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{1268} Um von den erzählten Begebenheiten die höchsten Vortheile zu ziehen, beeilte Konradin seine Rüstungen auf jede Weise, und verwendete selbst Kirchengut für diesen Zweck. Sieben Tage nach jener Niederlage der französischen Flotte, am 18ten AngustNach Malespini c. 192, brach Konradin bereits am 10ten August von Rom auf, und müßte sich dann freilich zu lang in Tivoli aufgehalten haben; Raynald. ann. §. 29, hat dagegen den 18ten, was mit der Entfernung und der Überraschung Karls besser paßt und, wie es scheint, auf archivalischen Nachrichten beruht., brach er von Rom auf, wandte sich aber nicht, wie Karl erwartete, auf der gewöhnlichen Straße nach dem stark besetzten Paß von Ceperano, in dessen Rücken überdies das befestigte S. Germano und Kapua lag; sondern hoffte auf einem kürzern und kühleren WegeCostanzo 56. Grossi lettere II, 40., über unbesetzte Berge, in denjenigen Theil des apulischen Reiches einzubrechen, wo er von vielen ihm heimlich verbündeten Edeln und von den ihm leidenschaftlich zugethanen Saracenen den größten Beistand erwarten konnte. Gen Tivoli zog das Heer, das reizende Thal des Teverone aufwärts, dann, über die wüsten Berge bei Riofreddo, in die mit 595 {1268} Anhöhen rings umkränzte Ebene von Karsoli hinab. Von Ceperano bis hieher giebt es, auf eine Strecke von zehn deutschen Meilen, durchaus keinen gangbaren Weg über die hohen Bergrücken, an deren Morgenseite der Garigliano hinabströmt; – und auch jetzt zeigten sich noch große Schwierigkeiten, wie man von Karsoli in die palentinischen Ebenen zwischen Tagliakozzo und Alba hinabkommen solle. Der kürzere Weg über Kolle und Rokka CerraIch habe diese Straßen und Gegenden vom fünften bis zehnten April 1817 (unterstützt von genau prüfenden Freunden, und alle urkundlich auf uns gekommenen Nachrichten in der Hand) hin und her durchwandert und endlich diese Resultate gewonnen, in welche ich um so mehr Vertrauen setze, da ich es anfangs für Pflicht hielt mich dem anzuschließen, was Antinori in den Memorie degli Abbruzzi II, 98-132 hierüber sagt, was aber mit dem Örtlichen gar nicht stimmen wollte. Erst als ich in Alba Beweise erhielt, daß Antinori gar nicht in der Gegend gewesen sey und untersucht hatte, traute ich bloß den alten Quellen und meinen Augen. ist so ungeebnet und führt über so schmale ängstliche Berglehnen, daß hier an vielen Stellen nur einzelne nach einander, nicht mehre neben einander gehen können. Daher ließ man vielleicht einen kleinen Theil der Fußgänger in dieser Richtung ziehen; der größte Theil des Heeres nahm dagegen wahrscheinlich den etwas längern, aber auch viel bequemern Weg durch das wohlbebaute schöne Thal von Lallamura, in das Thal von Karionara, und umging auf solche Weise den hohen Bergrücken von S. Martino. Dieser bildet von hier an zur Rechten die nördliche, mit hohen Kastanien bewachsene Thalwand; gegen Mittag strecken sich Weinlehnen, und in der Mitte des durch Felder, Gärten und Baumgruppen reich geschmückten Thales schlängelt sich ein von Pietrasekka her eilender, die ganze Gegend erfrischender und belebender Bach. Gen Pietrasekka hin wird aber das Thal immer enger, die von beiden Seiten sich nähernden Felsen immer höher und schroffer, in der Tiefe rauscht jener Bach aus einer finstern Höhle hervor und in der äußersten, wie 596 {1268} man glauben muß, unersteiglichen Höhe erscheint jener Ort wie ein Adlernest auf wilden, zerrissenen, überhangenden, röthlichgelben Kalkfelsen. Die künstliche Straße windet sich indeß, ununterbrochen gangbar, immer höher hinauf; dann senkt sie sich wieder in etwas zum Thale von UppaDie Karte von Bacler d'Albe ist für die ganze Gegend bis Alba sehr mangelhaft in Hinsicht auf Höhen, Thäler, Wendungen, Abhänge u. s. w., so daß bei der nächsten Wendung plötzlich die hohen, wunderbaren Gestalten des mit ewigem Schnee bedeckten Velino glänzend herüberleuchten. Nachdem der Weg so eine Zeit lang von Morgen gegen Abend fortgelaufen ist, dreht er sich gegen Mittag und man erreicht, einen nur mäßigen Hügel hinansteigend, den Punkt der Wasserscheide, wo eine neue Welt plötzlich und überraschend vor die Augen tritt. Aller Schein des Nordens ist verschwunden, Hügel und Thäler, Felder, Wiesen und Wälder, an Bächen liegende freundliche Häuser, an den Felswänden kühn hinaufgebaute Orte zeigen sich in unglaublicher Mannigfaltigkeit, und wie Tagliakozzo sich als letzter Schlußpunkt zur Rechten darstellt, so erscheinen in noch größerer Entfernung, mit dem Dunkelblau des Himmels verschmelzend, die ruhigen Fluthen des Sees von Celano. – Heiterer, heimathlicher, in besserem Frieden mit sich und der Welt mag man leben in dem schönen Schwaben und an den Ufern des Bodensees: aber mannigfaltiger, bewundernswürdiger, unwiderstehlicher ist diese neapolitanische Zauberei, welche sich des Gemüthes ganz bemächtigt, sich dasselbe ganz unterwirft. So wie jedoch an einem sonnenhellen Tage bisweilen unerwartet der dunkle Schatten einer Wolke über die glanzreiche Gegend hinwegfliegt: so wird bisweilen jener überschwengliche Genuß unwillkürlich durch den Gedanken umschattet: daß der unwiderstehliche Eindruck einer solchen Natur nicht bloß begeistere, sondern auch wohl verführe und vom Höhern abziehe.
Wie fröhlich und jubelnd und aller finstern Ahnungen 597 {1268} ledig mag Konradins Heer in dies neu eröffnete Paradies hinabgeblickt haben; was mußte der Jüngling fühlen, der dies herrliche Reich, sein Erbreich, jetzt zu seinen Füßen sah; dem seit Übersteigung aller natürlichen Hindernisse, der Weg nach Sulmona, ja nach allen Gegenden offen zu stehen schien! – Auch war dies in der That der Fall und Karl überrascht worden, weil er sonst so viele leicht zu vertheidigendeGuil. Nang. 378, 379. Engpässe bei Vikovaro, Riofreddo und auf dem Wege von Karsoli nach Tagliakozzo gewiß nicht unbesetzt gelassen, sondern einen Kampf versucht hätte, ehe seine Feinde in die palentinische Ebene hinabzogen, welche ihnen bei der größern Zahl ihres Heeres, besonders an Reiterei, so vortheilhaft seyn mußte. Andererseits erscheint es aber auch natürlich, daß Karl bis auf den letzten Augenblick die Belagerung Lucerias betrieb, um wo möglich nach Einnahme dieser Stadt im Rücken gesichert zu seyn. Erst auf erhaltene Botschaft von Konradins Annäherung zog er in Eilmärschen über Sulmona nach Aquila, sammelte hier seine Mannschaft und ermahnte die Bürger, an deren freundlicher Gesinnung er zweifelte, zur Treue. Da stand ein alter Bürger auf und sprach: »halte keine langen Berathungen, sondern eile deinen Feinden rasch entgegen, damit sie nicht mehr Land gewinnen und der Sieg schwieriger werde. Wir bleiben dir treu, darauf kannst du dich verlassen.«
Unterdeß war Konradins Heer, bei Tagliakozzo vorbei, auf der valerischen, in dieser ebenen Gegend noch nicht ganz verderbten Straße bis Skurkola, oder bis zu derjenigen Stelle gezogen, wo die Schlacht vorfiel, welche man entweder nach der Stadt woher Konradin kam, Schlacht dei Tagliakozzo, oder nach der Stadt woher Karl angriff, Schlacht bei Alba, nennen kann; aber eigentlich nach dem Orte welcher der Kampfstätte am nächsten lag, Schlacht bei Skurkola nennen sollteDie örtlichen, wie die nachfolgende Erzählung zeigen wird, hier entscheidend einwirkenden Verhältnisse sind so verwickelt und mannigfaltig, daß man sie mit bloßen Worten kaum verständlich machen kann; weshalb ein an Ort und Stelle, jedoch ohne mathematische Genauigkeit entworfener Grundriß und eine Ansicht der Gegend, zur Verdeutlichung der Beschreibung, beigefügt ist..
