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Während der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts fehlte es in Deutschland oft an der entscheidenden Oberleitung eines mächtigen Königs, und das Entgegengesetzteste trat nicht selten mit gleichen Ansprüchen hervor, so daß Prälaten, Fürsten und Gemeinden sich selbst überlassen, nach eigener Einsicht, oder bloßer Willkür handeln durften. In dem Maaße als die allen gemeinsame Richtung unbestimmter und schwankender wurde, schien jeder einzelne ein eigenthümlicheres Leben zu beginnen, und was der Selbständigkeit des Ganzen fehlte, hielt jeder durch die in seinem engeren Kreise wachsende Freiheit für mehr als ersetzt. Deutschland war eigentlich nicht mehr ein Staat, sondern bestand aus vielen einzelnen, in Fehde oder Freundschaft lebenden Staaten, wodurch sich die Mannigfaltigkeit der Verhältnisse und Ereignisse außerordentlich mehrte, und die körperlichen wie die geistigen Kräfte in größere und vielseitigere Bewegung kamen. Allein andererseits sinken jene Ereignisse und Verhältnisse zu einer untergeordneten Bedeutung hinab und erscheinen, fast wie in Italien, von dem höhern politischen Standpunkte aus, nur als eine böse, heillose Verwirrung. Wenigstens mußte Deutschland itzt dem Kaiser so erscheinen, und jeder Versuch einer geschichtlichen Aufzählung alles einzelnen drängt zu derselben 210 Ansicht hin; sie bedarf jedoch im allgemeinen einer erheblichen Berichtigung. Die Entwickelung des dichterischen Lebens, der Wunderbau von Kirchen und Thürmen, die Regsamkeit und Tüchtigkeit der Bürger, der wachsende Betrieb aller Gewerbe und des Handels, die Zunahme der Bevölkerung u. s. w. beweisen, daß man die staatsrechtlichen Mängel nicht der Ermattung und Altersschwäche, sondern nur dem Mißbrauche, oder dem einseitigen Gebrauche der vorhandenen sehr großen Lebenskräfte zuschreiben darf. Diese höchst merkwürdige innere Entwickelung Deutschlands soll in den Alterthümern jener Zeit genauer nachgewiesen werden; hier wenden wir uns (ohne kleiner Fehden zu erwähnen) sogleich wieder zu dem wichtigsten Verhältnisse zwischen Staat und Kirche, Papst und Kaiser.
Wie Albert Beham im südlichen Deutschlande für den Papst, mit Verletzung aller bürgerlichen und kirchlichen Ordnung bis zum Jahre 1241 wirkte, ist bereits oben erzählt wordenSiehe oben S. 86.. Seitdem mehrte sich der Haß gegen ihn: denn er befahl den christlichen Kämpfern, vielmehr den Kaiser als die Mongolen zu bekriegen, er bannte und lösete vom Banne für Geld, er suchte überall wo ihm die Bischöfe nicht gehorchten, mit Hülfe eigennütziger und unruhiger Stiftsherrn neue Wahlen durchzusetzenAventin. VII, 5, 17, 37. Excerpta ex Albert. 800. Gemeiner Chronik. Zschokke I, 490. Hansitz I, 394. Aventini excerpta 787. Gassarus 1440. Salisburg. chron. zu 1241 über mancherlei Fehden., und schrieb über seinen großen Beschützer, den Herzog Otto von Baiern, bedenkliche, ja verleumderische Dinge an den Papst. Diese letzte Übereilung stürzte ihn ins Verderben. Jene Briefe wurden nämlich aufgefangen, in Regensburg auf einer Tagsatzung öffentlich vorgelesen, und die Acht über ihn und seine Anhänger ausgesprochen. Desungeachtet kehrte er nach Baiern zurück und erregte neue Unruhen; ward aber dann in dem 211 {1244} Schlosse Konrads von Wasserburg belagert und gefangen. Ob ihn Herzog Otto mit schmählichem Tode bestrafen ließ, oder ob er nach Lyon entkam, darüber lauten die Nachrichten verschiedenNach alten passauischen Quellen ward Albert gefangen und geschunden. Adlzreiter 635.; auf jeden Fall hatte seine Wirksamkeit ein Ende, und man hoffte um so mehr auf bessere Zeiten und allgemeinen Frieden, da sich der Herzog von Österreich und der König von Böhmen versöhnten, und nebst Otto von Baiern und den Bischöfen von Salzburg, Passau, Regensburg, Eichstädt, Freisingen u. a. auf die Seite des Kaisers traten. Thüringen und Sachsen blieben, wo nicht gleich freundlich, doch ruhig gesinnt, und den rheinischen Bischöfen hielten die weltlichen Fürsten jener Gegenden das GleichgewichtLünig cod. dipl. II, 1100, Urk. 45, schon zu 1241.. Wenigstens nannte der Kaiser die Herzöge von Brabant und Lothringen, die Grafen von Geldern und Lüttich u. a. Lichter seiner Krone, und versprach sie dereinst beim Papste zu vertretenDoch folgte hieraus nicht, daß sie für den Kaiser viel thun und opfern wollten, vielmehr entband er sie von der Pflicht, nach Italien zu ziehen, und König Konrad zahlte dem Herzoge Heinrich 3000 Mark für geleistete Dienste. Lünig cod. dipl. II, 1102, Urk. 47 zu 1242..
