußerste ausgesogen. Viele schöne Schlösser, Flecken, Dörfer und Gebäude wurden grausamlich angezündet, die armen Leute für alle Gutthaten, die sie den fremden Gästen unzähligemal erwiesen hatten, mit Einäscherung ihrer Wohnungen und Gehöfte belohnt. Manche Edelleute, die in prächtigen Schlössern gewohnt und nachts plötzlich aufgejagt sich in Gebüsch und Heide gerettet hatten, während die Flammen ihr Hab und Gut verzehrten, waren glücklich, wenn sie vor Wind und Wetter unter dem Strohdach einer Bauernhütte Schutz fanden. Wer Hamburg erreichen konnte, floh dorthin; so auch Rist, dem das Leben in der Stadt wie das Leben eines Gefangenen vorkam: Thorsperre von 3 Uhr nachmittags bis 8 Uhr morgens; ewiger Wagenlärm; zur Rechten ein Goldschmied, zur Linken ein Kupferschmied als Nachbar, gegenüber ein Sporenmacher, den er mit seinem beständigen Kritzeln und Kratzeln samt allen Feilen zu Augsburg auf den Markt wünschte. Als er endlich die Stadt, in der er noch dazu krank gelegen, verlassen konnte, da däuchte ihn, obgleich er in Wedel alles verwüstet, zerrissen und ausgeplündert fand, als komme er aus der Hölle in den Himmel. Seine Sammlung der Kirchenväter mit seinen Randbemerkungen, Luther's Werke in der Wittenberger und Jenaer Ausgabe hatten ihm seine Fratres in Christo, die Herren Feldprediger, schon bei der ersten Ausplünderung geraubt; jetzt fand er nichts mehr, die Gärten zerstampft, das Haus leer, die Kirche ohne Orgel, Dorf und Umgegend verwüstet und verarmt, und wieder eine Besatzung, ein dänisches Cavalerieregiment, aber unter einem frommen Obersten.
Dies war der Oberst Joachim von Debbern, der die Witwe des Hauptmanns Abel Spieß, geb. Gese Waßmer (vgl. S. 174 fg.) geheirathet hatte und mit Rist in vertraulicher Freundschaft lebte, ihm und den Seinen in dieser schweren Zeit des Wiederanfangens viel Gutes erwies. Auch stand Rist's früherer Zögling, der Rittmeister Fr. H. Sager, bei demselben Regimente. Durch den Mund des letztern berichtet Rist im »Alleredelsten Leben« (S. 119): »Wie unser Regiment im 1659. Jahre unter einem recht christlichen Obristen im Flecken und Kirchspiel Wedel gelegen, hat derselbe mit allen seinen hohen und niedrigen Bedienten wie auch gemeinen Reutern die Predigten viel fleißiger besucht, auch mit weit größerer Andacht angehört, als viele Einwohner des Ortes selber gethan haben, und wollte ich einem unter unsern Rittmeistern, Lieutenanten, Cornetten und wie unsere Kriegsbedienten sonst heißen, ich geschweige denn der gemeinen Reuter, nicht gern gerathen haben, daß sie auch nur eine einzige Predigt versäumt hätten, sie würden vom Herrn Obristen zum wenigsten mit einem sehr starken Verweise fein angesehen worden.« Streifzüge der Schweden aus dem Bremischen über die Elbe nach Holstein wurden zwar noch manchmal versucht, scheiterten aber an der vorsichtigen Wachsamkeit des Obersten und hörten mit dem Tode Karl's X. (am 22. Febr. 1660) ganz auf. Der im Mai geschlossene Kopenhagener Friede machte dann diesem furchtbaren Nachspiele des Dreißigjährigen Krieges ein völliges Ende.
Die Ruhe von außen war gesichert, aber Rist's Kraft war gebrochen. Mehr und mehr erschien ihm die Welt eitel und nichtig; alles, was ihn früher wol erfreut und gehoben hatte, sank für ihn im Werthe. Häusliche Leiden traten hinzu. Seine Frau, mit der er 27 Jahre in glücklicher Ehe gelebt, wurde im Herbst 1661 mit einer unheilbaren Krankheit heimgesucht. Die übergroße Pein und Schmerzen nahmen im Winter zu und steigerten sich im Sommer 1662, bis Gott die Arme nach achtmonatlichen Leiden durch einen sanften Tod von allem Jammer erlöste. Aus der Ehe waren fünf Kinder entsprossen, von denen zwei schon früh gestorben, zwei Söhne, Joh. Ernst, später schwedischer Amtmann zu Bremervörde, Joh. Kaspar, später Rist's Nachfolger in Wedel, und eine damals noch unverheirathete Tochter, Anna Margarete, beim Tode der Mutter noch lebten. Die Tochter führte anfangs die Wirthschaft des Vaters, der sich mehr und mehr von der Welt abschloß und in seinem Witwerstande so einsam hielt, daß er, wenn ihn nicht die höchste Noth dazu zwang, nicht weiter kam als in seine Studierstuben, sein Gotteshaus und seine Gärten. Man fand ihn nur über seinen Büchern, Blumen und Gewächsen. Des Morgens stand er so früh als möglich auf. Nachdem er seine Betstunde gehalten und in der Bibel gelesen, studierte er fleißig bis etwa um 10 Uhr, verfügte sich dann in den Garten, wo er anordnen und verrichten half, was Zeit und Gelegenheit erforderten. Darin beharrte er eine Stunde, bis er dann mit dem Schlage elf sich zur Mahlzeit begab. Den Nachmittag widmete er der Seelsorge und literarischen Arbeiten. Abends hielt er sich gern von Geschäften frei, da ihm das Studieren bei Licht nicht mehr zuträglich war, während er sonst