598 {1268} Die palentinische Ebene, so heißt sie nach ihrem Haupttheile, beginnt bei Tagliakozzo, das noch an schroffen Bergen hinangebaut ist, und erstreckt sich von Abend gegen Morgen bis Alba; ihr zweiter Durchmesser geht von Skurkola und Massa auf der Mitternachtsseite, bis über Cese hinweg nach der Südseite. Eine gewaltig hohe und schroffe Bergwand, zu den Massen des Velino gehörig, streckt sich fast in gerader Linie auf der Nordseite und wird nur durch das schmale Thal unterbrochen, in welches der Salto hineinfließt. Aber auf dem linken Ufer dieses Flusses erheben sich sogleich neue ungangbare Bergrücken, an deren Abhange Skurkola liegt. Auf ähnliche Weise ist die Gegend morgenwärts von Alba mit Bergen eingeschlossen, welche nur in Nordosten ein Thal offen lassen, durch welches ein Weg über OvinuloOvinulo und Ovimile lauten die Lesarten des Briefes von König Karl an den Papst und die Stadt Padua. Rayn. §. 32, u. Patav. chron. 1144, in Murat. ant. Ital. IV. Die Karten lesen Ovindole. nach Aquila führt. Alba selbst erhebt sich aus der Ebene, zum Theil durch cyklopische Riesenmauern gestützt, wie eine ungeheure Insel und Felswarte; so daß nach zweien Seiten ein rascher Abfall von der größten Höhe bis in die völlige Ebene statt findet: nämlich auf der Nordseite gen Massa und auf der Morgenseite nach einem Thale, welches sich von Ovinulo und TreformeTre Forme nannten die dortigen Einwohner den am Rande der Ebene liegenden Ort, welchen Bacler d'Albe, wie ich herauslese, als Forma in die Berge setzt und Mannert le Tornes nennt. bis Avezzano und dem Celaner See erstreckt. Bei weitem weniger schroff ist der Abhang auf der Abendseite gen Tagliakozzo, und noch abweichender und mannigfaltiger sind die örtlichen Verhältnisse auf der vierten Seite gegen Mittag. Sobald 599 {1268} man hier nämlich von der größten Höhe, bei einem Kloster vorüber, um ein bedeutendes hinabgestiegen ist, hebt sich der Boden bei dem Dorfe AntroscianoSo schreibt Bacler d'Albe; die Leute sprachen Androsano. und bildet einen Hügel. Jenseit desselben steigt man wiederum gelinde bergab und glaubt, daß sich der Boden allmählich verflache; bis man in der Nähe des neu und rasch aufsteigenden Berges FeliceMonte Felice nannte man ihn mir an Ort und Stelle; vielleicht stammt der Name von der Zeit dieser Schlacht. eine tiefe Senkung findet, welche die Behauptung bestätigtHirts Abhandlung über den Emissar in den Horen. Band VIII, Stück 11–12. daß man den Celaner See, statt zum Garigliano, einmal habe hiedurch zum Salto ableiten wollen. Der Berg Felice, welcher mannigfach gestaltet und gewendet, von Mittag her in die palentinische Ebene eingreift, berührt sie an allen andern Stellen ohne Senkungen oder Einschnitte ähnlicher Art. – Mitten durch die große Ebene, von Tagliakozzo sich herwindend, strömt der Salto zum Thale von Rosciolo, und nimmt an dieser Stelle den Bach Rafia auf, welcher von Skurkola her nahe den Bergen entlang fließt. Auf der geraden Straße von Tagliakozzo nach Alba führt eine Hauptbrücke über den Salto, und weiter morgenwärts folgten sonst über kleine Senkungen und Quellen noch mehre kleine Brücken, wovon diese Gegend den Namen Siebenbrücken, sette ponti, erhielt. In der Ebene selbst liegt eigentlich nur das Dorf Kapella, jetzt, wie damals, reich von Bäumen umgeben. – Was die Eingänge und Ausgänge der ganzen Gegend anbetrifft, so kennen wir bereits den Weg von Tagliakozzo; der von Rosciolo war für beide Theile unwichtig, der hinter die Berge über Cese zum Garigliano unbrauchbar für ein Heer, und der über Ovinulo lief seitwärts nur gen Aquila; wogegen endlich die Straße bei Alba und Antrosciano vorbei, 600 {1268} in der kürzesten und geradesten Richtung über Celano und Sulmona in das Innere des Reiches führte.
Konradins Heer lagerte nun in der Art, daß hinter ihm die Straße nach Tagliakozzo offen blieb, und das Gesicht gen Alba gekehrt war. Die Berge von Skurkola, der Bach Rafia und der Fluß Salto deckten und befestigten diese Stellung nach allen Seiten. – Nicht minder zweckmäßig erscheinen die Maaßregeln KarlsMalespini cap. 192.. Von Aquila eiligst über die Berge herziehend, erreichte er die Gegend von Ovinulo und Avezzano, rückte dann weiter vor und lagerte sich am 22sten August auf der bezeichneten Anhöhe bei Antrosciano, etwa eine halbe Miglie von Alba und zwei Miglien von seinen Gegnern entfernt. Sein linker Flügel war durch Berge, der rechte durch die größeren Höhen von Alba geschützt, und der von dieser Stelle aus bis zur eigentlichen Ebene noch immer bedeutende Abhang erschwerte seinen Feinden jeden Angriff. Dennoch rückten Konradins Schaaren, als sie die Franzosen erblickten, zum Kampfe gleichsam herausfordernd, vorwärts; weil Karl sich indeß wegen großer Ermüdung der Pferde ruhig hieltKarl in seinem schon erwähnten Schreiben. und nicht, wie sie wünschten, in die Ebene hinabkam, kehrten sie in ihr Lager zurück.
Gleich nachher sah man, daß viele wohlgekleidete Personen feierlich eben dahinzogen, und hörte, es sey eine Gesandtschaft aus Aquila, welche an Konradin viele Geschenke und die Schlüssel der Stadt überbringe. Hierüber erschrak König Karl gar sehr: denn wenn Aquila von ihm abfiel, so konnte dem großen Mangel an Lebensmitteln nicht, wie er hoffte, von daher abgeholfen werden, und er mußte das ganze Thal zwischen Alba und dem Velino decken, damit Konradin nicht von dieser Seite vordringe. Um über diese entscheidend wichtigen Umstände ins Klare 601 {1268} zu kommen, setzte sich der KönigIn Aquila befehligte für Karl Hugo Staqua. Mart. thes. II, 602., einen raschen Entschluß fassend, sogleich zu Pferde, ritt in der Nacht mit wenigen Begleitern bis Aquila und rief dem Thorwächter zu: »wem huldigt die Stadt?« Auf die Antwort: »dem Könige Karl!« ritt er hinein, ermahnte ohne abzusteigen, mit wenigen, aber nachdrücklichen Worten zur Treue, bat um eilige Übersendung von Lebensmitteln und war vor Tagesanbruch schon wieder in seinem Lager. Jene nur von unzufriedenen EdelnManfred hatte den Adel mehr begünstigt. Boetio Aquilano 544. Cirillo 8. Cod. 1836. Bibl. Riccardianae. veranlaßte Gesandtschaft hatte wahrscheinlich den doppelten Zweck gehabt, sich bei Konradin in Gunst zu setzen, und Karl zu täuschen und zu schrecken; welches auch, jedoch nur auf kurze Zeit, gelang und am Ende sogar vortheilhaft für ihn wurde.
Die Kunde von seiner Anwesenheit in Aquila verbreitete sich nämlich noch während der Nacht, und erzeugte den größten Eifer, seine Wünsche zu erfüllen. Mit Anbruch des Tages sahen beide Heere zu ihrer Verwunderung die Berglehnen nach der Seite von Aquila mit Menschen überdeckt; Frauen und Jungfrauen stiegen, Lasten auf dem Haupte tragend, vorsichtig hinab, und bewaffnete Jünglinge gingen schützend zur Seite. Sie wandten sich zum Lager Karls, brachten Lebensmittel und wurden mit Freuden und Ehren empfangen.
Bald aber mußte man ernsterer Dinge gedenken, denn in Konradins Lager zeigte sich die größte Bewegung. Er theilte sein Heer in zwei Haupttheile: der erste bestand aus Spaniern, geführt von Heinrich dem Kastilianer, aus Lombarden, geführt vom Grafen Galvan Lancia, und aus Tusciern, geführt von dem pisanischen Grafen Gerhard Donoratiko. Den zweiten Haupttheil bildeten die Deutschen, an deren Spitze sich Konradin und Friedrich von Österreich selbst stellten.
602 {1268} Noch immer schlief König KarlGuil. Nang. 379. Cod. 1836. Riccardianus., eine Folge der nächtlichen Anstrengung. Als man ihn endlich weckte, erschrak er gar sehr über die unleugbare Mehrzahl seiner FeindeDaß Konradins Heer stärker war, bezeugen alle. Die Mutin. ann. geben ihm 9000, Karln 6000 Mann. Malespini 192, giebt jenem über 5000 cavalieri und Karln noch nicht 3000. Die Annal. Mediol. sagen, Konradin habe in Rom 10,000 Mann beisammen gehabt, und der Abbas Burg. in Sparke zu 1268, giebt ihm gar 16,000 equorum loricatorum. und wandte sich Rath suchend an Erard von ValeryValery war schon 1249 mit Ludwig IX in Ägypten und kam 1265 wieder nach Palästina. Joinville 58. Le livre don conquest. Guiart. 152. Nach dem Mscr. Ricc. 1836, wollte er erst nach Palästina segeln und weigerte sich, des Gelübdes halber, anfangs hier zu fechten; nach Caruso II, 1, 327, war er dagegen schon an zwanzig Jahre lang in Syrien gewesen., einen so klugen als tapfern Ritter, welcher gerade in diesen Tagen mit mehren Begleitern aus dem heiligen Lande zurückgekehrt war. – »Wenn du siegen willst«, sprach dieser, »so mußt du mehr Kunst und List anwenden, als Gewalt.« Ihm überließ hierauf der König die Anordnung des Heeres, und er theilte es in drei Schaaren. Die erste unter Jakob Gaucelme und Wilhelm l'Etendart bestand aus Provenzalen, Lombarden und einigen Römern; die zweite unter dem Marschall Heinrich von Cousance aus Franzosen; die dritte bildeten achthundertDiese Zahl hat Malespini, Pipin. III, 7-9, und Bartol. de Neocastro c. 0, dagegen nur 500 Reiter., vom Könige und von Valery auserwählte und befehligte Ritter. Jene erste Schaar Provenzalen sollte mehr in der Ebene, gegen den Salto hin, wirken; die zweite, wenigstens anfangs, die Abhänge des Lagerhügels decken, und dann Beistand leisten wo er am nöthigsten erscheine; von der letzten Schaar endlich die Entscheidung kommen. Zu dem Zwecke stellte sie Valery heimlich in dem Engthale am Fuße des Berges Felice auf, so daß man sie, der Senkung des 603 {1268} Bodens und der vielen Bäume bei Kapella halber, weder in dem konradinisch gesinnten Alba, noch in Skurkola sehen konnte. Um aber in der Schlacht nicht vermißt zu werden, vielleicht auch um sich persönlich zu sichern, erlaubte oder befahl König Karl: daß der Marschall Heinrich von Cousance, welcher ihm an Gestalt und Haltung ähnlich war, die königlichen Waffen und Abzeichen anlege.
Hierauf eilte die erste Schaar der Provenzalen in die Ebene hinab, und hoffte den Übergang ihrer Feinde über den Salto zu verhindern, oder die etwa Herübergekommenen vereinzelt zu besiegen: aber beides mißlang nicht allein, sondern sie sahen sich auch von den Spaniern und Lombarden, welche durch mehre ausgefundene Fuhrten des Salto vordrangen und ihnen an Zahl und Tapferkeit überlegen waren, so gewaltig angegriffen, daß sie sich in der größten Unordnung auf die Flucht begaben und vom Prinzen Heinrich rastlos auf dem Wege gen Aquila verfolgt wurden. – In dem Augenblicke wo das Gefecht diese übele Wendung nahmMehr oder weniger bedeutende Nachrichten über die Schlacht haben noch: Chron. Norm. 1013. Auct. incert. ap. Urstis. Histor. Sicula 780. Juliani chron. Forojul. Mediol. annal. Guil. de Podio 49. Ptolem. Lucens. annal. Bonon. hist. misc. Amalrici Vitae Pontif. 423. Vie de S. Louis, mscr. 52., rückte die zweite französische Schaar, unter Heinrich von Cousance, zur Hülfe vorwärts, ward aber sogleich von Konradin und den Deutschen dergestalt empfangen, daß sie nach kurzem Widerstande und nach dem Tode ihres Führers, in nicht geringerer Verwirrung, als die Schaar der Provenzalen, entfloh.