Als nun aber Innocenz den Kaiser in Lyon absetzte und laut erklärte, daß er Krieg, nicht Frieden wolle; da wurden die kaum in etwas beruhigten Gemüther von neuem aufs heftigste bewegtMonach. Patav. 682., und ehe König Konrad, {1245} welcher sogleich aus Verona nach Deutschland eilte, im Stande war kräftige Maaßregeln zu ergreifen, waren die päpstlichen Bannbullen bereits angelangt und von mehren Bischöfen aus Furcht, von andern mit Freuden bekannt gemacht. Das Hauptziel des Papstes, eine neue Königswahl, sollte sein Gesandter, der Bischof Philipp von Ferrara, betreibenEstense chron. Bonon. hist. misc. zu 1244.. Philipp, geboren in Pistoja von armen und geringen Ältern, 212 {1245} hatte sich durch großen Verstand und kühne Gewandtheit emporgearbeitet. In seinem jetzigen Wirkungskreise waren ihm heftige, ja grausame Maaßregeln am willkommensten, und seine finstere Gemüthsart trat immer gewaltsamer heraus. Sagt doch selbst ein päpstlich gesinnter Geschichtschreiber: »Philipp war sehr melancholisch, verdrießlich, wüthig und ein Sohn Belials. Er galt für einen großen Trinker, und wenn er beim Beten auf und abging, stand guter Wein in kaltem Wasser immer neben ihmMultas crudelitates exercuit. Melancholicus et tristis et furiosus et filius Belial. - Magnus potator etc. Salimbeni 374, 377, 389. Malespini 133..«
Unter den Prälaten fand Philipp Anhang; von den mächtigern weltlichen Fürsten wollte aber keiner auf seine Plane eingehen. Die tüchtigsten zürnten, daß der Papst sich herausnehme ihren König nach eigener Willkür und ohne Rückfrage und Beistimmung zu entsetzen; die Ehr- und Habsüchtigen hielten die Macht der Hohenstaufen noch für zu groß, als daß man sie leicht stürzen könne. Weil aber der angesehene Herzog Otto von Baiern so lange ein Gegner des Kaisers gewesen war, richteten die jetzt zur päpstlichen Partei übergetretenen Bischöfe von Salzburg, Freisingen, Regensburg u. s. w. zunächst ihre Augen auf ihn und verlangten, er solle, bei Strafe des Bannes, ihrem Beispiele folgen. Er aber antwortete: »als ich auf des Papstes Seite stand, nanntet ihr diesen den Antichrist und vewieset mir, daß alles Unheil und aller Frevel von ihm ausgehe. Da wandte ich mich, eurem Rathe folgend, zum Kaiser; und nun schildert ihr diesen als den größten Frevler. Was heute Recht war, ist euch morgen Unrecht, und ohne Rücksicht auf Grundsätze und auf Treue bestimmt Eigennutz allein eure Handlungsweise. Ich dagegen will fest an dem halten, was ich gesagt und versprochen habe, und mich nicht von jedem Winde bald dahin, bald dorthin treiben lassenAventin. ann. VII, 6, 1..«
Aus denselben oder ähnlichen Gründen fanden die 213 {1246} geistlichen Vorschläge kein Gehör bei dem Könige von Böhmen, den Herzögen von Österreich, Braunschweig, Brabant und Sachsen, bei den Markgrafen von Meißen und Brandenburg. Das Übermaaß geistlicher Ansprüche schien die, sonst so oft uneinigen, weltlichen Fürsten unerwartet zur Eintracht zu zwingen, und kaum wußten die Prälaten, an welchen irgend bedeutenden Fürsten sie sich noch mit Erfolg wenden sollten: da verfielen sie endlich auf Heinrich Raspe, den Landgrafen von ThüringenRaspe von einer Burg, Raspenberg in Thüringen. Menzel III, 301. Corner 891. Raspe heißt so viel als der Rauhe, Tapfere, und war ein Beiname mehrer Landgrafen von Thüringen. Schmidt Geschichte von Hessen, I, 131.. Heinrich war der Sohn Landgraf Hermanns, der Enkel einer Schwester Kaiser Friedrichs IBünau 347.. Nach dem unerwartet frühen Tode seines ältern Bruders Ludwig, behandelte er seine Schwägerinn, die heilige Elisabeth, und deren Kinder keineswegs als ein zärtlicher Verwandter oder gerechter VormundSiehe Band III, S. 673.; welches gemüthlos habsüchtige Verfahren, selbst nach seiner Besserung, so im Angedenken der Menschen blieb, daß viele argwöhnten, er habe seinen Neffen Hermann (der 1241 im siebzehnten Jahre seines Alters plötzlich starb) aus Herrschsucht vergiftetDas Verbrechen ist nicht erwiesen. Rohte 1733. Monum. Landgrav. Thuringiae 827., und es für eine gerechte Strafe des Himmels hielten, daß er mit drei Frauen keine Kinder erzielt hatte. Im übrigen wird Heinrich als ein tapferer und kluger Mann geschildertContin. Mart. Poloni 1419., welchen Kaiser Friedrich deshalb zu einem seiner Stellvertreter in Deutschland ernannteSacri Imperii per Germaniam procurator. Weiße I, 269 und Sagittarii Bericht über Heinrich.. Die größte Tüchtigkeit schien er endlich zu beweisen, als er den einseitigen Antrag, die deutsche Krone zu übernehmen, ablehnte. Bald aber offenbarte sich, daß ihn hiezu weder Dankbarkeit gegen den Kaiser, seinen Wohlthäter, antrieb, noch die Erinnerung 214 {1246} an alte Verwandtschaft, noch das Gefühl der dem Kaiserthume und dem deutschen Volke angethanen Schmach, noch die Überzeugung, daß sichere Ruhe mit Gerechtigkeit verbunden mehr werth sey, als größeres Ansehn aus Ungerechtigkeit hervorgehend; – sondern Heinrich Raspe lehnte den Vorschlag ab, weil ihm der Erfolg bei seiner geringen Macht und der kleinen Zahl abtrünniger Fürsten ungewiß erschien. Sobald ihn aber der Papst wiederholt anwies, um Gottes und der Christenheit willen die Krone anzunehmen, sobald er ihm große Geldsummen bot, ließ Heinrich die Vorwände der Kinderlosigkeit und zu hohen Alters, wie es scheint gerne, fahren, und sprach mit scheinbar heldenmüthiger, der Wahrheit nach unwürdiger Ergebung: »so will ich gehorchen, und wüßte ich auch, daß ich kein Jahr mehr lebteRohte 1735. Math. Par. 464. Ursinus 1291.!«