halbe Nächte hindurch gearbeitet hatte. Diese einförmig regelmäßige Lebensweise dauerte, bis seine Tochter sich mit dem Arzte Johann Petri in Glückstadt verheirathete. Der Haushalt mußte wieder eine Vorsteherin haben. Rist entschloß sich zur zweiten Ehe und wählte die Witwe seines Freundes Philipp Hagedorn, der die Güter Haselau und Kaden verwaltet hatte, Anna, geb. Badehoop, die an ihrem ersten Hochzeitstage, am 22. Juni 1642, ihre Mutter verloren hatte. Die Ehe wurde 1664 geschlossen und blieb kinderlos. Viel Leben kam auch mit der zweiten Frau nicht in Rist's Haus, der öfter von seiner traurigen Einsamkeit spricht und von seiner Absonderung von aller Gesellschaft. Im Jahre 1667 war er körperlich schwach, sodaß sein Sohn seinen Dienst versehen mußte. »Wisset ihr nicht«, sagt er in seiner während des Sommers verfaßten »Alleredelsten Zeitverkürzung«, »was mir der getreue Gott in diesem Jahre für einen Boten geschickt, nämlich unterschiedliche schwere Krankheiten? Denn da mir Gott die unaussprechliche Gnade erwiesen, daß er mich so viele Jahre bei guter und beständiger Gesundheit erhalten, da hat er letztlich, nachdem ich über 60 Jahre alt worden, einmal wiederum an mich gedacht und mich plötzlich mit sehr harten Krankheiten, einem dreitägigen hitzigen Fieber, der Gelbsucht, Schorbuck, Anfang von der Wassersucht und mehr andern Zufallen dergestalt angegriffen, daß ich zuletzt weder Hand noch Fuß mehr regen können. Wie sollte ich denn nun nicht, da ich mich in gar kurzer Zeit vielleicht eines seligen Abscheids muß vermuthen, in den süßen Todesgedanken meine alleredelste Zeitverkürzung suchen?« Er hat diese Worte wol nur wenige Tage vor seinem Tode geschrieben, der am 31. Aug. 1667 erfolgte. Sein Amtsbruder und langjähriger Freund, Johann Hudemann, Prediger zu Krempe, hielt ihm die Leichenrede (»Christliche Sterbekunst«. Hamb. 1667. 4°.), die bei Henning Witte ( Memor. Theolog. Frcf. 1684, Dec. XII, p. 1578-1582) wiederholt ist. Sie enthält über Rist's Jugendjahre und seine Studienzeit allerlei unrichtige Nachrichten, die von denen, die sich seither mit Rist beschäftigten, beständig wiederholt, in der gegenwärtigen Lebensskizze stillschweigend berichtigt worden sind.
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Die dichterische Bedeutsamkeit Rist's wird gewöhnlich in seinen geistlichen Liedern gefunden. In zehn größern Sammlungen 1. »Himmlische Lieder«. 1642. (50 Nrn.); 2. »Sonderbares Buch«. 1651. (50 Nrn.); 3. »Sabbathische Seelenlust«. 1651. (58 Nrn.); 4. »Alltägliche Hausmusik«. 1654. (70 Nrn.): 5. »Festandachten«. 1655. (52 Nrn.); 6. »Katechismusandachten«. 1656. (50 Nrn.); 7. »Seelengespräche«. 2 Thle. 1658-68. (48 Nrn.); 8. »Kreuzschule«. 1659. (71 Nrn.); 9. »Seelenparadies«. 2 Thle., 1660-62. (164 Nrn.); 10. »Passionsandachten«. 1664. (46 Nrn.) In letztere Sammlung sind die 1648 erschienenen 19 Lieder des »Gekreuzigten Jesus« aufgenommen. hat er deren 659 veröffentlicht, von denen mehr als hundert in die verschiedenen Gemeindegesangbücher Aufnahme fanden, dann aber bis auf wenige wieder daraus verschwunden sind. Neben Paulus Gerhardt wurde er zu seiner Zeit am meisten berücksichtigt. In der Pflege dieser Dichtungen erkannte er einen Haupttheil seiner Lebensaufgabe. Um die ganze Theologie, bekennt er vor seinem »Seelenparadies«, in erbauliche Lieder zu bringen, habe er seine »Himmlischen Lieder« und seine »Sonderbaren Lieder« verfaßt, in denen er die vornehmsten Artikel und Hauptstücke der christlichen Lehre: von Gott, den Engeln, dem Sündenfall, der Erlösung durch Christus, von der wahren Buße und Bekehrung, vom Gebet und der Anrufung Gottes, von wahrer christlicher Demuth, Friedfertigkeit, Liebe, Sanftmuth, Freundlichkeit, heiligem Leben und Wandel, Hoffnung und Geduld, Kampf und Kraft des Glaubens, von der Wiedergeburt und wahren Erneuerung des inwendigen Menschen, von der Seelenruhe, dem seligen Abschiede aus dem vergänglichen Leben, von der Auferstehung des Fleisches und dem großen Tage des Gerichts, von der höllischen Pein und Qual der Verdammten und schließlich von der unaussprechlichen Freude und Herrlichkeit der Kinder Gottes im ewigen Leben, allen christlichen und gottergebenen Herzen vorgestellt habe. Besondern Werth legt er darauf, die sogenannten »Biblischen Triumphlieder« zuerst nach damaliger poetischer Art, mit ihren eigenen Melodien gesetzt, ans Licht gebracht zu haben, um dadurch das Lob Gottes zu mehren und die Herzen der Menschen bei den trübseligen Zeiten also zu bereiten, daß sie mitten in Unglück, Noth und Gefahr nicht aufhören, dem Herrn, ihrem Gott, Lob, Preis und Dank zu opfern. Wie sehr er damit einem Verlangen der Zeit entgegenkam, lehrte der Erfolg. Seine schlichten Lieder, sagt er, seien bei vielen gottseligen Christen in