König Karl, welcher schon bei jenem ersten Unfalle aus seinem Hinterhalte hervorbrechen wollte, gerieth bei diesem verdoppelten Unglücke so außer sich, daß er vor Schmerz und Zorn weinte und es thöricht und schändlich zugleich nannte, auch nur einen Augenblick länger der Vernichtung seines Heeres unthätig zuzusehen. Aber Valery hielt ihn fast mit Gewalt 604 {1268} zurück und sprach: »was willst du mit dieser geringen Schaar ausrichten, gegen die Überzahl tapferer und durch ihren Sieg doppelt ermuthigter Deutschen? Bleib, bis sie sich, keinen Feind mehr erwartend, nach ihrer Weise der Ruhe und dem Plündern ergeben; dann wollen wir sie überfallen und vernichten.« – Ungern ließ sich der König beruhigen: denn in der That, wenn die Deutschen irgend eine Ahnung oder Nachricht von jenem Hinterhalte hatten oder erhielten, wenn sie auch nur eine kurze Zeit wachsam und geordnet blieben; so wurde der, alles auf die Spitze eines bloßen Glücksfalls hinauftreibende Rath Valerys, die nothwendige Ursach eines unausweichbar vollständigen Untergangs. – Leider aber gewann er sein kühnes Spiel: denn Konradin und die seinen lebten der festen Überzeugung, nicht allein alle Feinde seyen besiegt, sondern auch in dem Marschall von CousanceDaß Heinrich von Cousance in der Schlacht sey gefangen und durch ein förmliches Gericht noch während der Schlacht zum Tode verurtheilt worden (Hist. Bonon. Saba Malasp.), ist unwahr, ja unmöglich. Selbst französische Schriftsteller, wie Guil. Nang. 378, erzählen ganz einfach, er sey im Gefechte getödtet worden. In einem Schreiben an den König von Kastilien äußert König Karl mit einer so albernen als boshaften Verdrehung: weil man denjenigen in der Schlacht getödtet habe, welchen man für ihn gehalten, so sey eine Verschwörung gegen sein Leben vorhanden gewesen! Davanzat. Urk. 25. der König getödtet. Sie überließen sich rücksichtslos ihrer FreudeCostanzo 60. Fioretto di croniche., sammelten und vertheilten die Beute, entwaffneten sich zur Erholung von den schweren Anstrengungen dieses langen und heißen Sommertages, oder badeten auch wohl zur Erquickung in den kühlen Fluthen des Salto.
»Jetzo ist es Zeit!« sprach Erard von Valery; und mit solcher Schnelligkeit und Kühnheit brachen hierauf die französischen Reiter aus ihrem Hinterhalte hervor, daß die Deutschen (welche obenein die Nahenden anfangs für Freunde hielten, die vom Verfolgen zurückkehrten) keine Zeit 605 {1268} hatten sich zu waffnen oder zu ordnen, oder auch nur die Brücke über den Salto zu decken. Vielmehr drangen die Franzosen bis in das Lager von Skurkola vor und sprengten alle nach allen Seiten so auseinander, daß jede Bemühung Konradins oder anderer Häupter, sich irgendwo zu sammeln und zu setzen, vergeblich blieb.
Nunmehr wollten auch die Franzosen verfolgen und plündern; aber vorsichtiger, als die Anführer der Deutschen, hielt sie Valery an der Stelle beisammen, wo jene gestanden hatten: denn er ahnete, daß noch nicht alle Gefahr vorüber sey. Heinrich von Kastilien nämlich, welcher die Provenzalen nur zu weit verfolgt und, sich dann seitwärts wendend, selbst das französische Lager eingenommen hatte, hegte, als er von den Anhöhen bei Antrosciano gen Skurkola hinabsah, nicht den mindesten Zweifel, daß alle Feinde zerstreut wären und Konradin siegreich in seinem Lager steheVie de S. Louis, mscr. 53-60.. In diesem Sinne sprach er freudig und beredt zu seinen Begleitern; dann rückten alle vorwärts, um sich mit ihren Siegsgefährten zu vereinigen. Indem sie aber der alten Lagerstätte bei Skurkola näher kamen, erschien einzelnes was sie bemerkten erst unerklärbar, dann bedenklich, bis man zu der schrecklichen Gewißheit dessen kam, was mittlerweile geschehen war! Doch verlor Heinrich, als ein ächter Kriegsmann, die Gegenwart des Geistes nicht, sondern sprach: »hat sich das Glück nach so günstigem Anfange von uns abgewandt, so kann es sich, wenn wir tapfer fechten, auch wohl wieder zu uns wenden.« – In geschlossenen wohlgeordneten Reihen zog er den Franzosen entgegen, welche der Zahl nach geringer, ermüdet und minder gut gerüstet waren. Sie zögerten deshalb mit dem wenig Glück versprechenden Angriff, als wiederum ein Vorschlag Valerys aus der Noth half. »Alles kommt darauf an,« so sprach er, »daß wir die festen, gefährlichen Ordnungen unserer Gegner auflösen.« Zu dem Zwecke begab 606 {1268} er sich nach leichtem Angriffe mit dreißig bis vierzig Reitern scheinbar auf die Flucht, es folgten immer mehre und mehre, so daß die Spanier, des Sieges gewiß, ihre Reihen öffneten und den Fliehenden nachsetzten. In diesem sehnlichst erwarteten Augenblicke wandte sich Valery, und gleichzeitig griff Karl mit den übrigen an. Allerdings überraschte und verwirrte dies die Spanier: indeß einigten sie sich dennoch von neuem und widerstanden um so glücklicher, als man sie, wegen ihrer starken Rüstungen, mit dem Schwerte gar nicht verwunden konnte. Um deswillen ward befohlen jene, wie bei Turnieren, mit der Lanze aus dem Sattel zu hebenVillani VII, 27., welche, obgleich unerwartete, Kampfweise das Gefecht wohl noch lange unentschieden gelassen hätte, wenn nicht die Zahl der sich wiederum sammelnden Franzosen von Augenblick zu Augenblick stärker geworden wäre. Da mußte endlich auch Heinrich von Kastilien fliehen; nach so mannigfachem, täuschendem Wechsel war die Schlacht wirklich ganz für die Franzosen gewonnen. Sie fällt auf den in der Geschichte durch so viel furchtbare Ereignisse bezeichneten Tag des heiligen BartholomäusDie Schlacht fällt, nach Karls Schreiben an den Papst, auf den 23sten August. Andere nennen den Bartholomäustag. Daß dieser den 23sten, 24sten und 25sten gefeiert worden, darüber siehe Aldimari II, 144, und Augusti Alterthümer III, 231..
Noch an demselben Abend erstattete König Karl dem Papste einen Siegsbericht und äußerte am Schlusse: »die Schlacht sey weit härter und blutiger gewesen, als die bei Benevent. Ob und wohin Konradin, Friedrich von Österreich und Heinrich von Kastilien geflüchtet, wisse man noch nicht; doch hätten einige des letzten Pferd unter den erbeuteten erkannt.«
Heinrich war nach Montekassino entkommenDie meisten und sichersten Quellen lassen Heinrich in Montekassino gefangen nehmen, z. B. Karls eigenes Schreiben in Rymer foed. I, 2, 110; wogegen Saba Malaspina und das Chron. Cavense ihn nach Reate fliehen lassen. Daß ein Theil der Flüchtigen sich hieher wandte, geht daraus hervor, daß der Papst die Einwohner tadelte, weil sie jene ungestört ziehen ließen. Mart. thes. II, 626. und 607 {1268} erzählte kühn, daß die Franzosen besiegt seyen: allein aus der ganzen Haltung und Umgebung schloß der Abt sehr leicht auf die Unwahrheit dieser Aussage, nahm den Prinzen gefangen und überlieferte ihn auf Befehl des Papstes an König KarlVillani VII, 29. Chron. Imper. et Pontif. Laurent.; jedoch nicht eher, als bis dieser versprach, daß er – seinen Verwandten nicht tödten wolle!
Konradin, Friedrich von Österreich, Graf Gerhard von Pisa, Graf Galvan Lancia, dessen Söhne und mehre Edle flohen nach Rom und hofften, im Angedenken der ihnen vor kurzer Zeit bewiesenen höchsten Theilnahme, hier thätige Hülfe zu finden. Aber obgleich der Statthalter Guido von Montefeltro sie freundlich und ehrenvoll empfingSaba Malaspina IV, 13. Caruso memor. II, 1, 329. Guercius zu 1268. Ricob. histor. imper. 136. Bartol. de Neocastro c. 9., obgleich einzelne, deren Schicksal an das ihrige fest geknüpft war, in der alten Gesinnung beharrten; so zeigte doch die immerdar wankelmüthige Menge hier so viel Gleichgültigkeit, dort so viel Furcht, daß man das Ärgste erwarten mußte, sobald sich (wie schon verlautete) die Orsini, Savelli und andere früher vertriebene Guelfen, oder gar König Karl der Stadt nähern würde. Deshalb eilte Konradin heimlich mit seinen Freunden nach Astura zum Meere, in der Hoffnung: wo nicht auf geradem Wege, doch über Pisa Sicilien zu erreichen, und von dieser ihm befreundeten Insel aus, den Kampf gegen Karl zu erneuen. – Schon waren alle auf einem Fahrzeuge in die See gestochen, als der Herr Asturas vom Geschehenen Nachricht erhielt, und aus Kleidung, Sprache, bemerkten Kostbarkeiten u. s. w. die nahe liegende Folgerung zog: daß die Eingeschifften angesehene, von Skurkola her fliehende Personen, mithin auf jeden Fall für ihn eine erwünschte Beute seyn müßten. – Darum sandte er eiligst 608 {1268} ein Schiff mit stärkerer Bemannung nach, welche, dem erhaltenen Befehle gemäß, verlangte, daß die Fliehenden sogleich zum festen Lande zurückkehren sollten. Groß war deren Schreck; als sie aber auf die Frage: »wer ist der Herr von Astura?« zur Antwort erhielten: »Johannes Frangipani!« – so faßten sie neues Zutrauen: denn Kaiser Friedrich II hatte fast keine Familie so geehrt und belohnt, wie diese.