Erst jetzt, nachdem der Landgraf und der Papst Handels einig geworden, gedachte man auch der zur deutschen Königswahl Berechtigten, und Innocenz schrieb am 21sten April 1246 an die Erzbischöfe, edlen Männer und andere deutsche Fürsten, welche die Macht haben, einen deutschen König zu erwählen: »bei eurem Glauben, eurer Frömmigkeit und eurer Verpflichtung, für die Ehre der Kirche und des Reichs zu wirken, werdet ihr, wie wir glauben, hoffen, erwarten und verlangen, allem von uns gut BefundenenBene placitis. Raynald. zu 1246, §. 2. doppelt gern und schnell gehorchen. Deshalb bitten, erinnern und ermahnen wir euch, wir weisen euch ernstlich an und legen euch zur Vergebung der Sünden auf, den Landgrafen Heinrich von Thüringen einstimmig und ohne allen Verzug zum König zu erwählen.« – Auf die weltlichen Fürsten machten weder diese allgemeinen Schreiben, noch andere Eindruck, welche an die einzelnen gerichtet wurden; mehr wirkten 25,000, oder wie andere wollen, 50,000 MarkRohte 1735. Ursinus 1291. Math. Paris 473, 490. Erfurt. Chron. S. Petrin. zu 1245. Sifridi epitome 1044. Geschichte Friedrichs II, 342., welche Innocenz besonders in England auf die 215 schon erzählte Weise beigetrieben hatte, und jetzt über Venedig durch Anweisungen oder Wechsel nach Deutschland sandte. Hiemit bezahlte und gewann der Landgraf so manchen Edlen, während sich die Prälaten (aus natürlichem Widerspruche gegen die Laienfürsten und um der Kirchenherrschaft ganz unbeschränkte Rechte zu verschaffen) den päpstlichen Weisungen gern unterwarfen. Die Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln und Bremen, die Bischöfe von Metz. Speier und StraßburgNorthof catal. archiep. Colon. und Grembachius Belgic. chron. magn. 259. Gassarus 1446. Außer den Genannten stimmten noch einige, keineswegs aber alle Bischöfe bei. wählten am HimmelfahrtstageDer Himmelfahrtstag wäre der 17te Mai. Gudeni cod. I, 539, hat den 22sten Mai. Drei Tage nach Himmelfahrt sagen Litterae princip. ap. Hahn. 27. - Aventin. annal. Boj. VII, 5, 33. Martin. Fuld. 1709. des Jahres 1246, zu Hochheim bei Würzburg, den Landgrafen Heinrich zum deutschen Könige. Von den größern weltlichen Fürsten hatte sich kein einziger eingefundenGraf Hermann von Henneberg, der Neffe Heinrichs, war mit in Hochheim und unterschrieb die Wahlurkunde. Schultes Gesch. von Henneberg I, 116.; ja sie zürnten so sehr über das anmaaßliche, einseitige Verfahren der Prälaten, daß der Landgraf den Spottnamen des Pfaffenkönigs erhielt. Desto erfreuter war der Papst über diesen Fortschritt seiner Plane, und schrieb dankbar an den Erzbischof von Mainz, welcher ihm die erste Nachricht von der glücklich vollzogenen Wahl gegeben hatte. Durch Kreuzpredigten, großen Ablaß und harte Kirchenstrafen reizten die Prälaten (an ihrer Spitze der mit den größten Vollmachten versehene Legat) zur Fehde gegen die Hohenstaufen und schreckten viele ihrer FreundeSalisburg. chron. Corner 891. Raynald. §. 5-7. Guil. Nang. chron.. Nicht minder thätig zeigten 216 {1246} sich, der Aufforderung des Papstes folgend, die Bettelmönche: sie brachten bald Geld, bald Ermahnungs-, bald Trost-Briefe, und warben überall SoldatenWadding III, 145. Math. Par. 474.; als sey ein Krieg gegen den Kaiser einem Kreuzzuge gegen die Ungläubigen ganz gleich zu stellen!
Von seinen Anhängern umgeben, zog Heinrich Raspe gegen Ende des Julius nach Frankfurt am Main, um daselbst einen Reichstag zu halten; während die Hohenstaufen am 16ten Junius den Herzog Friedrich von Österreich, einen ihrer mächtigsten und treusten Freunde, verlorenDas Nähere hievon im folgenden Hauptstücke.. Doch brachte König Konrad ein Heer zusammen, und es kam am fünften August 1246 vor den Thoren Frankfurts zu einer Schlacht, welche Konrad fast gewonnen hatte, als zwei schwäbische Grafen (deren NamenDe Citobergo et de Croheligo. Math. Paris 473 und 479. Ursinus 1291. Gudeni cod. I, 593. Auctor incert. ap. Urstis. in den Zeitbüchern entstellt sind) plötzlich mit 2000 Mann umwandten und schändlich entflohen. Sie hatten vom Papste 6000 Mark und das Versprechen erhalten, das Herzogthum Schwaben solle zum Lohn ihres Abfalls unter beide vertheilt werden. Mit tausend Getreuen setzte Konrad indeß den Kampf muthig fort, bis unerwartet noch eine Schaar, zwar ungeordneter aber zahlreicher FeindeEin Harst garuwetes Volkes. Rohte 1735. Andreas et Craft chron. 2085., hervorbrach: da mußte auch er, mit Zurücklassung des Gepäcks und der Zelte, und nach Verlust vieler MannschaftNach dem Schreiben Walters von Okra bei Math. Par. 479, verlor Konrad nur 200, nach Heinrichs Schreiben (Litterae princ. ap. Hahn. 28-30) nahm dieser 624 Mann gefangen. entfliehen.
Diese Niederlage that den Hohenstaufen sehr großen Schaden. Mailand und die Lombarden, welche schon früher Gesandte an Heinrich geschickt und Hülfe gesucht und versprochen hatten, faßten nach Empfang dieser Nachrichten 217 {1246} neuen MuthLitterae princ. l. c. Bartholom. ann. zu 1246. Math. Par. 464. Rubeus Ravenna 420.. Auch antwortete Heinrich schon ganz auf königliche Weise, wies den Erzbischof Theodorich von Ravenna an, Vertriebene in die Städte zurückzuführen, und schloß damit: er werde ihm nächstens seine weiteren Beschlüsse über die Lombarden melden. – Viel unmittelbarer waren aber die nachtheiligen Wirkungen jener Niederlage in Deutschland: Markgraf Rudolf von Baden trat öffentlich auf Heinrichs SeiteSchöpfl. histor. Zaringo-Badensis II, 2., mehre schwäbische Bischöfe und Klöster wurden wankelmüthig, der Bischof von Straßburg, Heinrich von Stahleck, setzte sich in den Besitz hohenstaufischer Orte und jeder Prälat, jeder Edle glaubte zuletzt: es sey am klügsten, vortheilhafte Freibriefe vom Papste, und verschwenderische Vergabungen des Reichsgutes von dem schwachen Heinrich anzunehmenBeweise im Archive zu Stuttgart.; – während Kaiser Friedrich und König Konrad auf solche Weise weder verfahren konnten, noch wollten. Vergebens klagte der Kaiser laut, daß der Erzbischof von Köln, ob er gleich bei der Freilassung aus der Haft (in welche er bei der Reise zur Kirchenversammlung gefallen war) geschworen habe, nie etwas gegen ihn zu unternehmen, itzt aufs feindlichste verfahre; daß Heinrich Raspe, uneingedenk der Verwandtschaft und Dankbarkeit, den päpstlichen Lockungen Gehör gebeMath. Par. 394. Cod. Vindob. phil. No. 383, fol. 25; No. 65, 77; No. 305, 70.. – Ohne Hinderniß hielt dieser einen Reichstag in Nürnberg, und drang vor bis zur Donau. Da fand Konrad, dessen Untergang schon unvermeidlich zu seyn schien, doppelten Beistand; zuvörderst bei dem Herzoge von Baiern. Mochte dieser unzufrieden seyn, daß man den Landgrafen ihm vorgezogen habe, oder wars Überdruß an den päpstlichen Umtrieben, oder Gefühl des Rechts und der Ehre, oder dies alles zusammen genommen: – genug er 218 {1246} unterstützte Konrad auf alle WeiseBonon. histor. misc. zu 1244. Auctor incert. ap. Urstis. Salisburg. chron. Monach. Patav. 682. 682. Gemeiner Chron. 344. Monach. Bavar. Lang Jahrbücher zu 1246. und gab ihm sogar, zur Bürgschaft treuer Anhänglichkeit, im Herbste 1246 seine Tochter Elisabeth zum WeibeIsabelle von Frankreich, welche Konrad früher heirathen wollte, hatte, gegen den Rath ihres Bruders König Ludwigs IX und ihrer Mutter, den Eintritt in ein Kloster vorgezogen. Velly 303. Helyot V, 26, 230..