Deutschland sehr beliebt und manches mal mit feuriger Andacht, bußfertigem Herzen und freudigem Gemüthe gesungen worden. Die zum Theil schweren Melodien habe er mehrfach unerkannterweise von Weibern, Kindern, Knechten und Mägden singen hören. Auch in die katholischen Länder drangen Rist's Lieder. Sein Freund der Freiherr von Hirschhoff brachte die erste Sammlung an den Hof nach Wien, wo sie dem kaiserlichen Beichtvater dergestalt gefielen, daß derselbe sie dem Kaiser rühmte und einige derselben singen und spielen ließ. Das »Osterlied« (S. 216) gefiel dem Kaiser so sehr, daß er lachend sagte: »Ei, dies ist gar ein schönes herrliches Lied, das man noch einmal singen muß. Ist gleichwol immer schade, daß der Verfasser soll zum Teufel fahren!«
Es fehlte nicht an Aufmunterung, diesen »Himmlischen Liedern« ähnliche folgen zu lassen, durch welche Betrübte könnten getröstet, die Schwachen gestärkt, die Irrenden belehrt, die Ruchlosen gewarnt und jedermann erbaut werden, und zwar in solcher Art, daß dieselben von den einfältigen und ungelehrten Laien nach den gebräuchlichen kirchlichen Weisen, sowie von den im Gesang erfahrenen verständigen Leuten nach fremden Melodien täglich gesungen und zum nützlichen Gebrauch wohl und fleißig könnten verwendet werden. Diesen Aufforderungen kam er zunächst in seiner »Sabbathischen Seelenlust« entgegen, Liedern für den sonntäglichen Gebrauch, in denen er jedoch nicht alle Sonn- und Festtagsevangelien behandelte, sondern aus denselben die Hauptlehren, Ermahnungen, Warnungen und Tröstungen in Lieder nach gebräuchlichen Melodien brachte.
In »Frommer Christen Alltäglicher Hausmusik« bot er dem täglichen Bedürfnisse Lieder dar, die beim Beginn des Tages, bei Tisch und abends gesungen oder gebetet werden sollten, die sowol Bitt- als Danklieder enthalten und ihre Motive aus wirklichen oder möglichen Umständen entnehmen: Gesänge um Erhaltung des Friedens, Trost in Kriegszeiten, Bitten um Regen und Sonnenschein, Aufrichtung in Krankheit u. dgl., alle nach bekannten Kirchenmelodien singbar, doch auch mit eigenen Compositionen von Johann Schop.
Darauf folgten die »Festandachten« als eine Ergänzung der »Sabbathischen Seelenlust«. Eine solche Sammlung von neuen Liedern auf die Geburt Jesu, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten u. s. w. hielt er für ersprießlich, da in der evangelischen Kirche an dergleichen lehr- und trostreichen Gesängen ein recht schlechter Mangel stattfinde; sie seien, sagt er im Vorbericht, so gar dünn gesäet, daß davon zu zeiten kaum drei oder vier, ja bisweilen kein einziges zu finden, die sich recht auf die Feiertage schickten, wie darüber von vornehmern Theologen als er schon lange Klage geführt worden. Ueberdies seien z. B. die vorhandenen wenigen Weihnachtslieder, von denen die Luther'schen allerdings voll Geist, Leben, Trost und Andacht, der wahren Vers- und Reimkunst nach alle mangelhaft, denn weder der Abschnitt, noch der rechte Laut, noch auch die Silbenzahl sei in denselben beachtet, welcher große Fehler sich durchaus bei allen bekannten Festliedern mehr denn zu viel befinde. Wenn nun zwar in dem Versuch, diesen Mängeln abzuhelfen, ein gewisses starkes Selbstbewußtsein hervortritt, so verwahrt sich Rist doch ausdrücklich dagegen, als wolle er seine Festlieder in die evangelischen Kirchen des allgemeinen deutschen Vaterlandes einführen und die von vielen Jahren her üblichen Kirchengesänge in Verachtung bringen. Er wisse zu gut, daß unter den evangelischen Lehrern sein Ansehen so gar groß nicht sei, daß er ein solches hohes Werk anzufangen, viel weniger auszuführen sich unterstehen dürfte. Von den 52 Liedern haben 10 Aufnahme in die Gemeindegesangbücher gefunden.
In den »Katechismusandachten« hat er die Zehn Gebote, die Glaubensartikel, das Vaterunser, die Einsetzung der Taufe und des Abendmahls sowie die christliche Haustafel bearbeitet; von den 50 Liedern wurden nur 4 in die Gesangbücher aufgenommen. Aus den »Seelengesprächen«, 48 Prosabetrachtungen über die Eitelkeit der Welt, mit ebenso viel Liedern, ist keins in ein Gesangbuch übergegangen; aus der »Kreuzschule« nur drei; von den 164 Liedern des »Seelenparadieses« nur sieben. In letzterer Sammlung sind die Kernsprüche des Alten und Neuen Testaments in Lieder gebracht, besonders aus den Psalmen und Propheten. Mit den »Passionsandachten«, aus denen vier schon 1648 veröffentlichte Lieder in den Gesangbüchern stehen, schloß Rist seine geistliche Liederdichtung äußerlich ab. Er wollte zwar noch eine »Sterbekunst« und »Die unermeßliche Freude des himmlischen Sinns« sowie ein »Gottseliges Zeit- und Jahrbuch« herausgeben; letzteres unterblieb, weil Dilherr in Nürnberg mit einem ähnlichen Werke zuvorkam, und von jenen Plänen ist nichts weiter bekannt geworden.