Von ihm und seiner Mutter Konstanze erhielt Otto FrangipaniOnufrius Panvinius de gente Frangipana, mscr. della Bibl. Barberina No. 1025, 104-108. Regesta Frid. II, 357. Peter Vin. III, 72. Chron. mscr. No. 911, S. 215. Paolo Pansa 8. Aldimari mem. I, 86. Burchardi vita Frid. I, 169., Johanns Großoheim, und Emanuel, sein Großvater, die ansehnlichsten Besitzungen im Neapolitanischen, welche auch während der Streitigkeiten mit den Päpsten nicht eingezogen wurden. Dem Vater Johanns und einem Vetter desselben kaufte der Kaiser ihre Güter ab, und gab sie dann unentgeltlich als Lehn zurück; er zahlte ihnen ferner große Summen für den Schaden, welchen sie bei Unruhen in Rom erlitten hatten, und baute von seinem Gelde ihre Häuser und Thürme wieder auf. Endlich hatte Johann Frangipani selbst vom Kaiser den Ritterschlag erhaltenAvus Conradini cum militem fecerat. Chron. Imper. et Pontif. Laurent. Siehe die Stammtafel der Frangipani in der sechsten Beilage., wodurch unter ritterlich Gesinnten ein heiliges Verhältniß begründet wurde. – Dieser trostreichen Betrachtung stand andererseits freilich auch bedenkliches entgegen: Johanns Großmutter gehörte zur Familie Papst Innocenz des drittenNerini 197, 422.; nach Kaiser Friedrichs Tode hatte die Familie Innocenz dem vierten gehuldigt, und ein Frangipani (dessen mochte sich Friedrich von Österreich ängstlich erinnern) sollte ja dessen Oheim, Herzog Friedrich den Streitbaren, meuchelmörderisch umgebracht haben.
Wohin sich aber auch das Gewicht der Gründe und 609 {1268} Gegengründe neigen mochte, es gab keine Wahl; man mußte der Gewalt nachgeben. – Sobald Konradin vor Frangipani gebracht wurde, gab er sich (denn längere Verheimlichung schien fruchtlos, ja nachtheilig) zu erkennen und forderte ihn, an alle jene Wohlthaten erinnernd, zur Dankbarkeit gegen Friedrichs Enkel und zur Unterstützung des rechtmäßigen Erben von Neapel auf; wofür ihm Belohnungen zu Theil werden sollten, so groß er sie irgend hoffen oder wünschen könne. Johannes Frangipani aber folgte dem Beispiele der schlechtern unter seinen Vorfahren, welche ohne Rücksicht auf Ehre und Tugend, nur um äußerer Vortheile willenDies geht aus Onufrius Panvinius hervor. Vergl. Buch II, S. 302., sich bald auf die Seite der Kaiser, bald auf die Seite der Päpste gestellt hatten. Anstatt mit raschem Edelmuthe den Unglücklichen aus den Händen seiner Verfolger zu retten, mochte er überlegen: daß Konradin zwar viel geben wolleNach Bartol. de Neocastro c. X, erbot sich Konradin, eine Tochter Frangipanis zu heirathen. Über die Frage, ob Konradin verheirathet gewesen sey, siehe die achte Beilage., aber nichts zu geben habe; König Karl dagegen zwar geizig sey, ihm jedoch bei einer solchen Gelegenheit wohl etwas bedeutendes abgepreßt werden könne. Vielleicht beruhigte sich Johann auch, – wie so viele Gemüther, deren Schwäche ihrer Schlechtigkeit gleich kömmt –, mit dem irrigen Wahne: es sey noch immer Zeit, einen freien letzten Entschluß zu fassen. – Schon hatten sich aber mittlerweile Nachrichten vom Geschehenen verbreitet, Robert von Lavena, Karls Flottenführer, umlagerte herzueilend das Schloß in welchem die Gefangenen aufbewahrt wurden, und hoffte durch dessen Einnahme die wegen des Verlustes der Seeschlacht bei Messina verlorne Gunst des Königs wieder zu erwerben. In dessen Namen versprach der Anführer einer ebenfalls hieher gesandten ReiterschaarNach Saba Malaspina IV, 15, erschien auch ein Kardinal, um die Sache zu betreiben. 610 {1268} an Frangipani den größten Lohn für rasche Auslieferung Konradins und seiner Gefährten; man bedrohte ihn dagegen mit dem Tode, wenn er Verräther irgend beschütze!
In solchen Wechselfall gesetzt, bedachte sich Frangipani um so weniger, da er die Schande seiner That jetzt mit dem Vorwande erlittener Gewalt zuzudecken hoffteDaß Frangipani Konradin boshaft verrieth, bleibt außer Zweifel.: er schloß eiligst den ehrlosen Handel ab und übergab die Gefangenen, ohne sichernde Bedingung, für Geld und GutEr erhielt Pilosa, Terrekuso, Ponte Fragneto, Formikola. Adlimari mem. 86. Sanese chron. 35. ihren Verfolgern. Unter Spott und Hohn, einem Verbrecher gleichEr wurde zuerst nach Palästrina ins Gefängniß gebracht. Salimbeni 408. Pretio 9., ward der Enkel Kaiser Friedrichs durch Kampanien hindurch in die Hauptstadt seines Reichs geführt. Ihm solle kein Leids geschehen, verkündeten Täuschende oder Getäuschte in König Karls Namen; welche Milde aber von diesem zu hoffen sey, zeigte sein Benehmen in allen Theilen des Reichs.
Nicht bloß diejenigen, welche öffentlich für Konradin aufgestanden waren, oder die Waffen ergriffen hatten, wurden feindlich behandeltVentura cap. 6. Ptol. Luc. XXII, 38. Mehres bei Saba Malasp. IV, 17; V, 3-8. Regesta Caroli I, 281.; sondern jeder, der nur irgend einen Wunsch für ihn ausgedrückt, ein Lob ausgesprochen, einen Zweifel über den Erfolg gehegt, oder mit einem seiner Freunde geredet hatte. Man nahm ferner nicht bloß Vornehme und Anführer um deswillen in Anspruch; sondern die aus Habsucht verhängte Einziehung der GüterCod. epist. No. 378, p. 302. ging hinab bis auf Bürger und Bauern, bis zu einem heillosen Wechsel unzähliger Besitzer des Grundeigenthums. Und fast mußte man diejenigen glücklich nennen, welche nur mit ihrem Gute, nicht mit ihrer Person büßten. So ließ Karl 611 {1268} mehren Römern, die ihm früher gefolgt waren, jetzt aber in Konradins Heere gefochten hatten, die Füße abhauen und sie dann (die Folgen der Kundwerdung solcher Grausamkeit fürchtend) in ein Gebäude zusammenbringen, und dieses anzündenSaba Malasp. IV, 13.! Wenn man aber auch diesen letzten, fast unglaublichen Bericht zu verwerfen geneigt ist, immer bleibt des Erwiesenen, des Ähnlichen nur zu viel übrig; – und wie der Herr, so die KnechteVon den Freveln der Montforts, Remondini stor. Napol. III, 134-135.!
Die Bürger in Potenza ermordeten alle konradinisch-gesinnte AdlicheCapacelatro II, 146, 147., in der Hoffnung, sich dadurch zu retten: allein dieser Frevel half ihnen so wenig, als Bitten und Flehen: ihre Stadt wurde geplündert, ihre Häuser zerstört und viele zum Tode verurtheilt. Auch Alba, welches während der Schlacht seine Theilnahme an Konradins Fortschritten nicht verhehlt hatteAldimari II, 146., ward zerstört, und auf eine solche Weise zerstört, daß bis auf den heutigen Tag niemand durch die beispiellos wilden Ruinen ohne Furcht und Entsetzen hindurchgehen kann!
Die Einwohner von Korneto hatten den Anhängern Konradins französische Pferde übergeben und beriefen, als sie den Ausgang der Schlacht bei Skurkola erfuhren, die Urheber dieser Maaßregel auf das SchloßCiarlanti 156., als wollten sie dasselbe eifrigst schützen und vertheidigen. Aber während des Abendessens wurden jene, die edelsten und tüchtigsten unter den Bürgern, hundert und sechs an der Zahl gefangen, gebunden und an den König geschickt. Hundert und drei ließ er sogleich aufhenken, drei sandte er, ungewiß in welcher Absicht, nach Melfi. Allein diese, welche alle ihre Freunde verloren, welche auf dieser Erde nichts mehr zu hoffen hatten, stürzten sich in einen Abgrund und endeten, jenen Unglücklichen freiwillig folgend, ihr Leben!
612 {1268} Am längsten widerstand LuceriaBis ins Jahr 1269. Monach. Patav. Simon Montf. chron. Guil. de Podio 49. Saba Malasp. IV, 20. Regesta Caroli I, 161., so daß nur wenige von den Saracenen dem Tode durchs Schwert oder durch Hunger entgingen; die Christen, welche ihnen Hülfe geleistet hatten, wurden hingerichtet.
Ähnlich waren die Ereignisse in Sicilien. Der Fall Konradins entmuthigte seine Anhänger, wogegen Wilhelm l'Etendart den Franzosen große Verstärkung zuführte. Er nahm Augusta durch VerrathSaba Malasp. IV, 18., ließ aber nachmals die Verräther niedermetzeln, gleich den Verrathenen. Weder Stand, noch Alter, noch Geschlecht ward irgendwo verschont, und Wilhelm gefiel sich darin, die ungerechten Strafen mit unmenschlicher Grausamkeit durch künstliche Martern zu schärfen. – Noch hielt sich Konrad Kapece in KontorbeSaba Malasp. IV, 19. Guil. Nang. 380-382. Nicht Konrad von Antiochien ward, wie Villani und Malespini berichten, in Kontorbe gefangen und hingerichtet, sondern Konrad Kapece. Jener wurde gegen Verwandte eines Kardinals (welche seine Gemahlinn in der Burg Saracinesko gefangen hielt) auf Betrieb des Papstes ausgewechselt. Friedrich von Kastilien entkam auf Sicilien auf einem pisanischen Schiffe. Saba IV, 12 u. 19. Rayn. ann. zu 1282, §. 26. Antinori mem. II, 143. Salimbeni 408. Ferreras IV, 414. Amico Lex. Val. Demona I, 177 und der Artikel Centuripe. mit Deutschen und Tusciern; da versprachen die letzten, gegen Sicherheit ihrer Personen, die Auslieferung ihres Anführers. Kapece stand an der Hauptkirche, als er die Verschworenen nahen sah, und redete sie also an: »ich kenne eure Absicht und will mich gern für euch aufopfern: aber sehet euch wohl vor, ob eure Rettung gewiß ist: denn der Muth zu Freveln wächst mit der Macht, und leicht dürfte die französische Treulosigkeit, nach meinem Fall, auch jeden von euch vertilgen.« – Jene antworteten: »Herr, wir vermögen nicht uns alle zu retten, aber eure Auslieferung wird die meisten befreien; darum widerstrebet nicht. Und auch 613 {1268} ihr erhaltet vielleicht Verzeihung: denn l'Etendart versprach alles irgend mögliche zu thun, wenn er Kontorbe einnehme ohne Schaden seines Heeres.« – Als Konrad sah, daß er die Treulosen zu keinem andern Beschlusse vermögen könne, setzte er sich auf sein Pferd und ritt schweigend hinab in das französische Lager. Unverzüglich ließ ihm hier l'Etendart die Augen ausstechen, und ihn dann bei Katanea an einer öden Stelle des Meeresufers aufhenken. Zwei seiner Brüder, durch große Schönheit und Tapferkeit gleich ausgezeichnet, litten in Neapel auf Befehl König Karls dasselbe SchicksalDoch retteten sich einige Nebenzweige des Hauses Kapece, welche noch jetzt in ihrem Wappen den Namen der Hohenstaufen führen, als preiswürdiges Andenken unwandelbarer Treue. (Usano ancora nel cimiero cifrato, il nome suevo) Torelli 41. Reccho 119..