Noch größere Hülfe gewährten dem Könige Konrad die, jetzt zum ersten Male mit großem Nachdruck in die öffentlichen Verhältnisse eingreifenden, deutschen Städte und Bürgerschaften. Ihre Macht beweiset, daß des Kaisers Gesetze sie nicht zu Grunde gerichtet hatten, und ihre unwandelbare Treue gegen die Hohenstaufen zeigt, daß sie diesen nicht einmal feindliche Absichten beimaaßen. Vielmehr hegten sie die Meinung: Friedrich habe ihnen gern alle irgend mit der allgemeinen Ordnung verträgliche Freiheiten bewilligen wollen und sey ihr ächter Schutzherr; während sie, bei weiterem Sinken der kaiserlichen Macht, in die Hände der Prälaten und Fürsten gerathen müßten. Daher unterstützten sie den Kaiser, ohne Rücksicht auf den Bann Albert Behams, bereits in seinem Kriege gegen Gregor IX und die LombardenAventin. ann. Bojor. VII, 5, 1.; daher verweigerten die Bürger von Worms beharrlich die Leistung eines Eides, welcher die unbedingte Treue gegen den Kaiser in zweifelhaftes Licht zu stellen schienSie wurden dafür sehr vom Kaiser gelobt. Cod. philol. Vindob. No. 305, fol. 155.. Frankfurt hielt, sobald es von fremdem Einflusse frei ward, so treu an den Hohenstaufen, daß sich sogar Geistliche daselbst lieber ihre Pfründen absprechen ließen, als daß sie jenen abgesagt hättenKirchner. I, 135.. Nicht minder beharrlich stellte sich Erfurt dem Erzbischofe Siegfried von MainzErfurtens. antiquit. zu 1247. Lünig Reichsarchiv. Contin. 4 von Hanse- und Municipal-Städten, von Erfurt, Urk. 16. Die Stadt ward in besondern Reichsschutz genommen., 219 {1246} Straßburg dem Bischofe HeinrichAuctor incert. ap. Urstis. Colmar. Chron. Königshofen 116. Gallia christ. XIII, 760. Pfister Gesch. von Schwaben, II, 307., Metz dem Bischofe Jakob, Regensburg dem Bischofe Siegfried entgegen. Als der letzte hierauf mehre Bürger gefangen setzte, ward er nebst seinem Anhange, mit Hülfe König Konrads und Herzog Ottos bezwungen, gestraft und vom Kaiser jeder Anspruch vernichtet, welchen der Bischof aus den Gesetzen des Jahres 1232 auf die Stadt und deren innere Einrichtungen herzuleiten suchteLünig Reichsarchiv. Spic. eccl. von Regensburg, Urk. 13, 14, von Straßburg 13–15. Ried cod. diplom. I, 421, 423, 453. Gemeiner Chronik 353.. Er starb in so großer Verachtung, daß Rath und Bürgerschaft ihn nicht einmal wollten anständig begraben lassen. {1247} Ähnliche Erscheinungen wiederholten sich in mehren Gegenden Deutschlands, und wenn Bann und Interdikt von ängstlichen oder gewissenhaften Geistlichen streng gehalten wurde, so baute man wohl, wie in Lucern, neue Kirchen, um wenigstens diese von allen Beschränkungen frei zu haben und zu behaltenLucerner Chron. 128, 142. Überhaupt beharrten viele freie Landleute, so in Schwyz, Graubünden u. s. w., auf Friedrichs Seite. Eichhorn Episc. Curiens. 41..
An einer schwäbischen Stadt scheiterte zuerst Heinrich Raspes GlückStaats- und Erd-Beschreibung des schwäbischen Kreises II, 525.. Reutlingen, welches Friedrich II begünstigt und mit Mauern umgeben hatte, antwortete den Gesandten des Landgrafen: »der dem Kaiser geschworne Eid bleibt uns, trotz päpstlicher Lösung desselben, ein heiliger, und wir gelobten der Jungfrau Maria eine Kirche zu erbauen, wenn wir durch sie aus den Händen des angeblichen Königs befreit würden.« Dieser konnte den tapfern Bürgern nichts abgewinnen, hob die Belagerung auf und wandte sich nach Ulm. Hier fand er aber nicht allein denselben Widerstand, sondern ward auch, nachdem sein Heer schon durch Hunger und Kälte gelitten hatte, von Konrad 220 {1247} überrascht und völlig geschlagen. Verwundet eilte Heinrich bis in seine Heimath, bis zur Wartburg zurückDie Nachricht bei Math. Paris 487, daß die Schlacht kurz vor der bezweckten Krönung und in der Nähe der Krönungsstadt vorgefallen sey, ist mehr als unwahrscheinlich: denn bis in die Gegend von Achen war Konrad keineswegs vorgedrungen. Daß aber Heinrich von Ulm ohne Kriegsunglück sogleich bis Thüringen zurückgegangen seyn würde, erscheint ebenfalls nicht glaublich. Nach Lünig (Reichsarchiv XXIII, S. 1555, Urk. 1) war er im Januar 1246 in Nürnberg; die hinzugefügte Indiktion V berichtigt aber das Jahr auf 1247. Von da rückte Heinrich wahrscheinlich gen Schwaben vor und starb bald nach der Niederlage. Näheres in Gruneri opusc. I, 38.; ein Fall vom Pferde vermehrte das Übel, und als endlich ein böser Durchfall hinzutrat, starb er, machtlos und ruhmlos, am 17ten Februar 1247Monum. Landgrav. Thür. 827. Lindner onomast. 1464. Vitodur. 3. Gudeni codex I, 593. Staindel zu 1247 erwähnt des Falles vom Pferde. Gassarus 1447. Erfurt. chron. S. Petr. Corner 891. Weiße Gesch. von Sachsen I, 271.. Hiemit war das Übergewicht der Hohenstaufen in Deutschland wiederum entschieden, überall traten ihre Freunde hervor und mancher, der früher ängstlich geschwiegen und den Erfolg abgewartet hatte, suchte itzt durch verdoppelten Eifer die Zweideutigkeit seines Benehmens zu verdecken. Am meisten litten Geistliche und KlösterDie Mönche des Klosters Kappel z. B. retteten sich vor den Verfolgungen der Freunde des Kaisers nach Zürich. Archiv des Finanzraths in Zürich. Urk. von Kappel 247.; selbst dem päpstlichen Abgesandten Philipp verging der Muth und er fürchtete, daß ihn die Bürger der Stadt wo er sich eben aufhieltDie Stadt wo dies geschah, wird nicht genannt., mißhandeln möchten. Deshalb versteckte er sich zuerst in einem Minoritenkloster, wollte aber dann, weil man ihn hier leicht suchen und finden könnte, um jeden Preis die Stadt verlassen. Heimlich brachte ihn der Guardian bis zum Thore, fand dies aber gegen die Erwartung verschlossen, und schon waren alle im Begriff ins Kloster zurückzukehren, als der Legat ein Loch in der Mauer 221 {1247} erblickte, durch welches ein großer Hund hindurchkroch. Aller erhobenen Bedenken ungeachtet beschloß er diesem zu folgen, blieb aber, seiner gewaltigen Dicke wegen, in der Mitte stecken, so daß er weder vorwärts noch rückwärts konnte. Endlich setzte ihm der Guardian, in solcher Angst aller Ehrfurcht vergessend, den Fuß auf das Gesäß und trat so lange zu, bis Philipp hindurch warGuardianus posuit pedem supra nates ipsius et calcavit, etc. Salimbeni 376..
