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Vorgetragen am 27. Oktober 1919 in Zürich; ersch. in: WA von E. Zinn, 1966, 6. Bd.
Die aufmerksame Aufforderung des L. H.,
der ich nun endlich folgen kann,
wird mir zum Anlaß – nach sehr langer Pause – das öffentliche Lesen wieder aufzunehmen.
Ich danke Ihnen im voraus, daß Sie, Schweizer,
die ersten sein wollen, mir (wieder) zuzuhören.
Als ich damals / es mögen zehn Jahre her sein / das Vorlesen aufgab, geschah's unter dem Eindruck, daß das Gedicht . . . sich jeweils auf eine
zu enge | } | } unmittelbare |
begrenzte | } |
Gemeinsamkeit zu berufen hat, um vor vielen ohneweiters vorgebracht zu sein.
Sollte ich wieder hervortreten, so dachte ich, müßte das in einer Rede geschehen, denn eine Rede ist ihrer Natur nach Verständigung von Stelle zu Stelle –; während ich (es hilft nichts) manches Gedicht hinzustellen haben werde, das Ihnen recht voraussetzungslos, ja rücksichtslos erscheinen möchte, wenn Sie nicht gar (um dem Schlimmsten zuvorzukommen) es als eine Poésie de Luxe ungeduldig hinnehmen.
Die Frage, wieweit selbst in einer Zeit, die so dringend der Beratung bedarf, ein solches absichtslos auftretendes Kunstwerk zu dulden sei – und ob es nicht doch am Ende als eine Hülfe anzusprechen wäre, als ein Beistand gewissermaßen auf fernste, äußerste Distanz, als Zuspruch mit dem Coefficienten unendlich –; diese Frage lassen Sie mich jetzt nicht stellen. Sie würde zwischen uns eine Atmosphäre der Diskussion schaffen; es wäre nicht die, die uns diesen Abend verbinden soll.
Nur soviel erlauben Sie mir auszusprechen:
Es hat nicht dieser fürchterlichen Jahre bedurft, um mir die Prüfung aufzuerlegen, ob eine solche Hervorbringung zu verantworten sei.
Schon, da ich vor fast zwanzig Jahren neben Lew Tolstoj über die Vergißmeinnicht-Wiesen von Jassnaja Poljana ging, hatte ich mich gründlich zu entscheiden.
Und seither, ich weiß nicht wie oft, an jeder Wendung meines Weges hab ich mir mein eigenes Tun fraglich gemacht, fraglich und schwer, und hab mich geprüft und bedrängt, ob ich denn in ihm zu Recht bestehe und ausharre.
Wer dürfte etwas für die Zukunft versichern?
Aber bis heute ist mir die verantwortende innere Stimme immer noch zustimmend gewesen.
Die Arbeiten von denen ich Ihnen einige werde zeigen dürfen, gehen irgendwie aus der Überzeugung hervor, daß es eine eigene berechtigte Aufgabe sei,
die Weite,
Vielfältigkeit,
ja Vollzähligkeit der Welt
in reinen Beweisen vorzuführen.
Denn: ja! zu einem derartigen Zeugnis hoffte ich mir das Gedicht zu erziehen, das mir fähig werden sollte
alle Erscheinung,
nicht nur das Gefühlsmäßige allein,
lyrisch zu begreifen –:
das Tier,
die Pflanze,
jeden Vorgang; –
ein Ding
in seinem eigentümlichen Gefühlsraum darzustellen.
Lassen Sie sich nicht dadurch beirren, daß ich oft Bilder der Vergangenheit aufrufe. Auch das Gewesene ist noch ein Seiendes in der Fülle des Geschehens, wenn man es nicht nach seinem Inhalte erfaßt, sondern durch seine Intensität, und wir sind als Mitglieder einer Welt, die Bewegung um Bewegung, Kraft um Kraft hervorbringend, unaufhaltsam in weniger und weniger Sichtbares hinzustürzen scheint, auf jene überlegene Sichtbarkeit des Vergangenen angewiesen, wollen wir uns im Gleichnis die nun verhaltene Pracht vorstellen, von der wir ja auch heute noch umgeben sind.
Ich werde Sie nun nicht mit Vorbringungen überhäufen. Ich verspreche, sparsam zu sein.
Die Wahl der Lesestücke ist keine vorherbestimmte. Unter dem Einfluß Ihrer Gegenwart und Teilnehmung gedachte ich mich zu dem oder jenem Gedicht zu entschließen.
Dulden Sie daher auch, daß ich, wo es mir der Augenblick eingiebt, einige kurze Anmerkungen einschiebe und so von Fall zu Fall eine Plattform schaffe, auf der Sie betrachtend zusammentreten mögen.
Ich fühle mich bei alledem nicht so sehr als einer, der um Ihr Wohlgefallen wirbt, –
was ich Sie bitte, ist dies:
lassen Sie uns, soweit es an uns liegt, alles tun für die wirkliche redliche Gemeinsamkeit dieser