Ueberblickt man diese umfangreiche Thätigkeit auf dem Gebiete der geistlichen Liederdichtung, so drängt sich von selbst die Betrachtung auf, daß nicht alles von gleichem Werth sein könne und daß viel Handwerksmäßiges mit untergelaufen sein werde. Fast alle Lieder sind förmliche Ausarbeitungen von beträchtlicher Länge, die schon deshalb sich für den lebendigen Kirchengesang nicht wohl eigneten, was Rist selbst keineswegs entging. Es konnte demnach seine Absicht nicht sein, durchweg für den öffentlichen Gottesdienst zu arbeiten, wohl aber für die häusliche Erbauung, sei es daß seine Lieder gelesen, sei es daß sie ganz oder theilweise gesungen würden. Und diesen Zweck hat er völlig erreicht. Da Lieder sich besser einprägen als Prosa, gab er durch die seinigen neben den von ihm gerühmten und benutzten Erbauungsschriften von J. Arnd, Josua Stegmann und J. Gerhard einen sehr willkommenen und wirkungsreichen Beitrag für die Privatandacht, die in jenen traurigen und schweren Zeiten neben der Kirchenfeier ein wahres Herzensbedürfniß war und ernstlicher gepflegt wurde als gegenwärtig. Der Dichter arbeitete zunächst für sich, für seine eigene Andacht. Der leichte Fluß des Verses machte ihm die Arbeit nicht zur Mühe. Was er dann veröffentlichte, gewann theils durch die von ihm selbst gesetzten, theils von andern gelieferten Melodien, sowie durch die Klarheit und Verständlichkeit des Ausdrucks, dem es nicht an Kraft und Schwung fehlte, auch für den Inhalt, der meistens aus der Bibel oder doch aus den ehrwürdigen Büchern der lutherischen Kirche entnommen war. Durch seine geistliche Dichtung, die nur unter dem gegebenen Gesichtspunkte in das rechte Licht tritt, stellt sich Rist zu den besten Liederdichtern des Jahrhunderts.
Aber diese Thätigkeit war nicht seine ausschließliche. Er bewegte sich auf weitern Gebieten. Bei der Leichtigkeit, mit welcher sich ihm, wie eben erwähnt, die Verse gestalteten, und bei der lebendigen Theilnahme, mit welcher er die vaterländischen Ereignisse verfolgte, kann es nicht Wunder nehmen, daß er seine Stimme erhob, wenn Wichtiges geschehen war. Solche historische Lieder sind einige in die vorliegende Auswahl aufgenommen worden. Rist hat dieselben gesammelt zunächst in seiner » Musa teutonica« (1634, zweimal wieder aufgelegt 1637 und 1640), sodann als er schon Pastor war, in seinem »Poetischen Lust-Garte« (Kiel 1638). So sehr er auch den Frieden wünschte, so preist er doch die Kriegshelden seiner Partei und ihre Kriegsthaten. Rührend wirkt der Gegensatz zwischen den in breiten Alexandrinern ausgeführten Beschreibungen der Greuel des langen Krieges und den Stellen, wo das Glück des Friedens gepriesen wird: ein Gegensatz, wie er hauptsächlich im »Krieg- und Friedensspiegel« (1640) uns entgegentritt. Aber Rist kann die Gelehrsamkeit nicht zurückdrängen und schadet seinem Gegenstande durch Weitschweifigkeit und Uebertreibung.
Mehr tritt dieser Mangel, dessen sich freilich alle Dichter damaliger Zeit schuldig machten, in den Lobliedern auf Zeitgenossen hervor, denen er sich in der einen oder andern Beziehung verpflichtet fühlt. Am meisten nimmt Rist erklärlicherweise den Mund voll in dem »Trauerliede auf Martin Opitz« (1639); den größten Dichtern des Alterthums stellt er ihn an die Seite, und wie ganz natürlich fühlt er sich gedrungen, durch gelehrte Anmerkungen das Gedicht noch aufzuputzen. Die Lobreden auf Fürsten, wie auf Friedrich, den spätern König von Dänemark (1643), auf Ludowig, den Fürsten zu Anhalt-Cöthen, der die Fruchtbringende Gesellschaft gestiftet hatte, sind mit vielem Bombaste ausgestattet. Hören wir ihn schelten gegen die Reimenmacher, wie in seinem »Lust-Garte« oder »Poetischem Schauplatz«, so müssen wir unwillkürlich an sein Gedicht »Holsteins Klagelied« (1644) denken, wol das poesieloseste, das Rist neben seinen Hochzeitsliedern und Trostliedern und seiner »Friedens Posaune« (1646) geschrieben hat. Wenn er eine seiner Anmerkungen mit den Worten beginnt: »Der Dichter will sagen«, so stellt er damit seiner Poesie selbst ein schlimmes Zeugniß aus.
Zu Lob- und Ehrengedichten, zu poetischen Glückwünschungen veranlaßte ihn der Brauch der Zeit öfters. Schon Martin Opitz hatte geklagt, daß ohne die Poeten keine Hochzeit gemacht, kein Begräbniß veranstaltet würde, an allen Schüsseln und Wänden prangten sie. Auffällig ist aber doch, daß Rist es nicht genug sein ließ mit dem einmaligen Drucke auf ein fliegendes Blatt, das der Wind verweht hätte, wenn es seinen Zweck erfüllt, sondern daß er alle seine Gelegenheitsgedichte, die ihrer ganzen Natur nach nur engere Kreise berühren, durch Aufnahme in Sammlungen weiterer Verbreitung für werth erachtete. Und diese Sammlungen, in denen die unvermeidlichen Anmerkungen einen großen Raum einnehmen, versah er mit dem nicht eben bescheiden klingenden Titel »Parnassus«.