Obgleich der Papst über diesen Wechsel der Ereignisse und darüber sehr betrübt war, daß so viele Anstrengungen und Ausgaben verloren schienen; beharrte er dennoch, jede Aussöhnung verschmähend, auf seinem Plane, und schrieb Briefe und schickte Bevollmächtigte in alle Lande, welche zuerst trösten, und dann zu verdoppelter Thätigkeit auffordern mußtenRaynald. §. 17. Barthol. annal. Petr. Vin. II, 37. Bullae Pontif. ap. Hahn. 38.. Er selbst vergab Lehne in Sicilien und Apulien, als sey er im Besitze dieser Reiche, und warb und sammelte bei Lyon viele Mannschaft, welche, unter Anführung des Kardinals Oktavian, den Mailändern zu Hülfe eilen sollte. Niemand zweifelte, Graf Amadeus von Savoyen, zeither ein gefälliger Freund des Papstes, werde gern den Zug durch die Engpässe der Alpen bewilligen und den nöthigen Beistand leisten. Amadeus erhob indeß, so geschickt als unerwartet, bald diese bald jene Schwierigkeit, bis die päpstlichen Anführer in Geldmangel geriethen und ihre Soldaten auseinanderliefen. Des Grafen Benehmen entstand aber daher daß, nach gepflogenen Unterhandlungen, am 21sten April 1247 ein HeirathsvertragDumont I, 195, Urk. 374. Guichenon hist. de Savoye, preuv. 71. zwischen Manfred, einem Sohne des Kaisers, und Beatrix, der Tochter des Grafen, zu Stande kam, vermöge dessen das Land zwischen Genua, Pavia und den Alpen der Neuvermählten zugesprochen, und die Aussicht auf Belehnung mit dem ganzen arelatischen Reiche 222 {1247} eröffnet wurdeDandolo 356.. Gleichzeitig zog Friedrich mit ansehnlicher Heeresmacht über Pisa nach der Lombardei, was (zusammengenommen mit dem Tode Heinrich Raspes und der Zerstreuung des päpstlichen Heeres) selbst die Mailänder zum Frieden, oder doch zu Unterhandlungen geneigt machteZu einem völligen Frieden, wie Math. Par. 486 erzählt, kam es indeß nicht.. Und noch aufrichtiger erklärte wohl der Kaiser: er sey aller Fehden müde und wolle sich auf billige Bedingungen mit seinen Feinden aussöhnen. Ungeachtet dieser milden Äußerungen gerieth aber Innocenz in große SorgeRayn. §. 11. Estense chron., als Friedrich (dem auch der Dauphin von Vienne itzt befreundet war) mit Mannschaft in Turin anlangte und bekannt machte: er werde zuvörderst nach Lyon kommen und sich rechtfertigen, dann aber nach Deutschland gehn, um Ordnung und Gehorsam wieder herzustellen. – Nur auf Täuschung und Gewalt, erklärte Innocenz, sey es hiebei abgesehen; der König von Frankreich möge die Zerstörung der Kirche nicht dulden und wohl überlegen, was für sein eigenes Reich zu besorgen sey, wenn der Kaiser in Lyon herrsche und Deutschland und Italien auf dieser Seite in seine Gewalt bekommePetr. Vin. II, 49. Martene coll. ampliss. II, 1136, 1139.. Ludwig erklärte sich geneigt den Papst zu schützen und sammelte ein Heer, um nach Lyon, ja, wie Innocenz schreibt, selbst nach Italien gegen den Kaiser zu ziehen. Wenn der Papst aber seiner Danksagung sogleich die Forderung hinzufügt: der König möge, ohne päpstliche Weisung, nicht vorrücken, so müssen wir vermuthen, daß er das Gerücht von dessen Eifer vergrößerte, um den Kaiser zu schrecken; oder daß er dem höchst gerechten Ludwig so wenig überwiegende Gewalt gönnte, als dem feindlichen Kaiser. Auch trat (und dies war vielleicht der entscheidende Grund jener Forderung) um dieselbe Zeit, wohl nicht ohne Mitwirkung des Papstes, ein Ereigniß ein, welches den Kaiser nach 223 {1247} Italien zurückrief und seine Plane auf Lyon und Deutschland vereitelte.
König Enzius belagerte damals Quinzano, eine Burg der Brescianer; Friedrich von Antiochien verheerte PerugiaDandolo 356. Patavin. chron. Lami memor. I, 490.; nirgends hatten die guelfischen Lombarden ein erhebliches Heer im Felde, vielmehr breitete sich die kaiserliche Macht allmählich immer weiter aus. Aber eben diese Verbreitung machte es unmöglich, alles Gewonnene gleichmäßig und genügend zu decken; und hierauf gründeten die aus Parma vertriebenen Verwandten und Anhänger des Papstes den Plan, diese Stadt in ihre Gewalt zu bringen. Sie erfuhren von ihren Mitverschwornen, daß Maria, die Tochter des kaiserlichen Feldhauptmanns Bartholomäus Tavernieri, am 15ten Junius 1247 in Parma mit einem Edlen aus Brescia vermählt würde, und hofften an diesem Freuden- und Fest-Tage die Stadt durch Überfall einzunehmen. Von Piacenza aus zogen die Vertriebenen in tiefer Stille nach Noceto, und erwählten hier Hugo Sanvitale, einen Neffen des Papstes, zu ihrem Anführer. Die wenigen Menschen, welche sich auf der Landstraße befanden, wurden entweder gefangen, oder durch Bitten und eindringliche Vorstellungen über die Gerechtigkeit des Vorhabens gewonnen. Erst als alle ungestört in der Nähe von Parma angelangt waren, drang das Gerücht von der bevorstehenden Gefahr zu den Häuptern, wie zu dem Volke. Alle hatten sich heute sorglos der Freude hingegeben, und vielen, denen die Besinnung nicht schon durch den Wein verloren gegangen war, raubte sie der Schreck. Doch vergaßen Tavernieri und der Podesta Heinrich Testa ihrer Pflicht nicht, sondern eilten, ob sie gleich die Masse der Bürger und Handwerker (denen ein Krieg zwischen den kaiserlich und päpstlich Gesinnten fast gleichgültig war) nicht zu eifrigem Widerstande bewegen konnten, mit ihren Getreuen den Guelfen entgegen. Weil aber der Podesta sogleich beim Anfange des Gefechts getödtet und 224 {1247} Tavernieri schwer verwundet wurde, so geriethen die übrigen in Unordnung, und die deutschen Söldner ließen von diesem Augenblicke ruhig alles geschehen, ohne sich weiter zu widersetzen. Daher siegten die Vertriebenen völlig ob. Albert SanvitaleEr war Sohn einer Schwester Innocenz des vierten und seit 1243 Bischof. Ughelli Ital. sacra II, 178. Salimbeni 247b, 320., des Papstes Neffe, trat wieder als Bischof auf, und der Guelfe Gerhard von CorreggioÜber die Familie der Correggio, Tiraboschi Moden. V, 1. Bonon. hist. miscella zu 1246–1247., ein starker und gewaltiger Mann, ward Podesta der Stadt.