Der Papst, welcher sich über die Niederlage Konradins im Anfange mehr gefreut hatte, als der Gerechtigkeit und klugen Voraussicht gemäß war, erkannte gar bald mit Schrecken, daß das neue Glück die alte böse Natur seines Schützlings nicht verändert habe, und ermahnte ihn daher wiederholt auf eine so würdige als dringende Weise zur Milde und BesserungRaynald. annal. §. 36.. Anstatt aber, daß Ermahnungen solcher Art diesen Menschen von seiner verwerflichen Bahn ablenken sollten, bestärkten sie ihn nur in seinem finstern Frevelmuthe, und führten höchstens zu dem boshaften Versuche, andern den Schein der Schuld aufzuwälzen.
Auf unparteiischem, leidenschaftslosem, rechtlichem Wege, so hieß es jetzo, müsse über das Schicksal der Gefangenen von Astura entschieden werden: deshalb ließ der König Richter und Rechtsgelehrte aus mehren Theilen des Reiches nach Neapel kommen, welche untersuchen und das Urtheil sprechen sollten. Jeder von ihnen, das hoffte er, werde der Anklage beistimmen: »Konradin sey ein Frevler gegen die Kirche, ein Empörer und Hochverräther an seinem 614 {1268} rechtmäßigen Könige und, gleich allen seinen Freunden und Mitgefangenen, des Todes schuldig.« – Als die Richter diese Anklage hörten, erschraken sie sehr, wagten aber, der wilden Grausamkeit Karls eingedenk, lange nicht ihre entgegengesetzte Ansicht unverhohlen darzulegen. Da trat endlich der edle Guido von SuzaraRicobaldi histor. Imper. 137, nach dem Berichte eines Augenzeugen. Tiraboschi stor. della Letter. IV, 258. Chron. mscr. in der Bibl. Barberina No. 911. Guido lehrte früher die Rechte in Modena, Padua und Bologna und war geboren in Suzara, mantuanischen Gebiets. Sarti I, 1, 166. hervor und sagte mit lauter und fester Stimme: »Konradin ist nicht gekommen als ein Räuber oder Empörer, sondern im Glauben und Vertrauen auf sein gutes Recht. Er frevelte nicht, indem er versuchte sein angestammtes väterliches Reich durch offenen Krieg wieder zu gewinnen; er ist nicht einmal im Angriff, sondern auf der Flucht gefangen, und Gefangene schonend zu behandeln gebietet göttliches, wie menschliches Recht.« – Erstaunt über diese unerwartete Erklärung, wandte König Karl, – das niedrige Geschäft eines Anklägers selbst übernehmend und seine Behandlung BeneventsBuch VIII, S. 536. vergessend –, hiegegen ein: daß Konradins Leute sogar Klöster angezündet hätten; – worauf aber Guido ungeschreckt erwiederte: »wer kann beweisen, daß Konradin und seine Freunde dies anbefohlen haben? Ist nicht ähnliches von andern Heeren geschehen? Und steht es nicht allein der Kirche zu, über Vergehen wider die Kirche zu urtheilen?« Alle Richter bis auf einen, den unbedeutendenNon magnae litteraturae hominem. Isernia bei Giannone XIX, 4. Descript. victor. Caroli 850., knechtisch gesinnten Robert von Bari, sprachen itzt Konradin und seine Gefährten frei; welches preiswürdige Benehmen den König indeß so wenig zur Mäßigung und Besonnenheit zurückbrachte, daß er vielmehr, in verdoppelter Leidenschaft, jeden Schein von Form und Recht selbst zerstörte und 615 {1268} frech jener einzelnen Knechtesstimme folgend, aus eigener Macht das Todesurtheil über alle Gefangenen aussprach.
Als Konradin diese Nachricht beim Schachspiel erhielt, verlor er die Fassung nicht, sondern benutzte, gleich seinen Unglücksgefährten, die wenige ihnen gelassene Zeit, um sein Testament zu machenAbgedruckt in Jägers Geschichte Konradins 117. Er bestätigt seine Oheime, die Herzöge von Baiern, als Erben und macht einige Vermächtnisse. Vergl. Spatario zu 1268. und sich mit Gott durch Beichte und Gebet auszusöhnen.
Unterdeß errichtete man in aller Stille das Blutgerüst dicht vor der Stadt, nahe bei dem später so genannten neuen Markte und der Kirche der Karmeliter. Es schien als sey dieser Ort boshaft ausgewählt worden, um Konradinen alle Herrlichkeit seines Reichs vor dem Tode noch einmal zu zeigen. Die Wogen des hier so schönen als friedlichen Meeres dringen nämlich bis dahinRichtplatz ad littus maris extra civitatem. Jacobus v. Aqui bei Moriondus II, 160., und der diesen herrlichsten aller Meerbusen einschließende Zauberkreis von Portici, Kastellamare, Sorrento und Massa stellt sich, durch den blendenden Glanz südlich reiner Lüfte noch verklärt, dem erstaunten Beobachter dar. Auf furchtbare Mächte der Natur deutet jedoch das zur Linken sich erhebende schwarze Haupt des Vesuv, und rechts begränzen den Gesichtskreis die schroffen zackigen Felsen der Insel Kapri, wo einst Tiberius, ein würdiger Genosse Karls von Anjou, frevelte.
Am 29sten Oktober 1268, zwei Monate nach der Schlacht bei Skurkola, wurden die Verurtheilten zum Richtplatze geführt, wo der Henker mit bloßen Füßen und aufgestreiften Ärmeln schon ihrer wartete. Nachdem König Karl in dem Fenster einer benachbarten Burg einen angeblichen Ehrenplatz eingenommen hatteBartolom. de Neocastro cap. X. Davanzati 19. Vie de S. Louis, mscr. 60-62. Guil. Tyr. 740. Herm. Altah. Jacob. v. Aqui bei Moriondus II, 160., sprach Robert von Bari, jener 616 {1268} ungerechte Richter, auf dessen Befehl: »versammelte Männer! Dieser Konradin, Konrads Sohn, kam aus Deutschland, um als ein Verführer seines Volks fremde Saaten zu ärnten und mit Unrecht rechtmäßige Herrscher anzugreifen. Anfangs siegte er durch Zufall; dann aber wurde durch des Königs Tüchtigkeit der Sieger zum Besiegten, und der, welcher sich durch kein Gesetz für gebunden hielt, wird jetzt gebunden vor das Gericht des Königs geführt, welches er zu vernichten trachtete. Dafür wird, mit Erlaubniß der Geistlichen und nach dem Rathe der Weisen und Gesetzverständigen, über ihn und seine Mitschuldigen als Räuber, Empörer, Aufwiegler, Verräther, das Todesurtheil gesprochen und, damit keine weitere Gefahr entstehe, auch sogleich vor aller Augen vollzogen.«
Als die Gegenwärtigen dies sie größtentheils überraschende Urtheil hörten, entstand ein dumpfes Gemurmel, welches die lebhafte Bewegung der Gemüther verkündete; alle aber beherrschte die Furcht, und nur Graf Robert von FlandernMacr. Riccard. No. 1836., des Königs eigener Schwiegersohn, ein so schöner als edler Mann, sprang, seinem gerechten Zorne freien Lauf lassend, hervor und sprach zu Robert von Bari: »wie darfst du frecher, ungerechter Schurke einen so großen und herrlichen Ritter zum Tode verurtheilen?« – und zu gleicher Zeit traf er ihn mit seinem Schwerte dergestalt, daß er für todt hinweggetragen wurdeDaraus daß Robert von Bari nicht starb, folgt nicht, daß die ganze von mehren bezeugte Geschichte ganz unwahr sey. Vergl. Giannet. I, 547. Robert von Flandern hatte vier ausgezeichnete Brüder und vier sehr schöne Schwestern. Geneal. comit. Fland. 403. - Malespini 183. Villani VII, 29.. Der König verbiß seinen Zorn, als er sah, daß die französischen Ritter des Grafen That billigten; – das Urtheil aber blieb ungeändert! Hierauf bat Konradin, daß man ihm noch einmal das Wort verstatte, und sprach mit großer Fassung: »vor 617 {1268} Gott habe ich als Sünder den Tod verdient, hier aber werde ich ungerecht verdammt. Ich frage alle die Getreuen, für welche meine Vorfahren hier väterlich sorgten, ich frage alle Häupter und Fürsten dieser Erde: ob der des Todes schuldig ist, welcher seine und seiner Völker Rechte vertheidigt? Und wenn auch ich schuldig wäre, wie darf man die Unschuldigen grausam strafen, welche, keinem anderen verpflichtet, in löblicher Treue mir anhingen?« – Diese Worte erzeugten Rührung, aber keine That; und der, dessen Rührung allein hätte in Thaten übergehen können, blieb nicht bloß versteinert gegen die Gründe des Rechts, sondern auch gegen die Eindrücke, welche Stand, Jugend und Schönheit der Verurtheilten auf jeden machten. – Da warf Konradin seinen Handschuh vom Blutgerüste hinab, damit er dem Könige Peter von Aragonien als ein Zeichen gebracht werde, daß er ihm alle Rechte auf Apulien und Sicilien übertrageDies erzählt zwar kein gleichzeitiger Schriftsteller: allein da selbst die gleichzeitigen in so manchen Einzelnheiten von einander abweichen, da die Sage und die spätern Schriftsteller den Namen Heinrichs und andere Umstände so genau festhalten, so sehe ich keinen hinreichenden Grund, diese Erzählung ganz zu verwerfen. Daß von solchem Vermächtniß Apuliens nichts in dem von einem Franzosen entworfenen Testamente steht und stehen konnte, beweiset eher für, als gegen die symbolische Übergabe; daß ferner Peter von Aragonien darauf keinen Nachdruck legte, ist bei dem Ableiten seiner Rechte von Konstanze, Manfreds Tochter, ganz natürlich. – Eher bliebe die Frage übrig, ob Konradin beim Wegwerfen des Handschuh ausdrücklich sagte, was diese symbolische Handlung bedeuten solle, und daraus würde es erklärlich, warum einige Peter, andere Friedrich von Kastilien, andere Friedrich von Thüringen nennen. Was Pretio für den letzten anführt, stimmt nicht mit Konradins Testamente und den frühern Verträgen mit den Herzögen von Baiern. Die Umstände lassen solche Abweichungen in der Erzählung sehr natürlich erscheinen. – Ritter Heinrich Truchseß von Waldburg war übrigens gewiß ein Verwandter des Bischofs von Konstanz (s. S. 572.), der sich als Vormund so redlich Konrads angenommen hatte.. Ritter Heinrich Truchseß von Waldburg 618 {1268} nahm den Handschuh auf und erfüllte den letzten Wunsch seines Fürsten.