Durch solchen Mangel an Kritik gab er seinen Widersachern, den »Hämmerling«, den »Simei«, den »Tadelgern« und wie er sie sonst nennt, erwünschte Gelegenheit zu Angriffen. Auf die Frage nach den wirklichen Namen dieser seiner Lästerer wollen wir hier nicht eingehen.
Den Tadlern standen allerdings sehr viele Lobredner der Rist'schen Muse gegenüber, und Rist versäumte es nicht, die ihm gewidmeten Lobgedichte nach der damaligen Sitte getreulich seinen Werken voran- oder nachzustellen oder sie als ein »Nebenbergelein« neben den Parnaß zu setzen. Eigenthümlich muthen uns die Spielereien an, die da mit seinem Namen getrieben werden. Durch Versetzen der Buchstaben von Johannes oder Joannes Rist hat der eine herausgefunden: Naso ist rein; ein anderer: Hier sin[n]t Naso; ein dritter: So ist er hinan; wieder ein anderer: Er ist Jason, Er ist Ja [des Phöbus] Sohn, Er ist Ja [des Pindus] Sonn; von lateinischen zu geschweigen. Nur weil Rist sie selbstgefällig mit abdrucken läßt, konnte hier davon die Rede sein. Von den Trost- und Lobgedichten oder Klageliedern sind in vorliegende Ausgabe nur sehr wenige, und diese auch nur zum Theil aufgenommen worden.
Kann man in diesen weltlichen Gedichten den Dichter Rist nur schwer erkennen -- nimmt er doch im »Kriegs- und Friedensspiegel« mehr als zwanzigmal, um den Vers zu füllen, das Verbum »thun« zu Hülfe --, so weiß er in kleineren lyrischen Gedichten seinen warmen Empfindungen eine knappe, entsprechende Form zu verleihen. Besonders hebe ich das »An eine sehr schöne Blume im Frühling« hervor (S. 173), in welchem aber V. 13 statt Kinder »Kleider« und V. 29 »Freundlichkeit« zu lesen ist. Seine Jugendgedichte verwirft er zwar später als schlecht und schier nichtswürdig; er wünscht von Grund seiner Seelen, daß alle seine Verse, in denen der Venus, des Cupido, des Jupiters, des Hymens und anderer Götter gedacht wird, unverzüglich ins Feuer geworfen würden. Gleichwol benutzt er in dem »Friedejauchzenden Teutschland« immer noch heidnische Götter. Von den rechtgeschaffenen, guten Poeten aber sagt Rist mit unbewußter Selbstkritik (Vorbericht zum »Poet. Schauplatz« 1646), sie seien nicht aus dem gemeinen Haufen derjenigen, welche mit ihren Künsten etwa heute oder gestern erst geboren, sondern es seien gelehrte, verständige, vielbelesene und auch in Künsten und Sprachen wohlerfahrene Leute, und sobald sie nur Hand anlegen etwas Nützliches zu schreiben, rege sich bei ihnen ein sonderbarer poetischer Geist, den man um seiner Wirkung willen himmlisch nenne. Ihre Verse klingen lieblich, die ausgewählten Wörter stehen ungezwungen, es fließet alles gleich einem vom Hügel herabrieselnden Wasserbache recht lustig daher. Ja, wer es lieset oder höret, fährt er fort, der kann schwer beurtheilen, ob das Gedicht in einer zierlich gebundenen oder ungebundenen Rede verfasset sei, welches denn für ein sonderliches Merkzeichen eines gar guten Poeten wird gehalten. Da findet man bei ihnen keine dunkle oder gar hochtrabende Art zu reden, vielmehr wird alles fein deutlich mit ebenso zierlichen wie passenden Wörtern ausgedrückt, mit schönen Gleichnissen und Bildern geschmückt, nach der Redekunst ausstaffiert: kurz, ein rechtschaffener Poet schreibt nur solche Sachen, durch welche die Ehre Gottes und das Gedeihen seiner Kirche befördert, die studierende Jugend zu größerm Fleiße angeeifert, große Herren und gelehrte Leute belustiget, Unverständige unterrichtet, Einfältige gelehret, der Klugen Verstand geschärfet, die betrübten Seelen getröstet und schließlich die große Allmacht, Güte und Wahrheit des ewigen Schöpfers höchlich gerühmet wird und gepriesen.
Daß Rist in diesem Bilde sich selbst zeichnen wollte, unterliegt keinem Zweifel. Allen diesen Forderungen aber konnte nur in echter, frei waltender Begeisterung ein großer Dichter gerecht werden, wie etwa unter den Anhängern von Opitz es der Lyriker Fleming vermochte.