Mit diesem anfänglichen Glücke war allerdings sehr viel, aber doch nicht alles gewonnen: denn König Enzius, Ezelin, Friedrich von Antiochien und alle zeitherigen Freunde des Kaisers setzten sich in Bewegung, um Parma wieder zu erobern. Noch schneller sorgten indeß die Guelfen für eine Hülfsmacht, welche theils der Graf von S. Bonifazio, theils der päpstliche Legat Gregor von Montelongo aus Piacenza und Mailand nach Parma führte. Dieser Kardinal Gregor verstand mehr von Krieg und Kriegslisten, als von geistlichen Dingen, und hielt sich, – während man dies Friedrich II bitter vorwarf –, unbekümmert um sein Gelübde, mehre BeischläferinnenEr meinte: si non caste, tum cante. Salimbeni..
Sobald die Botschaft von diesen Ereignissen dem Kaiser hinterbracht wurde, erließ er allgemeine Schreiben, welche zuvörderst Klagen über Undank und Wortbruch, dann Warnungen und Drohungen, endlich aber auch bestimmte Vorschriften enthielten, daß und wie jeder thätig seyn und zu Wiedereroberung Parmas wirken sollePetr. Vin. II, 5, 37, 40, 41, 42, 44, 49, 58, 59; III, 86, 87; V, 117, 118. Über die Geschenke, welche der Kaiser den Parmensern verliehen, und die großen Rechte, die er ihnen bewilligt hatte, siehe Affò stor. di Parma 381–385.. So wichtig war es dem Kaiser diesen Vorgang zu bestrafen, und die zu großem Nachtheil unterbrochene Verbindung zwischen den 225 {1247} ghibellinischen Städten herzustellen, daß er, obwohl ungern, seinen Plan, nach Lyon und Deutschland zu ziehen, aufgab und schon am zweiten August mit Heeresmacht abendlich vor Parma an der alten klaudischen Straße nahe dem Taro lagerteBussi 408. Affò Guastalla 201 und nach mündlichen Belehrungen des Barons Kustodi in Parma.. Zu ihm gesellten sich Ezelin, König Enzius, Friedrich von Antiochien, Graf Lancia, Markgraf Palavicini, Thaddäus von Suessa, Peter von VineaCamici zum August 1247, Urk. VIII, 51. Patavin. chron. Mongitor bullae 106..
In dieser bedenklichen Zeit offenbarte sich, ob und inwieweit mancher dem Kaiser treu war. Daß Bernardo Rossi, ein Schwager des Papstes, ungeachtet aller ihm von Friedrich erwiesenen Ehre, zu seinen Feinden übertrat, konnte niemand wundern. Desto seltsamer erscheint aber freilich der dafür angegebene Vorwand. Als Bernardo, so erzählt der Franziskaner SalimbeniSalimbeni 293., eines Tages mit dem Kaiser spazieren ritt, strauchelte sein Pferd, und dieser sagte: »Herr Bernardo, ich verspreche euch binnen wenig Tagen ein besser Pferd zu geben, welches nicht straucheln wird.« Das deutete Bernardo sinnbildlich, – auf den Galgen –; und der dem Kaiser abgeneigte Berichtserstatter beweiset aus diesem lächerlich erfundenen Vorwande, oder diesem furchtbar übertriebenen Argwohne, daß der Kaiser keinen Freund zu erhalten verstanden habe! Durch eine zweite Erzählung führt indeß Salimbeni sogleich den Gegenbeweis seiner Behauptung. Hugo Boaterio nämlich, der Podesta von Pavia, war der Sohn einer Schwester Innocenz IV, welche er mehr liebte, als seine übrigen Schwestern zusammengenommenSalimbeni 291. Ghirardacci I, 170. Pansa 52, 69.. Mit Bitten, Versprechungen, Geschenken und auf alle nur ersinnliche Weise suchte der Papst seinen Neffen zum Abfalle vom Kaiser zu bewegen: aber dieser blieb ihm unwandelbar treu, und auf die ergangene Ladung, daß die ghibellinischen Städte Hülfe nach Parma 226 {1247} senden sollten, zog er zuerst und vor allen andern mit den Paviensern in Friedrichs Lager ein. Züge dieser Art mußten den Kaiser über so viele bittere Erfahrungen trösten, und auch der Geschichtschreiber freut sich ihrer, da sie ein milderes Licht in eine Zeit werfen, die sich immer trüber gestaltet; weil der Furchtsame wie der Kühne, der Schwache wie der Mächtige sich immer weiter von allem Rechten und Gemäßigten entfernen, und nur in den gewaltsamsten und zerstörendsten Maaßregeln Hülfe zu finden wähnen. So gerieth die ganze Umgegend von Parma um diese Zeit in die äußerste Noth, und aus der Noth sproßte wiederum so viel Sittenlosigkeit hervor, daß man die wechselseitigen Anstrengungen der Belagerer und Belagerten nur mit halber Freude oder Theilnahme betrachten kann. Ohne kriegerische Bedeckung durfte sich kein Landmann aufs Feld wagen, und Bewachungen dieser Art störten wiederum die Thätigkeit der Bürger in allen benachbarten StädtenSalimbeni 289.. Die Zahl der wilden Thiere, besonders der Wölfe, nahm so überhand, daß sie in die Wohnungen eindrangen, und selbst Kinder ergriffen und würgten. Noch ärger hauseten die sich gleichmäßig vermehrenden Räuber: sie nahmen nicht bloß alles Vorgefundene, sondern knebelten auch die Menschen, oder zogen ihnen die Zähne aus, oder marterten sie auf andere Weise, bis sie sich mit großen Summen löseten. – Ringsum war Krieg, zwischen Bologna und Modena, Genua und den von ihm abhangenden Städten, Verona und Mantua u. a. m. und alle diese Fehden wirkten mehr oder weniger auf die Belagerung von Parma.