Dieser, aller Hoffnung einer Änderung des ungerechten Spruches beraubt, umarmte seine Todesgenossen, besonders Friedrich von Österreich, zog dann sein Oberkleid aus und sagte, Arme und Augen gen Himmel hebend: »Jesus Christus, Herr aller Kreaturen, König der Ehren! Wenn dieser Kelch nicht vor mir vorübergehen soll, so befehle ich meinen Geist in deine Hände!« Jetzo kniete er nieder, rief aber dann noch einmal, sich emporrichtend, aus: »o Mutter, welches Leiden bereite ich dir!« Nach diesen Worten empfing er den Todesstreich. – Als Friedrich von Österreich das Haupt seines Freundes fallen sah, schrie er in unermeßlichem Schmerze so gewaltsam auf, daß alle anfingen zu weinen. Aber auch sein Haupt fiel, auch das des Grafen Gerhard von Pisa. – Vergeblich hatte Graf Galvan LanciaCereta zu 1267 und 1268. Über die Reihefolge der Hinrichtung halten wir uns an die sichersten Quellen. für sich und seine Söhne 100,000 Unzen Goldes als Lösungssumme geboten: der König rechnete sich aus dem Einziehen aller Güter der Ermordeten einen größern Gewinn heraus; auch überwog sein Blutdurst noch seine Habsucht. Denn er befahl itzt ausdrücklichRicobaldi hist. imper. 137., daß die beiden Söhne des Grafen Galvan in dessen Armen, und dann erst er selbst getödtet werde! – Nach diesen mordete man noch mehreEin schwäbischer Ritter ward mit hingerichtet. Gassarus 1455.: wer von den Beobachtern hätte aber ihre Namen erfragen, wer kaltblütig zählen sollen? Nur im allgemeinen findet sich bezeugt, daß über tausend allmählich auf solche Weise ihr Leben verlorenCereta zu 1267 und 1268. Siehe noch Guil. de Podio 49. Neritense chron. Malespini 183. Steron. annal. Daß Ottokar von Böhmen den König Karl ersucht habe, die Prinzen hinzurichten, ist unerwiesen und mit Hinsicht auf die Zeitrechnung auch wohl unerweislich. Hagen. chron. 1075. Contin. Mart. Poloni 1424.. – Die Leichen der Hingerichteten wurden nicht in 619 {1268} geweihter Erde begraben, sondern am Strande des Meeres, oder, wie andere erzählen, auf dem Kirchhofe der Juden verscharrtBonon. hist. misc. Chron. Cavense 928..
Zu all diesen herzzerreißenden Thatsachen, die man nach genauester Prüfung als geschichtlich betrachten muß, hat Sage und Dichtung noch manches hinzugefügt, was den schönen Sinn Theilnehmender bekundet, aber mehr oder weniger der vollen Beglaubigung ermangelt. Ein Adler, so heißt esVitoduranus 5. Brantome mem. III, 174. Capecel. II, 162. Maffei ann. 621. Aventin. VII, 10, 1. z. B., schoß nach Konradins Hinrichtung aus den Lüften herab, zog seinen rechten Flügel durch das Blut und erhob sich dann aufs neue. Der Henker ward, damit er sich nicht rühmen könne solche Fürsten enthauptet zu haben, von einem andern niedergestoßen. Die Stelle des Richtplatzes ist, ein ewiges Andenken der thränenwerthen Ereignisse, seitdem immer feucht geblieben. Konradins Mutter eilte nach Neapel, ihren Sohn zu lösenGiannet. I, 457. Wegelin thesaur. II, 512. Geneal. Caroli I, in Pelliccia I, 166., kam aber zu spät und erhielt bloß die Erlaubniß, eine Kapelle über seinem Grabe zu erbauen; mit welcher Erzählung unvereinbar andere jedoch wiederum berichten, daß die Karmeliter aus Mitleid oder für Lohn den Leichnam Konradins nach Deutschland gebracht hättenGiornali Napolit. zu 1263. u. s. w.
So viel ist gewiß, daß eine starke Säule von rothem Porphyr und eine darüber erbaute Kapelle, – mögen sie nun später von reuigen Königen, oder theilnehmenden Bürgern, oder auf Kosten Elisabeths aufgerichtet worden seynDaß Karl II sie erbaut habe, sagt die Bonon. hist. misc. zu 1268. Vergl. Romanelli I, 155. –, Jahrhunderte lang die Blutstelle bezeichneten, bis 620 {1268} in unsern, gegen Lehren und Warnungen der Vorzeit nur zu gleichgültigen Tagen die Säule weggebracht, die Kapelle zerstört und an ihrer Stelle ein Schenkhaus angelegt wurde! König Karl, reich geworden durch unzählige Gütereinziehungen, bot jetzt, damit er doch auch einmal dankbar erscheine, seinem Retter Erard von ValeryMscr. bibl. Riccard. No. 1836. die Städte Amalfi und Sorrent: aber dieser antwortete: »ich mag nichts von euren Gütern; was ich that, that ich aus Liebe zu meinem Könige, dem frommen Ludwig und zu Ehren meines Vaterlandes.« Dahin kehrte er, einen Lehnsherrn wie Karl verschmähend, unverzüglich zurück. – Dieser ließ auf dem Schlachtfelde von Skurkola eine Abtei, Maria della Vittoria, erbauen und mit französischen Mönchen besetzenMalespini c. 182. Ptolem. de Luca 893. Phoebonius 182. Corsignani I, 326, 337. Regesta Caroli II, 224. Nach Vasari II, 207, erbaute Nikolo Pisano die Kirche.. Aber die Gottheit schien seinen Dank zu verwerfen: denn ein furchtbares Erdbeben stürzte die Gebäude so darnieder, daß kaum einzelne Bruchstücke der Mauern stehen blieben.
Während all dieser Gräuel war König Karl, – denn seine ehrgeizige Gemahlinn BeatrixSie starb 1267. Bouche II, 280. Ihr Testament in Dachery spicil. III, 660. hatte weder sein größtes Glück, noch seine größten Frevel erlebt –, auf eine neue Heirath bedacht, und verlobte sich mit Margarethe, der Tochter des Grafen Eudo von Nevers. Und die Mailänder, welche einst mit Heldenmuth den strengen, dann mit Halsstarrigkeit selbst den billigen Ansprüchen hohenstaufischer Kaiser widerstanden und die ganze Lombardei in ein neues Leben gerufen hatten, waren so herabgesunken, daß sie gerade in den Tagen, wo der letzte jenes Stammes rechtswidrig gemordet wurdeMediol. annal. Saba Malasp. IV, 20. Giulini 236, 238. Davorio 52., seinem Mörder Gehorsam 621 {1268} schwuren und dessen Braut mit Schmeicheleien aller Art empfingen. Zwölf der ersten Männer der Stadt, in Scharlach gekleidet, ließen sich willig finden, einen Baldachin von Seide zu tragen, 20 Ellen breit und 40 lang, unter welchem Margarethe einherging. Vierundzwanzig andere, nicht minder reich gekleidete Männer hielten das Volk mit Ruthenstreichen in demüthiger Ferne, und dieses beruhigte sich leicht über eine solche Behandlung, weil man ihm zwei gebratene Ochsen preis gab, die mit Schweinen und Hammeln angefüllt waren!
Am 18ten November 1269 war die Hochzeit Karls und MargarethensRegesta Caroli I, 156., – wobei jener milde zu seyn beschloß. Er erließ ein GesetzGesetz vom Dezember 1269. Constit. regni Neapol. II, 14-23., welches mit dem erfreulichen Ausspruche beginnt: alle zu Konradin Abgefallene sollten Vergebung erhalten. Dann aber heißt es: »hievon sind jedoch ausgenommen: alle Deutschen, Spanier, Katalanen und Pisaner. Ferner sollen diejenigen, welche gegen den König fochten, oder entflohen, oder bereits verurtheilt sind, oder in rebellischen Städten lebten, oder sich versteckt halten, von den Gerichten eingefangen, ihre Güter eingezogen, und sie selbst ohne allen Verzug aufgehenkt werden. Wer solche Personen aufnahm, versteckte, ihnen forthalf oder Rath gab, ist derselben Strafe unterworfen. Söhne und Töchter von Geächteten dürfen nie heirathen ohne königliche Erlaubniß, und diese erfolgt nur, wenn sich die Ältern vor den Gerichten stellen u. s. w.« – Wie dies Gesetz niemanden wahrhaft sicherte, sondern die Unglücklichen durch Erregung täuschender Hoffnungen nur verspottete, geht zunächst aus den Worten, dann aber auch daraus hervorLelli discorsi I, 305. Regesta II, 62; I, 281. Über Gütereinziehungen. Amato memor. 41.: daß Karl sechs Jahre später noch eigennützige Untersuchungen selbst gegen diejenigen anstellen ließ, welche im Heere König Manfreds gegen Alexander IV gedient hatten!
622 Am 29sten November 1268, genau einen Monat nach der Hinrichtung Konradins, starb Papst Klemens IV. Daß er zu jenem Frevel durch ein schlechtes Witzwort: »der Tod Konradins ist das Leben KarlsJene Todesformel findet sich zuerst bei dem jüngern Albert von Straßburg; die nähern Beweise ihrer Unwahrheit siehe in Jägers Geschichte Konradins und bei Raynaldus. Wie abweichend die Erzählungen derjenigen sind, welche den Papst befragen lassen, geht aus folgendem hervor. Er antwortete nach den Monum. Pisanis 979: che non era consiglio di prode, che altri mandasse alla giustizia (es scheint eine Lücke im Text zu seyn). Nach der sehr alten italienischen Handschrift No. 911 der Bibl. Barberina 215, gab Klemens keine bestimmte Antwort, sondern ging in einen Garten und schlug die höchsten Zwiebelköpfe ab; oder er habe nach einigen geantwortet: miror te, virum prudentem, super interfectione viri consilium petere a sacerdote. Die letzte Äußerung wäre zweideutig, und die Erzählung von den Zwiebelköpfen offenbar einer alten nacherfunden. Nach Jacobus von Aqui, aus dem Anfange des 14ten Jahrhunderts, bei Moriundus II, 160, sagte der Papst: de Conradino, filio iniquitatis, vindictam non quaerimus, nec justitiam denegamus. Schon Villani glaubte den über diesen Punkt umlaufenden Gerüchten nicht, und noch bestimmter widerspricht Mscr. Ricc. 1836. Siehe noch Jordani chron. in Murat. antiq. Ital. IV, 1006. Concil. coll. XIV, 325. Auf jeden Fall würde Karl, bei so vielen Vorwürfen, sich später auf des Papstes Ausspruch bezogen und nicht geschwiegen haben.!« gerathen habe, ist nicht allein unwahr; sondern man kann auch auf den Grund seiner frühern Ermahnungsschreiben und anderer Zeugnisse annehmen, daß er des Königs Verfahren durchaus mißbilligte. Zweifelhaft bleibt es dagegen: ob er von Karls nichtswürdigem Vorsatze so früh unterrichtet war, daß er zur Hintertreibung desselben irgend genügende Mittel anwenden konnte; oder ob er dieselben aus Furcht und Schwäche anzuwenden unterließ. Wie dem auch sey, so war seine Freude über den Fall der Hohenstaufen gewiß nicht ungetrübt: er mußte wissen und fühlen, daß ein so herbeigeführter und so benutzter Sieg weder die Freiheit der Kirche gründen, 623 {1269} noch ihre Würde unverletzt erhalten, noch ihre Heiligkeit bezeugen könne.