Bedeutender als in den lyrischen Gedichten ist Rist in seinen Dramen. Die Spuren des volksthümlichen Dramas waren damals in Deutschland noch nicht ganz verwischt; immer noch erschienen einzelne Stücke des Hans Sachs nicht nur im Druck, sondern auch auf der Bühne, und ebenso von Bartholomäus Ringwaldt. In Hamburg, also in Rist's Nachbarschaft, waren die Schauspielaufführungen nicht so unterbrochen worden wie in andern Städten des Vaterlandes, wo die unmittelbare Nähe des Kriegstheaters dieselben verboten hatte. Von den dreißig Dramen, die Rist seiner eigenen Versicherung nach gedichtet, sind nur fünf gedruckt worden. Sie alle wieder nachgewiesen zu haben, ist das Verdienst von Dr. Karl Theodor Gaedertz in Berlin, der in scharfsinnig methodischer Weise, unterstützt von dem glücklichen Zufall, der sich freilich oft nur dem Suchenden hülfreich erweist, den Kreis der Schauspiele Johann Rist's vervollständigt hat. Rist gab (»Die Aller Edelste Belustigung«, S. 121) der Forderung nach, die sonderliche Pickelherings-Possen mit untergemenget wünschte, und schuf zu jedem Acte ein lustiges Zwischenspiel, sonst Interscenium genannt (die gleichwol mit dem rechten Hauptwerke eigentlich nichts zu schaffen haben). Dadurch erlangten seine Spiele großes Lob, da der Welt mit dem lustigen Jean Potage oder Hans Suppe mehr gedient ist als mit dem traurigen und ernsthaften Cato. Und da Rist echt volksthümlich sein wollte, so schrieb er seine Dramen nicht allein in Prosa, sondern wendete in den Zwischenspielen meist auch das niederdeutsche Idiom an.
Die »Irenaromachia« erschien zwar (s. S. XIX) zunächst unter Stapel's Namen, und um die Täuschung vollkommen zu machen, preist Rist den angeblichen Verfasser in einem dem ersten Drucke Im siebenten Bande vom »Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung« (Jahrgang 1881, S. 104 fg.) gibt Gaedertz alle Nachweise und druckt die Zwischenspiele ab. vorausgeschickten Gedichte und ermuntert ihn zu neuer poetischer Thätigkeit; trotzdem aber nennt schon eine gleichzeitige Chronik (1630) neben Stapel auch Rist als Verfasser. Das Stück fand eine sehr freundliche Aufnahme und wurde nicht weniger als fünfmal wieder aufgelegt, ja Gaedertz hat sogar davon eine Uebersetzung in gebundener Rede aus dem Jahre 1631 entdeckt (a. a. O., S. 106). Es werden uns prächtige Typen aus dem Bauernleben damaliger Zeit vorgeführt. Der Quartiermeister, der in ein Dorf kommt, um dort Lebensmittel zu requirieren, ist von den großsprecherischen Bauern arg mißhandelt worden. Nur auf sein innigstes Bitten schenken sie ihm das Leben. Trotz seines Eides aber, nichts nachtragen zu wollen, sinnt er auf schwere Rache. Während jene Bauern die ihm abgenommenen Sachen um Geld losschlagen wollen, hat er Hülfe geholt und führt alle, die zuletzt gar kleinlaut geworden waren, gefangen ab. Mit der flehentlichen Bitte von Sievert's Sohn: »O Gott, lathet my doch mynen Vaer, ick hebbe yo men den einen Vaer!« schließt das Interscenium.
Das zweite Stück ist der »Perseus«, von dem S. XX gesagt wurde, daß er 1634 im Druck Gaedertz, a. a. O., S. 140 fg. veröffentlicht beide Zwischenspiele des Stücks. erschien, nachdem er vorher schon auf öffentlicher Bühne aufgeführt worden. Eingeschlossen in die Handlung, welche das Ränkespiel des Perseus gegen seinen Bruder Demetrios uns vorführt, sind Zwischenspiele, die Zustände und Vorkommnisse der unmittelbaren Gegenwart schildern; der Inhalt des ersten ist: Der Hauptmann Knapkäse will Bauern anwerben; in Erinnerung aber an die schrecklichen Banden, die plündernd durch die Lande gezogen sind, widersetzen sich diese anfangs seinem Ansinnen. Endlich jedoch können sie den Lockungen der Reichsthaler nicht mehr widerstehen. Dann schildert der Kapitän, wie ein braver Soldat seines Sinnes fluchen und wettern müsse, ist aber freilich sehr ungehalten, wenn der Bauer später in Reih und Glied ihm gegenüber auch flucht. Die ganze Scene des Einexercierens ist außerordentlich wirksam. Die Rekruten ähneln in ihrer äußern Erscheinung sehr denen des Falstaff; dem entsprechend ist die Ausführung der Befehle und die jedesmalige Entschuldigung auf den erhaltenen Tadel.
Das » Friedewünschende Deutschland« widmete Rist der hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft. Wenn es nach seinem Wunsche hätte geschehen können, so würde er statt des friedewünschenden viel lieber das mit Friede und Ruhe schon glücklich beseligte Teutschland vor ihre hochvernünftige Augen gestellet haben.
Ende 1646 war Herr Andreas Gartner mit etlichen feinen, gelahrten und wohlgeschickten Studenten von Königsberg nach Hamburg gekommen. Dort hatte er unterschiedliche Traur- und Freudenspiele zum Theil nach Art der Italiener aufgeführt. Da wurde er auf Rist aufmerksam gemacht, von dem schon mehrere Schauspiele zur Aufführung gebracht und beifällig aufgenommen worden wären. Er bat ihn um ein Stück, und da gerade zu Anfang 1647 das süße Geschrei und die höchst erwünschte Zeitung erscholl, es würde der in Westfalen schon lange berathschlagte Friede bald verkündigt werden, so schrieb Rist sein »Friedewünschendes Teutschland« und brachte es innerhalb acht Tagen zu Papier. Die Aufführung geschah unter großem Zudrange zu allseitiger Befriedigung. Nur sein stetiger Lästerer, der Erzpasquillant, sagt er, habe wieder gegen dieses Stück sein Gift verspritzt. Damit nun ein jeder selbst prüfen könne, gebe er dasselbe in Druck.