Des Kaisers Hoffnung, die weder durch starke Mauern noch tiefe Gräben geschützte Stadt bald zu erobern, schlug durch die Thätigkeit der Bürger fehl; weil aber in der zwischen dem Abfall und der Umlagerung verflossenen kurzen Frist nicht hinreichende Vorräthe von Lebensmitteln eingebracht waren, entstand so großer Mangel, daß man Brot 227 {1247} aus Leinsamen buk und schon an Unterhandlungen mit dem Kaiser dachteParmense chron. Daß es zu förmlichen Unterhandlungen gekommen sey, und der Kaiser sich dabei hart geäußert habe, wie Math. Par. 493, 495 erzählt, ist bei dem Schweigen der übrigen unwahrscheinlich; auch spricht Friedrich (Petr. Vin. II, 37) nur von aufgefangenen Briefen, welche die Noth darstellten und verdeckt auf mögliche Unterhandlungen hinwiesen. Der Papst trieb alle an, Parma zu unterstützen. Cod. Vindob. phil. No. 61, fol. 68; No. 305, fol. 63.. Als dieser indeß entweder eine unbedingte Übergabe verlangte, oder doch die höchste Furcht dadurch erweckte, daß er Gefangene vor Gericht stellen und als Hochverräther hinrichten ließ; so entschloß man sich aufs neue zum äußersten Widerstande, hielt feierliche Betstunden und opferte der heiligen Maria, der Retterinn, die Stadt Parma in Silber so dargestellt, daß man die Hauptgebäude deutlich unterscheiden konnte. Dennoch wurde die aus Mantua zum Entsatze der Stadt herbeiziehende Hülfsmannschaft vom Könige Enzius völlig geschlagenSalimbeni 291, 292. Daß auch ein naher Verwandter des Papstes von Enzius gefangen und aufgehängt worden, wie Math. Par. 488 erzählt, ist nicht wahrscheinlich, da alle übrigen Schriftsteller, selbst Salimbeni, schweigen., und fast gleichzeitig, am achten September 1247, mißglückte ein ähnliches Unternehmen der Guelfen wider Florenz, durch die Thätigkeit der Ghibellinen und Friedrichs von AntiochienPetr. Vin. II, 40, verglichen mit Villani VI, 23 und Malespini 137, zeigt, daß diese Unruhen in Florenz auf den Herbst 1247 fallen. Der Tag S. Maria Candellaja ist wohl U. L. Frauen Laterntag, das heißt nach Hellwig, Mariä Geburt..
Während sich das Glück auf diese Weise für den Kaiser zu erklären schien, war der Kardinal Oktavian Ubaldini (aus Mugello bei Florenz gebürtig), nachdem er mit Heeresmacht die savoyischen Alpen nicht hatte übersteigen können, auf Umwegen und mit sehr wenigen Begleitern nach Mailand gekommen, um hier für Parmas Rettung zu wirken. Manche aber meinten, es sey ihm, als einem 228 {1247} heimlichen Anhänger des Kaisers, damit keineswegs ein rechter Ernst; ja bei einem feierlichen Aufzuge schrie jemand laut: »macht Platz für den Mann, welcher den römischen Hof verräth!« Oktavian, welcher die schwache Seite solcher Volksredner kannte, ließ ihn nicht strafen, wodurch er erst Bedeutung erhalten hätte; sondern gab ihm Geld, und nun stieg derselbe Mensch auf eine Anhöhe, pries die Eigenschaften des Kardinals und sagte: niemand sey würdiger des päpstlichen StuhlesSalimbeni 371. Malvecio 915. Ourdella I, 2, 273. Cereta.. Zunächst zeigte Oktavian sich wenigstens tüchtig für die erhaltenen Aufträge: denn er sammelte Mannschaft und erneute den Muth der Bürger von Mantua und Ferrara dergestalt, daß sie die Brücke und das Pfahlwerk bei Bresello am Po erstürmten und, trotz alles Widerstandes der überraschten Gegner, große Vorräthe von Lebensmitteln nach Parma brachten. Die Bürger hofften, daß der Kaiser nach diesem Ereignisse, und weil üble Nachrichten aus Deutschland einliefen, bald die Belagerung aufheben werde: allein er meinte, jeder Wechsel der Plane schwäche nur die Macht, und ließ zum Beweise seiner Beharrlichkeit und seines festen Entschlusses Parma zu bezwingen, abendlich von der Stadt, nach der Seite von Borgo S. Donnino hin, Straßen abstecken, Häuser erbauen, Mühlen anlegen, Mauern errichten und tiefe Gräben ziehen. Mit unglaublicher Schnelligkeit und durch die höchste Anstrengung erhob sich hier, nach des Kaisers Willen, eine neue Stadt, welche auf Parmas Trümmern zu ungeahneter Größe hinanwachsen sollte. So sicher hielt man sich des Erfolgs, daß man die neue Stadt Vittoria, und die hier geschlagenen Münzen Vittorinen nannteBonon. hist. misc. zu 1247.. Im Winter (denn alle wechselseitigen Anstrengungen hatten bis dahin keine Entscheidung herbeigeführt) begaben sich mehre Bundsgenossen der Parmenser wie des Kaisers, zu einstweiliger Erholung in ihre Heimath; er selbst blieb in Vittoria, und zeigte hier so viel Eifer und Thätigkeit, wie der 229 {1247} päpstliche Abgeordnete Gregor von Montelongo in Parma. Wenn andere Mittel fruchtlos blieben, suchte dieser auch durch List für seine Zwecke zu wirken. So ließ er z. B. heimlich durch Bettelmönche Briefe voll guter Nachrichten schreiben und in zahlreicher Tischgesellschaft von staubigen Boten überreichen, was die Ängstlichen nicht wenig ermuthigte, und die etwa kaiserlich Gesinnten schreckteSalimbeni 292, 372, 373. – Gerhard von Kanale, ein angesehener Ritter aus Parma, diente im Heere des Kaisers; die Parmenser rissen jedoch seine Häuser und Thürme nicht nieder, entweder weil er mit ihnen im Einverständnisse war, oder sie ihn verdächtig machen wollten. Da sagte Friedrich zu ihm: »Herr Gerhard, die Parmenser lieben uns sehr, denn während sie die Gebäude der Stadt zerstören, verschonen sie die Thürme meiner Freunde und meinen Palast auf dem großen Platze.« Gerhard antwortete so wie er glaubte, daß es dem Kaiser angenehm sey. Bald nachher kam der Franziskaner Salimbeni, welcher überall für die Guelfen wirkte, heimlich zu Gerhard, und nun rühmte sich dieser, wie nützlich er stets den Parmensern gewesen sey. Salimbeni antwortete aber: »seyd entweder ganz für den Kaiser, oder ganz für uns; das Hinken nach zweien Seiten wird euch nicht frommen.« Und so geschahs: dieser Ereignisse, Besuche, Reden und wahrscheinlich noch ungetreuerer Thaten halber, wurde Gerhard bald nachher als ein Verräther verurtheilt und mit einem Mühlsteine am Halse ins Meer geworfen.