In ganz Europa war über König Karls Benehmen nur ein und dasselbe Gefühl des Mitleids, des Zornes und der VerachtungDer Venetianer Bartolomeo Giorgi, mehre Provenzalen und Deutsche fertigten Trauergesänge auf die Hinrichtungen. Foscarini 39. Millet II, 353. Crusius schwäb. Chron. I, 824.. Selbst sein eigener Bruder König Ludwig tadelte ihn streng, und der König von Aragonien schrieb ihmPeter Vin. I, 39.: er sey grausamer als Nero, und habe Unschuldigen nicht einmal so viel Milde widerfahren lassen, als er in Ägypten unter Ungläubigen gefunden. Den größten Eindruck machten diese schrecklichen Ereignisse natürlich in Deutschland: aber zur Bestrafung des Urhebers fehlte es an Einheit der Kräfte und des Willens; die schmerzlichen Klagen der unglückseligen Mütter Konradins und FriedrichsKonradins Mutter starb am neunten Oktober 1273, und ward in Stambs begraben. Wipacher bei Westenrieder II, 101, und Rubeis 736. Die Monum. boica XV, 556, haben das Jahr 1171 aus einem alten Klosternekrolog. Daß Gertrud, Friedrichs Mutter dessen Tod erlebte, zeigt Kurz in der Gesch. v. Österr. III, 262. blieben ohne Erfolg, und mancher hielt den völligen Untergang des einst so mächtigen Hauses, wo nicht heilsam für das Wohl des Ganzen, doch für seinen nächsten angeblichen Vortheil. Was irgend von hohenstaufischem Allode und Reichsgut übrig war, wurde rücksichtslos von allen Seiten in Besitz genommenSchöpfl. hist. Zar. Bad. II, 8. Es entstand über Konradins Erbe Streit unter seinen Oheimen. Faßmaier 503. Lori Lechrain Urk. 16..
Noch lebten allerdings zwei Nebensprossen jenes Stammes: Margarethe, die Tochter Friedrichs II, und König Enzius sein Sohn. Allein anstatt der gehofften Linderung herben Schmerzes, findet der theilnehmende Forscher auch hier nur bittere Leiden. Albert der Entartete, Markgraf von Meißen, vernachlässigte seine Gemahlinn Margarethe auf 624 {1269 bis 1270} unwürdige Weise, und lebte in öffentlichem Ehebruche mit Kunigunde von Isenburg. Ein minder verstocktes Gemüth wäre durch das Gefühl dieses Unrechts wenigstens zu äußerlich schonender Behandlung vermocht worden; statt dessen steigerte der Anblick seines unschuldigen Weibes den Haß Alberts dergestalt, daß er einen Diener gegen Versprechen großen Lohnes schwören ließ: er wolle, als Teufel verkleidet, des Nachts zu Margarethe hinschleichen und sie erdrosseln. Allein die Überzeugung von ihrer Unschuld, die Furcht vor den Folgen einer solchen That, die Scheu an eine Kaisertochter mörderisch Hand anzulegen, trieben den Knecht so lange unentschlossen umher, bis er, durch Albert nochmals gedrängt, sich in der Nacht wirklich zur Markgräfinn schlich, ihr aber, Gnade flehend, die Gefahr eröffnete. Margarethe erschrak aufs äußerste und stimmte den ihr getreuen Dienern bei, daß sie ihr Leben nur durch die schleunigste Flucht retten könne. Noch einmal ging sie zu ihren kleinen Söhnen Friedrich, Heinrich und Diezmann, und bei diesem letzten Abschiede biß sie in gränzenlosem Schmerze den ersten so heftig, daß er davon zeitlebens den Beinamen, Friedrich mit der gebissenen Wange führte. An Stricken ließ sich Margarethe mit ihrem reuigen Erretter und zwei getreuen Frauen von der Wartburg hinab und wanderte, von Angst und Sorgen getrieben, hülflos durch das Land; bis der Abt von Fulda die Unglückliche nach Frankfurt bringen ließ, dessen Bürger sie, im Angedenken an ihren großen Vater, ehrenvoll aufnahmen. Aber schon in demselben Jahre, am achten August 1270, endete der Tod ihre LeidenSifridi epit. 1047, Flucht um Johannis, Tod den 8ten August 1270. Eccard gen. princ. 101. Nach Rohte 1744 fiele der Tod erst ins nächste Jahr; nach der Gallia christ. VII, 489, ließ sie der Erzbischof Werner von Mainz feierlichst begraben..
Eben so traurig war und blieb das Schicksal ihres Halbbruders, des seit 1249 in Bologna gefangenen Königs Enzius. Und zu den gewöhnlichen Übeln jeder Gefangenschaft traten hier noch manche außerordentliche hinzu: 625 {1270 bis 1272} die Jugend und der Stand des Unglücklichen, das mit Friedrichs II Tode gänzliche Verschwinden der Aussicht auf eine künftige BefreiungEnzius hatte sollen gegen den Sohn des Markgrafen von Montferrat ausgewechselt werden, aber Friedrichs II Tod hinderte die Beendigung dieser Angelegenheit. Math. Par. 430., und der Mangel an so vielen Dingen, welche einem als König Erzogenen unentbehrlich scheinen mußten. Noch schmerzhafter aber mochte es Enzius fühlen, daß sich seine Gemahlinn Adelasia im Unglücke gar nicht um ihn bekümmerte, und später sogar den Sardinier Michele Zanchi heirathete, welchen Dante zu den größten Betrügern auf Erden zähltDante inferno, canto XXII. Savioli zu 1272.. Am härtesten und erdrückendsten war es endlich ohne Zweifel: daß die Bologneser, taub gegen alle seine Bitten und Vorstellungen, ihn vierzehn Jahre lang in demselben Zimmer mit einem Grafen von Solimburg einsperrten, den sie amtlich einen rohen, unerträglichen, albernenIntolerabilem et ineptum etc. ibid. Menschen nennen. Wie mußten Verhältnisse solcher Art nicht zur Ertödtung aller Lebens- und Geistes-Kräfte wirken; und dennoch zeigt sich, daß Enzius, fern von erkünstelter Ruhe oder verzweifelnder Ergebung, eine unverwüstliche Heiterkeit behielt und selbst die Bologneser zur Bewunderung fortriß. Er sammelte, was er nur irgend an Sagen, Dichtungen, Romanzen, Liedern u. dergl. bekommen konnte, und erweiterte als Dichter, Sänger und Tonkünstler sein Gefängniß zu einer Welt, die reicher war, als seine Zwingherrn begreifen konnten. Pietro Asinelli, ein heiterer, geistreicher Jüngling, welcher fast so fertig deutsch als italienisch sprach, wurde nicht bloß des Königs Gesellschafter, sondern sein wahrer Freund; ja die Liebe fand, nach einer nicht unwahrscheinlichen ErzählungSiehe die Geschichte seiner Gefangennehmung Band IV, S. 253. Wir können Saviolis Zweifel (zum Jahre 1254) gegen diese Erzählung und die von der Flucht nicht theilen: da er keine andern Gründe dagegen vorbringt, als daß sie nicht in den Chroniken jener Zeit stehen. Diese Chroniken sind gerade für Bologna höchst dürftig, und wie viel ist nicht erweislich und erwiesen, was sie übergangen haben! Hier stehe die umständlichste, genauste Tradition zur Seite, und der tüchtige Geschichtschreiber Ghirardacci (I, 184, 213) verdient Glauben für das Aufgenommene., ihren Weg bis in den Kerker, und von dem 626 {1270 bis 1272} schönen Enzius und der schönen Lucia Viadagola stammte ein Geschlecht, dessen bedeutender Name Bentivoglio (Dir will ich wohl) auf seinen Ursprung hinweiset.
In solchen Verhältnissen war das zwanzigste Jahr seiner Gefangenschaft herangekommen: da hörte Enzius von der Niederlage und dem Tode Konradins, und neue Rechte, neue Pflichten, neue Hoffnungen schienen sich hiedurch für ihn, den einzigen noch übrigen Sohn Kaiser Friedrichs, aufzuthun. Alle Unzufriedenen um sich vereinen, alle Ungerechtigkeiten strafen, den alten Glanz seines Hauses herstellen, ja die Kaiserkrone gewinnen, schien dem Dichter, welcher einst ein geschickter Feldherr gewesen war, selbst bei Berücksichtigung äußerer Umstände, nicht unmöglich; – wenn anders der erste Schritt gelang, die Befreiung aus der bolognesischen Haft. – All diese lang umhergetragenen, mannigfaltig ausgebildeten Plane theilte Enzius seinem Freunde Pietro Asinelli endlich mit; und dieser versprach ihm (sowohl aus innerer Zuneigung, als in Erwartung einer eigenen glänzenden Laufbahn) den treusten Beistand. Ein ihnen wohlbekannter Küper Filippo ward gewonnen, und schwur den entworfenen Plan geheim zu halten und zu unterstützen. Von Zeit zu Zeit brachte jener Filippo ein großes Faß voll Wein zum König, forderte nachher das geleerte zurück und trug es auf seinen Schultern hinweg. In solch einem Fasse verbarg sich König Enzius, und der gewaltig starke Küper trug es so behend davon, daß niemand auf die Vermuthung kommen konnte, es sey schwerer, als gewöhnlich. Schon war er durch alle Wachen und alle Thore glücklich hindurch, schon erblickte man in der Ferne Rainerio di Gonfaloniere mit den zur Flucht 627 {1270 bis 1272} bestellten Pferden: da warf zufällig ein Soldat seine Blicke auf das Faß, sah eine blonde Locke hervorhangen und rief: »nur König Enzius habe so schöne Locken und müsse im Fasse verborgen seyn!« Mehre eilten herbei; das Geheimniß war entdeckt! Asinelli entkam, verlor aber Habe und Gut, Filippo und Rainerio wurden hingerichtet, und der fröhliche Enzius seitdemMalespini 140. Monach. Patav. 684. Bonon. hist. misc. Memor. d'illustri Pisani II, 219. Villani VI, 37. Savioli zu 1249. Einst wollten ihm seine Wächter nichts zu essen geben; da wandte er die Sache scherzhaft, spielte darum Würfel und gewann. Salimbeni 344., wenn auch nicht, wie einige erzählen, in einem eisernen Käfige, doch bis an seinen Tod in strengerer Haft und finsterer Einsamkeit gehalten.