Das ganze Drama hat Tittmann ausgehoben und es nach der ersten Ausgabe vom Jahre 1647 abdrucken lassen. Dieselbe enthält ebenso wie die Hamburger von 1649 vor dem Titel einen Kupferstich, der die Scene auf S. 46 zur Darstellung bringt. Außer einem schlechten, durch viele Fehler entstellten Drucke von 1648 sollen noch andere unrechtmäßige Ausgaben zu Rist's Lebzeiten erschienen sein. Neudrucke oder wenigstens genaue Inhaltsangaben des »Friedewünschenden Teutschland« sind, charakteristisch genug, in den Jahren 1806 Das Friede wünschende Deutschland. -- Nunmehro neu aufgelegt und mit einer Vorrede versehen von Einem Pfarrherrn im Hollsteinischen. Zum Besten des aufrichtigen deutschgesinnten Lesers. (und zwar mit einem auf die Zeit der Herausgabe bezüglichen Schlusse) und 1864 Zugleich mit dem »Friedejauchzenden Teutschland«, von H. M. Schletterer. Augsburg. veranstaltet worden.
Das »Friedewünschende Teutschland« ist wie die frühern Dramen in Prosa geschrieben, damit die Schauspieler, nach Rist's eigenem Wunsche, nicht an gewisse Reden und Wörter gebunden sein sollen. Ihm sind solche Spiele die anmuthigsten, welche von wohlgeübten Spielern in ungebundener Rede mit untergemengten Liedern und Reimen vorgeführt werden. Was ihm in dieser Hinsicht bei der Kürze der Zeit für den ersten Druck nicht möglich war zu beschaffen, versprach er für den nächsten. Die Ausgabe von 1649 bringt ein Klagelied, zu S. 26 unsers Druckes gehörig, ebenso für S. 40, 47 und 74; das Lied zu S. 40 mag hier mit seiner Einleitung noch Platz finden:
»Alsobald darnach, wenn die Cavallire sind hinweggegangen, muß einer, mit etwas närrisch gemachten Kleidern, als einem spanischen Wamse, französischen Hosen, polnischen oder krabatischen Mützen und andern dergleichen fremden Trachten angethan, herfür tretten, seltzame Geberde führen und folgendes Lied, mit einem hönischen und oft veränderten Gesichte bald als ein ernsthaffter Spanier, bald als ein leichtsinniger Franzose, bald als ein schmeichelhaffter Italiener und so fortan, nachdem es der Inhalt gibt, fein langsam singen und eine spanische Kitarra oder Laute entweder selber dazu schlagen oder von einem andern darin spielen lassen, jedoch also, daß die Wörter fein deutlich gesungen und von denen Zuhörern wol verstanden werden.
»Teutschland wird sehr beklaget von wegen des großen Unglücks, welches ihme die Bewirtung und gar zu freundliche Gemeinschafft mit denen fremden Völkern wird verursachen.
Teutschland hat zu seinem Schaden
(O der grossen Raserei!)
Fremde Völker eingeladen,
Daß es ja bald dienstbar sei;
Fremde Völker, welche leider
Bringen nichts als fremde Kleider,
Fremde Sprachen, fremdes Geld,
Dies verdirbt die teutsche Welt.
Teutschland lüstert Wein zu trinken,
Den Maderen Insul bringt;
Deutschland wil mit Spanien hinken,
Wenn Kitarra singt und klingt;
Deutschland wil sich mit Grandezzen
Spanien an die Seite setzen;
Ist auch dessen herzlich froh
Mit dem Don Antonio.
Teutschland wil Couranten machen,
Wie man sonst in Frankreich thut;
Monsieur Gaston weiß die Sachen
Anzugehn mit schlauem Muth;
Er läßt unser Teutschland sauffen
Rothen Wein, den es [sie?] muß kauffen
Vor ihr Blut, das heißt wol recht:
Teutschland hat sich selbst verzecht.
Teutschland wil die Hände zieren,
Ihr gefällt die neue Pracht;
Teutschland, die wil Händschuh führen,
Die der Welsch hat hergebracht.
Wol gewelscht! Diß weiche Leder
Ist ein Gift vor dein Geäder;
Dieses, Teutschland, samt den Wein
Wird dein Weg zur Armuht sein.
Teutschland hat den Schmak verlohren,
Ihr gefällt noch Wein noch Bier;
Hat deswegen auserkohren
Alten Käse mit Begier,
Käse, der den Durst erwekket,
Käse, da der Wein auf schmekket,
Doch bezahlt der teutsche Schlund
Tausend Krohnen vor ein Pfund.
Teutschland ist nun wol tractieret
Durch der Fremden Höflichkeit,
Welch' ihr haben außgeführet
Einen Schmauß bei dieser Zeit,
Dessen Wehrt nicht ist zu schätzen;
Dieses, mein ich, heist ergetzen
Selber sich und seine Gäst':
Es ist hin bis auf den Rest.