Während der ersten sechs Wochen des Jahres 1248 geschah nichts Erhebliches: denn die Parmenser waren außer Stande angriffsweise zu verfahren, und eine schwere Krankheit Friedrichs lähmte alle Thätigkeit im kaiserlichen Heere. Erst am 18ten Februar war er so weit hergestellt, daß er sich mit zahlreicher Begleitung in die, etwa drei Miglien von Vittoria, entfernten Niederungen des Taro begeben und durch Falkenjagd erholen konnte. Aber auch die in Vittoria Zurückbleibenden hielten diesen Tag für einen Festtag und 230 {1248} überließen sich sorglos manchen ZerstreuungenVillani VI, 34.. Das mochte nach Parma heimlich berichtet seyn; wenigstens gelang es Bakkalupo, einem im Dienste der Stadt stehenden Mailänder, den Legaten, die Obrigkeiten und die Einwohner zu einem allgemeinen Ausfalle zu bereden, obgleich ein Theil der besten Mannschaft gen Bresello gesandt war. »Die heilige Jungfrau, das Feldzeichen ihrer Fahnen, möge sich,« so flehten alle in brünstigem Gebete, »der Unterdrückten annehmen und sie aus den Händen des wüthenden Drachen befreien, der sie zu verschlingen drohe.« – Fast unbemerkt erreichten die Parmenser Vittoria, und als man sie endlich gewahrte, soll Thaddäus von Suessa (welcher an des Kaisers Stelle befehligte) in zu großem Vertrauen, oder um der Mannschaft Muth zu machen, gesagt habenMath. Par. 499.: »so sind also die Mäuse aus ihren Löchern hervorgekommen.« Ehe sich aber die Kaiserlichen waffnen und ordnen konnten, wurden sie mit der größten Heftigkeit angegriffen, und sogar Weiber, welche sich dem Zuge beigesellt hatten, zogen Ritter mit Wollkämmen und Sicheln, die an Stangen befestigt waren, von den Pferden herab. In demselben Augenblicke verbreitete sich aus einigen angezündeten, wahrscheinlich hölzernen Häusern Vittorias eine furchtbare Feuersbrunst mit solcher Schnelligkeit nach allen Seiten, daß man den Tod durch die Flammen fast noch mehr fürchten mußte, als durch das Schwert. Thaddäus von Suessa, welcher muthig vorkämpfte und verständig ordnete, stürzte schwer verwundet danieder, und kein anderer konnte ihn ersetzen. Von Ordnung und Widerstand war seitdem nicht mehr die Rede, und weil jeder nur daran dachte sich selbst zu retten, geriethen fast alle ins Verderben.
Von diesen schrecklichen Unfällen hatte der Kaiser keine Kunde, keine Ahnung, bis er in der Gegend von Vittoria einen gewaltigen Rauch erblickteJoh. Judicis chr.. So schnell er aber jetzt auch zurückeilte, er fand die Stadt bereits 231 {1248} niedergebrannt und das Heer geschlagen. In Cremona sammelte er die geringen Überreste desselben. An 1500 sollen getödtet, an 3000, und unter ihnen die gesammten Hofbeamten und Kämmerer des Kaisers, gefangen worden seynRoland. Patav. V, 22. Barthol. annal. Galvan. Flamma zu 1148, c. 282. Über die Zahl der Gefangenen und Getödteten finden sich Abweichungen. Memor. Regiens. 1115. Ghirard. I, 170. Monach. Patav. Johann. de Mussis. Mediolan. ann. Cereta. Ricobaldi hist. imper. 131. Sanese chron. 27. Bazano 563. Ricciardi vita 131..
Die Beute war über alle Erwartung groß, und bestand nicht bloß in Waffen, Zugthieren, Zelten, Gepäck und ähnlichen Dingen; sondern man nahm auch den Fahnenwagen der Cremoneser, die kaiserlichen Stirnbinden, das Reichssiegel, den Zepter und die KroneSavioli III, 2, 644.. Diese von Golde, mit Edelsteinen besetzt und durch die schönsten getriebenen, halberhabenen Kunstarbeiten geschmückt, ward von einem kleinen Manne gefunden, den man seiner lächerlichen Gestalt wegen gewöhnlich Kurzbein nannteSalimbeni 294.. Er setzte die Kaiserkrone auf seinen Kopf, andere hoben ihn auf ihre Schultern und so zog man unter lauter Verspottung Friedrichs in Parma ein. Die Stadt kaufte jene Krone für 200 Pfund, und ließ die gefundenen Bilder und Reliquien in der Sakristei der Hauptkirche niederlegen. Jeder lieferte die eine Hälfte seiner Beute in die öffentliche Kasse ab, wobei es (ein Beweis der großen Freude und der guten Gesinnung) zu gar keinem Streite kam. Überhaupt vergaßen die Parmenser in ihrem Glücke der Demuth nicht, sondern schrieben an ihre Verbündeten: »nur Gott gebühre die Ehre des Sieges.« Sie ließen für die Hauptkirche ein Gemälde fertigen, welches die heilige Jungfrau, den heiligen Hilarius und Johannes den Täufer vorstellte und die Inschrift trugFiorillo II, 338.: »die Feinde fliehen, denn die Jungfrau schützt Parma.« – Des Papstes FreudeInnocenz sagte: ad laudem Christi, Victoria victa fuisti. Math. Par. 499. Pansa 42. Cod. Vindob. phil. No. 61, fol. 32. war so groß, als des Kaisers Schmerz; 232 {1248} ja dieser litt nicht bloß als Kaiser, sondern fühlte sich noch tiefer verwundet als Mensch. Sein edelster Diener, sein treuster Freund, sein muthigster Vertheidiger, Thaddäus von Suessa war, durch Blutverlust dem Tode nahe, von den Parmensern gefangen wordenDie Nachrichten über Thaddäus lauten sehr verschieden: in dem Schreiben der Parmenser an die Mailänder (Math. Paris addit. 107) heißt es: interfecimus Thaddaeum. Das chron. Parm. sagt: In captura Parmensium remansit semivivus cum manibus amputatis. Math. Par. 495, 499 erzählt von Thaddäus strengen Rathschlägen, der süßen Beredsamkeit &c. und schließt: ipsum in frusta conciderunt. Alle Quellen, auch Barthol. annal., Bazano 563., Tommaso de Masi 192., Granata regguaglio, setzen seinen Tod hieher; so daß Spinellis Bericht S. 1067, wonach er im August 1250 noch lebte, ganz unglaublich wird.. Er sey, so glaubten mehre, der Urheber aller strengen Maaßregeln gegen die Stadt; seine honigsüße Beredsamkeit, so warnten böswillig andere, verführe auch die Besonnensten. Daß er bereits beide Hände verloren hatte, erweckte kein Mitleid, man hieb ihn in Stücken! 233