Das brach seine Kräfte und er machte ein Testament, dessen Inhalt in mehr als einer Beziehung rührend ist: zuvörderst durch den Gegensatz, daß er seinen Neffen, Alfons von Kastilien, Friedrich von Thüringen und Konrad von Antiochien, die so viele Länder umfassenden Ansprüche der Hohenstaufen vermachte; und sie doch wiederum bitten mußte, für Begräbniß und Seelenmessen, für Bezahlung kleiner Schulden, für Belohnung treuer Diener, für Ausstattung seiner Töchter Sorge zu tragen; ja daß er, in der Ungewißheit, ob sie für jenes glänzende Vermächtniß so viel geben wollten oder konnten, alle seine, seines Vaters und seines Hauses Freunde auffordert, durch Übernahme der aufgezählten Leistungen ein erfreuliches, heilsames Beispiel zu geben! Den Bolognesern verzieh er alle Schuld, ja er dankte, daß sie seine Ärzte besoldet hatten, und bat, ihn nicht an ungeweihter Stelle, sondern in einer Kirche begraben zu lassen. »Wenn ich,« so fährt er fortDas Testament bei Savioli III, 2, 769. Vergleiche Petracchi., »an die glorreiche Tugend und tugendreiche Macht meines Vaters, wenn ich an meine Brüder und Verwandten, diese Könige und Fürsten, dachte; so ward der Wunsch nach irdischen Dingen und der Schmerz über die Last des mich feindlich 628 {1272} niederdrückenden Schicksals doppelt lebhaft: jetzt aber erinnert mich schwere Krankheit so dringend an das bevorstehende Ende, daß alle andern Gedanken und Wünsche dahinfallen.« – Er starb den 14ten März 1272Über die Abweichungen, den Todestag und den Tag der Abfassung des Testaments betreffend, siehe Petracchi, Salimbeni 413, Ghirard. und Malvec. 915., im sechsundvierzigsten Jahre seines Alters, nachdem er gefangen gewesen zweiundzwanzig Jahre, neun Monate und sechzehn Tage. Die Bologneser, welche ihn so lange unköniglich behandelt hatten, ließen ihn jetzo (war es Spott, Reue, Achtung, oder eins von den Ereignissen, welche bisweilen zwar absichtslos eintreten, das Gemüth aber am sonderbarsten und mannigfachsten ergreifen und bewegen) einbalsamiren, in Scharlach kleiden, ihm eine sehr reiche Krone aufsetzen und einen Zepter in die Hand geben. Der Sarg stand auf einer mit Sammt und Scharlach überzogenen Erhöhung, und ward in feierlichem Zuge zur Kirche des heiligen Dominikus gebracht. Eine zwei Fuß hohe, gekrönte Bildsäule von Marmor und eine Inschrift bezeichnen die GrabstätteÜber die Inschriften siehe Ghirardacci l. c. Arndts Reise II, 23. Hagen Briefe in die Heimath II, 189..
Fünfunddreißig Jahre früher schrieb Kaiser Friedrich den Palermitanern bei der Geburt eines seiner SöhnePetr. Vin. III, 70, 71.: »freuet euch mit mir: denn sobald eine zahlreiche Nachkommenschaft von Kindern mich beglückt, könnet auch ihr nie an dem größten und ärgsten aller Mängel, nicht an einem Könige Mangel leiden.« – Nie täuschte eine fröhlichere Aussicht vollständiger den Herrscher und die Völker!
In diesen Zeiten hatte sich König Ludwig IX nicht aus Ehrgeiz und Habsucht, sondern aus Gründen, welche den bereits früher entwickelten ähnlich sind, zu einem zweiten Kreuzzuge entschlossen. Daß dieser nicht nach Palästina und auch nicht nach Ägypten gerichtet werde, dafür wirkte König Karl auf alle WeiseSaba Malasp. V, 1., hoffend, bei dieser 629 {1270} Gelegenheit den größten Gewinn zu ziehen und die ehemalige Herrschaft der Normannen über einen Theil Afrikas zu erneuen. Aber alle die, in der Geschichte der Kreuzzüge so oft wiederkehrenden, jeden dauernden Erfolg vernichtenden Schwierigkeiten traten auch hier ein; und insbesondere brachen ansteckende Krankheiten im christlichen Heere vor Tunis aus, an denen König Ludwig am 24sten August 1270 starb; genau zwei Jahre nach der Schlacht bei SkurkolaVelly VI, 91. Er starb am Bartholomäustage, oder einen Tag nachher. Vitae Pontif. 596. Gesta Ludov. IX, 406 und 441., und einundzwanzig Jahre vor dem Verluste Akkons, der letzten christlichen Besitzung im MorgenlandeEinst setzte sich die ganze Christenheit um des heiligen Landes willen in Bewegung; jetzt gilt ein für Jerusalem gespendetes Almosen als Aberglaube. Die Auferstehungskirche ist abgebrannt, und die heilige Stätte weder gegen Verwüstung der Menschen, noch gegen Sturm und Regen geschützt! Chateaubriand voyage II, 145; III, 49.! – Die Wohlthaten seiner vierundvierzigjährigen Regierung suchte Ludwig noch dadurch zu verlängern, daß er seinen Söhnen Vorschriften hinterließ, welche in dem Tone inniger bewährter Überzeugung, alle Pflichten eines Menschen, eines Königs, eines Christen entwickelnJoinville 126. Wadding IV, 310..
Als König Karl, welcher erst nach dem Tode seines Bruders vor Tunis ankam, die Stadt nicht erobern konnte, erpreßte er wenigstens so viel Geld und Gut, als irgend möglich. Seine hiemit reich beladene Flotte wurde zwar auf der Rückfahrt nach Sicilien größtentheils durch einen Sturm vernichtet: allein er wußte diesen Verlust sogleich auf seine Weise dadurch zu ersetzen, daß er alles gestrandete Gut, sogar seiner Verbündeten, Freunde und Unterthanen, in Beschlag nahmMath. Paris. contin. 678. Sismondi III, 424.! – Aus diesen und ähnlichen Gründen schrieb ihm Papst Gregor X, Klemens des vierten Nachfolger: »er solle die königliche Würde nicht durch unkönigliche Thaten entstellen, und den Klagen seiner mißhandelten 630 Unterthanen Gehör geben.« Diese Ermahnung blieb indessen durchaus ohne Erfolg, und auf die erneute Warnung und Weissagung: »daß ein Tag kommen werde, wo über ihn und seine Erben wegen solcher Tyrannei unerwartet die Strafgerichte Gottes hereinbrechen würden,« erwiederte er mit trotzigem HochmutheSaba Malasp. VI, 4.: »ich weiß nicht was ein Tyrann ist, wohl aber daß Gott, der bisher meine Schritte geleitet hat, mir auch künftig beistehen wird!«
Aber das Maaß seiner Sünden war voll, und schon auf dieser Erde sollte er nicht ungestraft bleiben. Am 30sten März 1282 brach in Palermo das furchtbare Blutbad aus, welches unter dem Namen der sicilianischen Vesper bekannt ist, fast allen Franzosen auf der Insel das Leben kostete, und die Herrschaft in die Hände Konstanzens, der Tochter Manfreds und ihres Gemahls brachte. Vergebens setzte König Karl alles in Bewegung, Sicilien wieder zu erobern; am 23sten Junius 1284 ward seine Flotte von dem tapfern Aragonesen Robert von Loria gänzlich geschlagen, sein frevelnder Feldherr l'Etendart, ja sein Sohn Karl gefangen und von den Einwohnern Messinas, mit Rücksicht auf Manfreds und Konradins Schicksal, zum Tode verurtheilt! Konstanze aber, so viel Veranlassung sie auch gehabt hätte Rache zu üben, oder der Rachsucht anderer freien Lauf zu lassen, erinnerte sich jener höhern Vorschrift: »vergilt nicht Böses mit Bösem,« und rettete den Sohn ihres ärgsten Feindes vom Tode. Diese Schicksale hatten bei König Karl, wenn nicht Reue und Besserung, doch Trübsinn und Gewissensangst erzeugt und seine Gesundheit angegriffen; er starb am siebenten Januar 1285. Im nächsten Jahre zerstörte der Sicilianer Bernhard von Sarriano, AsturaMurat. annal. zu 1285.; wobei, – die Strafe des Himmels blieb also auch hier nicht aus –, ein Sohn des Verräthers Johann Frangipani niedergestoßen wurde.
631 So hätten wir den Ausgang des großen Trauerspiels in allen Haupttheilen dargestellt, in allen Nebenzweigen angedeutet und das Ziel unserer Aufgabe erreicht. Der Untergang des Chalifats und des lateinischen Kaiserthums, das Verschwinden abendländischen Einflusses auf das Morgenland und deutschen Einflusses auf Italien, das Sinken kaiserlicher Hoheit und das Steigen fürstlicher Macht, die mit dem Augenblicke vollständigen Sieges unerwartet hereinbrechende Abhängigkeit und zunehmende Ausartung der Kirche: dies und unzähliges bezeichnet aufs bestimmteste den Schluß eines großen Zeitabschnittes; und andere mögen entwickeln, welche Keime des Todes aus der Vergangenheit in die Zukunft hinübergingen und welche Lebenskeime mit frischer Kraft emporwuchsen. Bei der Darstellung jedes Abschnittes der Menschengeschichte wird sich indeß ergeben: kein Einzelner, kein Geschlecht, kein Volk, keine Zeit ist so unschuldig, daß sie ohne Irrthum und Sünde erfunden würde; oder so schuldig, daß sie einer höhern Reinigung und Erlösung ganz unfähig wäre. Diese kann jedoch nur beginnen mit der Erkenntniß: daß Ungerechtigkeit, Herrschsucht und Hochmuth die Urquellen alles Übels; Gerechtigkeit, Demuth und Liebe hingegen nicht bloß die Wurzeln, sondern zugleich die Blüthen und Früchte von dem Baume des Lebens sind! 632