Teutschland muß den Wirt bezahlen
Und den Gästen dienstbar sein,
Welche bei der Wirtschafft prahlen
Und noch tapfer schenken ein,
Alles doch ohn ihren Schaden;
Das heist frische Gäste laden,
Das heist bei den Fremden stehn:
Teutschland, du mußt bettlen gehn.«
Nicht einzelne Scenen führt uns Rist in seinem Stücke vor, wie der schon erwähnte Grimmelshausen in seinem »Simplicissimus«, oder einzelne Thorheiten und Laster wie Moscherosch in seinen »wunderlichen Gesichten«, oder wie Philipp Wouwerman in seinen Gemälden, welche die Brutalität herumziehender Horden gegen den Landmann und die kleinen Leute mit erschreckender Deutlichkeit zeigen; sondern die ganze Schmach des Dreißigjährigen Krieges, die innere Zerrissenheit in ihren unseligen Wirkungen tritt uns hier vor Augen. Wenn auch die Poesie nicht Knappheit und gedrungene Kürze forderte, so würde doch die Breite, in die Rist verfällt, uns zu einem ungünstigen Urtheil über sein Drama bestimmen müssen, hätten wir nicht den herben Schmerz in Rechnung zu ziehen, mit dem ihn die langdauernden Greuel des Kriegs erfüllten. Ebenso halten wir dem Zeitgeschmack die Allegorie, diese Ausgeburt der Gelehrsamkeit, hier und in andern Dichtungen zugute.
Von dem »Friedejauchzenden Teutschland« (Nürnberg, 1653) sind blos die beiden Zwischenspiele, das Poetischeste des Stücks, hier ausgehoben. Darin wird gezeigt, wie die Bauern, die allem Vermuthen nach des Krieges herzlich müde sein mußten, durch die Friedensbotschaft geradezu in Bestürzung gerathen. Während sogar der altgediente Degenwerth großen Ueberdruß am Kriege kundgibt, hatten jene sich nur zu sehr an das wüste Kneipenleben gewöhnt, dem sie bisher vom frühen Morgen bis zum späten Abend fröhnen konnten; in ruhigen Zeiten mußten sie ja wieder den Acker bestellen. Die andere Handlung der Zwischenspiele endet, wahrscheinlich zum größten Entzücken des Publikums, mit einer allgemeinen Prügelei. Der Hauptinhalt des Dramas ist kurz folgender: Wahremund stellt die Kriegsdrangsale der Königin Teutschland als eine gerechte Strafe dar, die alle Stände gleich beträfe; denn es stünde schlecht um die Geistlichen, die einander verdammen und verketzern, anstatt daß sie zur Sanftmuth, Demuth und Friedfertigkeit ermahnten, um die Fürsten, deren Umgebung offen sage, man könne nicht zugleich ein guter Christ und ein guter Hofmann sein; und demnach sei es auch schlecht bestellt um den Bürger- und Bauernstand. Ein Wunder, daß die deutschen Länder nicht untergegangen wären wie Sodom und Gomorrha. Nach dieser eindringlichen Predigt erscheint das Bild des Friedens in glänzender Beleuchtung. Mars aber mit dem Junker Reinhart und dem Monsieur Sausewind verscheuchen alle und erzählen von Kriegsthaten in Frankreich und England. Auch in Deutschland möchten sie fortan noch sichs wohl sein lassen. Da verkündet das Gerücht, eine geflügelte weibliche Figur mit lauter Zungen bemalt, der Friede komme heran; und Mars muß weichen. Später jedoch versucht er den Deutschen zu zeigen, daß nichts zuträglicher sei als eine Fortsetzung des Krieges. Was sollte aus den vielen Soldaten werden? Wie wollte man die Kriegskosten bezahlen? Daher werden Fräulein Mistrauen, Osman und Cham berufen: die erstere soll allen ihr Sonderinteresse recht zu Gemüthe führen; die beiden letzten bedauern den Friedezustand in Deutschland, nun sei für sie nichts mehr zu holen; aber auf den Rath des Staatsmanns wollen sie gegen die Deutschen kämpfen, zum größten Entsetzen von Wohlrath und Wahremund. Endlich erlangt das zu Gott um Gnade flehende Deutschland die Versicherung, daß der Friede einziehe, woraus Wahremund Veranlassung nimmt, der Königin ans Herz zu legen, nun müsse auch ein anderes und besseres Christenthum einziehen und Besserung eintreten im geistlichen und weltlichen Stande. Darauf erscheint die edle Himmelstochter Friede, welcher ein Loblied erschallt. Der Schluß zeigt uns die Versöhnung zwischen dem Kaiser, dem Könige von Frankreich und der Königin von Schweden. Die drei Stände bringen den Wütherich, den Fluch des Krieges, gebunden heran und peitschen ihn. Er soll mit Mars an die höchsten Felsen der Alpen angeschmiedet werden.
Das fünfte Drama Rist's hat Gaedertz vor kurzem in den »Akademischen Blättern« (I. Jahrg., S. 385-412 und 441-470) veröffentlicht. Es ist die Gesellenweihe in einer Officin der Buchdrucker, deren alleredelste Kunst Johann Rist in ihrer Herrlichkeit und Vortrefflichkeit damit der ganzen Welt vor Augen stellen wollte; auch sonst nimmt er gern Veranlassung, sie zu preisen, z. B. S. 10 unsrer Ausgabe.
Ueberall in seinen Schriften, wo Gelegenheit ist, persifliert Rist die Sprachmengerei der Deutschen und das à la mode Gethue der sogenannten Gebildeten, wie er dem Kampfe für die Reinheit der Sprache ja eine ganze Schrift gewidmet hat: » Baptistae armati, vatis Thalosi (d. i. Holsati), Rettung der Edlen Teütschen Hauptsprache« (Hamburg 1642). Johann Rist hat zu seinem Theile mit beigetragen, daß in gefahrvollen Zeiten die Sprache seines Vaterlandes nicht in Verwelschung unterging; mit vollem Bewußtsein dessen was er that wandte er sein Können der Muttersprache zu, anstatt lateinische oder griechische Gedichte zu erfinden. Deshalb verdient er, wie alle Dichter der Sprachgesellschaften, das Lob: er war ein deutscher Patriot.
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